Betrieb und Gewerkschaft

ATB: Jobs verteidigen - aber richtig!

Sonja Grusch

Die chinesische Wolong-Gruppe hat für das steirische Werk ATB Insolvenz angekündigt und will Maschinenpark und Produktion absiedeln. Sie tut, was Kapitalist*innen halt so tun: Nämlich alles nach der Profitabilität auszurichten. Da agiert die Wolong-Gruppe nicht anders als heimische Firmen.

Für die 360 Kolleg*innen sind die Perspektiven auf einen neuen Job mehr als düster. Vor dem Hintergrund einer Rekordarbeitslosigkeit ist überdeutlich, dass die Ankündigung von Landeshauptmann Schützenhöfer (ÖVP), dass man alles dafür tun werde, dass „viele Betroffene schon bald wieder einen neuen Arbeitsplatz finden“, nur eine leere Phrase ist. 

Die Gewerkschaft ist präsent, wirkt aber trotz verbalem Säbelrasseln und Streikbeschluss eher planlos. Zuerst hofft(e) man vergeblich auf eine Neuübernahme des Werkes, dann - wieder vergeblich - darauf, dass Gerichte den Abtransport der Maschinen verhindern. Und dann wohl auf eine Arbeitsstiftung.

Ein simpler “Streik” ist leider kein wirkungsvolles Kampfmittel, wenn nicht mehr produziert wird. Für eine notwendige Besetzung des Werks, um den Abtransport von Maschinen, Lagerbeständen, Bauplänen etc. zu verhindern, braucht es die aktive Unterstützung der Gewerkschaft, der Linken und der lokalen Bevölkerung. Den Ankündigungen der Gewerkschaft, sich “an die Maschinen zu ketten” müssen Taten folgen! Gemeinsam kann die öffentliche Hand dazu gebracht werden, das Werk zu übernehmen - das aber dann unter Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten weitergeführt werden muss. Die Produktion könnte unter Mitwirkung der Beschäftigten, die genau wissen, was möglich ist, umgestellt werden auf Produkte, die aktuell dringend gebraucht werden: Im Bereich von Corona-Schutz, Klima-Schutz etc. 

Klingt das utopisch? Tatsächlich bringt so eine Kampfstrategie mit größerer Wahrscheinlichkeit die Rettung der Jobs als die aktuelle Gewerkschaftsstrategie.

 

Beruhigungspillen und PR-Aktionen

Helga Schröder

Der ÖGB fordert einen „Corona-Tausender“ für die „HeldInnen“, „die während der Corona-Krise das Haus verlassen mussten, um zu arbeiten und damit einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt waren“. Das ist das Mindeste, doch nicht einmal das wird von der Regierung umgesetzt. Ein solcher Tausender ist aber völlig unzureichend und müsste eigentlich ein Zusatz zu einer echten, langfristigen Lohnerhöhung sein angesichts der Vermögen, die die Regierung den Unternehmer*innen schenkt.

Im Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich wurde eine „Corona-Gefahrenzulage“ vorgesehen. Sie beträgt maximal 500,- Euro und richtet sich nach der Anzahl der Stunden von 16.3.-30.6.2020, in denen persönlicher und physischer Kontakt zu betreuten Personen bestand. Ein Hohn angesichts der niedrigen Löhne im privaten Gesundheits- und Pflegebereich. Erst bei 220 Stunden persönlichem physischen Kontakt in diesem Zeitraum bekommt man die vollen 500.-. Das macht etwa 33.- pro Woche – und viele bekommen dank Schlupflöchern für die Unternehmen nicht einmal das. Angesichts der schon ohne Corona hohen Belastung und gleichzeitig niedrigen Einkommen in der privaten Sozialwirtschaft – wo verhältnismäßig viele Frauen arbeiten – kann das nur als ein „Abspeisen“ bezeichnet werden.

Zum Vergleich: Wiener Fiakerunternehmer bekommen pro Pferd und Monat von der Stadt 250.- für Futter. Während es für Landwirte eine dauerhafte jährliche Pensionserhöhung von durchschnittlich 450.- gibt, sind für Beschäftigte – wenn überhaupt – nur geringe Einmalzahlungen angedacht. Arbeitslose bekommen – vielleicht – zwischen Juli und September 150 Euro/Monat, von denen oft nicht viel bleibt, weil sie auf die Sozialhilfe angerechnet werden. Große Handelsketten verteilen Gutscheine oder Gutschriften auf Mitarbeiterkarten an Beschäftigte. Auf diese Weise bleibt das Geld als Umsatz im Unternehmen, die Kosten beschränken sich auf Wareneinkaufspreise und trotzdem sieht es nett aus. Langfristige, dauerhafte und echte Erhöhung in cash von Löhnen, Arbeitslosengeld, Pensionen sowie mehr Urlaub und Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohn und Personalausgleich sind so dringend nötig, dass wir selbst aktiv werden müssen, wenn die Gewerkschaften sich auf Worte beschränken.

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Bosse nutzen Kurzarbeit aus

Martina Gergits

Sowohl ÖGB und AK als auch WKO & Co bejubelten das Kurzarbeit-Modell – das alleine sollte schon skeptisch stimmen. Es stimmt, dass viele froh sind, durch die Kurzarbeit ihren Job (vorerst) behalten zu haben. Doch die Bosse nutzen das Modell aus, um ihre Profite auch in der Krise zu erhöhen. Zunächst auf die ganz offene Weise: Die ausgefallenen Stunden werden den Unternehmen aus öffentlichen – also unseren! - Geldern gegenfinanziert. Wir zahlen also selbst, um nicht gefeuert zu werden. Bis Anfang Juli waren das bereits über 3 Milliarden Euro. Kein Wunder also, dass zahlreiche Unternehmen maximale Kurzarbeit (90%) anmelden – noch weniger wundert es, dass sie uns in der Praxis trotzdem mehr als die Kurzarbeits-Stunden arbeiten lassen. Bis Anfang des Sommers gab es bereits 150 Anzeigen der Finanzpolizei gegen Unternehmen, die Kurzarbeitsgeld kassieren, sich aber nicht an vereinbarte Arbeitszeitreduzierung halten. Einerseits wollen die Bosse die für sie profitable Kurzarbeit so lange wie möglich verlängern – andererseits schielen sie bereits auf die Kündigungswellen am Ende der Kurzarbeit, so wie der Innviertler Flugzeugzulieferer FACC, der bereits angekündigt hat, 700 Beschäftigte zu kündigen.

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ÖGB

- Favoriten: Wo war der ÖGB?

 

Als im Juni Rechtsextreme aus dem Umfeld der türkischen Grauen Wölfe linke Kundgebungen und Einrichtungen in Wien Favoriten angriffen, sorgte das für bundesweite Schlagzeilen und sogar für internationale diplomatische Nachbeben. Die faschistischen Angriffe begannen mit einer Attacke auf eine feministische Demonstration gegen Gewalt an Frauen und richteten sich dann zunehmend gegen den Verein DIDF. DIDF ist ein Zusammenschluss gewerkschaftlich organisierter migrantischer Beschäftigter und Teil der AK-Fraktion „KOMintern - Kommunistische Gewerkschaftsinitiative international“. Doch ausgerechnet die offiziellen Gewerkschaftsstrukturen schwiegen dazu – und das, obwohl ein Lokal von Gewerkschaftsaktivist*innen Ziel der Angriffe war und Aktivist*innen einer AK-Fraktion körperlich verletzt wurden! Es ist ein Skandal, dass von ÖGB- und AK-Spitzen hierzu kein Piep zu hören war. Nicht nur wäre es notwendig, dass sich diese Strukturen in der Öffentlichkeit klar hinter ihre Mitglieder und Aktivist*innen stellen – sondern auch, dass sie bei den Demos auf der Straße präsent sind. Nicht zuletzt braucht es gewerkschaftliche Kampagnen in Betrieben, um über die Gefahr der Grauen Wölfe und über die Notwendigkeit internationaler Solidarität aufzuklären!

 

+ Gleicher Lohn

Zwei Jahre hat die Basisinitiative „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit“ in Wien dafür gekämpft, dass Kolleg*innen, die bereits länger im Wiener Pflegebereich arbeiten, in das neue Besoldungsrecht wechseln („optieren“) können. Ohne Unterstützung der Gewerkschaftsführung – oft sogar gegen sie – organisierte sie Demos und Aktionen. Nun kommt die Optierung – allerdings erst ab nächstem Jahr. Das heißt: Für die Zeit zwischen 2018 und jetzt bekommen die Kolleg*innen immer noch weniger Geld. Die Optierung muss rückwirkend bis 2018 gelten, um jeglichen Lohnverlust auszugleichen! Außerdem fordert „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ noch mehr: Nämlich Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und mehr Personal im Spital. Mit diesem ersten Erfolg im Rücken kann jetzt für diese notwendigen Verbesserungen gekämpft werden!

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Patriotischer Urlaub & Konsum?

Gemeinsam gegen Kündigungen und Lohnkürzungen kämpfen, statt “unsere” Wirtschaft “schützen”
Stefan Brandl

Gemeinsam stark - gemeinsam durch die Corona-Krise, schreibt die WKO als Überschrift in ihrem Aufruf, bei heimischen Anbietern zu kaufen, um den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken – doch hinter der blumigen Rhetorik steckt zynische Profitgier.

 

„Die Wirtschaft“ zu schützen heißt etwas ganz Anderes als die Menschen zu schützen. “Unsere” Wirtschaft wird “geschützt”, indem im SWÖ und in anderen Branchen die KV-Verhandlungen abgewürgt worden sind, weil “wir” ja zusammenhalten müssen. Hunderttausende werden in die Kurzarbeit “gerettet”, während Unternehmen, die Beschäftigte seit Jahrzehnten ausbeuten, ungeschoren durch die Krise kommen. Die zynische Realität ist, dass Unternehmen 38 Mrd. Euro bekommen, während Arbeitslose und prekär Beschäftigte auf “nach Corona” vertröstet werden.

 

Neben offensichtlichen Gewinnern der Corona Krise wie Netflix, Amazon, Zoom oder Pharmakonzernen gibt es auch eine Reihe von heimischen Profiteuren - beispielsweise PULS 4 oder Servus TV aus der Fernsehwelt oder Semperit AG (Gummihersteller) an der Börse; nicht zu vergessen natürlich auch Kurz und die Schwarz-Grün Regierung, die jeweils die besten Umfragewerte bzw. überhaupt seit 40 Jahren erreichen - trotz Komplettversagen in Ischgl, wo ÖVP-dominierte Behörden viel zu spät auf die Corona-Situation reagiert hatten.

 

Jetzt, wo die Temperaturen wärmer und die Isolationsmaßnahmen zurückgefahren werden, wird die Werbetrommel für Urlaub “dahoam” gerührt - für die gesamte Welt gilt ja nach wie vor mindestens eine Reisewarnung der Stufe 4 (“Hohes Sicherheitsrisiko”). Argumentiert wird damit, dass Urlaub im eigenen Land ja klimafreundlicher sei - bestenfalls CO2-technisch, die Verschmutzung der Alpen wird durch wärmer werdende Sommer ein immer größeres Problem - und man jetzt die “eigene” Tourismusindustrie stützen müsse. Letzteres ist besonders zynisch: Die Profitgier dieser Industrie ist hauptverantwortlich für die Corona-Ausbreitung in Österreich – Stichwort Ischgl. Bis Ende März wurden 60.000 Menschen im Bereich Gastronomie und Beherbergung arbeitslos (die meisten davon in Tirol). Jetzt können diese Leute wieder - zu schlechteren Konditionen, weil es mehr Mitbewerber*innen gibt - eingestellt werden. Die Hotellerie-Industrie rechnet - je nach Szenario - mit 23,8% bis 31% Verlusten im Vergleich zum Vorjahr (beim Inlandstourismus aber ein Plus von ca. 10%); ein Schaden, den mehrheitlich die Beschäftigten tragen werden. Ebenso können Beschäftigte die Corona-Tests oft nicht in Anspruch nehmen, weil sich Betreiber vor Imageschäden fürchten oder die Tests nicht während der Arbeitszeit genehmigt werden.

 

Gemeinsam durch die Corona-Krise zu gehen, heißt gemeinsam gegen Entlassungen und Lohnkürzungen jeder Art zu kämpfen und es heißt auch, gemeinsam die protektionistische Rhetorik von “unserer” Wirtschaft zu entlarven und bekämpfen; wer bezahlt und wer bekommt, sehen wir ja - hier in Österreich und international!

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Clowns des Monats: ÖGJ

Die ÖGJ warnt mit dem „Joker“ davor, dass Jugendliche arbeitslos werden – weil sie dann rebellieren könnten. Der ÖGJ-Führung geht es also mehr um die Stabilität des herrschenden Systems als um einen konsequenten Kampf für Jobs und Rechte von Jugendlichen, denn genau dafür bräuchte es rebellische Jugendliche.

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„Man wird noch oft von uns hören!“

Moni Jank

Am 12. Mai war der Internationale Tag der Pflege. Wir nutzten diesen Aktionstag, um auf die Missstände im Gesundheits- und Sozialbereich aufmerksam zu machen, der sich schon vor der Coronakrise in einem bedeutenden Arbeitskampf rund um die Kollektivvertragsverhandlungen befand. Mit der am 1. Mai gestarteten Kampagne für die Ausfinanzierung dieses Sektors gingen wir in mehreren Städten Österreichs unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen auf die Straße.

In Wien Simmering versammelten wir uns im Rahmen einer Aktion von „Sozial, aber nicht blöd“ gemeinsam mit anderen vor einem Pflegeheim Nähe Enkplatz. In mitreißenden Reden, die großen Zuspruch der Passant*innen erhielten, machten Aktivist*innen klar, dass Corona nicht alle gleichermaßen trifft und sich in Krisen der Unterschied zwischen Arm und Reich verstärkt. Frauen, die vermehrt von Armut betroffen sind und den Großteil dieser Branche ausmachen, sind härter von der Coronakrise betroffen. Sie leiden unter Doppelbelastung durch Betreuungspflichten, Zunahme von häuslicher Gewalt, Überlastung im Job und schlechter Bezahlung. Durch Klatschen kann keine Miete bezahlt werden. Es braucht mehr Geld und Personal sowie eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden. Der abrupte SWÖ-Abschluss, den die Gewerkschaftsführung in Zeiten des Lockdowns durchgepeitscht hat und so den Kampf für jene Forderungen gebremst hat, wurde scharf kritisiert. In einer weiteren Rede betonte ein SLP-Aktivist, dass während der Wien-Wahl Gesundheit und Soziales zum zentralen Thema werden soll.

Auch in Linz versammelten sich SLP-Aktivist*innen gemeinsam mit anderen vor dem Landhaus. Sie forderten ebenfalls Arbeitszeitverkürzung, höhere Löhne, eine Joboffensive und die Rücknahme der Kürzungen der letzten Jahres. In den Reden wurde betont, dass ein Kampf für bessere Bedingungen und eine Ausfinanzierung des Gesundheits- und Sozialbereichs von der Basis aus gestartet werden muss und wir uns nicht von der Gewerkschaft und dem erwähnten SWÖ-Abschluss demotivieren lassen dürfen.

Die Coronakrise hat klar gemacht, dass wir ein System brauchen, wo unsere Gesundheit und nicht die Profite ein paar Weniger im Zentrum stehen. Die Kampagne geht weiter: Wir sehen uns demnächst wieder auf der Straße!

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Andere über uns: Augustin

SLP-Aktivist von Sebastian Kugler wurde von der Wiener Straßenzeitung Augustin zur Situation von Deutschlehrenden in der Erwachsenenbildung interviewt. Sogenannte „Deutschtrainer*innen“ werden als Lehrende zweiter Klasse behandelt, mit schlechteren Arbeitszeiten und Gehältern. Doch mit der Initiative „DiE- Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung“ regt sich Widerstand.

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Arbeitskämpfe während Corona?

Angesichts von Corona ist es wichtig, zu kämpfen – aber wie, ohne Kolleg*innen in Gefahr zu bringen?
Moritz Bauer

Weil es keinerlei arbeitsrechtlichen Schutz, sondern lediglich die Corona-Guidelines und die Fürsorgepflicht gibt, werden immer mehr Beschäftigte zurück an ihre Arbeitsplätze gezwungen – oder mussten sowieso die letzten Wochen immer zur Arbeit gehen. Gerade jetzt ist es wichtig, gegen Angriffe und für Verbesserungen zu kämpfen (siehe https://www.slp.at/artikel/bosse-sind-keine-corona-hawara-10060) – doch wie, ohne Kolleg*innen zu gefährden?  Hier können internationale Beispiele (siehe unten) helfen. So sind Straßenproteste eine Möglichkeit, Menschen über den eigenen Kampf zu informieren und sie können in Kombination mit Sozialen Medien zu großer Solidarisierung führen – Kundgebungen & Demos gehen auch Corona-sicher – mit Sicherheitsabstand, Masken & Co. Über Gruppen in sozialen Medien lassen sich Aktionen planen, weitere Schritte diskutieren und Solidaritäts-Aktionen koordinieren. Auch Streiks können mit möglichst geringer Ansteckungsgefahr organisiert werden: Zu Beginn der Corona-Krise beteiligten sich Tausende an – teils wilden – Streiks gegen verantwortungslose Chef*innen, für Schutzausrüstung und ähnliches – und halfen damit sogar, die Ausbreitung einzudämmen. Nicht nur, da die Ansteckungsgefahr im Freien niedriger und Social-Distancing einfacher ist als in Fabriken oder Büros, sondern auch, weil oft erst so Schutzmaßnahmen erkämpft werden konnten.

 


Streiken rettet Leben!

5.000 Beschäftigte im baskischen Mercedes-Werk und Arbeiter*innen in verschiedenen Fabriken in Italien, in Logistikzentren und im Hafen von Genua, sowie Arbeiter*innen in einem belgischen Audi-Werk streikten Mitte März angesichts von Corona für ihr Recht auf Gesundheit. Dieses mussten sie gegen den Willen der Konzern-Bosse durchsetzen, denn die wollten die Produktion weiterlaufen lassen. In der Zeitung des italienischen Unternehmensverbands Confindustria meinte etwa eine Kommentatorin: „Die Produktionsunterbrechung wäre ein schlimmer Fehler, das würde unseren Tod bedeuten. [...]“, ganz nach dem kapitalistischen Mantra, wie es Marx formulierte: „akkumuliere oder stirb“. Auch in Österreich streikten am 18. März 200 Arbeiter*innen in einer Fabrik nahe Linz für zwei Stunden gegen das „unverantwortliche Verhalten der Firmenleitung“.

Kampf um Jobs

Irland: Mitte April kündigte die Kaufhauskette Debenhams während des Lockdown 1.200 Arbeiter*innen - kurz nachdem es geheißen hatte, alle Jobs seien sicher. Die Kolleg*innen organisierten daraufhin mit Unterstützung der Socialist Party (ISA Irland) Proteste, konnten so in den (Sozialen) Medien auf sich aufmerksam machen und eine Welle der Solidarität auslösen. Unsere zentrale Forderung: Debenhams vergesellschaften!

Die Virus-Gewerkschaft

In Russland gründeten Aktivist*innen der Sotsialisticheskaya Alternativa (ISA Russland) eine „Virus-Gewerkschaft“, nachdem immer mehr Arbeitgeber*innen trotz Corona keinerlei Schutzmaßnahmen umsetzten. Über ein Social-Media-Formular wurden sie binnen weniger Tage mit hunderten Anfragen überhäuft - von Arbeiter*innen, die ohne MNS-Maske, Handschuhe, etc. arbeiten mussten, deren Gehalt im Home-Office gekürzt wurde oder die illegal gekündigt wurden. Neben der Unterstützung bei rechtlichen Fragen, konnten sie über öffentlichen Druck bei mehreren Unternehmen die Bereitstellung von Schutzausrüstung erreichen. Die Virus-Gewerkschaft unterstützt aktiv Kolleg*innen bei Streiks und in Auseinandersetzungen. Ein weiterer Fokus liegt darauf, Kolleg*innen zu vernetzen, um gemeinsame Aktionen zu organisieren und damit Verbesserungen zu erkämpfen.

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Bosse sind keine Corona-Hawara

Christian Bunke

Österreichs Gewerkschaften haben ein massives Demokratiedefizit. Die Mitgliedschaft wird bei wichtigen Entscheidungen nicht um ihre Meinung gefragt. Stattdessen biedern sich die Funktionär*innen bei Regierung und Bossen an, üben den nationalen Schulterschluss. Das liegt in der DNA des ÖGB und seiner Einzelgewerkschaften. Seit Ende des zweiten Weltkriegs sieht man sich als Verhandlungs-, nicht als Kampforganisation.

Doch das wird zunehmend schwierig, beziehungsweise unmöglich. Der Spielraum, über Verhandlungen Brotkrumen vom Tisch der Unternehmer*innen abzubekommen, ist in den letzten Jahrzehnten immer kleiner geworden. Nach der nie ganz überwundenen Krise 2008 droht jetzt eine neue Weltwirtschaftskrise.

Das Handeln der Gewerkschaften in der Coronakrise ist widersprüchlich. Einerseits werden der Corona-Tausender und eine Millionärssteuer gefordert. Andererseits setzt man ohne Not einen Dreijahresabschluss im privaten Pflege- und Sozialbereich durch, welcher keine der Forderungen, insbesondere die 35-Stundenwoche, erfüllt. Angesichts der über 600.000 Arbeitslosen fordern die Gewerkschaften einerseits richtigerweise die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, ohne jedoch andererseits um den Erhalt der von Einsparungen betroffenen Jobs zu kämpfen, zum Beispiel bei der APA.

Es ist gut, wenn Gewerkschaften Forderungen aufstellen, auch wenn sie längst nicht weitreichend genug sind. Das ist auf jeden Fall besser als die ersten Wochen nach Beginn der Corona-Epidemie, als die Gewerkschaften völlig unkritisch mit den Unternehmerverbänden zusammenarbeiteten. Jetzt wächst der Druck in Betrieben und der Mitgliedschaft. Also werden wieder Forderungen aufgestellt.

Doch Forderungen alleine reichen nicht. Sie müssen im Betrieb und auf der Straße durchgesetzt werden. Dafür braucht es eine Kampfstrategie. Vergangene Erfahrungen lassen kaum Vertrauen aufkommen: Beim 12-Stundentag der schwarz/blauen Regierung mobilisierte der ÖGB erst zu Massendemos – und gab dann einfach auf!

Das darf sich mit Corona nicht wiederholen. Dafür braucht es die Wachsamkeit und Selbstorganisation der Kolleg*innen in den Betrieben. Sie müssen die Kontrolle über ihre eigenen Arbeitskämpfe haben. Demokratische Gewerkschaften müssen von unten durchgesetzt werden. Denn Bosse sind keine Corona-Hawara.

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