„So, Herr Pfeiffer, geht's nicht!“

Interview mit Brigitte S., ehemalige Beschäftigte bei Zielpunkt Wien

Wie hast du erfahren von der Zielpunkt-Insolvenz?

Das war der Oberhammer: da ist ein Lieferant gekommen und fängt an 'Tut mir leid, dass ich heut später komm, aber ich hab grad gehört, ich komme heute das letzte Mal, ich komme mich verabschieden.' Das war, bevor WIR von der Insolvenz wussten. Wir haben es dann erst am Abend, aus den Medien, erfahren. Wir haben zuerst geglaubt, dass ist ein Scherz von dem Lieferanten, der macht immer Scherze. Aber als wir es dann erfahren haben - wir haben gar nicht gewusst, was tun? Wir waren wütend, traurig, ratlos, alles auf einmal, alles vermischt.

Ihr habt dann noch mehrere Wochen lang weiter gearbeitet – wie war das?

Man fühlt sich total verarscht. Unsere Filiale ist noch Mitte November saniert worden, andere Filialen sogar noch im Dezember! Aber wie dann Lampen kaputt geworden sind, sind die nicht mehr repariert worden, wir haben ein Monat ohne ordentliches Licht arbeiten müssen. Wir in der Filiale, wir haben das bis zum Schluss, ohne das irgendwer im Krankenstand war, wir haben das gemeinsam durchgezogen. Aber wir waren extrem traurig. Als das mit den Prozent gekommen ist, minus 30%, minus 50%: die Leute kaufen alles leer, du kannst nur nachräumen. Das geht ja auf die Psyche! Da siehst du, wie die ganze Ware draußen ist, einmal hat man Milch, einmal nicht, einmal Brot, einmal nicht. Viele Kunden waren verständnisvoll, aber andere haben sich aufgeregt, dass wir was nicht mehr haben. Trotzdem musst du nett und freundlich sein. Da rotiert alles im Hirn, wie geht es weiter, wie zahlst die Rechnungen. Und trotzdem muss man nett und freundlich sein. Uns ist es furchtbar gegangen, aber wir haben trotzdem gearbeitet. Das Ganze war sehr nervenaufreibend. Ich bin ja gerne hingegangen, da kommt einem dann schon das Heulen. Viele Kunden haben auch Angst weil sie nicht mehr wissen, wo sie einkaufen sollen, die sind ja angewiesen darauf. Grad ältere Leute oder Schulkinder, das stimmt ja nicht, dass es zu viele Supermärkte gibt, das ist ja ein Holler. Und zum Abschluss haben wir dann noch alles schön putzen dürfen.

Natürlich haben wir geschimpft. Uns ist es ja extrem dreckig gegangen. Wir müssen arbeiten, das hat uns auch die Gewerkschaft gesagt, also hat sich auch keine getraut, in Krankenstand zu gehen.

Warum habt ihr bis zum Schluss gearbeitet?

Jeder hat bis zum Schluss gearbeitet in der Hoffnung, dass man übernommen wird. Viele glauben, dass in den Filialen, die übernommen werden, die Leute für ein Jahr behalten werden (Anmerkung: da stimmt nicht), ob das stimmt, das werden wir dann sehen. Da bleibt man natürlich weil man hofft, der Job geht weiter. Die Info, welche Filialen übernommen werden haben wir erst spät bekommen. Damit hat man uns bei der Stange gehalten. Wir haben nie erfahren, wie es wirklich ausschaut. Wir haben ja alle gehofft bis zum Schluss. Viele von uns sind ja ewig dabei, manche kommen noch vom Löwa. Aber man sollte doch ehrlich miteinander umgehen, so wie das abgelaufen, ist das war absolut nicht ehrlich. Ehrlichkeit wäre schon super gewesen!

Bei der Betriebsversammlung (Anmerkung: mit VertreterInnen des Betriebsrates, der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft), die haben uns auch Honig ums Maul geschmiert, damit wir brav arbeiten bis zum Schluss. Alle, die dort waren bei der Versammlung, alle. Wir hätten die Wahrheit hören wollen, aber sie haben uns ruhig gestellt mit ihren Argumenten, damit wir bis zum Schluss arbeiten. (Anmerkung: Die Gewerkschaft hat in den Betriebsversammlungen betont, dass eine Arbeitsverweigerung ein Bruch des Arbeitsvertrages wäre der ja trotz Insolvenz aufrecht ist).

Die Betriebsrätin, die verdient soviel wie ein Politiker, das haben wir dann auch über die Medien erfahren. Warum verdient die soviel? Sie hat sich dafür eingesetzt, dass wir unsere Löhne bekommen. Das hohe Gehalt, das ist auch nicht gut, weil da konnten die dann auch auf sie losgeht. Ein Betriebsrat sollte den Kollektivvertrag kriegen, aber nicht mehr.

Was hast du dir erwartet vom Betriebsrat bzw. der Gewerkschaft?

Der Betriebsrat hat gewusst, dass es kriselt, aber wir nicht. Dass hat sie ja zugegeben, dass sie das gewusst hat. Sie wollten ja mit dem Herrn Pfeiffer reden, aber das ist dann nicht zustande gekommen und dann ist verkündet worden, wir sind in Insolvenz. Die Gewerkschaft und der Betriebsrat, die hätten ihn da zurückpfeifen müssen. Die hätten sich mehr dahinter klemmen sollen, dass es eine Lösung gibt. Die haben ja ganz andere Möglichkeiten als wir! Dass muss ja wohl möglich sein! Wir hätten uns ja irgendwie bemerkbar machen müssen, es geht ja um unsere Jobs.

Der Katzian im TV (Anmerkung: Bei der Sendung im Zentrum), der hat uns nicht raus gerissen. Einen passenden Satz, und dann hat er über Sachen geredet, die uns wurscht sind. Die haben dann ewig über online einkaufen geredet. Der hätte ihm anders die Meinung sagen sollen! Uns fragt ja auch keiner, wie wir grad zu Weihnachten auskommen.

Für viele ist das jetzt ein Schock, wir stehen ja vor dem Nichts. Die hätten viel früher was tun sollen! Ich wäre gerne auf die Protestaktion gekommen (Anmerkung: beim Handelsgericht am X.12.2015), hab aber arbeiten müssen. Aber die meisten trauen sich nicht. Wenn die Gewerkschaft dazu aufgerufen hätte war das vielleicht anderes gewesen, aber die hätte das nicht gemacht. Ich hätte ja die ganzen Filialen geschlossen, aus Protest.... Wir hätten irgendwas machen sollen: So Herr Pfeiffer, geht es nicht!

Der Zielpunkt-Besitzer Pfeiffer gehört zu den reichsten Menschen in Österreich, wie gehst dir damit?

Wie der Peiffer im Fernsehen gesagt hat, er würd' uns ja gern was geben, aber er darf nicht. Das war eine Frechheit, eine Sauerei! Wie kann einer, der so reich ist, ein Insolvenz hinlegen? Der ist schwer im Geld und dann das!? Ich glaub nicht, dass er uns wirklich was geben wollte. Wenn der Pfeiffer zu uns in die Filiale gekommen wäre, das wäre keine gut Idee gewesen. Ich glaub, dann hätte ich die Fristlose gekriegt...

So wie er es gemacht hat, das war die Verarsche, er hat sich uns gegenüber nicht korrekt verhalten!

Der Pfeiffer, der hat sicher genug an uns verdient. Das ist Existenz vernichtend, was der gemacht hat. Aber er lebt jetzt gut mit der Insolvenz! Der hat sicher super Weihnachten gehabt, Kavier oder Ente oder so...

Unsere Filiale ist komplett zu gemacht worden, wir wurden nicht übernommen. Wir sind neun Frauen zwischen 24 und 48. Wir schätzen unser Chancen am Arbeitsmarkt extrem schlecht ein. Es gibt eh schon so viele Arbeitslose, jetzt gibt’s noch mehr. Beim AMS machst einen Kurs nach dem anderen, sammelst deine Unterlagen, aber kannst nix damit machen, aber aus der Statistik bist draußen.

Das waren die beschissensten Weihnachten überhaupt. Ich hab meinem Sohn erst jetzt (Anfang Jänner, Anmerkung) sein Geschenk geben können. Wir haben ja Glück gehabt, dass die Löhne vor Weihnachten ausbezahlt wurden. Wobei sich da keiner wirklich auskennt, jeder hat was anderes gekriegt, manche haben alles gekriegt, bei manchen hat das eine oder andere gefehlt. Mit der Bezahlung der Gehälter war dann der Überziehungsrahmen (Anmerkung: die Banken hatten zugesagt, bei den Zielpunktbeschäftigten einen kostenlosen Überziehungsrahmen zu gewähren) sofort weg – da haben dann einige sehr traurige Weihnachten gehabt. Auch die Banken haben uns verkauft und verraten, haben nur verdient an uns. Die Kontoführungsgebühren haben sie zum Jahresende dann nämlich voll einbehalten. Jeder hat nur verdient an uns, sonst gar nichts. 

Danke für das Interview!