Gudi bleibt! Wütende Demo gegen Einsparungen im Sozialbereich

Christoph Glanninger

Vergangenen Freitag, am 9.4. beteiligten sich mehrere hundert Menschen an der Demonstration “Gudi bleibt! Keine Einsparungen im Sozialbereich”. Kurz vor Beginn der Demonstration hatte sich die Belegschaft des Notquartiers Gudrunstraße schon zum zweiten Mal mit eindeutiger Mehrheit dafür entschieden, in einen Streik gegen die Schließung zu treten. Obwohl nur ca. 30 Personen in der Gudi arbeiten, haben diese beiden Streikbeschlüsse schon jetzt eine Bedeutung, die weit über die Gudrunstraße und auch über den Sozialbereich hinaus reicht. Sie zeigen: Streiken ist auch ohne Unterstützung der Gewerkschaft möglich, wenn Beschäftigte sich organisieren und klar machen “es reicht!”.

Vorgeschichte

Schon am 17.3. fand am Keplerplatz ein erster Warnstreik inklusive Protestkundgebung gegen die Schließung der Einrichtung statt. Das Notquartier Gudrunstraße im 10. Bezirk ist eines der wenigen zentrumsnahen Notquartiere in Wien und soll jetzt als einziges Notquartier von der Gemeinde Wien bzw. Stadtrat Hacker nicht verlängert werden. Der Grund dafür ist ziemlich durchsichtig: Die Belegschaft hatte in den letzten Monaten immer wieder Missstände angesprochen und das hat den Verantwortlichen im Fond Soziales Wien (FSW), dem Arbeiter Samariter Bund ASB und der Stadtregierung nicht gepasst. Dafür lassen sie jetzt die Beschäftigten aber auch die Nächtiger, die auf die Gudrunstraße angewiesen sind, büßen. 

 

 

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Demonstration zeigt Solidarität und aufgestauten Unmut

 

Bei der Organisierung der Demonstration am 9.4. wurden die Kolleg*innen aus der Gudrunstraße unterstützt von den Basisinitiativen “Wir sind sozial aber nicht blöd”, der “Initiative Sommerpaket” und dem Betriebsrat des ASB. Überhaupt haben die Beschäftigten aus der Gudrunstraße in den letzten Wochen unglaublich viel Solidarität aus unterschiedlichen Teilen des Sozialbereichs aber auch der breiteren Gewerkschaftsbewegung erhalten. Darauf wies auch Christoph Glanninger, aktiv bei der SLP, in seiner Rede für “Sozial aber nicht blöd” hin und betonte die Vorbildwirkung dieses Arbeitskampfes im gesamten Sozialbereich und auch darüber hinaus.

 

Z.B. schmückte die Belegschaft der Wohnungsloseneinrichtung “Chancenhaus Kerschensteinergasse” ihre Einrichtung mit Transparenten “Gudi bleibt!” und “Keine Einsparungen im Sozialbereich”. Auch die Vernetzung der Betriebsrät*innen in Organisationen im Wiener Behindertenbereich sendete ihre Solidarität. Insbesondere auf der Demonstration war diese Solidarität vor allem aus dem Sozialbereich deutlich spürbar. Selma Schacht, Betriebsratsvorsitzende bei “Bildung im Mittelpunkt (BIM)” und aktiv bei Komintern, die eine zentrale Rolle bei den Sozialbereichsstreiks vor einem Jahr gespielt hatten, richtete den Kolleg*innen in ihrer Rede ihre Solidarität aus und betonte auch, dass der Kampf eine Inspiration für viele andere Beschäftigte im Sozialbereich ist. Auch unter den anderen Redner*innen und Teilnehmer*innen der Demonstration waren sehr viele Beschäftigte aus unterschiedlichen Sozialeinrichtungen.

 

 

Aktivist*innen der SLP und von “Wir sind sozial aber nicht blöd” hatten in den Wochen vor der Demonstration regelmäßig Aktionen u.a. am Keplerplatz (in der Nähe der Einrichtung Gudrunstrasse) organisiert, um über die Auseinandersetzung zu informieren und für die Demonstration zu mobilisieren. Auch dabei waren wir beeindruckt von den fast ausnahmslos positiven Reaktionen von Anwohner*innen, die zeigen, dass auch die gesamtgesellschaftliche Solidarität enorm ist. 

 

Skandalöses Verhalten der Gewerkschaft GPA

Eine skandalöse Rolle hat die Gewerkschaft GPA in der Auseinandersetzung gespielt und den Kolleg*innen im letzten Augenblick vor dem Streik die Unterstützung verwehrt. Mit dem Argument, dass es sich um eine politische Auseinandersetzung und nicht um einen Arbeitskampf handelt. Offensichtlich ist das eine mehr als peinliche Ausrede, um mangelnden politischen WIllen (und wohl auch eine Nähe zur Wiener Stadtregierung) zu verstecken, schließlich sind ALLE Auseinandersetzungen im Gesundheits- und Sozialbereich politisch da es immer auch um die Frage der Geldgeber geht. Darauf wies auch Katharina Kronhuber vom ASB-Betriebsrat in ihrer Rede hin. Selbst in der Selbstdarstellung der GPA heißt es “Ziel der Gewerkschaft GPA ist, dass alle Menschen ein gutes Leben führen können. So setzen wir uns dafür ein, dass es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Freizeit immer wieder Verbesserungen gibt. Das tun wir direkt im Betrieb gemeinsam mit dem Betriebsrat, bei Verhandlungen für ganze Branchen und indem wir unsere Forderungen an die Politik richten.”

Das Verhalten der GPA ist auch für zukünftige Arbeitskämpfe wichtig, Kolleg*innen die sich in Zukunft gegen Schließungen wehren oder andere Missstände ändern wollen, können nicht automatisch mit einer Unterstützung der GPA oder des ÖGB rechnen. Umso wichtiger ist die Organisierung von unten! Kolleg*innen müssen sich an den Dienststellen zusammen schließen, organisieren und Aktionen gut vorbereiten. Die Zusammenarbeit mit kämpferischen Basisinitiativen wie “Wir sind sozial, aber nicht blöd” wird hier immer wichtiger. Gerade im Sozialbereich und in der Pflege ist die Solidarität von außen von Bewohner*innen, Nachbar*innen sehr wichtig. Diese Arbeit kann in einer Situation des Arbeitskampfes nur schwer von einer Belegschaft alleine getragen werden, umso wichtiger wird die Zusammenarbeit mit solidarischen Menschen und Gruppen.     

Wie weiter?

Die Demonstration endete vor dem Rathaus, um den Unmut zu den Verantwortlichen in der Wiener Stadtregierung, besonders dem Gesundheitsstadtrat Peter Hacker zu tragen. Dieser hatte im Vorfeld den Kolleg*innen vorgeworfen, die Klient*innen “auszunutzen” um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Obwohl man von der Sozialdemokratie nach Jahrzehnten von bürgerlicher Politik ohnehin nicht mehr viel erwartet, stellt dieses typische Unternehmens-Argument trotzdem einen neuen Tiefpunkt dar. 

Die Reaktionen von Stadtrat Hacker und anderen Verantwortlichen machen klar, dass man den Regierenden jedes kleine Zugeständnis mühsam abringen muss. In diesem Zusammenhang ist die Ankündigung, dass das Notquartier Gudrunstraße im kommenden Winter wieder aufsperren soll schon ein kleiner Sieg. Aber es zeigt auch, dass wir noch eine viel stärkere Bewegung brauchen, um weitere Angriffe und Schließungen abzuwehren und die dringend notwendigen Verbesserungen zu erkämpfen. Um genau diese Fragen ging es daher auch beim Austausch verschiedener Aktiver über die nächsten Schritte Im Anschluss an die Demonstration.

 

Bis Ende April geht es mal darum, den Druck zu erhöhen und gegen die Schließung der Gudi zu kämpfen. Aber unabhängig davon, wie die Auseinandersetzung ausgeht sollten wir sie zum Ausgangspunkt für weiteren Widerstand nehmen. Auch andere Einrichtungen stehen vor der Schließung z.B. das Haus Erdberg (ebenfalls betrieben vom ASB). Außerdem stellt sich die Frage, wie man den Kampf um eine ganzjährige Betreuung durch Notquartiere, bessere Arbeits- und Unterbringungsbedingungen, Mitsprache von Basismitarbeiter*innen aber natürlich auch ein Ende von Obdachlosigkeit überhaupt erkämpfen kann. Und auch in anderen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens - den beklatschten “Systemerhalter*innen - gärt es. Bei vielen ist es noch “nur” Wut und Überlastung. In anderen Bereichen gibt es Debatten und Initiativen - so aktuell eine wachsende Debatte rund um die Frage von bezahlten Praktika im Gesundheits- und Sozialbereich. Und nicht zuletzt kann diese Organisierung die Grundlage sein, um den FSW vor dem nächsten Winterpaket an sein Versprechen zu erinnern, die Gudrunstraße wieder zu eröffnen.

 

 

Eine vorläufige Abschlussaktion die voraussichtlich am 28.4. stattfinden wird, kann der Ausgangspunkt für diese Vernetzung sein. Wir schlagen auch ein breiteres Treffen von Beschäftigten aus unterschiedlichen Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialbereich vor. Außerdem könnte  der 12.5., der internationale Tag der Pflege, ein guter Anlass sein, um auf die katastrophale Situation im Gesundheits- und Sozialbereich hinzuweisen. Wichtig wird sein, noch im Mai ein deutliches Lebenszeichen zu geben.  

 

Der Kampf um die Gudi als Vorbild

Wir können davon ausgehen, dass die Auseinandersetzung rund um die Notschlafstelle Gudrunstraße der erste von vielen Kämpfen im Gesundheits- und Sozialbereich in der “Post Corona” Periode sein wird. 

Die Regierenden haben Milliarden aufgebracht, um Konzernen trotzt Corona-Krise ihre Profite zu sichern. Wir können davon ausgehen, dass sie dieses Geld in den nächsten Jahren unter anderem bei Beschäftigten, aber auch Klient*innen und Patient*innen im Gesundheits- und Sozialbereich wieder reinholen wollen. Gleichzeitig steigt die gesellschaftliche Anerkennung aber auch einfach der Bedarf immer weiter an. Dieser Widerspruch wird die Grundlage für zahlreiche Auseinandersetzungen sein. Umso wichtiger ist es, dass wir die Erfahrungen aus dem Kampf um die Notschlafstelle Gudrunstraße und dem ersten größeren wilden Streik seit längerem nützen und als Inspiration und Grundlage für kommende Kämpfe nehmen.