Betrieb und Gewerkschaft

Kanada - Organisierte Hotelbeschäftigte gewinnen den Kampf um ihren Lebensunterhalt

von Brendan, Sam, Ray and Mason (Socialist Alternative, ISA in Kanada)

Die Mitglieder von Unite Here Local 40 haben einen wichtigen Sieg errungen. Über 500 entlassene Arbeiter*innen in den Hotels Hyatt, Pinnacle und Westin haben sich endlich das "Recht auf Wiedereinstellung" erkämpft, d.h., sie werden zu ihrem früheren Lohn mit den gleichen erworbenen Leistungen wieder eingestellt.

 

Die Verträge der Arbeiter*innen garantierten bisher, dass vorübergehend entlassene Beschäftigte ihren Arbeitsplatz zurückerhalten, wenn das Geschäft wieder zunimmt, aber nur für bis zu 12 Monate. Natürlich rechnete niemand mit einer Pandemie, die die Branche für mehr als ein Jahr lahmlegen würde. Die Arbeiter*innen haben zu Recht argumentiert, dass diese Wiedereinstellungsrechte unter den gegebenen Umständen verlängert werden sollten, aber die Hotels haben sich geweigert, dies zu tun. Auch die NDP-Regierung war trotz der Appelle der Arbeiter*innen nicht bereit, einzugreifen. Anstatt aufzugeben, organisieren sich die Arbeiter*innen der Hotels in Vancouver und schlagen zurück und haben nun einen wichtigen Sieg im Kampf um die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze errungen.

 

Dieser Sieg ist ein Grund zum Feiern! Mitglieder der Socialist Alternative haben mit Unite Here protestiert, mit ihnen gefastet und zuletzt an der gezielten Boykottkampagne mitgewirkt, die den Zugeständnissen der Hotels vorausging. Wir werden weiterhin für und mit den Arbeiter*innen in den Hotels kämpfen, in denen die Verträge noch nicht durchgesetzt wurden. Ein Sieg für die Beschäftigten ist ein Sieg für alle.

 

 

Hotels nutzen die Pandemie aus, um Arbeiter*innen zu ersetzen.

 

 

Als die Pandemie im letzten Jahr die Tourismusbranche lahmlegte, begannen die Hotels, die Situation auszunutzen, um langjährige Arbeiter*innen zu entlassen und sie durch neue Arbeiter*innen zu niedrigeren Löhnen zu ersetzen. Wie wir im letzten Sommer berichteten, traten Arbeiter*innen der Gewerkschaft Unite Here Local 40 vor dem Parlamentsgebäude in einen Hungerstreik und forderten die NDP-Regierung auf, einzugreifen, um ihre Arbeitsplätze zu schützen. Aber Arbeitsminister Harry Bains weigerte sich mit mehr als symbolischen Gesten darauf zu reagieren.

 

 

Die Hotels weigerten sich, die Wiedereinstellung zu verlängern, während sie gleichzeitig CEWS-Gelder der Bundesregierung ablehnten, die die Arbeiter*innen auf der Lohnliste halten sollten (CEWS-Gelder sind staatliche Lohnzuschüssen, Anm. d. Übers.). Und im Dezember 2020, weniger als eine Woche nachdem "Coast Hotels" Dutzende von langjährigen Arbeiter*innen entlassen hatte, besaß die NDP-Regierung die Frechheit, 105 Millionen Dollar an Hilfsgeldern für den Tourismussektor anzubieten, ohne irgendwelche Vorgaben zum Schutz der Arbeitsplätze! Die angeblich arbeitnehmerfreundliche NDP-Regierung findet es offensichtlich viel einfacher, sich für die Interessen von Eigentümer*innen und Manager*innen einzusetzen, als den Arbeiter*innen zu helfen, deren Lebensunterhalt auf dem Spiel steht.

 

 

Ab Herbst 2020 verlangten die großen Hotels in Vancouver, dass die Arbeiter*innen, mehrere Teile ihres Vertrags dauerhaft aufgeben müssten,

 

um überhaupt über die Ausweitung von Rückkehrrechten zu diskutieren zu können. Dazu gehörten die Streichung ihrer Krankenversicherung und die Abschaffung bestimmter Arbeitsplätze bei gleichzeitiger Zusammenlegung anderer, so dass eine Person die Arbeit von zwei oder drei erledigen müsste! Diese Änderungen wären vor der Pandemie völlig unvertretbar gewesen. Das zeigt, wie hart die Arbeiter*innen kämpfen müssen, um ihre Errungenschaften zu behalten und wie rücksichtslos das Management jede Gelegenheit nutzen wird, um sie zurückzunehmen.

 

Arbeiter*innen wehren sich 

 

 

Im Januar und Februar 2021 organisierten sich die Arbeiter*innen in ihren Gewerkschaften, um sich gegen das Management zu wehren. Unite Here Local 40 reichte eine Sammelklage gegen Pan Pacific wegen rücksichtsloser Massenentlassungen von Langzeitbeschäftigten ein, woraufhin die Arbeiter*innen mit überwältigender Mehrheit für den Beitritt zur Gewerkschaft stimmten. 97 Prozent der Arbeiter*innen im Hilton Vancouver Metrotown stimmten für einen Streik und riefen anschließend die Öffentlichkeit zum Boykott des Hotels auf. Danach stimmten 91 Prozent der Arbeiter*innen im Pacific Gateway Hotel für den Streik.

 

 

Ein wichtiges Element der Strategie der Gewerkschaft und der Arbeiter*innen im Kampf um ihre Rückkehrrechte war die Kund*innenboykottkampagne. Bei dieser Kampagne wurden die wichtigsten Kund*innen der Hotels angerufen, um die Situation zu erklären, ihre Fragen zu beantworten und sie zu bitten, die Hotels zu drängen, die Rückkehrrechte der Arbeiter*innen zu verlängern. Fünfundzwanzig Arbeiter*innen und Freiwillige, darunter auch Mitglieder von Socialist Alternative Canada, waren an dieser Kampagne beteiligt.

 

 

Die Hotels waren durch diese neue Taktik eindeutig verunsichert und verlangten bald, dass die Arbeiter*innen und die Freiwilligen ihre Kunden nicht mehr anriefen. Im Gegenzug würden sie die Rückkehrrechte bis zum Sommer 2022 verlängern, aber nur, wenn die Arbeiter*innen alle Kürzungen des Vertrags akzeptieren, die sie von Anfang an gefordert hatten! Die Gewerkschaft weigerte sich und antwortete, dass das neue Angebot nur akzeptiert würde, wenn die Vertragsänderungen zeitlich begrenzt wären (bis zum Ende der Pandemie).

 

 

Die Arbeiter*innen und Freiwilligen verstärkten die Boykottkampagne, indem sie weiterhin die wichtigsten Kunden der Hotels anriefen und nachhakten. Einige Hotels versuchten, mit rechtlichen Schritten zu drohen, aber die Arbeiter*innen ließen sich nicht abschrecken. Es war nur eine Frage von Tagen, bis die Westin, Hyatt und Pinnacle Hotels den Forderungen der Gewerkschaft nachgaben. Die Rückkehrrechte wurden bis zum Sommer 2022 verlängert und die Kürzungen des Vertrages werden nur so lange gelten, bis die Hotels wieder zu 60 Prozent ausgelastet sind, woraufhin der vorherige Vertrag wieder in Kraft treten wird.

 

 

Die Schlacht gewonnen, nicht den Krieg

 

 

Die Arbeiter*innen mögen einen Sieg errungen haben, aber das bedeutet nicht, dass der Krieg vorbei ist. Es gibt noch weitere Hotels, die der Ausweitung der Rückkehrrechte nicht zugestimmt haben, und viele Arbeiter*innen wurden bereits entlassen. Die Arbeiter*innen im Pan Pacific sind gerade der Gewerkschaft beigetreten, haben aber nun die riesige Aufgabe vor sich, ihren ersten Vertrag zu erstreiten. Mehr Arbeiter*innen und Freiwillige müssen an die Telefone und auf die Straße gehen, um den Druck aufrechtzuerhalten. Andere Gewerkschaften und Gewerkschaftsgruppen müssen sich zu Wort melden und sich mit den Arbeiter*innen der Hotels solidarisieren, bis alle Beschäftigten das Recht haben, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, mit guter Bezahlung und sicheren Arbeitsbedingungen.

 

 

Am 8. März nahmen Arbeiter*innen und Befürworter*innen von Unite Here Local 40 an einer Kundgebung in der Innenstadt von Vancouver teil, bei der die Gewerkschaft ihre "BC's Unequal Women-Kampagne" startete. Im Rahmen der Kundgebung und der Kampagne erzählen Frauen ihre Geschichten, darunter auch Immigrant*innen und alleinerziehende Mütter. Viele sind seit Jahrzehnten in der Hotelbranche tätig, und einige stehen kurz vor der Pensionierung. Das sind die Arbeiter*innen, die die Hotelbranche erfolgreich gemacht haben, und jetzt werden sie vom Management vor die Tür gesetzt und stehen vor dem Nichts.

 

 

Es liegt also noch ein langer Weg vor den Arbeiter*innen im Hotelgewerbe, aber die Bedeutung dieses Sieges darf nicht unterschätzt werden. Der von den Arbeiter*innen der Hotels Westin, Hyatt und Pinnacle errungene Deal wird ein mächtiger Präzedenzfall und eine Hilfe in der Kampagne sein. Socialist Alternative Canada ist stolz darauf, zum Sieg der Arbeiter*innen im Hotelgewerbe beigetragen zu haben und wird sie auch weiterhin im laufenden Kampf unterstützen.

 

 

 

Schwacher KV-Abschluss in der Elektronik- und Elektroindustrie

Trotz voller Auftragsbücher und Kampfbereitschaft macht die Gewerkschaft wieder einen faulen Deal.
Thomas Hauer, Betriebsrat in Elektroindustrie

Seit knapp zehn Jahren bin ich Arbeiter in der Elektroindustrie. Die jährliche Lohnrunde im April bedeutet normalerweise, dass der Sturm vorbei ist, bevor überhaupt Wind aufkommt. Mit der Herbstlohnrunde der Metaller*innen, die öfters zumindest ein bisschen konfrontativer abläuft, ist der generelle Kurs für die restlichen Branchen meistens vorgegeben und die Verhandlungsteams kommen relativ schnell zu einer Einigung. Heuer gab es Anzeichen, dass es diesmal etwas es anders laufen könnte.

Volle Auftragsbücher

Letztes Jahr wurde mit 1,6% Lohnerhöhung, in der ersten Verhandlungsrunde ein, wie es die Gewerkschaft nennt, „vernünftiger Krisenabschluss“ unterzeichnet. Dieser lag knapp über der Inflation. Im weiteren Verlauf des Jahres gab es aber bald wieder Entspannung in der Branche. Die Krise hat sie weniger hart als erwartet, weit weniger als andere Branchen und vergleichbare Firmen in anderen Ländern, getroffen. Die Auftragsbücher sind voll und manche Firmen waren nicht einmal in Kurzarbeit. Noch dazu gilt die Branche durch die weitere Digitalisierung und die angestrebte Energiewende als durchaus zukunftssicher. Regierung und Gewerkschaft haben ja auch - weitgehend ohne Gesundheits-Auflagen an die Firmen - sichergestellt, dass die Produktion unter Corona weiterläuft.

Trotz dieser sehr guten Ausgangslage ging das Verhandlungsteam der Gewerkschaft mit ein paar eher mauen Forderungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und einer Lohnerhöhung um 2,5% mit sehr schwachen Ansprüchen in die Verhandlung. Vor allem weil normalerweise an den Forderungen nicht festgehalten wird, sondern diese im weiteren Verlauf runter gehandelt werden und 2020 gerade mal die Inflation ausgeglichen wurde. Trotz diesem niedrigen Verhandlungs-Einstieg war das Verhalten der Unternehmensseite eigentlich eine Provokation. Anstatt die Leistung und das Risiko, dem die Beschäftigten in der Pandemie ausgesetzt sind, zumindest anzuerkennen, gab es kein Gegenangebot zu den 2,5%, aber die  Forderung nach einigen Verschlechterungen, wie Kürzung der Ruhezeiten.

Zeit für Betriebsversammlungen

Daraufhin unterbrach die Gewerkschaftsseite die Verhandlungen. An die Betriebsräte der Branche ging der Aufruf, Sitzungen abzuhalten und Betriebsversammlungen (BV) für 4.-6. Mai zu planen, falls bei der nächsten Runde, am 28. April, wieder kein Ergebnis zustande kommt.

Das wurde in unserem Betrieb auch umgesetzt und die BV von Angestellten- und Arbeiter*innenbetriebsrat einstimmig beschlossen. Meine Forderung, die BV auch bei einem Abschluss durchzuziehen, um das Ergebnis zu diskutieren sowie über die Lage im Betrieb allgemein, wurde vorerst mit der Begründung abgelehnt, dass bei einem Ergebnis mit keiner regen Teilnahme der Beschäftigten zu rechnen wäre.

Zumindest bei uns im Betrieb stimmt es, dass die Lohnverhandlungen generell kein großes Thema sind. Allerdings gibt es meistens nur zum Ergebnis einen Aushang und sonst keine Informationen. Weder zum Zustandekommen der Forderungen, noch zum Verhandlungsverlauf wird die Belegschaft informiert, geschweige denn eingebunden. Die Erwartungshaltung ist generell so niedrig, sodass sich die spätere Enttäuschung über ein schlechtes Ergebnis in Grenzen hält. Jedoch wird diese Stimmungslage, sollte sie mal an die Gewerkschaftsfunktionär*innen vermittelt werden, als niedrige Kampfbereitschaft uminterpretiert. Um hier eine Veränderung einzuleiten habe ich eine Unterschriftenliste gestartet, die in einer kritischen Unterstützung für die Gewerkschaftslinie fordert, dass die Lohnerhöhung um 2,5% in der aktuellen Situation nur das absolute Minimum sein kann. Da dieses Vorhaben vom restlichen Betriebsrat nicht mitgetragen wird, ein Text mit gemeinsamen Konsens wahrscheinlich zu zahnlos geworden und im Endeffekt wegen dem knappen Zeitfenster nicht Zustande gekommen wäre, habe ich alleine in vier Tagen gesammelt. Dabei sind 369 Unterschriften zusammengekommen, was etwas über einem Drittel der kompletten Belegschaft liegt und mehr als die Hälfe aller Arbeiter*innen. Mehr war wegen der knappen Zeit nicht möglich, aber nicht einmal 5% der Angesprochenen haben nicht unterschrieben. Dabei wurde nicht aus Ablehnung nicht unterschrieben, sondern vor allem aus Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen. 

Unzufriedenheit mit der Gewerkschaft!

In Gesprächen hörte ich viel Wut und Verärgerung über den Verhandlungsverlauf, der den meisten noch gar nicht bewusst war. Auch wurde von vielen das generell lasche Handeln der Gewerkschaft kritisiert. Für Gesprächsstoff beim Sammeln sorgten auch interne Themen. Angefangen mit einer Kündigungswelle, die noch kurz vor Anmeldung der Kurzarbeit durchgedrückt wurde, über die Probleme die jetzt durch diese Kündigungswelle mit der hohen Auftragslage einhergehen, einem dadurch entstandenen, vollkontinuierlichen Schichtmodell (also dank Sonderregelung wirklich rund um die Uhr), das zwar finanziell nicht unattraktiv ist, aber zu Lasten des Privatlebens geht und die Ausnutzung der Krise, um den Arbeitsdruck zu erhöhen. Wut und Druck sind in der Belegschaft genügend vorhanden. Die Arbeitsweise von Gewerkschaft, Betriebsrat und der praktizierter Sozial”partnerschaft” ist es aber, hier den Deckel drauf zu halten und bei kontrollierten Ventilen etwas Druck abzulassen, anstatt den vorhandenen Druck in eine Bewegung umzuwandeln.

Mieser Abschluss

Am 28.4. wurden die Verhandlungen abgeschlossen, bevor es überhaupt zu Betriebversammlungen gekommen ist. Für die rund 50.000 Kolleg*innen in der Branch wurde ein Plus von 2% unterschrieben - während die Teuerung bei Wohnen, Wasser und Energie uns mit einem Plus von 2,6% belastet und viele von uns Partner*innen haben, die den Job verloren haben. Besonders zahnlos ist die “Gemeinsame Sozialpartnererklärung: Bekenntnis zum fairen Umgang mit ZeitarbeiterInnen in der Elektro- und Elektronikindustrie” - es ist davon auszugehen, dass hier ausser schöner Worte nicht viel folgen wird!

Österreichweit sollte der Abschluss in Betriebsversammlungen besprochen und abgestimmt werden. Es geht um unseren Lohn, also sollten auch wir entscheiden, ob wir dem Deal zustimmen, oder bereit sind für mehr zu kämpfen. Eine Betriebsversammlung könnte aber auch für Verbesserungen auf betrieblicher Ebene eine Ausgangslage schaffen. Eigentlich sollter der Betriebsrat ein Gremium sein,  das sich in die Verhandlungen einmischt, die herrschende Stimmung vermittelt, Mitbestimmung einfordert und gegebenenfalls den Protest organisiert und öffentlich sichtbar macht. Wo das nicht der Fall ist, kann eine Betriebsgruppen diese kantige, klassenkämpferische Oppositionspolitik übernehmen. 

Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass so etwas zum jetzigen Zeitpunkt mit dem über Jahrzehnte antrainierten Bewusstseinsstand der meisten Beschäftigten, die großteils noch eine bessere Stellvertreterpolitik einfordern, leicht zu bewerkstelligen ist. Eine Betriebsversammlung, bietet eine Möglichkeit, dass die Kolleg*innen selbst zu Wort kommen, wo wir über kämpferische Gewerkschaftspolitik diskutieren können und wo wir das Bewusstsein, dass wir auf unsere Stärke setzen müssen als uns auf andere zu verlassen, heben können. Das kann ein Kristallisationspunkt für echte Basisstrukturen in Betrieben sein, die wir dringend brauchen, um weitere schlechte Abschlüsse, wie den Aktuellen, und faule Kompromisse auf unserem Rücken zu verhindern.

Der Bildungsbereich geht voran!

Lukas Kastner

Ein Bereich, in dem Klassenbewusstsein und Kampfbereitschaft der Beschäftigten in verschiedenen Ländern über die letzten Jahre besonders stark angewachsen ist, ist der Bildungsbereich. Durch Corona wurde dies noch verstärkt. Fragen wie sichere Arbeitsverhältnisse, die Bedeutung von Lehrpersonal, aber auch der Zugang zu Bildung und die Frage wie und unter welchen Bedingungen ein Bildungssystem zu funktionieren hat, werden immer zentraler. Während Kapitalist*innen und ihre Regierungen lediglich möglichst günstig Arbeitsbienen produzieren wollen, sollen Personal und Schüler*innen mit psychischen und gesundheitlichen Problemen bezahlen. 
Jedoch zeigen Beispiele u.a. aus den USA und Britannien, wie sich Beschäftigte erfolgreich wehren. Bereits im August 2020 streikten in den USA Lehrer*innen in 35 Schulbezirken gegen eine Öffnung trotz Pandemie. Bereits zuvor hatte der Zusammenschluss von Lehrpersonal unter dem Hashtag „Refuse to return“ in den meisten Bezirken eine solche verhindert. Auch in Britannien regte sich Anfang des Jahres Widerstand. Auf Druck der Beschäftigten sprachen sich 6 Gewerkschaften gegen die Schulöffnung aus. An einem online Treffen der Gewerkschaft National Education Union nahmen 400.000 (!) teil. Allein von 1.-4. Jänner stieg ihre Mitgliederzahl um 16.000. Ebenso nahmen Tausende an öffentlichen Treffen mit Beschäftigten im Bildungs- und Gesundheitsbereich, Eltern und einigen linken Labour Abgeordneten teil. 
Bedeutend ist, dass die protestierenden Beschäftigten überall neben ihrer eigenen Sicherheit auch Unterstützung für Schüler*innen und deren Familien fordern. So traten sie z.B. in den USA für einen Delogierungsstopp ein. In Britannien wurde die Bereitstellung von Lernmaterial (Laptops etc.) durch die Regierung gefordert. Dies stellt nicht nur eine Alternative zur chaotischen und unzureichenden Corona-Politik von Herrschenden und Verschwörungsmythiker*innen dar. Es zeigt auch: Der Kampf eines ihrer Teile ist im Interesse der gesamten Arbeiter*innenklasse. Die Probleme im Bildungsbereich werden nach Cornona bleiben. Die Organisierungen von heute legen aber eine wichtige Basis für erfolgreiche Kämpfe von morgen.  

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Verstaatlichung: Für Menschen und nicht für Profite!

Die Frage ist nicht „mehr“ oder „weniger“ Staat, sondern welcher Staat in wessen Interesse.
Margarita Wolf

Überall auf der Welt warten Milliarden Menschen sehnsüchtig auf die “befreiende” Impfung gegen Covid-19. Doch überall gibt es die gleichen Probleme: Zu wenig Impfstoff und Reiche, Politik & Promis drängeln vor. Während wir mit massiven privaten Einschränkungen leben, jettet die Hautevolee in Privatjets und Jachten um die Welt. Gleichzeitig stehen die Regierungen bei den Pharmakonzernen an, betteln um bereits zugesicherte Impfdosen, um andere Staaten “auszubremsen”.
Selten war das Versagen des marktwirtschaftlichen Chaos klarer als heute. Immer unverständlicher ist daher, wieso nicht die Möglichkeiten zur Produktion des Impfstoffs gebündelt und zentral geplant werden. Pharmakonzerne lieferten sich einen Wettstreit um die Entwicklung eines Impfstoffes. Nicht aus Menschenliebe: Der Markt wird auf 100 Milliarden Dollar geschätzt. Die EU hat die Forschung für den britisch-schwedischen Hersteller Astra Zeneca mit über 330 Millionen Euro gefördert. Doch der hält sich nicht an die vage versprochenen Lieferungen und liefert ganz im Sinn des “unternehmerischen Denkens” an jene, die am meisten zahlen.
Diese “Exportpolitik” der Pharmakonzerne wird von der EU kritisiert und man denkt über Beschränkungen nach. Nach über zwei Jahrzehnten Neoliberalismus wird auch aus Wirtschaftskreisen der Ruf nach staatlicher Intervention wieder lauter. Die Widersprüche des Kapitalismus bleiben aber unangetastet. Die 2.189 reichsten Menschen der Welt besitzen laut "Billionaires Report“ 10,2 Billionen Dollar (Stand Juli 2020) - Tendenz steigend. 
Neben Hilfspaketen für Unternehmen gehen Regierungen weiter. In den USA z.B. setzt Biden den Defense Production Act ein, um Firmen zur Produktion von Corona-Schutz zu “zwingen”. Auch hier geht es darum, mit öffentlichen Geldern das ganze System – und damit auch die kapitalistische Wirtschaft - am Laufen zu halten. Nicht nur die Kaufkraft der Massen soll erhalten, sondern auch Unruhen verhindert werden, um das Profitsystem zu stabilisieren. Das 1,9 Billionen schwere Hilfspaket in den USA ändert am Kapitalismus ebenso wenig, wie das Kurzarbeitsmodell von Kurz. 
Staatliche Gelder fließen auch in die Impfstoffforschung. Die Ergebnisse bleiben trotzdem privat, also geheim. Der internationale Druck bis hin zur WHO steigt, das Patentrecht für Covid-19 Impfstoffe auszusetzen. Die neoliberale Speerspitze WTO und Staaten, die „ihre“ nationalen Pharmaunternehmen schützen wollen, blocken ab. Ein Ausscheren von Nationalstaaten bis hin zum Bruch des Patentrechtes, wie es schon in der Vergangenheit mit HIV-Medikamenten passiert ist, ist absolut möglich. So könnten auf nationaler Ebene Impfstoffkapazitäten geschaffen und die Abhängigkeit reduziert werden. Zu Recht stehen viele Menschen Big Pharma skeptisch gegenüber und als Folge dann auch der Covid-19 Impfung. Denn wo die Information und die öffentliche Kontrolle fehlt, bleibt das Vertrauen auf der Strecke.
Weder haben Politiker*innen noch weniger Aktionär*innen dazu beigetragen, dass in Rekordzeit gleich mehrere Impfstoffe verfügbar sind. Zu verdanken haben wir das massiven staatlichen Investitionen und v.a. den Beschäftigten in diesen Bereichen. Sie sind die wahren Expert*innen, wenn es um die Herstellung von Masken, Tests und Impfungen geht. 
Russland und China scheinen „besser“ durch die Krise zu kommen. Dort besitzt der Staat weit mehr Einfluss. Doch auch Russland und China sind heute kapitalistische Staaten, die Interessen von herrschender Klasse und Konzernen stehen im Vordergrund, durchgesetzt wird das mit massiver Repression. Und beide nutzen ihren Impfstoff massiv zu Ausbau und Sicherung ihrer politischen und wirtschaftlichen Einflusszonen. Das geht 1:1 zu Lasten der russischen und chinesischen Bevölkerung, die auch noch nicht geimpft ist. Und auch wenn die EU wieder völlig versagt hat, liegt die Lösung nicht in einer Rückkehr zu nationalistischen Konzepten. Ganz im Gegenteil, Covid-19 zeigt auch hier die weltweite, internationale Dimension von Ursache und Lösung. Das fängt schon bei der Konzentration der Produktion des Impfstoffs, der Masken etc. an. Es braucht also keine nationalen Sonderwege zu Lasten anderer im Verteilungskampf, der in einer Überflussgesellschaft nicht notwendig ist. 
Die einfache Gleichung “mehr Staat” sei automatisch “weniger Kapitalismus” geht nicht auf. Gerade Österreich hatte nach 1945 lang einen großen verstaatlichten Sektor. Dieser diente aber keinem antikapitalistischen Konzept sondern dem Aufbau des heimischen Kapitalismus. Die Gesetze zur Verstaatlichung wurden nicht nur von der bürgerlichen ÖVP mitgetragen, sondern teilweise von ihr gefordert.
Wenn wir Verstaatlichung fordern, machen wir klar, in wessen Interesse das geschehen soll. Wir fordern daher auch die Übernahme und Verwaltung der Betriebe durch und im Interesse der Arbeiter*innenklasse und in weiterer Folge durch einen Arbeiter*innenstaat. Es braucht eine demokratische, zentrale und ökologische Planung und Produktion der Wirtschaft und der Gesellschaft zur Lösung der Probleme, sei es Covid-19, Hunger, Armut oder Klimawandel. Es braucht eine sozialistische Gesellschaft!

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kurznachrichten aus Betrieb & Gewerkschaft

Douglas & Co.

Angriffe von Unternehmen auf Betriebsratsgründungen nehmen zu. U.a. bei Douglas, Veloce, Hornbach, Müller, Tech-Masters Austria u.a. wurden Beschäftigte, die einen Betriebsrat gründen wollten, rausgeworfen. Gewerkschaften müssen diese Kolleg*innen mit allen Mitteln unterstützen und verteidigen. Denn es braucht nicht nur rechtliche Schritte, sondern Solidaritätsaktionen und öffentlichen Druck auf die jeweilige Firma.

Veloce: Ausdauersport

2004 streikten die Fahrradkuriere bei Veloce u.a. für das Recht auf einen Betriebsrat. Nachdem 26 von ihnen von Veloce rausgeworfen wurden, streikten sie sogar ein zweites Mal. Die „freien Dienstnehmer*innen“ organisierten sich selbst und erst in weiterer Folge sprang die Gewerkschaft auf. Die Entschlossenheit der Kolleg*innen führte zu weitreichenden Zugeständnissen, doch zu einem echten Betriebsrat kam es nicht. Erst jetzt, 16 Jahre später, nachdem abermals 7 Beschäftigte nach dem Versuch, eine Betriebsrats-Wahl abzuhalten, gekündigt wurden, gelang es, einen Betriebsrat zu gründen. Die verschärften Arbeitsbedingungen in der Corona-Krise und der neue, von Veloce nicht eingehaltene, Kollektivvertrag für Fahrradbot*innen, haben diese Auseinandersetzung wieder entflammt. Kämpfen zahlt sich aus und es gibt noch viel zu erreichen!

Magdas < Caritas

Frauenarmut und Migration sind Themen der Caritas. Die eigene Praxis sieht anders aus: 2019 wurden Reinigungskräfte in ein Tochterunternehmen und einen anderen Kollektivvertrag ausgelagert (minus 200 € Gehalt). Das wurde von Kolleg*innen der Basisinitiative „Sozial Aber Nicht Blöd“ (in der die SLP mitarbeitet) öffentlich gemacht. Betriebsrat und Gewerkschaft wurden aktiv. Nach Auseinandersetzungen mit der Caritas-Führung auf Facebook verbreitete sich der Bericht und schaffte es auch in andere Medien. Die folgenden Betriebsversammlungen machten klar: „Eine Caritas - ein KV!“. Verbesserungen für die Betroffenen wurden erreicht. Doch Monate danach kam es ohne weiteren Kampf oder Abstimmung zu einer „Einigung“. Anstatt die vorhandene Kampfbereitschaft der Belegschaft einzusetzen, stimmte der Betriebsrat dem faulen Deal – inklusive Auslagerung – zu.

 

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Aktiv für +10% und + 250.-

Michael Gehmacher

„Sozial, aber nicht blöd“ startet eine Kampagne für mehr Personal und 250.- Corona Bonus/Monat
Am 20. Februar hielt „Sozial, aber nicht blöd“ ein erfolgreiches bundesweites Treffen ab. Neben einem guten Austausch und einer kämpferischen Kundgebung in Wien-Ottakring einigten sich die Aktivist*innen auf eine neue Kampagne. Laufend erhält „Sozial, aber nicht blöd“ Zuschriften und Informationen über Missstände in der Pflege und im Sozialbereich. Zum Teil werden diese Erfahrungen (anonymisiert) veröffentlicht. Unter anderem geht es dabei um die Missachtung von Schutzmaßnahmen und die große Personalknappheit.
Daher stehen Schutzmaßnahmen, die Möglichkeit der freiwilligen Testung in der Arbeitszeit, die Möglichkeit der freiwilligen Impfung und der Wahl des Impfstoffes sowie die Forderung nach mehr Personal im Mittelpunkt der Kampagne. Dazu kommen Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung und eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 6%. Für einen Corona Bonus von 250.- im Monat und die sofortige Einstellung von 10% mehr Personal soll es eine breite Kampagne geben mit Aktionen, Unterschriftenlisten, Beschlüssen von Betriebsversammlungen, Anträgen an Gewerkschaftsgremien und das Bundesforum der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und vielem mehr.“Sozial, aber nicht blöd“ freut sich über Deine Unterstützung und Mitarbeit – für Beschäftigte und Unterstützer*innen! Infos in Kürze auf FB „Wir sind sozial aber nicht blöd“ und dem gleichnamigen Blog.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

(Was tun) Betriebsräte in der Krise

Jan Millonig

Niemand möchte aktuell mit den Betriebsrät*innen von MAN, Swarovski, ATB, FACC oder Casinos Austria tauschen. Diese sind mit Massenentlassungen oder Betriebsschließungen konfrontiert. Die gesamte Gewerkschaftsbewegung sieht sich aktuell mit einer der größten Herausforderungen in der 2. Republik konfrontiert. Corona wirkte wie ein Katalysator auf die schon anrollende Wirtschaftskrise und viele Auswirkungen stehen uns noch bevor.
Die schlechte Nachricht: Das jahrzehntelange Festhalten an der sozialpartnerschaftlichen Ideologie haben die Gewerkschaften strategisch entwaffnet. Betriebsräte werden nicht im Kämpfen geschult, sondern zum Co-Management ausgebildet. „Sozialpartnerschaft“ zeichnet das Bild, dass Unternehmen und Belegschaft gemeinsame Interessen hätten, die sie gemeinsam erreichen können. Doch sobald es eng wird, zeigt sich sofort die Realität entgegengesetzter Interessen: Profitzwang auf der einen und sichere Jobs und gute Löhne auf der anderen Seite.
Die Interessen der Beschäftigten konsequent zu vertreten, ist eine große Herausforderung. Man wird nicht nur von der Geschäftsführung, sondern auch vom Gewerkschaftsapparat mit Gerede von „Sachzwängen“ und was alles nicht möglich wäre, eingelullt. Bei den Streiks im Sozialbereich zeigte sich die fehlende Unterstützung durch die Gewerkschaftsführung. Kundgebungen und betriebliche Aktionen fanden vor allem dort statt, wo Betriebsrät*innen die Organisation selbst in die Hand nahmen. Damals bildeten sich in einigen Betrieben Aktionskomitees und Streikleitungen.
Eine Möglichkeit, um Kolleg*innen dauerhafter zu organisieren, und so auch Druck auf die Gewerkschaft zu entwickeln, sind Betriebsgruppen. Dort finden Beschäftigte an der Basis zusammen und können Probleme im Betrieb und Strategien dagegen diskutieren. Denn die demokratische Diskussion und Einbindung aller Kolleg*innen im Betrieb (auch Lehrlinge, Leiharbeiter*innen oder ausgelagerte Bereiche) sind unabdingbar, um Kämpfe zu gewinnen. Kolleg*innen müssen über nächste Schritte nicht nur informiert, sondern auch in Versammlungen und Abstimmungen gefragt werden. Intransparenz schwächt nur die eigene Position. Geheimhaltungsklauseln sind inakzeptabel. Nur die Kampfkraft der Belegschaft wird zu Erfolgen führen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Gudi bleibt! Wütende Demo gegen Einsparungen im Sozialbereich

Christoph Glanninger

Vergangenen Freitag, am 9.4. beteiligten sich mehrere hundert Menschen an der Demonstration “Gudi bleibt! Keine Einsparungen im Sozialbereich”. Kurz vor Beginn der Demonstration hatte sich die Belegschaft des Notquartiers Gudrunstraße schon zum zweiten Mal mit eindeutiger Mehrheit dafür entschieden, in einen Streik gegen die Schließung zu treten. Obwohl nur ca. 30 Personen in der Gudi arbeiten, haben diese beiden Streikbeschlüsse schon jetzt eine Bedeutung, die weit über die Gudrunstraße und auch über den Sozialbereich hinaus reicht. Sie zeigen: Streiken ist auch ohne Unterstützung der Gewerkschaft möglich, wenn Beschäftigte sich organisieren und klar machen “es reicht!”.

Vorgeschichte

Schon am 17.3. fand am Keplerplatz ein erster Warnstreik inklusive Protestkundgebung gegen die Schließung der Einrichtung statt. Das Notquartier Gudrunstraße im 10. Bezirk ist eines der wenigen zentrumsnahen Notquartiere in Wien und soll jetzt als einziges Notquartier von der Gemeinde Wien bzw. Stadtrat Hacker nicht verlängert werden. Der Grund dafür ist ziemlich durchsichtig: Die Belegschaft hatte in den letzten Monaten immer wieder Missstände angesprochen und das hat den Verantwortlichen im Fond Soziales Wien (FSW), dem Arbeiter Samariter Bund ASB und der Stadtregierung nicht gepasst. Dafür lassen sie jetzt die Beschäftigten aber auch die Nächtiger, die auf die Gudrunstraße angewiesen sind, büßen. 

 

 

Mehr Infos:

 

 

Demonstration zeigt Solidarität und aufgestauten Unmut

 

Bei der Organisierung der Demonstration am 9.4. wurden die Kolleg*innen aus der Gudrunstraße unterstützt von den Basisinitiativen “Wir sind sozial aber nicht blöd”, der “Initiative Sommerpaket” und dem Betriebsrat des ASB. Überhaupt haben die Beschäftigten aus der Gudrunstraße in den letzten Wochen unglaublich viel Solidarität aus unterschiedlichen Teilen des Sozialbereichs aber auch der breiteren Gewerkschaftsbewegung erhalten. Darauf wies auch Christoph Glanninger, aktiv bei der SLP, in seiner Rede für “Sozial aber nicht blöd” hin und betonte die Vorbildwirkung dieses Arbeitskampfes im gesamten Sozialbereich und auch darüber hinaus.

 

Z.B. schmückte die Belegschaft der Wohnungsloseneinrichtung “Chancenhaus Kerschensteinergasse” ihre Einrichtung mit Transparenten “Gudi bleibt!” und “Keine Einsparungen im Sozialbereich”. Auch die Vernetzung der Betriebsrät*innen in Organisationen im Wiener Behindertenbereich sendete ihre Solidarität. Insbesondere auf der Demonstration war diese Solidarität vor allem aus dem Sozialbereich deutlich spürbar. Selma Schacht, Betriebsratsvorsitzende bei “Bildung im Mittelpunkt (BIM)” und aktiv bei Komintern, die eine zentrale Rolle bei den Sozialbereichsstreiks vor einem Jahr gespielt hatten, richtete den Kolleg*innen in ihrer Rede ihre Solidarität aus und betonte auch, dass der Kampf eine Inspiration für viele andere Beschäftigte im Sozialbereich ist. Auch unter den anderen Redner*innen und Teilnehmer*innen der Demonstration waren sehr viele Beschäftigte aus unterschiedlichen Sozialeinrichtungen.

 

 

Aktivist*innen der SLP und von “Wir sind sozial aber nicht blöd” hatten in den Wochen vor der Demonstration regelmäßig Aktionen u.a. am Keplerplatz (in der Nähe der Einrichtung Gudrunstrasse) organisiert, um über die Auseinandersetzung zu informieren und für die Demonstration zu mobilisieren. Auch dabei waren wir beeindruckt von den fast ausnahmslos positiven Reaktionen von Anwohner*innen, die zeigen, dass auch die gesamtgesellschaftliche Solidarität enorm ist. 

 

Skandalöses Verhalten der Gewerkschaft GPA

Eine skandalöse Rolle hat die Gewerkschaft GPA in der Auseinandersetzung gespielt und den Kolleg*innen im letzten Augenblick vor dem Streik die Unterstützung verwehrt. Mit dem Argument, dass es sich um eine politische Auseinandersetzung und nicht um einen Arbeitskampf handelt. Offensichtlich ist das eine mehr als peinliche Ausrede, um mangelnden politischen WIllen (und wohl auch eine Nähe zur Wiener Stadtregierung) zu verstecken, schließlich sind ALLE Auseinandersetzungen im Gesundheits- und Sozialbereich politisch da es immer auch um die Frage der Geldgeber geht. Darauf wies auch Katharina Kronhuber vom ASB-Betriebsrat in ihrer Rede hin. Selbst in der Selbstdarstellung der GPA heißt es “Ziel der Gewerkschaft GPA ist, dass alle Menschen ein gutes Leben führen können. So setzen wir uns dafür ein, dass es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Freizeit immer wieder Verbesserungen gibt. Das tun wir direkt im Betrieb gemeinsam mit dem Betriebsrat, bei Verhandlungen für ganze Branchen und indem wir unsere Forderungen an die Politik richten.”

Das Verhalten der GPA ist auch für zukünftige Arbeitskämpfe wichtig, Kolleg*innen die sich in Zukunft gegen Schließungen wehren oder andere Missstände ändern wollen, können nicht automatisch mit einer Unterstützung der GPA oder des ÖGB rechnen. Umso wichtiger ist die Organisierung von unten! Kolleg*innen müssen sich an den Dienststellen zusammen schließen, organisieren und Aktionen gut vorbereiten. Die Zusammenarbeit mit kämpferischen Basisinitiativen wie “Wir sind sozial, aber nicht blöd” wird hier immer wichtiger. Gerade im Sozialbereich und in der Pflege ist die Solidarität von außen von Bewohner*innen, Nachbar*innen sehr wichtig. Diese Arbeit kann in einer Situation des Arbeitskampfes nur schwer von einer Belegschaft alleine getragen werden, umso wichtiger wird die Zusammenarbeit mit solidarischen Menschen und Gruppen.     

Wie weiter?

Die Demonstration endete vor dem Rathaus, um den Unmut zu den Verantwortlichen in der Wiener Stadtregierung, besonders dem Gesundheitsstadtrat Peter Hacker zu tragen. Dieser hatte im Vorfeld den Kolleg*innen vorgeworfen, die Klient*innen “auszunutzen” um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Obwohl man von der Sozialdemokratie nach Jahrzehnten von bürgerlicher Politik ohnehin nicht mehr viel erwartet, stellt dieses typische Unternehmens-Argument trotzdem einen neuen Tiefpunkt dar. 

Die Reaktionen von Stadtrat Hacker und anderen Verantwortlichen machen klar, dass man den Regierenden jedes kleine Zugeständnis mühsam abringen muss. In diesem Zusammenhang ist die Ankündigung, dass das Notquartier Gudrunstraße im kommenden Winter wieder aufsperren soll schon ein kleiner Sieg. Aber es zeigt auch, dass wir noch eine viel stärkere Bewegung brauchen, um weitere Angriffe und Schließungen abzuwehren und die dringend notwendigen Verbesserungen zu erkämpfen. Um genau diese Fragen ging es daher auch beim Austausch verschiedener Aktiver über die nächsten Schritte Im Anschluss an die Demonstration.

 

Bis Ende April geht es mal darum, den Druck zu erhöhen und gegen die Schließung der Gudi zu kämpfen. Aber unabhängig davon, wie die Auseinandersetzung ausgeht sollten wir sie zum Ausgangspunkt für weiteren Widerstand nehmen. Auch andere Einrichtungen stehen vor der Schließung z.B. das Haus Erdberg (ebenfalls betrieben vom ASB). Außerdem stellt sich die Frage, wie man den Kampf um eine ganzjährige Betreuung durch Notquartiere, bessere Arbeits- und Unterbringungsbedingungen, Mitsprache von Basismitarbeiter*innen aber natürlich auch ein Ende von Obdachlosigkeit überhaupt erkämpfen kann. Und auch in anderen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens - den beklatschten “Systemerhalter*innen - gärt es. Bei vielen ist es noch “nur” Wut und Überlastung. In anderen Bereichen gibt es Debatten und Initiativen - so aktuell eine wachsende Debatte rund um die Frage von bezahlten Praktika im Gesundheits- und Sozialbereich. Und nicht zuletzt kann diese Organisierung die Grundlage sein, um den FSW vor dem nächsten Winterpaket an sein Versprechen zu erinnern, die Gudrunstraße wieder zu eröffnen.

 

 

Eine vorläufige Abschlussaktion die voraussichtlich am 28.4. stattfinden wird, kann der Ausgangspunkt für diese Vernetzung sein. Wir schlagen auch ein breiteres Treffen von Beschäftigten aus unterschiedlichen Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialbereich vor. Außerdem könnte  der 12.5., der internationale Tag der Pflege, ein guter Anlass sein, um auf die katastrophale Situation im Gesundheits- und Sozialbereich hinzuweisen. Wichtig wird sein, noch im Mai ein deutliches Lebenszeichen zu geben.  

 

Der Kampf um die Gudi als Vorbild

Wir können davon ausgehen, dass die Auseinandersetzung rund um die Notschlafstelle Gudrunstraße der erste von vielen Kämpfen im Gesundheits- und Sozialbereich in der “Post Corona” Periode sein wird. 

Die Regierenden haben Milliarden aufgebracht, um Konzernen trotzt Corona-Krise ihre Profite zu sichern. Wir können davon ausgehen, dass sie dieses Geld in den nächsten Jahren unter anderem bei Beschäftigten, aber auch Klient*innen und Patient*innen im Gesundheits- und Sozialbereich wieder reinholen wollen. Gleichzeitig steigt die gesellschaftliche Anerkennung aber auch einfach der Bedarf immer weiter an. Dieser Widerspruch wird die Grundlage für zahlreiche Auseinandersetzungen sein. Umso wichtiger ist es, dass wir die Erfahrungen aus dem Kampf um die Notschlafstelle Gudrunstraße und dem ersten größeren wilden Streik seit längerem nützen und als Inspiration und Grundlage für kommende Kämpfe nehmen.

 

 

MAN: Belegschaft stimmt gegen WSA-Übernahme mit Stellenabbau und Lohnkürzungen

Jetzt braucht es eine Kampfstrategie für Verstaatlichung!
Flo Klabacher

Trotz der Drohung des MAN-Konzerns, das Werk in Steyr zu schließen, wenn die Belegschaft bei der Urabstimmung gegen eine Übernahme stimmt, erteilten zwei Drittel der Beschäftigten Siegfried Wolfs Kahlschlags-Plänen eine klare Abfuhr. Im Gegensatz zu Minister*innen wie Kocher oder Schramböck sahen sie keine „positive Zukunft“ oder „Sicherung der Arbeitsplätze“ in der Kündigung fast der halben Belegschaft und Lohnverlusten für den Rest. MAN erklärte erwartungsgemäß, das Werk jetzt schließen zu wollen. Ohne eine Strategie, mit welchen Kampfmitteln und Methoden das Werk verteidigt werden kann, droht die richtige Entscheidung, den WSA-Deal abzulehnen, nachträglich zur Katastrophe der Werkschließung zu führen.

Gewerkschaft bisher ohne echte Kampfstrategie - doch es ist noch nicht zu spät!

Betriebsrat und ÖGB können weiterhin keine solche Strategie vorlegen. Die Abstimmung wäre ein Anlass für eine breite Kampagne gegen WSA-Deal und die Werkschließung gewesen. Stattdessen verzichteten die Belegschaftsvertreter*innen sogar auf eine klare, öffentliche Positionierung und „signalisierten“ nur Ablehnung gegen den Deal mit Wolf. Sofort nach der Abstimmung kehrten sie zum Mantra der notwendigen „konstruktiven Verhandlungen“ und zum Appellieren an den MAN-Konzern und seine „große Verantwortung für die Region“ zurück. Das grenzt an Realitätsverweigerung. Offenbar glauben Katzian, Wimmer, Schwarz & Co., in Steyr einen ähnlichen Deal wie die IG Metall in Deutschland erreichen zu können. Aber dieser Deal zwischen IG Metall und MAN schadet nicht nur 3.500 Kolleg*innen, die in Deutschland ihre Jobs verlieren. Er bedeutet auch, dass ein standortübergreifender Kampf schwieriger wird und schwächt die dadurch isolierte Steyrer Belegschaft. Das macht einen Kampf um eine Lösung im Interesse der Belegschaft schwieriger und auch einen miesen Deal mit Stellenstreichungen, Zugeständnissen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen, aber Erhaltung des Werkes innerhalb des VW-Konzerns, wie ihn der Betriebsrat offenbar anstrebt, immer unwahrscheinlicher. Vor allem, wenn sich Betriebsrat und ÖGB auf moralische Appelle und das Einklagen des Standortsicherungsvertrages beschränken und das stärkste Druckmittel der Belegschaft weiterhin ignorieren: Ein Streik, der die Produktion lahmlegt und den Konzern trifft, wo es ihm weh tut: Bei den Profiten. MAN bzw. VW ist kein maroder Konzern und nach wie vor auf die Produktion aus dem Steyrer Werk angewiesen - ein Streik inklusive Blockade der Lager kann daher echten ökonomischen Druck aufbauen. Der vergangene Warnstreik hat gezeigt, wie groß die Solidarität mit der Beschäftigten ist. Von der Bevölkerung der Region und Belegschaften anderer Betriebe können die MAN-Arbeiter*innen sicher auf große Solidarität zählen.

Mit einer echten Kampfstrategie ist es immer noch möglich, alle Jobs, Löhne und Arbeitsbedingungen bei MAN Steyr zu verteidigen. Doch selbst um die Werkschließung bzw. massiven Stellenabbau und Lohnkürzungen zu verhindern, ist eine entschlossene, kämpferische Bewegung nötig. Eine solche Bewegung kann nur von der Belegschaft ausgehen und sollte demokratisch von den Beschäftigten kontrolliert werden: Betriebs- und Streikversammlungen, die demokratisch über Forderungen, Kampagnen- und Kampfmethoden diskutieren und Urabstimmungen der Belegschaft zu möglichen kommenden Übernahmeangeboten oder Kompromissvorschlägen des Konzerns.

Alternative: Echte Verstaatlichung

Aber die Sackgasse durch die Wolf-Pläne zeigen auch das Elend der meisten Übernahmepläne: Wenn neue Investor*innen das Werk übernehmen, dann nur, um möglichst viel Profite zu machen. Das wird so gut wie sicher zu Verschlechterungen für die Kolleg*innen führen.

Deshalb muss die Option einer echten Verstaatlichung auf den Tisch. Die Regierung hat in den letzten Monaten zig Milliarden an Unternehmen verteilt, die dann oft trotzdem Beschäftigte entlassen haben. Aktuell diskutiert die Bundesregierung z.B. über einen sogenannten Wiederaufbauplan, für den auch EU-Gelder zur Verfügung stehen, die Verstaatlichung und Umrüstung wäre eine sinnvollere Investition zur Rettung von Arbeitsplätzen als irgendwelche Boni für Konzerne.  Es spricht nichts dagegen, dass der Staat das Werk mit der hochqualifizierten Belegschaft übernimmt, doch es braucht eine echte und volle Übernahme des Werkes durch die öffentliche Hand unter Kontrolle und Verwaltung der Belegschaft. Dann könnte die Produktion auch unter Kontrolle der Beschäftigten in Richtung Energiewende umgerüstet werden.

Diese Forderung muss Teil des Kampfes sein. Und sogar wenn Forderungen nach Verstaatlichung nicht erfüllt werden: Je entschlossener die Belegschaft und je klarer die Kampfstrategie ist, umso besser sind ihre Karten in jeder Verhandlung: Sei es für eine Verstaatlichung, bei einer Übernahme, oder wenn der Betrieb durch die Beschäftigten selbst weitergeführt wird. Das haben auch internationale Erfahrungen gezeigt.

 

SLP-Flugblatt:

MAN Steyr: Wie weiter nach der Urabstimmug?

Zwei Drittel der Beschäftigten erteilten Siegfried Wolfs Kahlschlags-Plänen eine klare Abfuhr. Gut so! Aber ohne eine Strategie, mit welchen Kampfmitteln und Methoden das Werk verteidigt werden kann, besteht die Gefahr, dass der VW-Konzern seine Drohung wahrmachen und das Werk schließen kann.

Können Betriebsrat und ÖGB eine solche Strategie vorlegen? Die Abstimmung wäre ein Anlass für eine breite Kampagne gegen WSA-Deal und die Werkschließung gewesen. Stattdessen verzichteten die Belegschaftsvertreter*innen sogar auf eine klare, öffentliche Positionierung, auch wenn sie Ablehnung gegen den Deal mit Wolf signalisierten. Sofort nach der Abstimmung kehrten sie zum Mantra der notwendigen „konstruktiven Verhandlungen“ und zum Appellieren an den MAN-Konzern und seine „große Verantwortung für die Region“ zurück. Grenzt das nicht an Realitätsverweigerung? Glauben Katzian, Wimmer, Schwarz & Co., in Steyr einen ähnlichen Deal wie die IG Metall in Deutschland erreichen zu können? Dieser Deal zwischen IG Metall und MAN schadet nicht nur 3.500 Kolleg*innen, die in Deutschland ihre Jobs verlieren. Er bedeutet auch, dass ein standortübergreifender Kampf schwieriger wird und schwächt die dadurch isolierte Steyrer Belegschaft. Das macht einen Kampf um eine Lösung im Interesse der Belegschaft schwieriger und auch einen miesen Deal mit Stellenstreichungen, Zugeständnissen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen, aber Erhaltung des Werkes innerhalb des VW-Konzerns, wie ihn der Betriebsrat offenbar anstrebt, immer unwahrscheinlicher. Vor allem, wenn sich Betriebsrat und ÖGB auf moralische Appelle und das Einklagen des Standortsicherungsvertrages beschränken. Wurde das stärkste Druckmittel der Belegschaft bisher nicht ignoriert? Ein Streik, der den Konzern trifft, wo es ihm weh tut, bei den Profiten? Die fährt er mit täglich neu in Steyr gefertigten LKWs weiterhin ein. Der Warnstreik im Oktober hat gezeigt: Auf die Solidarität der Bevölkerung und der Belegschaften anderer Betriebe können die MAN-Arbeiter*innen zählen.

Wir glauben, es ist möglich, das Werk, alle Jobs, Löhne und Arbeitsbedingungen bei MAN Steyr zu verteidigen. Doch dafür ist eine entschlossene Bewegung nötig!

Alternative: Echte Verstaatlichung

Die Wolf-Pläne zeigen das Problem der meisten Übernahmepläne: Neue Investor*innen übernehmen das Werk nur, um möglichst viel Profit zu machen. Führt das nicht praktisch sicher zu Verschlechterungen für die Kolleg*innen?

Warum ist die Forderung nach Wiederverstaatlichung noch nicht am Tisch? Die Regierung hat in den letzten Monaten zig Milliarden an Konzerne verteilt, die dann oft trotzdem Beschäftigte entlassen. Wegen öffentlicher Gelder und der Leistung der Belegschaft in den letzten Jahrzehnten gehört das Werk ohnehin eigentlich längst uns allen. Was spricht gegen ein volle staatliche Übernahme des Werks mit der hochqualifizierten Belegschaft? Die Produktion könnte so unter Kontrolle der Beschäftigten in Richtung Energiewende umgerüstet werden.

Sicher ist: Je entschlossener die Belegschaft und je klarer ihre Kampfstrategie ist, umso besser sind ihre Karten in jeder Verhandlung: Sei es für eine Verstaatlichung, eine Übernahme, oder wenn der Betrieb durch die Beschäftigten selbst weitergeführt wird. Das haben auch internationale Erfahrungen gezeigt.

Rückseite Flugblatt:

Betriebsrat und Gewerkschaften fordern seit sieben Monaten konstruktive Verhandlungen mit der Konzernzentrale – und werden ignoriert. Warum nicht den Konzern zum Verhandeln zwingen? Wer nicht hören will, muss fühlen!

Die Auftragslage ist gut, jede Stunde, die das Steyrer Werk nicht produziert, kostet VW Profite.

Ein eintägiger Vollstreik; die Forderung, die Werkschließung sofort vom Tisch zu nehmen; und die Ankündigung eines zweitägigen Vollstreiks als nächsten Schritt in der folgenden Woche, wenn der Konzern kein brauchbares Angebot zur Fortführung der Produktion in Steyr macht und einer weiteren Eskalationsstrategie wenn der Konzern nicht einlenkt. Streiks sind weder verboten noch “unklug” - sie sind offensichtlich die einzige Möglichkeit, wie die Belegschaft zu ihrem Recht kommt! Rechtlich ist das kein Problem. Es gibt kein Gesetz, das Streiks verbietet.

Gewerkschaftsführung und viele Betriebsrät*innen sind gewohnt, Entscheidungen über die Köpfe der Kolleg*innen hinweg zu treffen. Aber entscheiden, was nötig ist für einen erfolgreichen Arbeitskampf müssen und können die Beschäftigten selber!

Regelmäßige, am besten tägliche, Betriebs- bzw. Streikversammlungen bieten die Möglichkeit, jeden Schritt gemeinsam zu entscheiden und damit stärker zu werden. Wann und in welcher Form sind Streiks und Demonstrationen sinnvoll? Wie können Solidaritätskomitees von Kolleg*innen aus anderen Betrieben und der Bevölkerung aufgebaut werden, wie können sie den Kampf unterstützen? Kann es notwendig werden, den Betrieb zu besetzen, um den Abtransport von Maschinen zu verhindern? Sind Aktionsteams wie beim AUA-Streik 2003 sinnvoll (damals waren 130 Kolleg*innen in solchen Teams engagiert), oder ein Streikkomitee, das unabhängig vom Betriebsrat handeln kann und der Belegschaft gegenüber rechenschaftspflichtig ist? Welche Kolleg*innen werden zu den Verhandlungen mit der Konzernleitung entsandt? Wie sind Kompromiss-, Übernahme- oder Verstaatlichungsvorschläge einzuschätzen? Wenn sie nicht annehmbar sind, wie kann weitergekämpft werden? Alle diese Fragen und viele mehr müssen von der ganzen Belegschaft offen diskutiert und demokratisch beschlossen werden.

Wie könnte ein „Kickstart“ für eine Bewegung zur Verteidigung des Werkes aussehen?

Eine Betriebsversammlung für alle Kolleg*innen, mit offenem Mikrofon, wo sich jede*r zu Wort melden und Anträge einbringen kann – ohne Teilnahme von Vertreter*innen des Konzerns; das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Dort könnten alle diese Fragen ordentlich diskutiert werden. Leider widerspricht das der “österreichischen Gewerkschaftskultur”, deshalb wird so etwas nur passieren, wenn Kolleg*innen es aktiv einfordern! Möchtest du der Verhandlungstaktik etwas Wirkungsvolleres gegenüberstellen, und/oder kennst du Kolleg*innen kennst, die das auch wollen? Melde dich bei uns. Wir sind keine große Gruppe, aber beschäftigen uns intensiv mit Erfahrungen, die Kolleg*innen bei Kämpfen in ähnlichen Situationen gemacht haben – in Österreich und weltweit. Diskutieren wir unverbindlich, welche Möglichkeiten es gibt, um eine Bewegung aufzubauen.

 

Wir brauchen Geld statt schöner Worte

Die Regierung kündigt immer wieder „Ausbildungsoffensiven“ im Pflegebereich an. Neben der Umschulung von Arbeitslosen – die in niedrigqualifizierte Bereiche gedrängt werden, weil das billiger ist – ist eine Pflegelehre vorgesehen. Auch hier soll die Ausbildung gekürzt werden, so kommen rascher neue Pflegekräfte nach. Es geht also darum, Standards zu senken und stärker als bisher prekäre Bedingungen zu Lasten der Beschäftigten zu schaffen.

Angehende Pfleger*innen und Ärzt*innen, die direkt mit Patient*innen – teilweise sogar auf Covid-Stationen – arbeiten, waren im Impfplan nicht vorgesehen. Angst und Unmut ist hier groß. Nach Monaten der Hinhaltetaktik gab es bei Redaktionsschluss vereinzelt angenommene Anmeldungen, für manche sogar Impftermine. Lange nach dem restlichen medizinischen Personal und wohl ohne Wahl des Impfstoffes!
 
“Ausbildungsoffensiven” bleiben aber wirkungslos, solange sich an Arbeitsbedingungen und Bezahlung nichts ändert. Mangelndes Personal macht das Lernen schwer, Praktikant*innen werden zur zusätzlichen Belastung anstatt ausreichend angeleitet werden zu können. Es braucht mehr Personal und einen höheren Personalschlüssel auf allen Stationen, insbesondere wenn sie zukünftige Pflegende ausbilden.
Bezahlte Ausbildung ist nötig und möglich! Die Rate der Ausbildungsabbrüche wird gesenkt, weil Studierende nicht mehr durch Nebenjobs zusätzlich belastet sind. Finanzielle Absicherung während der Ausbildung ist bei Polizist*innen möglich. Für Pflegende sollte es bei Bedarfsprognosen, die davon ausgehen, dass bis 2030 72.900 Pflegende mehr benötigt werden, erst recht möglich sein.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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