Betrieb und Gewerkschaft

Frisch gekämpft ist halb gewonnen!

Nikita Tarasov

JungärztInnen traten am 12. Jänner das erste Mal seit 40 Jahren in einen englandweiten Streik. Am 10. Februar folgte der zweite 24-Stunden Streik. Es geht darum, angekündigte Veränderungen in den Arbeitsverträgen aufzuhalten. Die Regierung plant noch längere Arbeitszeiten für ÄrztInnen (bis zu 72 Stunden pro Woche). Ausgelaugte ÄrztInnen sind kranke ÄrztInnen und auch für die Sicherheit von PatientInnen ist das ein Risiko. 97% der JungärztInnen haben für die Streikaktionen gestimmt – das zeigt die Wut und die Ablehnung der „Reformen“.

Die konservative Regierung setzt auf Sozialabbau, Privatisierung und gewerkschaftsfeindliche Gesetze. Dagegen ist es wichtig, den Widerstand auszubreiten. Gewerkschaften, PatientInnen etc. müssen sich in die Bewegung einbinden. PflegerInnen in Ausbildung gehen hier mit gutem Beispiel voran. In Solidarität mit den Kämpfenden stießen sie am Tag des Streikes zu den Streikpostenketten. Solidarische Unterstützung kam auch aus anderen Bereichen. In Royal Stoke brachte die Feuerwehr Essen und Getränke zu den Kundgebungen der Streikenden. Joe C., Ex-Minenarbeiter, der sich an den Streiks 1984/85 beteiligte, kam mit seiner ganzen Familie. Die Streikposten in Leicester, aber auch in dutzenden anderen Städten, wurden solidarisch von AktivistInnen der Socialist Party (Schwesterorganisation der SLP) unterstützt, vorbeifahrende Busse und Autos hupten, um Solidarität zu zeigen. So geht streiken!

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Sozialarbeit gegen Sozialstaat

Ein Zivildiener

Seit Herbst '15 bin ich Zivildiener. Ich arbeite im Kindergarten, und in diesem Umfeld aus „Spiel und Spaß“ vergeht die Zeit wie im Fluge. Natürlich ist die Arbeit trotzdem sehr anstrengend und ich bin auch nach angenehmen Arbeitstagen immer sehr froh über den Feierabend.
Der Einblick in den Beruf ist eine wertvolle Erfahrung, aber dafür muss man auch auf eine Menge Geld verzichten: Der Lohn fällt für Zivildiener recht bescheiden aus. Mein Stundenlohn von 2,50 Euro ist jedenfalls keine große Motivation, täglich um sechs Uhr in der Früh aus dem Bett zu springen! Da kommt selbst bei den 40 Stunden, die ich wöchentlich aktiv bei den Kindern bin, nicht viel zusammen.
Meine Vorgesetzten geben offen zu, dass sie sich durch die Zivildiener die Löhne für ordentlich angestellte, ausgebildete PädagogInnen sparen. So wurde ich des Öfteren gebeten, mir in den Weihnachtsferien nicht frei zu nehmen, da man ansonsten eineN PädagogIn bezahlen müsste. DieseR würde Zuschläge bekommen, während an meinen 2,50 Euro nicht gerüttelt werden muss. Der Staat und die Trägervereine kürzen. Dass das letztendlich auf Kosten der Kinder geht, wenn ausgebildete PädagogInnen durch Zivildiener ersetzt werden, wird kaum vor einem verheimlicht. Wieso sollte es auch? Schließlich bekommt im Kapitalismus auch sonst niemand Arbeit, wenn nicht irgendwer daran verdient.

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„Wir sind sozial, aber nicht blöd!“

Jan Millonig

Der Kollektivvertragsabschluss (Lohnerhöhung 1,35-1,4 %, keine Arbeitszeitverkürzung) im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich ist für die Beschäftigten eine Katastrophe. Obwohl die BetriebsrätInnenkonferenz in Wien sogar der Forderung nach 7 % (mindestens 200 €) zugestimmt hat, ist nichts dafür getan worden.

Die SLP hat die Initiative „Wir sind sozial, aber nicht blöd!“ mit gegründet, die sich aktiv für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit, mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen einsetzt. Im Gegensatz zur Gewerkschaft hat diese Kampagne KollegInnen an der Basis mobilisiert und eingebunden. Mit einer Unterschriftenliste haben wir auf die Forderungen aufmerksam gemacht, auch um Druck auf die Gewerkschaftsführung aufzubauen, damit diese endlich die Wut der Beschäftigten in Kampfmaßnahmen umsetzt.

In Linz hat die SLP zwei Kundgebungen organisiert. Die Zustimmung war groß. Wir trafen Beschäftigte und Betroffene, die unterschrieben und sich Unterschriftenlisten mitnahmen, um in ihren Einrichtungen weiter zu sammeln. Wir beteiligten uns auch an einer Kundgebung einer Plattform von Menschen mit Behinderung. Gefordert wurde die Ausfinanzierung des ausgebluteten Behindertenbereichs in Oberösterreich. Wir betonten die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes von Beschäftigten und Betroffenen – für mehr Geld durch die Politik, für mehr Beschäftigte, für höhere Löhne. AktivistInnen der SLP besuchten u.a. auch den Verein GIN (Gemeinwesenintegration und Normalisierung) und das Pflegeheim Brigittenau in Wien, um für die Forderungen Unterstützung zu gewinnen. Die Unterschriftenliste erhielt viel Zuspruch unter den KollegInnen. Zuletzt hat „sozial, aber nicht blöd“ auch eine Aktion vor der letzten Verhandlungsrunde gemacht, um den VerhandlerInnen klar zu machen, dass wir uns einen schlechten Abschluss nicht leisten können.

Die Aktionen und die große Zustimmung unter den KollegInnen zeigen, dass eine Kampagne der Basis möglich ist. Das ist der einzige Weg aus dem Teufelskreis von faulen Kompromissen. Nur gemeinsamer Widerstand von unten kann echte Verbesserungen erkämpfen. Die Strategielosigkeit der Gewerkschaftsführung schafft nur Niedriglohnsektoren, Burn Out-Arbeitsplätze und prekäre Beschäftigungsverhältnisse.

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Zur Kasse gebeten

Die Gastronomie versucht, die Beschäftigten für ihre Zwecke zu missbrauchen – einmal mehr.
Sonja Grusch

Seit Anfang des Jahres gilt die „Registrierkassenpflicht“. Zu jedem Cafe oder Mittagessen sollte es jetzt einen Kassabon geben. Die Gastronomie schäumt, das würde den Tod vieler Betriebe bedeuten. Im Wesentlichen geht es darum, die im Gastgewerbe weit verbreitete Praxis der umfangreichen Steuerhinterziehung (30% und mehr) zu reduzieren. Auch bei der – für die Betriebe steuer- und sozialversicherungsschonenden - Schwarzarbeit ist die Gastronomie einsame Spitze. Da die neuen Kassen nicht nur mit 200.- gefördert, sondern auch von der Steuer abgeschrieben werden können richtet sich die Aufregung v.a. dagegen, dass nun „normal“ Steuern bezahlt werden muss. Zum Vergleich: Unselbstständig Erwerbstätige haben gar nicht die Chance, Steuern zu hinterziehen. Das können nur Selbstständige/Unternehmen!

Bemerkenswert ist, dass die Gastronomie die Beschäftigten als Opfer der Registrierkassenpflicht darstellt. Tatsächlich sind die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie eine Katastrophe. Ein Stundenlohn von rund acht Euro, Nacht- und Wochenendarbeit sind die Regel. Den ganzen Tag auf den Beinen, Stress und für Frauen sexuelle Belästigung in großem Umfang. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten ist mit dem Einkommen unzufrieden. Verantwortlich dafür sind die UnternehmerInnen die wohl auch froh darüber sind, dass grad mal 19% der Betriebe einen Betriebsrat haben. Sie fordern noch mehr „Flexibilität“ bei der Arbeitszeit (also Arbeit auf Abruf).

Gerade jetzt ist es wichtig klar zu machen, dass eventuelle Mehrarbeit durch mehr Personal bzw. mehr Gehalt abgeglichen werden muss. Wenn Unternehmen behaupten, sie „müssten“ nun weniger bezahlen bzw. die Beschäftigten noch mehr auspressen, dann müssen die gesamten Firmenunterlagen von Beschäftigten und GewerkschaftsvertreterInnen untersucht werden um zu sehen, wo das Geld geblieben ist. Nicht Beschäftigte & Chefs gegen das Finanzamt, sondern Beschäftigte & Gewerkschaft gegen Ausbeutung – das muss die Devise sein!

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Interview mit einem Beschäftigten in der Systemgastronomie

Anonym

Du arbeitest bei einer Fast-Food-Kette, wie ist die Atmosphäre im Betrieb?

Es ist eine extrem belastende Arbeit – psychisch wie auch körperlich. Wenn man Glück hat, kommt man nach acht Stunden nach Hause, hat man Pech, dann können es auch zehn werden. Wie auch immer, nach der Arbeit spürt man jeden einzelnen Knochen. Die 6,90€/Stunde machen es nicht erträglicher und dementsprechend ist auch die Stimmung. Steht man mit KollegInnen im Belegschaftslift, kommt es oft vor, dass alle mit der Stirn an der Wand lehnen und es nicht mehr packen.

 

Betriebsräte und Gewerkschaften sind schwach in der Branche, führt das zu Schwierigkeiten?

Klar. Erst vor kurzem habe ich erfahren, dass wir überhaupt einen Betriebsrat haben – er ist Manager. KollegInnen müssen trotz Krankschreibung in die Arbeit gehen, weigern sie sich, kommt es vor, dass einem mit Kündigung gedroht wird. V.a. migrantische KollegInnen sind leichter erpressbar und gehen dann öfter krank arbeiten. Ich würde mir wünschen, dass die Gewerkschaft etwas unternimmt, um uns zu organisieren und für höhere Löhne zu kämpfen. Die Bereitschaft wäre da, wir würden sofort streiken, wäre die Gewerkschaft dabei, um uns vor Kündigungen zu schützen!

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Zielpunkt: Das dicke Ende kommt noch!

Zielpunkt-Beschäftigte zahlen Preis für Pleite: Doch das ist erst der Beginn einer größeren Krise.
Christian Bunke

„Das waren die beschissensten Weihnachten überhaupt.“ So fasst eine Zielpunkt-Kollegin die Stimmung in einem Interview für die SLP zusammen. Und beschissen geht es weiter. Die Hälfte aller Filialen sperrt zu. Die Zukunft für den Rest ist unklar.

Den KollegInnen fehlen Informationen. Gerüchte schwirren umher. Viele hoffen, für mindestens ein Jahr weiter arbeiten zu können. Dem stehen u.a. Aussagen der Wiener GPA Landesgeschäftsführerin Barbara Teiber entgegen: „In den kommenden Wochen werden alle Filialen geschlossen und alle Dienstverträge beendet. Es betrifft alle Filialmitarbeiter, denn es gibt keine Garantie, dass ein neuer Betreiber die Belegschaft einfach mit übernimmt.“

Die Rolle der Gewerkschaft war und ist katastrophal. GPA-Chef Katzian & Co. sind rücktrittsreif. Anstatt für die gefährdeten Jobs zu kämpfen haben sie die Pleite verwaltet. Auch die Verhandlungen für einen Sozialplan für die KollegInnen bei Pfeiffer Logistik und Pfeiffer Holding sind gescheitert. In Krisenzeiten bringen sozialpartnerschaftliche Verhandlungen nichts. Die Forderung, das Vermögen von Pfeiffer heranzuziehen, hat die Gewerkschaft nicht aufgestellt.

Es gab schon erste Folgepleiten, darunter Fleischproduzent Schirnhofer. Die Schirnhofer Holding hat 6.6 Millionen Euro Schulden, unter anderem bei der Stadt Wien! Erst im Februar wird man wissen, wie viele andere Unternehmen von der Zielpunktpleite mitgerissen werden. Es wird weitere Jobverluste geben. Was sagt Katzian? „Für die Beschäftigten ist das natürlich bitter.“ Bitter ist auch hier, dass von den Gewerkschaften nichts zur Sicherung der Jobs unternommen wird.

Dabei könnte die Gewerkschaften mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn in den Kampf ziehen. Das schafft Jobs im Handel und entlastet überarbeitete KollegInnen. Diese und andere Forderungen könnte man zunächst in einer Strategiekonferenz für Beschäftigte und KundInnen vorstellen und diskutieren, gefolgt von Betriebsversammlungen und weiteren Kampfmaßnahmen.

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Pfeiffer enteignen – Jobs retten!

Zielpunkt-Besitzer Pfeiffer hat laut Trend ein Privatvermögen von 700 Millionen Euro. Auf der Liste der reichsten ÖsterreicherInnen steht er auf Platz 43. Hier liegt das Geld, das den entlassenen KollegInnen jetzt fehlt. Bei den Niedriglöhnen im Handel können sie von solchem Reichtum nicht mal träumen – obwohl sie den Reichtum erarbeitet haben. Das hätten die Gewerkschaften aufgreifen müssen.

 

Auf den österreichischen Handel rollt eine Krise zu. Rainer Will, Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbandes, dazu: „Der Handelsverband weist schon länger darauf hin, dass sich die Marktspielregeln ändern und sich 80.000 der 326.000 Stellen im Einzelhandel auch wegen der Online-Marktverlagerungen im Wesen wandeln werden.“ Vor allem auf dem Land sind schon viele Nahversorger zu.

 

Die Gewerkschaft hat keinen Widerstand der Beschäftigten organisiert. Eine Kollegin: „Die Gewerkschaft hat uns Honig ums Maul geschmiert, damit wir arbeiten bis zum Schluss.“ Und: „Der Betriebsrat hat gewusst, dass es kriselt, aber wir nicht.“ Wir brauchen endlich demokratische Strukturen in den Gewerkschaften. Sofortige Abwahl aller FunktionärInnen, die ihre KollegInnen nicht ordentlich vertreten.

 

Rewe, Spar und Hofer haben gemeinsam einen Marktanteil von 85%. Zielpunkt war ein vergleichsweise kleiner Fisch. Und doch wird die Marktkonzentration zunehmen. Das kann für die KundInnen Preissteigerungen bedeuten. Warum sollen wir uns durch ein Handelskartell erpressen lassen? Sofortige Verstaatlichung der großen Handelskonzerne mit demokratischer Kontrolle durch Beschäftigte und KundInnen.

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Antifaschistische Arbeit ist Gewerkschaftsarbeit.

Der ÖGB erweckt oft den Eindruck, als ob Antifaschismus Sache linker Studis und nicht der ArbeiterInnenbewegung sei. Aber das Mobilisierungspotential und die Gewaltbereitschaft von Rechtsextremen nehmen zu, und ihre Opfer sind v.a. ArbeiterInnen und Arme. Identitäre und Nazi-Hools, die MigrantInnen auf der Straße angreifen, und die FPÖ, die sie zum Sündenbock für soziale Probleme macht, sind zwei Seiten einer Medaille. Die etablierte Rechte im Parlament versucht, durch Spaltung der ArbeiterInnen nach ethnischen Linien das Proletariat zu trennen. Und Identitäre & Co ziehen die Schlussfolgerungen auf der Straße.
Es ist kein Zufall, dass sich einer der schwersten rechtsextremen Überfälle der letzten Jahre gegen türkische GewerkschafterInnen richtete. Die organisierte ArbeiterInnenbewegung ist die Kraft, die den Faschismus wirklich stoppen kann – und ist daher auch ein Hauptziel von Faschisten. Neue faschistische Parteien wie die Goldene Morgenröte in Griechenland greifen nicht zufällig gerade GewerkschafterInnen und ArbeiterInnen an.
Eine Gewerkschaftsstrategie, die den Siegeszug der Rechten vom schon salonfähigen Strache bis zu den noch nicht salonfähigen Identitären aufhalten soll, muss diese Teile-und-Herrsche-Strategie unterbinden, indem sie Klassenbewusstsein gegen Rassismus stellt. Sie muss zeigen, dass österreichische wie migrantische ArbeiterInnen gemeinsame Interessen gegenüber den österreichischen KapitalistInnen haben. Und dass die Rechten nicht die Kraft sind, die diese Interessen für sie erkämpfen. Das wird nur funktionieren, wenn die Gewerkschaften antifaschistische Aktionen nicht ignorieren und studentischen Milieus überlassen, sondern sich selbst an ihre Spitze stellen."

 

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„So, Herr Pfeiffer, geht's nicht!“

Interview mit Brigitte S., ehemalige Beschäftigte bei Zielpunkt Wien

Wie hast du erfahren von der Zielpunkt-Insolvenz?

Das war der Oberhammer: da ist ein Lieferant gekommen und fängt an 'Tut mir leid, dass ich heut später komm, aber ich hab grad gehört, ich komme heute das letzte Mal, ich komme mich verabschieden.' Das war, bevor WIR von der Insolvenz wussten. Wir haben es dann erst am Abend, aus den Medien, erfahren. Wir haben zuerst geglaubt, dass ist ein Scherz von dem Lieferanten, der macht immer Scherze. Aber als wir es dann erfahren haben - wir haben gar nicht gewusst, was tun? Wir waren wütend, traurig, ratlos, alles auf einmal, alles vermischt.

Ihr habt dann noch mehrere Wochen lang weiter gearbeitet – wie war das?

Man fühlt sich total verarscht. Unsere Filiale ist noch Mitte November saniert worden, andere Filialen sogar noch im Dezember! Aber wie dann Lampen kaputt geworden sind, sind die nicht mehr repariert worden, wir haben ein Monat ohne ordentliches Licht arbeiten müssen. Wir in der Filiale, wir haben das bis zum Schluss, ohne das irgendwer im Krankenstand war, wir haben das gemeinsam durchgezogen. Aber wir waren extrem traurig. Als das mit den Prozent gekommen ist, minus 30%, minus 50%: die Leute kaufen alles leer, du kannst nur nachräumen. Das geht ja auf die Psyche! Da siehst du, wie die ganze Ware draußen ist, einmal hat man Milch, einmal nicht, einmal Brot, einmal nicht. Viele Kunden waren verständnisvoll, aber andere haben sich aufgeregt, dass wir was nicht mehr haben. Trotzdem musst du nett und freundlich sein. Da rotiert alles im Hirn, wie geht es weiter, wie zahlst die Rechnungen. Und trotzdem muss man nett und freundlich sein. Uns ist es furchtbar gegangen, aber wir haben trotzdem gearbeitet. Das Ganze war sehr nervenaufreibend. Ich bin ja gerne hingegangen, da kommt einem dann schon das Heulen. Viele Kunden haben auch Angst weil sie nicht mehr wissen, wo sie einkaufen sollen, die sind ja angewiesen darauf. Grad ältere Leute oder Schulkinder, das stimmt ja nicht, dass es zu viele Supermärkte gibt, das ist ja ein Holler. Und zum Abschluss haben wir dann noch alles schön putzen dürfen.

Natürlich haben wir geschimpft. Uns ist es ja extrem dreckig gegangen. Wir müssen arbeiten, das hat uns auch die Gewerkschaft gesagt, also hat sich auch keine getraut, in Krankenstand zu gehen.

Warum habt ihr bis zum Schluss gearbeitet?

Jeder hat bis zum Schluss gearbeitet in der Hoffnung, dass man übernommen wird. Viele glauben, dass in den Filialen, die übernommen werden, die Leute für ein Jahr behalten werden (Anmerkung: da stimmt nicht), ob das stimmt, das werden wir dann sehen. Da bleibt man natürlich weil man hofft, der Job geht weiter. Die Info, welche Filialen übernommen werden haben wir erst spät bekommen. Damit hat man uns bei der Stange gehalten. Wir haben nie erfahren, wie es wirklich ausschaut. Wir haben ja alle gehofft bis zum Schluss. Viele von uns sind ja ewig dabei, manche kommen noch vom Löwa. Aber man sollte doch ehrlich miteinander umgehen, so wie das abgelaufen, ist das war absolut nicht ehrlich. Ehrlichkeit wäre schon super gewesen!

Bei der Betriebsversammlung (Anmerkung: mit VertreterInnen des Betriebsrates, der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft), die haben uns auch Honig ums Maul geschmiert, damit wir brav arbeiten bis zum Schluss. Alle, die dort waren bei der Versammlung, alle. Wir hätten die Wahrheit hören wollen, aber sie haben uns ruhig gestellt mit ihren Argumenten, damit wir bis zum Schluss arbeiten. (Anmerkung: Die Gewerkschaft hat in den Betriebsversammlungen betont, dass eine Arbeitsverweigerung ein Bruch des Arbeitsvertrages wäre der ja trotz Insolvenz aufrecht ist).

Die Betriebsrätin, die verdient soviel wie ein Politiker, das haben wir dann auch über die Medien erfahren. Warum verdient die soviel? Sie hat sich dafür eingesetzt, dass wir unsere Löhne bekommen. Das hohe Gehalt, das ist auch nicht gut, weil da konnten die dann auch auf sie losgeht. Ein Betriebsrat sollte den Kollektivvertrag kriegen, aber nicht mehr.

Was hast du dir erwartet vom Betriebsrat bzw. der Gewerkschaft?

Der Betriebsrat hat gewusst, dass es kriselt, aber wir nicht. Dass hat sie ja zugegeben, dass sie das gewusst hat. Sie wollten ja mit dem Herrn Pfeiffer reden, aber das ist dann nicht zustande gekommen und dann ist verkündet worden, wir sind in Insolvenz. Die Gewerkschaft und der Betriebsrat, die hätten ihn da zurückpfeifen müssen. Die hätten sich mehr dahinter klemmen sollen, dass es eine Lösung gibt. Die haben ja ganz andere Möglichkeiten als wir! Dass muss ja wohl möglich sein! Wir hätten uns ja irgendwie bemerkbar machen müssen, es geht ja um unsere Jobs.

Der Katzian im TV (Anmerkung: Bei der Sendung im Zentrum), der hat uns nicht raus gerissen. Einen passenden Satz, und dann hat er über Sachen geredet, die uns wurscht sind. Die haben dann ewig über online einkaufen geredet. Der hätte ihm anders die Meinung sagen sollen! Uns fragt ja auch keiner, wie wir grad zu Weihnachten auskommen.

Für viele ist das jetzt ein Schock, wir stehen ja vor dem Nichts. Die hätten viel früher was tun sollen! Ich wäre gerne auf die Protestaktion gekommen (Anmerkung: beim Handelsgericht am X.12.2015), hab aber arbeiten müssen. Aber die meisten trauen sich nicht. Wenn die Gewerkschaft dazu aufgerufen hätte war das vielleicht anderes gewesen, aber die hätte das nicht gemacht. Ich hätte ja die ganzen Filialen geschlossen, aus Protest.... Wir hätten irgendwas machen sollen: So Herr Pfeiffer, geht es nicht!

Der Zielpunkt-Besitzer Pfeiffer gehört zu den reichsten Menschen in Österreich, wie gehst dir damit?

Wie der Peiffer im Fernsehen gesagt hat, er würd' uns ja gern was geben, aber er darf nicht. Das war eine Frechheit, eine Sauerei! Wie kann einer, der so reich ist, ein Insolvenz hinlegen? Der ist schwer im Geld und dann das!? Ich glaub nicht, dass er uns wirklich was geben wollte. Wenn der Pfeiffer zu uns in die Filiale gekommen wäre, das wäre keine gut Idee gewesen. Ich glaub, dann hätte ich die Fristlose gekriegt...

So wie er es gemacht hat, das war die Verarsche, er hat sich uns gegenüber nicht korrekt verhalten!

Der Pfeiffer, der hat sicher genug an uns verdient. Das ist Existenz vernichtend, was der gemacht hat. Aber er lebt jetzt gut mit der Insolvenz! Der hat sicher super Weihnachten gehabt, Kavier oder Ente oder so...

Unsere Filiale ist komplett zu gemacht worden, wir wurden nicht übernommen. Wir sind neun Frauen zwischen 24 und 48. Wir schätzen unser Chancen am Arbeitsmarkt extrem schlecht ein. Es gibt eh schon so viele Arbeitslose, jetzt gibt’s noch mehr. Beim AMS machst einen Kurs nach dem anderen, sammelst deine Unterlagen, aber kannst nix damit machen, aber aus der Statistik bist draußen.

Das waren die beschissensten Weihnachten überhaupt. Ich hab meinem Sohn erst jetzt (Anfang Jänner, Anmerkung) sein Geschenk geben können. Wir haben ja Glück gehabt, dass die Löhne vor Weihnachten ausbezahlt wurden. Wobei sich da keiner wirklich auskennt, jeder hat was anderes gekriegt, manche haben alles gekriegt, bei manchen hat das eine oder andere gefehlt. Mit der Bezahlung der Gehälter war dann der Überziehungsrahmen (Anmerkung: die Banken hatten zugesagt, bei den Zielpunktbeschäftigten einen kostenlosen Überziehungsrahmen zu gewähren) sofort weg – da haben dann einige sehr traurige Weihnachten gehabt. Auch die Banken haben uns verkauft und verraten, haben nur verdient an uns. Die Kontoführungsgebühren haben sie zum Jahresende dann nämlich voll einbehalten. Jeder hat nur verdient an uns, sonst gar nichts. 

Danke für das Interview!

„Solidarität kennt keine Grenzen!“

Flo Klabacher

„Das Thema ,Flucht’ ist ein zentrales und wird es auch in der Zukunft bleiben. Auch wenn die Hilfsbereitschaft vieler enorm ist, so gibt es auch viele Ängste. Angst um den Job, die Wohnung, die Zukunft“, erklärt ein Antrag, den die SLP bei gewerkschaftlichen Versammlungen verbreitet. Diese Ängste sind berechtigt, aber nicht neu. Es handelt sich nicht um eine Flüchtlings-, sondern eine Wirtschaftskrise: Schon vor dem Anstieg der Flüchtlingszahlen sind Armut und Arbeitslosigkeit auf ein Rekordhoch geklettert und Mietpreise explodiert. Der Grund sind sinkende Investitionen, Betriebsschließungen, Stellenabbau, Spekulation mit Wohnraum und Kürzungspolitik. Die Reichen versuchen, ihre Profite zu retten, als Sündenböcke sollen Flüchtlinge herhalten. Es ist die Aufgabe der organisierten ArbeiterInnenbewegung, die Spaltungsversuche von UnternehmerInnen, PolitikerInnen und Medien, zu kontern. Weil die Grenzen tatsächlich zwischen oben und unten verlaufen, fordert der Antrag Geld für Flüchtlingsbetreuung, Zugang zum Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen und ein öffentliches Investitionsprogramm, um Jobs für alle zu schaffen. Denn: „Die Reichen werden in Österreich pro Tag um 80 Millionen reicher: Fluchtverursacher und Superreiche sollen zahlen“.

Die Initiative der SLP wird von linken GewerkschafterInnen aufgegriffen. SLPlerInnen sind auf diversen Gewerkschaftsveranstaltungen sehr präsent, diskutieren, sammeln Unterschriften. Der Antrag wird beim GPA-djp Bundesforum und der Vollversammlung der Wiener AK angenommen. Bei ÖGJ-Jugendvertrauensleutekonferenz und GdG-Gewerkschaftstag können wir zwar keinen Antrag stellen, sammeln aber knapp 200 unterstützende Unterschriften. Insgesamt können wir auch weit über hundert Zeitungen verkaufen. Das zeigt, dass das Thema vielen GewerkschafterInnen unter den Nägeln brennt.

ÖGB & AK können mit der großen Reichweite ihrer Medien und den Betriebsratsstrukturen rechte Hetze als Spaltungsinstrument entlarven und das Klassenbewusstsein stärken. Auch das fordert unser Antrag. Damit der Antrag nicht lahmes Papier bleibt, ist der logische nächste Schritt die Vorbereitung von Protesten gegen Verschärfungen im Asylrecht – in Verbindung mit dem Kampf um die Milliarden, die eine reiche Minderheit bunkert.

 

 

 

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