Betrieb und Gewerkschaft

Schluss mit den niedrigen Lohnabschlüssen!

Michael Gehmacher

Die Zwischenbilanz der Lohn- und Gehaltsverhandlungen 2015 ist erschreckend: Metallbranche 1,5 %, Handel 1,5%, Grundgehälter in der Werbeindustrie 1,3%, Öffentlicher Dienst 1,3%. Traditionell orientierte sich die gewerkschaftliche Lohnpolitik an der "Benya-Formel". Demnach müsste die jährliche Steigerung der Löhne und Gehälter die Inflationsrate und die Hälfte des Produktivitätszuwachses abdecken. Die Idee: die Beschäftigten sollten einen Anteil an Wachstum erhalten und das soll die Wirtschaft stabilisieren.

Die Formel wird schon lang nicht mehr eingehalten. Die Wirtschaftskammer ging noch vor kurzem von einer Teuerungsrate von 1,5% (2015) bzw. 1,6 % (2016) aus. Die AK-Oberösterreich hat berechnet, dass die Steigerung der Produktivität seit 2000 nur zur Hälfte abgegolten wurde. Die Benya-Formel ist ein sehr braver Ansatz, doch nicht einmal dafür kämpft die Gewerkschaft, weil sie in ihrer Strategie so fest in den kapitalistischen Begehrlichkeiten verhaftet ist. Auf der anderen Seite stehen die vielen KollegInnen, die ihre Kampfbereitschaft signalisiert haben. Die Gewerkschaftsführung ignoriert das, darum müssen wir uns selbst, an der Gewerkschaftsbasis, organisieren und für höhere Abschlüsse kämpfen.

Michael Gehmacher

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Frisch gekämpft: Streik bei Amazon

Helga Schröder

Seit zweieinhalb Jahren streiken Amazon-Beschäftigte immer wieder für einen Tarifvertrag (Kollektivvertrag), heuer im Juni in Leipzig, im September an sieben Standorten. "Wir haben großen Zulauf. Immer neue Amazon-Kollegen gehen in den Streik. Es gibt also nach wie vor Druck aus der Belegschaft, weiterzumachen." so Mechthild Middeke von der Gewerkschaft ver.di. Am 12. November wurde wieder am Standort Leipzig gestreikt. Wie schon früher geben die Bosse sich betont gelassen. Allein in der Vorweihnachtszeit 2014 wurden10.000 zusätzliche SaisonarbeiterInnen als StreikbrecherInnen angeheuert. Aber Streik wirkt: Erkämpft wurden (noch zu geringes) Weihnachtsgeld, BetriebsrätInnen, Verbesserungen der Arbeitsbedingungen (Klimaanlagen, Pausenräume), und (auch noch zu geringe) „Lohnanpassung“. Die Beschäftigten vernetzen sich international, machen Druck und ver.di sagt auf flyern „Wir legen noch zu, versprochen!“ Die Wut der Beschäftigten ist enorm und sie machen die Erfahrung, dass kämpfen sich lohnt und notwendig ist, und zwar kollektiv und international. Und die Gewerkschaftsbürokratie wird in organisierte Kämpfe gezwungen. Die uns gut bekannten Ausreden („wir würden ja was organisieren, aber die KollegInnen wollen nicht“) wurden bei Amazon ganz konkret in Urabstimmungen und Streikversammlungen entkräftet. Wenn ver.di es mit dem „noch zulegen“ ernst meint, müssten längere Streiks an allen Standorten zugleich organisiert werden, um den nötigen ökonomischen Druck auszuüben. 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Zielpunktpleite - Protest bei Handelsgericht

Dienstag 15.12. fand eine Protestaktion beim Handelsgericht statt. Während die geschädigten Firmen die Verluste von der Steuern abschreiben können schickt Zielpunkt Chef Pfeiffer fast 3.000 KollegInnen in die Arbeitslosigkeit. "Gibts noch nicht genug Arbeitslose?" schreibt uns eine Kollegin, die gerne gekommen wäre. "Was der Pfeiffer macht ist eine Frechheit, da krieg ich einen Hals wie ein Pelikan." meint eine solidarische Kundin, die extra gekommen ist. Auch bei dieser Kundgebung, wie schon bei allen bisherigen, fält auf, dass die PassantInnen extrem solidarisch mit den Beschäftigten sind und auch bereit wären, sich an Protesten zu beteiligen.

 

Neuerlich Protestkundgebung bei Zielpunkt

Sebastian Kugler

Am Freitag den 11.12. haben AktivistInnen der SLP gemeinsam mit KollegInnen und KundInnen der Zielpunkt-Filiale Wien Marxergasse eine erfolgreiche Protestkundgebung abgehalten. In Reden forderten wir den Erhalt der Arbeitsplätze und die Auszahlung der Gehälter, zahlreiche PassantInnen zeigten sich solidarisch und unterschrieben unsere Petition für kämpferische Gewerkschaftsmaßnahmen. Besonders gefreut hat uns, dass ältere KundInnen extra für die Aktion gekommen sind. Sie machten klar, dass sie auf der Seite der Beschäftigten stehen. Die Zielpunkt-Filiale ist der einzige Supermarkt im Grätzel und somit für ältere und andere weniger mobile AnrainerInnen absolut notwendig, um Einkäufe erledigen zu können. Eine Verwandlung der Filiale in einen Spar oder Billa würde außerdem vor allem PensionistInnen vor finanzielle Probleme stellen, da die Produkte dort um einiges teurer sind.

Wir brauchen leistbare Nahversorgung und Jobs für alle statt Profitlogik und Arbeitslosigkeit!

 

Arm trotz Arbeit? Ohne uns!

Holen wir uns das Geld für höhere Löhne bei den Reichen – wenn's sein muss mit Demos und Streiks.
Michael Gehmacher

Hält man den Lohn- und Gehaltserhöhungen die Steigerung bei Preisen und Steuern entgegen, so sanken die Einkommen der Beschäftigten hierzulande 2010-14 durchschnittlich um 3%. Auch 2015 gibt's Reallohnverluste. Soweit der Durchschnitt. „Unten“ ist die Situation dramatischer: jene 25% die am wenigsten verdienen, haben in den letzten zehn Jahren real 9% Einkommen verloren. Bei Frauen sind die Entwicklungen besonders schlimm.

Gleichzeitig steigen Gewinne und Einkommen der Superreichen: Das reichste 1% besitzt 670 Milliarden Vermögen und Immobilien. Kaum ein Gewerkschaftsmitglied versteht daher, wieso nach einer BetriebsrätInnenkonferenz und bei hoher Kampfbereitschaft die MetallerInnen mit 1,5% abgespeist werden.

Im Gegenteil: Viele wollen die aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen nutzten, um endlich mal wieder die Realeinkommen anzuheben. Von selbst macht das die Gewerkschaftsführung nicht! Aktive Gewerkschaftsmitglieder und BetriebsrätInnen können mit Betriebsversammlungen und Aktionen gemeinsam Druck machen: so kann die Führung der Fachgewerkschaften zu einer kämpferischen Lohnpolitik gezwungen werden. Der Aufbau demokratischer Betriebsgruppen und Urabstimmungen aller betroffen KollegInnen schützen dabei vor neuen Niedrigabschlüssen.

 

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Ak-Wien: Solidarität kennt keine Grenzen (Antrag auf slp.at)

Bei der 165. Vollversammlung wurde ein KOMintern-Antrag angenommen, der maßgeblich auf Initiative der SLP entstanden ist.

Im Antrag wird – ein von uns eingebrachter Punkt - betont: „Wenn das reichste Prozent über ein Vermögen von rund 500 Milliarden Euro verfügt dann ist ausreichend Geld vorhanden, um Jobs und Wohnungen für alle zu schaffen, um in Gesundheit, Bildung und Soziales zu investieren, anstatt zu kürzen. Auch heimische Unternehmen tragen eine Verantwortung für die Fluchtursachen, durch ihre Geschäfte mit Diktatoren, Terrororganisationen und Waffenexporte in Krisengebiete.“

Damit die Forderungen wie legaler Zugang zum Arbeitsmarkt, öffentliches Investitionsprogramm um Jobs für alle zu schaffen, usw. auch durchgesetzt werden, ist eine offensive Kampagne von AK und Gewerkschaften notwendig.

 

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Protest vor Zielpunktfilialen im 20. Bezirk

Am Sonntag den 7.12. haben SLP-AktivistInnen, Zielpunkt-Beschäftigte und solidarische KundInnen eine Protest-Tour zu vier Zielpunkt-Filialen im 20. Bezirk in Wien organisiert. Die KollegInnen machten in Reden ihrem Ärger Luft und stellten klar, dass sie bereit sind, weiter um alle Jobs und die ausstehenden Gehälter zu kämpfen. Unsere Flugblätter und Reden kamen bei KundInnen, PassantInnen und Zielpunkt-Beschäftigten sehr gut an - Ununterbrochen bekamen wir solidarische Rückmeldungen. Das zeigt: Das Potential für Widerstand ist vorhanden, nun ist es die Aufgabe der Gewerkschaften, dieses auch aufzugreifen!

Die Protest-Tour war ein voller Erfolg, doch nur der erste Schritt! In den nächsten Tagen werden wir im 15. und im 3. Bezirk ähnliche Aktionen organisieren. Werde auch du mit uns aktiv! Verteidigen wir die Jobs und Gehälter bei Zielpunkt und kämpfen wir gegen Arbeitslosigkeit und Unternehmerwillkür!

Nächste Protestaktionen vor Fililalen:
Montag, 7.12. | 17:00 | Camillo-Sitte-Gasse 6
Freitag, 11.12. | 12:30 | Marxergasse 29

 

Zielpunkt: Die Gewerkschaft muss Jobs verteidigen, statt deren Abbau zu verwalten!

Sebastian Kugler

Anlässlich der drohenden Zielpunkt-Pleite fanden heute von der Gewerkschaft GPA-djp einberufene Betriebsversammlungen statt. SLP-AktivistInnen waren vor Ort und diskutierten mit KollegInnen darüber, was nun getan werden könnte, um die Jobs zu retten. Die Wut der KollegInnen ist groß. Eine meinte zu uns, dass der Herr Pfeiffer ihre Filiale nur zwischen zwei Semmelscheiben wieder verlassen würde. Eine andere: „Dem Pfeiffer sollte man das Konto sperren, dann weiß er mal, wie das so ist!“ Die erste Betriebsversammlung eröffnete eine Betriebsrätin sichtlich betroffen: „Der Anlass heute ist Scheiße, überhaupt ist in den letzten Wochen so viel Scheiße passiert…“ Umso enttäuschender war es, dass die GPA-djp die Betriebsversammlungen rein als Info-Veranstaltungen über die kommende Pleite und deren Folgen aufzog. Der massenhafte Jobverlust wurde als naturgegeben akzeptiert, jetzt könnte man nur noch das Beste draus machen und die geltenden Ansprüche einfordern. Die KollegInnen wurden sogar ermahnt, bloß „arbeitsam“ zu sein und ohne zu Murren die letzten Arbeitstage abzuspulen. Für die Gewerkschaft scheint nur noch die juristische Ebene zu existieren – auf dieser leisten aber die Arbeiterkammer bzw. der WAF die Vertretung! Zurecht wurde zum Schluss dazu aufgerufen, in die Gewerkschaft einzutreten, doch viel Grund dafür wurde den KollegInnen nicht gegeben. Beim Hinausgehen meinte eine Kollegin verbittert: „Jetzt bin ich genauso schlau wie vorher.“ Viele KollegInnen retten sich angesichts der scheinbar aussichtslosen Situation in Galgenhumor. Die Nachricht, dass heute ihre Weihnachtspackerl vom Eigentümer (inklusive Gutschein für Unimarkt) kämen, hatten sie nur zynisches Lachen übrig.

Unsere Flugblätter und Hintergrundanalysen zu Zielpunkt wurden interessiert aufgenommen. Auf unsere Idee, Proteste zu organisieren, reagierten viele KollegInnen erfreut und trugen sich in unsere Unterschriftenlisten ein. Auch wenn mit der heutigen Anmeldung der Insolvenz formal alles gelaufen scheint: wenn die KollegInnen sich organisieren, protestieren, sowohl in den Filialen als auch auf den Straßen, kann medialer und politischer Druck erzeugt werden. Die Erfahrung zeigt, dass es keine stärkere Kraft gibt, als ArbeiterInnen, die sich zusammenschließen, um für ihre Rechte zu kämpfen – und dass, wenn genügend Druck aufgebaut wird, Unternehmer und Staat plötzlich kalte Füße bekommen und die Jobs gerettet werden können. Doch dafür braucht es von der Gewerkschaft mehr als nur Serviceleistungen und empörte Pressemeldungen. Die KollegInnen sind wütend, machen wir diese Wut zu Widerstand! Verwandeln wir die Filialen in Widerstandszentren, organisieren wir zuerst kleinere Proteste vor Filialen und an öffentlichen Plätzen, um auf uns aufmerksam zu machen und KollegInnen und KundInnen miteinzubeziehen, hin zu einer großen gemeinsamen Demonstration gegen Pfeiffers Machenschaften und für die Verteidigung aller Jobs!

 

15.12: Protest gegen Zielpunktschließung

Flyertext der SLP zur Pleite von Zielpunkt:

Es gibt 770 Millionen gute Gründe, warum nicht die Zielpunkt-Beschäftigten, sondern die Eigentümer, die Familie Pfeiffer, für die Pleite zahlen sollen!

Die Millionärsfamilie Pfeiffer (Vermögen ca. 770 Millionen Euro) schickt Zielpunkt in die Insolvenz und damit knapp 3.000 Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit. Das Pfeiffer-Argument, man hätte alles versucht, stimmt offensichtlich nicht. Denn es gibt viele Fragen bei der Zielpunkt-Pleite: Warum investiert Pfeiffer in ein Unternehmen Millionen-Euro kurz vor der Pleite? Warum kauft er die Filialen und schickt am nächsten Tag das Unternehmen in die Insolvenz? Die Sache stinkt. Viel eher als “man kann leider nicht anders” sieht das ganze danach aus, als ob die Eigentümer sich auf Kosten der Beschäftigten, der KundInnen und der Öffentlichkeit bereichern wollen. Pfeiffer und vorher die Tengelmanngruppe haben ihre (privaten) Vermögen durch die Arbeit der Beschäftigten auch von Zielpunkt erworben. Warum ist es dann “ihr” Geld, das nicht zur Bezahlung der Schulden verwendet werden kann? Die Verzweiflung und die Wut der KollegInnen sind enorm. Es ist gut, wenn sich die Gewerkschaft dafür einsetzt, dass die ausstehenden Gehälter rasch ausbezahlt werden. Doch das reicht nicht! Es braucht einen entschlossenen Kampf um jeden Arbeitsplatz!

770 Millionen Gründe, warum nicht die Beschäftigten, sondern die Familie Pfeiffer zahlen soll! Viele KundInnen sind nicht nur wütend, dass ihre Gutscheine nichts mehr wert sind, sondern sind solidarisch mit den Beschäftigten und auch selbst von Arbeitslosigkeit und zu niedrigen Löhnen betroffen - kennen also die Situation. Viele finden es widerlich, das Pfeiffer auf 770 Millionen Vermögen sitzt und die KollegInnen zu Weihnachten ohne Geld da stehen. Hier müssen wir ansetzen. Gewerkschaft, Betriebsrat und/oder eine Gruppe von KollegInnen die Widerstand organisieren wollen können Kundgebungen und auch eine Demonstration organisieren und eine Kampagne lostreten, um die Jobs und Einkommen zu verteidigen!

  • Kampf um jeden Arbeitsplatz!
  • Pfeiffer & Co. müssen zahlen, nicht die Beschäftigten!
  • Offenlegung der gesamten Finanzunterlagen der Firma und Prüfung durch VertreterInenn von Gewerkschaften und Belegschaft: wo sind die Gewinne der letzten Jahre hingeflossen?
  • Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn um Jobs zu schaffen!
  • Offensive Strategie der GPA-djp und anderer Fachgewerkschaften bzw. des ÖGB gegen Arbeitslosigkeit und Firmenschließungen!
  • Volle Annahme aller Einzelgutscheine in den Filialen!

Mach deine Wut zu Widerstand!

Wenn du auch Aktionen oder Diskussionen organisieren möchtest: Melde dich bei uns www.slp.at Facebook/slp.cwi slp@slp.at 0650-424 63 10

 

Irgendetwas passt bei der Zielpunkt-Pleite nicht!

Wer investiert in ein Unternehmen Millionen-Euro kurz vor der Pleite? Wer kauft die Geschäfte und schickt am nächsten Tag das Unternehmen in die Insolvenz?
Albert Kropf

Niemand macht das ohne triftigen Grund. Und schon gar nicht ein erfahrenes und abgebrühtes Handelsunternehmer wie Pfeiffer. Seit der Insolvenz-Ankündigung am 25. November abends wird die Presseabteilung des Pfeiffer-Konzerns nicht müde zu betonen, wirklich alles Mögliche getan zu haben. In diesem Jahr seien sogar noch Millionen Euro in die Zielpunkt Filialen investiert worden. Konzernleitung und Eigentümer-Familie stellen sich damit so naiv und gutmütig dar, dass es schon kitschig wirkt. In Wien wurden erst im Sommer/Herbst dieses Jahres viele Zielpunkt-Filialen umgebaut, Fassaden saniert und offensichtlich in die Geschäfte investiert. Zwei Monate später die „Reißleine zu ziehen“, weil das eben leider auch nichts mehr gebracht habe und das Ruder nicht mehr zum herumreißen war, passt einfach nicht! Wer so Geschäfte tätigt wird nicht 43. reichster Österreicher. Anderseits baut man auch kein Handelsimperium - wie das der Pfeiffers auf - wenn man so naiv ist. Investitionen, wie diese an den Zielpunkt-Filialen - rechnen sich nicht nach zwei Wochen und das wissen sowohl die Pfeiffers als auch das Konzernmanagement. Das Hauptargument zieht also nicht.

Eine andere Rechtfertigungsschiene der Konzernpresseabteilung lautet, dass von Seiten des Eigentümers seit dem Kauf 2014 alles getan wurde um Zielpunkt aufzubauen und zu retten, aber es sich halt alles nicht ausgegangen sei und das Unternehmen so schlecht dagestanden habe. Seit der Autor dieses Artikels Entwicklungen des Lebensmitteleinzelhandels aus der Distanz beobachtet, und das ist als ehemaliger Konsum-Beschäftigter seit 1994, ist Löwa/Tengelmann/Diskont/Zielpunkt ein „Problembär“ im österreichischen Lebensmittel-Einzelhandel. Bei den vielen Eigentümerwechseln in den letzten Jahren winkte im Hintergrund nicht nur der Zaunpfahl, sondern auch eine handfeste Pleite. Wie kann die so auf den Handel spezialisierte und erfolgreiche Familie Pfeiffer und ihre Konzernleitung dann jetzt überrascht sein? Ganz einfach, sie sind es nicht und haben auch gewusst, was sie mit Zielpunkt 2014 gekauft haben und was nicht.

Zu hinterfragen ist auch die Schnelligkeit und die „Radikalität“ mit der einerseits der Beschluss der Insolvenz getroffen und vor allem auch umgesetzt wird. Eine Sanierung mit Weiterbestand steht gar nicht zur Diskussion, Zielpunkt wird zugesperrt und abgewickelt. Wieso? Der Pfeiffer Konzern bezeichnet sich selbst als einen der größten Gläubiger vom Zielpunkt. Schließlich wird Zielpunkt Großteils von Pfeiffer beliefert. Bei einer Auflösung ist die Quote (=Anteil der bezahlten Schulden) im Regelfall wesentlich geringer als bei einer Sanierung mit Weiterbestand. Das Unternehmen oder Teile könnten dann auch noch verkauft werden und wieder zu Einnahmen führen. Warum wollen Konzernleitung und die Pfeiffers nicht sanieren und als Gläubiger mehr von ihren Schulden beim Zielpunkt in einem Sanierungsverfahren einbringen? So wirkt es fast, als sei man bei Pfeiffer Zielpunkt überdrüssig und schmeißt ihn einfach weg. Dieses Verhalten ist mir zwar aus meinem Alltagsleben bekannt. Es erklärt aber auch, warum ich im Ranking der reichsten Österreicher/innen ungefähr Platz 7.843.234 belege und Familie Pfeiffer Platz 43. Die machen sowas nicht!

Sehen wir uns überhaupt einmal die Quote an. Selbst der völlig marode und abgewirtschaftete Konsum, bei dem das halbe Management wegen fahrlässiger Krida verurteilt wurde, hatte eine Quote von zirka 45% eingebracht. Er besteht auf dem Papier und mit einigen wenigen Geschäftszweigen bis heute weiter und wurde nicht in den Konkurs geschickt. Wieso rechnet der Eigentümer-Konzern bei einem offensichtlich wesentlich gesünderen Unternehmen nur mit einer einstelligen bzw. knapp zweistelligen Quote? Es macht fast den Anschein als wolle sich Pfeiffer als Eigentümer bewusst selbst schädigen. Erfahrungen der letzten 200 Jahre zeigen aber, dass das bei Kapitalisten auszuschließen ist. Über viele handfeste Werte dürfte die Zielpunkt GmbH also nicht (mehr) verfügen.

Mittlerweile ist aber bekannt, dass Zielpunkt in die Geschäfte nur eingemietet ist. Eigentümer der Geschäfte sind Dritte, wie zum Beispiel eine Immobilienfirma, die zur ursprünglichen Besitzerin und zwar der deutschen Tengelmann-Gruppe gehört. Damit stellt sich noch viel radikaler die Frage, wer denn tatsächlich so blöd ist und in Immobilien investiert, die ihm nicht gehören und noch dazu kurz bevor die Mietverträge (durch die Insolvenz) gekündigt werden? Auch hier liegt die Antwort auf der Hand: mit Sicherheit nicht Familie Pfeiffer und ihre Konzernleitung! Wer unternehmerisch agiert und in Fällen wie diesen investiert, sichert sich ab. Und vor allem sichert er sich so ab, dass die Investitionen nicht binnen eines halben Jahres völlig wertlos sind und zum Beispiel in einer Insolvenz bzw. Konkursmasse „versickern“. Genau das versucht man uns aber weiszumachen.

Zielpunkt selbst ist kaum was wert. Die Geschäftsausstattung ist schon sichtlich in die Jahre gekommen, die Marke nicht wirklich gut etabliert. Noch immer hängt das Schmuddel-Image von Diskont und dem alten Zielpunkt nach. Die Geschäfte sind nur eingemietet, die Immobilien gehören wie wir schon gesehen haben jemand anderes. Und selbst die Marke „Zielpunkt“ könnte wahrscheinlich sogar günstig aus der Konkursmasse gekauft werden (siehe Ditech). Ich glaube aber nicht, dass Pfeiffer an der Marke Zielpunkt lange Interesse hatte. Bleiben als einzige Aktivposten zur Bedienung der Schulden die Geschäftsausstattung und die Waren im Lager und den Geschäften. Das wird tatsächlich vielleicht nicht sehr viel sein, noch dazu wenn so wie angekündigt der Ausverkauf in den nächsten Tagen starten wird.

Zielpunkt unter Pfeiffer hat nicht am Konzept mit den eigenständigen von der Fleisch- und Wurstfirma Schirnhofer betriebenen Feinkost-Abteilungen festgehalten, sondern diese wieder reintegriert. In Wien (wo der Großteil der Zielpunkt Filialen ist) ist die Dichte an Lebensmittelgeschäften hoch. Immer wieder war auch die Rede von Schließung unrentabler Zielpunkt-Filialen in den letzten Jahren. Allerdings ist es auch nicht so leicht, einen Teil vom Zielpunkt „einfach" zu schließen und die MitarbeiterInnen auf die Straße zu setzen. Es ist also gut möglich, dass zum Zeitpunkt des Beschlusses nochmals in die Filialen "zu investieren", wie die Familie nicht müde wird zu betonen, in Wirklichkeit der Plan für das jetzige Szenario schon in der Lade lag. Statt sich mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat über die Kündigungen durch die Schließung der unrentablen Filialen zu streiten, die unbedeutende Marke Zielpunkt für den Pfeiffer Konzern „künstlich“ am Leben zu erhalten, wird der Teil, der nichts wert ist, in den Konkurs geschickt und abgewickelt. Die Krokodils-Tränen und Beteuerungen „eh alles Mögliche getan zu haben“ enttarnen sich ziemlich schnell als PR-Aktion um vom eiskalten Kalkül auf Kosten von Beschäftigten und KundInnen abzulenken.

Inzwischen ist auch schon ans Licht gekommen, dass Pfeiffer ein Immobilien-Pakt, zu dem auch viele der Zielpunkt-Märkte gehören, am Dienstag vom ursprünglichen Eigentümer gekauft hat. Auch hier: wer kauft am Dienstag die Immobilien des Unternehmens, das er am Tag darauf in die Insolvenz schickt? Es wurde in den Medien bereits ausgebreitet, dass es kaum einen Käufer für alle Filialen geben wird, da die Lebensmittelhandels-Dichte v.a. in Wien überdurchschnittlich groß ist. Mit der Ankündigung (Androhung) Zielpunkt nicht zu sanieren, sondern abzuwickeln und damit die Standorte zu schließen, sind die Werte der Immobilien sicher nicht gestiegen, sondern ziemlich rapid in den Keller gefallen. Wir können also annehmen, dass Pfeiffer die Immobilien zu einem sehr guten Preis bekommen hat bzw. noch bekommen wird. Da aber niemand hunderte Geschäftsimmobilien kauft, um sie leer stehen zu lassen, können wir wahrscheinlich auch annehmen, dass sie bald unter dem Namen eines anderen Unternehmens des Pfeiffer Imperiums betrieben werden – wie z. B. Unimarkt oder MPreis. Wie gut trifft es sich da, dass die bemüht und gut eingeführte Eigenmarke von Zielpunkt „Jeden Tag“ auch bei Unimarkt und MPreis im Regal steht. Ein gutes Immobilien-Geschäft war es also so oder so. Wahrscheinlich werden auch in den nächsten Tagen die ersten Angebote an junge, "fleissige" Zielpunkt-Mitarbeiterinnen ergehen, dass wenn sie jetzt beim Abwickeln brav mithelfen, bei einem Neustart unter anderen Vorzeichen dabei sein können (wenn auch vielleicht mit Abschlägen beim Lohn, aber welche Wahl haben die KollegInnen schon angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Handel und der laschen Gewerkschaft) ...

Letztlich dreht sich alles um die Frage: Warum will der Eigentümer die Zielpunkt GmbH scheinbar unbedingt auflösen und abwickeln? Um diese Frage wirklich eindeutig zu klären, fehlt uns leider ein tieferer Einblick. Das zeigt, wie wichtig die Forderung nach Offenlegung der Bücher und eine unabhängige Prüfung der Vorgänge z. B. durch Gewerkschaften und VertreterInnen der Belegschaft sind. Die Zielpunkt GmbH ist als Kapitalgesellschaft in das Pfeifferische Imperium eingebunden. Bei Kapitalgesellschaften gibt es keine Haftung der Eigentümer. Das Unternehmen haftet quasi für und mit sich selbst. Es ist nicht auszuschließen, dass Schulden innerhalb des Konzerns in die Zielpunkt GmbH verschoben wurden und diese jetzt in Pleite geschickt wird. Dinge wie diese passieren laufend und gehören zum unternehmerischen Alltag.

Familie Pfeiffer und die Konzernleitung waren also mitnichten so naiv und gutmütig, wie sie sich die letzten Tage in der Öffentlichkeit durch ihre Pressearbeit gegeben haben, sondern haben genau kalkulierend und wahrscheinlich auch von langer Hand geplant gehandelt. Die Pfeiffers werden dabei in der Rangliste der Superreichen in Österreich wohl ein paar Plätze nach vorne rücken, die MitarbeiterInnen müssen dafür über die Klinge springen. Und die Gewerkschaft? Es ist zu befürchten dass sie - wieder einmal - keine Aktionen setzt, sondern sich auf juristische Schritte und Appelle beschränkt. Den Beschäftigten wird das nichts nützen, und die Gewerkschaft wird so einen weiteren Vertrauensverlust hinnehmen müssen. Die einzigen denen das nützt sind die KapitalistInnen vom Schlage Pfeiffers....

 

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