Internationales

Südafrika: ArbeiterInnenpartei in Entstehung

Numsa Zentralkomitee beschließt Fahrplan für neue ArbeiterInnenpartei - mit sozialistischer Ausrichtung
Weizmann Hamilton, DSM, CWI in Südafrika

20.-24. April 2015 tagte das Zentralkomitee von NUMSA (National Union of Metal Workers of South Africa – MetallarbeiterInnengewerkschaft) – beschlossen wurde ein Fahrplan zu einer ArbeiterInnenpartei.

Zuvor hatte am 16./17.4. die NUMSA "Konferenz für Sozialismus" die Basis für diesen historischen Wendepunkt gelegt. Anwesend war fast die gesamte Linke, sowie VertreterInnen von sieben anderen Gewerkschaften des Gewerkschaftsbunds COSATU. Die Konferenz verabschiedete eine Erklärung für den Aufbau einer neue ArbeiterInnenpartei, die für eine sozialistische Zukunft kämpfen soll. Internationalismus und die Teilnahme an Wahlen wurden als Ziele fixiert. Schon vor dem Treffen des Zentralkomitees hatte dessen Führung angekündigt, die Empfehlungen der Konferenz anzunehmen. Bei einem Treffen des Zentralkomitees im Juni soll der Beschluss zur Gründung der Partei folgen.

Diese Entwicklungen sind Folge des Massakers von Marikana 2012, das das Bewusstsein der Massen entscheidend prägte. Damals wurde ein Streik bei einer der größten Platinbergbaufirmen der Welt brutal niedergeschlagen. Das Massaker war ein weiterer Beleg für die Verbürgerlichung des African National Congress (ANC), der als Regierungspartei dafür verantwortlich war. Wir hatten damals analysiert, dass Marikana den ANC endgültig diskreditieren wird, zum Wachstum von sozialistischen Ideen führen kann, sowie zu wachsender Unterstützung für den Aufbau einer MassenarbeiterInnenpartei mit sozialistischem Programm. Diese Perspektive hat sich bestätigt. Die ArbeiterInnen sehen den ANC nicht mehr als ihre Partei. Der ANC hatte in den Jahren vor dem Fall des Apartheidsregimes 1994 eine fortschrittliche Rolle gespielt, sich aber mehr und mehr zu einer bürgerlichen Kraft gewandelt und nach `94 die Seite des Kapitals bezogen.

Beim Streik selbst ging es gegen die dramatische Ausbeutung. Seine wirkliche Bedeutung liegt aber in der Rebellion gegen die NUM (National Union of Mineworkers, früher größte Gewerkschaft in COSATU). Die NUM stand bei diesem Streik auf Seiten der Bosse! Die ArbeiterInnen lehnten sich gegen die NUM auf – und damit gegen das Bündnis aus ANC, COSATU und der Kommunistischen Partei (SACP).

2013 hatte Numsa u.a. beschlossen, den ANC bei den Wahlen 2014 nicht zu unterstützen. Die Zahlungen der Mitgliedsbeiträge an COSATU sollten ebenfalls gestoppt werden, bis die COSATU-Führung einem Sonderkongress zustimmt bzw. Generalsekretär Zwelinzima Vavi wieder einsetzt. Auch beschlossen wurden verschiedene Initiativen, um Kämpfe zu vereinen - u.a. „United Front“ (UF) und „Movement for Socialism“. Die COSATU Führung weigerte sich, als Sonderkongress zusammenzukommen. Stattdessen schloss sie NUMSA aus. Dieser Ausschluss markiert den Beginn des Endes von COSATU - sie steckt in einer tiefen Krise. Neun COSATU Teilgewerkschaften haben NUMSA unterstützt und boykottieren die offiziellen COSATU-Treffen. Die übrigen Teilgewerkschaften stecken im Korruptionssumpf fest oder befinden sich in Spaltungen. Eine neue Dachgewerkschaft ist sehr wahrscheinlich. Ein Gipfel von ArbeiterInnen wird im Juni abgehalten, um das vorzubereiten.

Es ist noch offen, welchen Charakter die neue Partei letztlich haben wird. Die meisten der Initiativen in NUMSA leiden unter einem Mangel an politischer Klarheit. UF hat eine bundesweite Gründung im Juni 2015 vorbereitet. Aber anstatt für eine sozialistische Ausrichtung der neuen Partei zu argumentieren, hat sie diese und weitere wichtigen Fragen an die Strukturen von NUMSA delegiert. Selbst die Frage, ob politische Parteien sich UF anschließen können, wurde delegiert. Das bedeutet, dass sich WASP (Workers and Socialist Party) als Partei im Moment nicht beteiligen kann, obwohl viele ihrer AktivistInnen eine wichtige Rolle in UF spielen. WASP war nach dem Marikana Massaker auf Initiative der DSM (Democratic Socialist Movement, CWI in Südafrika) aus der darauffolgenden Streikwelle gegründet worden. UF wird von linken AkademikerInnen mit einer skeptischen Haltung zu ArbeiterInnenklasse und Sozialismus dominiert. Dennoch entwickelt sich UF in Richtung eines potentiellen Anziehungspol und ideologischer Opposition innerhalb von NUMSA.

Die Konferenz für Sozialismus hat dem Prozess hin zu einer neuen ArbeiterInnenpartei neuen Schwung gegeben. WASP und DSM hatten auf der Konferenz eine entscheidende Rolle und argumentierten für ein sozialistisches Programm. Wir werden weiterhin dafür kämpfen, dass eine neue Partei Massencharakter bekommt. Wir werden daher auch dafür eintreten, den Gewerkschaftsgipfel zu nutzen, um eine breitere Basis für die Gründung der neuen Partei zu haben. Eine solche ist mehr als nötig, angesichts des aktuellen Ausbruchs von Gewalt gegen MigrantInnen aus anderen afrikanischen Ländern sowie Pakistan und Bangladesch. Jene Schichten, die aufgrund der sozialen Misere auf diesen Rassismus setzen, könnten mit einer ArbeiterInnenpartei mit sozialistischer Ausrichtung eine echte Perspektive haben.

 

DSM, CWI in Südafrika: http://www.socialistsouthafrica.co.za

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Frisch gekämpft ist halb gewonnen - Frankreich

Alex Swoidl

Am Donnerstag, 9. April 2015 hat es auch Frankreich erwischt: 300.000 Beschäftigte waren landesweit auf den Straßen, viele mehr im Streik. Die bürgerlichen Medien beschäftigten sich lieber mit dem inner-familiären Streit im „Front National“. Derweil sah die Grande Nation den bisher eindrucksvollsten Massenprotest gegen die EU-Austeritätspolitik im Allgemeinen und die geplanten Kürzungs- und Deregulierungsmaßnahmen der „sozialistischen“ Regierung Hollande-Macron im Besonderen: so etwa Kürzungen im Schulwesen oder Einführung der Sonntagsarbeit.

Das trifft alle und alle waren auf den Beinen: LehrerInnen, Handelsangestellte (Carrefour, Amazon), Beschäftige im Gesundheitsbereich, PostlerInnen und EisenbahnerInnen. Ebenso MitarbeiterInnen von „Radio France“, die sich schon drei Wochen im Streik befanden, und die MetallerInnen von „Sambre & Meuse“, die ihre Fabrik gegen die drohende Schließung besetzt halten. Dazu kamen DockarbeiterInnen aus La Rochelle, Rouen und Lorient. Mit dabei auch Arbeitslose und „Sans Papiers“, die nicht einmal Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Die größten Gewerkschaftsverbände CGT und Force Ouvrière unterstützten den Aktionstag massiv.
Das ist der Unterschied zu Österreich: Obwohl hierzulande zur Finanzierung der Steuerreform genau die gleichen Angriffe von Finanzminister Schelling vorbereitet werden, kommt es zu keinem Aufstand der Gewerkschaften. Der ÖGB übt sich bisher bestenfalls in verbalen Drohgebärden, Basisproteste werden gebremst statt gefördert. Vielleicht heißt ÖGB ja aber auch: „Österreichs genügsame Bürokraten“?

„Die türkische Arbeiterklasse wird die Analysen, Methoden und Erfahrungen des CWI zu gebrauchen wissen.“

Interview mit Nihat Boyraz, Mitherausgeber des neuen CWI Magazins in der Türkei

Sosyalist Alternatif ist die türkische Schwesterorganisation der SLP. Die neue Gruppe hat zum 1. Mai ein neues Magazin herausgebracht und macht große Fortschritte im Aufbau der Gruppe. Wir sprachen mit Nihat Boyraz, Aktivist von Sosyalist Alternatif und Mitherausgeber des gleichnamigen Magazins.

 

Eine neue linke Organisation in der Türkei, ist denn das nötig?

Bevor wir die Frage beantworten, müssen wir nochmal betonen, dass es total notwendig ist, uns überhaupt zu organisieren. Ansonsten sind wir gegenüber dem System ganz allein gestellt, egal wie clever oder mutige Kämpfer wir gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung sind. Die Misere des Kapitalismus weltweit, darunter leiden wir Arbeiterinnen und Arbeiter, Jugendliche und Armen, wird Tag und Tag größer und sichtbarer. Das gilt auch für uns in der Türkei lebenden Menschen. Wir haben eine Regierung, die seit fast 13 Jahren alleine regiert. In dieser Zeitraum haben die Reichsten ihr Vermögen vervierfacht, während der Mindestlohn mit 950 türkischen Lira unter der Hungersgrenze liegt. Selbst die kleinste Stimme gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeit wird seitens der Regierung hart unterdrückt.

Genau vor einem Jahr am 13. Mai passierte in einer Kohlenmine in Soma ein Unfall, den wir eher als ein Massaker bezeichnen können. Es gab große Wut und sogar Erdogan selbst wurde bei dem Besuch von Angehörigen der Arbeiter attackiert. Das Fehlen einer starken organisierten Kraft hat dazu geführt, dass weder die Regierungsvertreter noch Bosse ernsthaft zur Rechenschaft gezogen worden sind. Das Gegenteil ist geschehen und die Minenarbeiter wurden entlassen. Das, nur als ein kleines Beispiel dafür, wie notwendig es gerade ist, sich zu organisieren,

Gleichzeitig gibt es eine große Politisierung insbesondere unter Jugendlichen, was aber leider nicht bedeutet, dass sie sich automatisch nach links wenden. Wir streben an, eine marxistische Antwort für alle diese Probleme zu geben, ob es um Hungerlöhne oder Entlassungen, Kriege oder Unterdrückung der Kurden geht.

Auf Demos oder Protesten werden wir immer etwas ungläubig gefragt, ob wir nicht eine Abspaltung irgendeiner Gruppe sind und wirklich eine Gruppe ganz neu aufbauen. Aber das bedeutet ja auch nicht, dass wir alles neu erfinden und keine Tradition und Erfahrungen haben. Als Mitglied des CWI (Committee for a Workers‘ International) bauen wir Sosyalist Alternatif mit 41 Jährigen Erfahrungen im Klassenkampf auf. Wir sind der Meinung, dass der Klassenkampf und die Arbeiterklasse in der Türkei, die Methoden, Analysen und politische Erfahrungen der CWI-Tradition sehr gut zu gebrauchen wissen werden.

Wie steht ihr zur HDP und BHH?

HDP (Demokratische Partei der Völker) und BHH (Vereinigte Junibewegung) sind zwei neue Organisation auf der Linken der Türkei und sind somit ein Fortschritt für die Einheit der Linken. Während HDP eine Bündnispartei hauptsächlich der kurdischen Freiheitsbewegung und der türkischen Linken ist und sehr nah an dem Ziel eine breite Massenpartei zu werden, steht, ist die BHH ein Bündnis von verschiedene türkische Linken und unabhängige Aktivisten und hat weder eine Potenzial noch Ziel eine solche Massenpartei zu werden.

Wir sind gerade in einem Diskussionsprozess, ob wir uns auch an die HDP beteiligen. Unabhängig vom Ergebnis dessen, unterstützen wir die Entwicklungen um HDP. Wir kritisieren sie von links, haben aber einen positiven Bezug dazu. Dass die HDP eine große Betonung auf eine ethnisch-, religiös übergreifende Einheit legt, begrüßen wir und finden das insbesondere in der Realität der Region besonders wichtig. Allerdings meinen wir, dass es alleine nicht reichen würde. Sie muss auch die Linie zwischen Oben und Unten; Arm und Reich ebenfalls verdeutlichen.

 Die Parlamentswahlen im Juni machen die Rolle der HDP bzw. einer Massenpartei, die Interessen der Arbeiterklasse vertritt deutlich. HDP ist die vierte Partei im Parlament. Aber sie wurde gerade wegen der Wahlarithmetik die Schlüsselpartei. Schafft die HDP die undemokratischn 10%ige Wahlhürde zu überschreiten, ist Schluss mit dem Alleinregieren der AKP. Neben dieser Tatsache rufen wir dazu auf, die HDP zu wählen, weil ihr Erfolg für die Einheit der kurdischen und türkischen Arbeiterklasse ein riesen Schritt nach vorne sein wird. Aber auch für den Aufbau einer linke Massenpartei gegenüber der Parteien der Reichen und Superreichen.

Was tut sich zurzeit im Klassenkampf?

Es gibt in letzten Jahren eine deutliche Steigerung von Arbeitskämpfen. Meistens aber sind es einzelne Kämpfe gegen Entlassungen. Das heißt die Arbeiterklasse als Klasse ist noch nicht auf die Bühne getreten. Die Gewerkschaften sind in der Hände der Bürokraten. Es fehlt auch eine politische Kraft, die einzelne Kämpfe zusammenschließen kann.

Auf der anderen Seite zerstreuen sich die Illusionen in die AKP und der Unmut unter der Arbeiterklasse wächst. Durch die Konsumkredite wurde seit Jahren eine künstliche Wohlfahrt geschaffen, von der die AKP hauptsächlich profitierte. Eine Wirtschaftskrise, bei der zurzeit jeder sicher ist, dass sie kommt, aber nicht weiß wann, wird katastrophale Folgen für die Arbeiterklasse haben. Das wiederum schafft Bedingungen mit den Erfahrungen der Kämpfe der letzten Zeiten einen starken, einheitlichen Klassenkampf gegen Ausbeutung und das kapitalistische System aufzubauen.

Was wollt ihr mit dem Magazin erreichen?

Eben da steht unser Hauptanliegen. Wir wollen uns für kommende Stürme gut vorbereiten. Das Magazin Sosyalist Alternatif ist für uns ein Mittel für den Aufbau einer starken marxistischen Organisation und dementsprechend ein großer Schritt nach vorn. Damit haben wir die Möglichkeit unsere Ideen im Klassenkampf zu verbreiten, neue AktivstenInnen kennen zu lernen, die für eine sozialistische Welt kämpfen und Sosyalist Altenratif mit aufbauen wollen. Es ist uns bewusst, dass wir noch am Anfang sind und noch vieles zu tun ist. Gleichzeitig uns ist es ebenfalls bewusst, wie schnell sich die Ereignisse entwickeln und dass wir uns auch beeilen müssen.

Alle Mitglieder der Sosyalist Alternatif sind Menschen aus der Arbeiterklasse, die gleichzeitig arbeiten, studieren usw. Wir haben keine Reichen hinter uns, die uns unterstützen. Das würden wir sowieso ablehnen. Wir sind aber auf jede kleinste Unterstützung der Arbeiterklasse, der Menschen, die eine bessere Welt wollen, angewiesen. InternationalistInnen zu sein bzw. einer Internationale wie CWI anzugehören zeigt auch in diesem Sinne Vorteile. Zum Beispiel, über die SAV in Deutschland oder andere Sektionen des CWI können wir auch ArbeiterInnen und Jugendliche in diesen Ländern erreichen und uns gegenseitig unterstützen.

„Bu daha başlangıç, mücadeleye devam!“ Das ist noch der Anfang, weiter mit dem Kampf!

Geplante Flüchtlingslager in Nordafrika

Zynismus statt Hilfe
Ianka Pigors, CWI Deutschland

Der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière und andere Politiker schlagen vor, in Nordafrika sogenannte „Willkommens- und Ausreisezentren“ einzurichten. Dabei handelt es sich praktisch um Flüchtlingslager auf dem afrikanischen Kontinent, in denen die potenziellen Bootsflüchtlinge interniert werden, bis über ihre Asylanträge entschieden ist. Bei einer Asylanerkennung dürften sie nach Europa einreisen, andernfalls würden sie aufgefordert, in ihre Heimat zurück zu kehren. Schon innerhalb der EU gibt es mehrere Länder, zum Beispiel Griechenland, Bulgarien, Ungarn etc., die selbst nach den zweifelhaften Maßstäben europäischer Gerichte nicht oder kaum in der Lage beziehungsweise willens sind, die Mindeststandards eines akzeptablen Asylverfahrens einzuhalten. Man muss schon sehr zynisch sein, um Flüchtlingslager in Ägypten (Militärdiktatur) oder Libyen (Bürgerkrieg) als Lösung vorzuschlagen.

De Maizière (und auch die österreichische Innenministerin Mikl-Leitner, Anm.) bleibt auch die Antwort schuldig, was mit den Menschen geschehen soll, deren Anträge abgelehnt werden. Insbesondere erklärt er nicht, wie ihre Rechte in den „Gastgeberländern“ der Lager geschützt werden sollen.

In Anbetracht der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge in den Booten auf dem Mittelmeer aus Bürgerkriegsgebieten wie Syrien stammt, dürfte inzwischen offensichtlich sein, dass die Mehrheit dieser Leute die Gefahren auf See nicht aus Unwissenheit in Kauf nimmt, sondern weil sie – durchaus zu Recht – davon ausgehen, dass ihre Überlebenschancen selbst in einem löchrigen Schlauchboot höher sind als in ihrer zerbombten Wohnung in Aleppo oder anderswo.

Lager sind unmenschlich

Davon abgesehen, ist die Unterbringung von Menschen in Lagern bereits an sich unmenschlich. Lager begünstigen selbst unter besten Bedingungen die Herausbildung autoritärer Strukturen, von Gewalt, Stress, Korruption und Seuchen und die Zunahme psychischer Erkrankungen. Welche Folgen es hat, traumatisierte Menschen bei schlechter Versorgungslage zusammenzupferchen, sieht man in allen Krisengebieten der Welt. Am besten fragt man die Bootsflüchtlinge selbst. Die meisten besteigen die Boote, da sie es in Flüchtlingslagern nicht mehr ausgehalten haben. Die Idee ist auch nicht neu. Bereits zu Gaddafis Zeiten gab es mit Unterstützung der EU Flüchtlingslager in Libyen – sie waren berüchtigt für Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter.

Der Vorschlag ist ein durchsichtiger Versuch, das Flüchtlingselend möglichst billig vor den Augen der europäischen Öffentlichkeit zu verstecken, ohne ausdrücklich zu sagen: „Was aus den Opfern unserer Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik wird, ist uns egal.“ Eine tatsächliche Verbesserung der Lage kann nur durch effektive Bekämpfung der Fluchtursachen wie Krieg und Ausbeutung der exkolonialen Welt eintreten. Bis dahin muss alles getan werden, um die Sicherheit der Flüchtlinge zu gewährleisten und um ihnen ein menschenwürdiges Leben ohne Lager zu ermöglichen.

Mehr zum Thema: 

Die Ukraine am ökonomischen Abgrund

Krieg und Krise treiben die Ukraine in die soziale Katastrophe
Fabian Lehr

Nicht nur der Krieg in der Ostukraine mit vorläufig 6.000 Toten setzt dem Land schwer zu. Auch die Wirtschaft steht vor dem Zusammenbruch. In dem bettelarmen Land mit einem Mindesteinkommen von ca. 40€/Monat schrumpfte die Wirtschaft 2014 um 7,5%, dieses Jahr soll es weitere 6-8% nach unten gehen. Die Ukraine, die schon unter der Wiedereinführung des Kapitalismus ab 1990 besonders gelitten hat (60% Wirtschaftsschrumpfung allein 1992-95!), wird auch von Inflation heimgesucht: Seit Kriegsausbruch sank der Wert der Hryvnia um ca. 2/3. Verschlimmert wird die Entwicklung durch das Spardiktat, das die Ukraine auf Befehl der EU erfüllen muss, um Kredite zu bekommen, ohne die der Staatsbankrott unabwendbar ist. So müssen auf Wunsch Brüssels die Subventionen für Energie und Gas gestrichen werden. Ab diesem Frühjahr steigen die Strom- und Gaspreise (+40% bzw. +280%). Ärmere UkrainerInnen werden im nächsten Winter nicht mehr heizen können. Unter russischem „Schutz“ ginge es dem Land kaum besser. Das gilt auch für Krim bzw. Donbass. Denn die soziale Misere in Russland ist ebenfalls groß, Arbeitsrechte werden mit Füßen getreten. Zusätzlich bedeutet der Krieg auch gestiegene Militärausgaben und den Verlust der wichtigsten Industrieregion im Donbass. Nur wenn es tatsächlichen Frieden in der (Ost-)Ukraine gibt und die ukrainische ArbeiterInnenbewegung zu Kräften kommt, wird ein erfolgreicher Kampf gegen diese Entwicklungen möglich sein.

 

Streik der Bergleute schockt Polen

Zu Beginn des Jahres 2015 wurde Polen von zwei Streiks der Bergleute erschüttert.
Paul Newbury & Wojciech Orowiecki

Seit der Restauration des Kapitalismus 1989 ging die Beschäftigung im Bergbausektor von 390.000 auf 100.000 zurück. Die größte Zahl – mehr als 100.000 - war zwischen 1998-2002 entlassen worden. Die Bergleute mussten sich ständig gegen Angriffe auf ihre Jobs und sozialen Errungenschaften („Privilegien“) sowie gegen Privatisierung wehren. Die Bergleute, konzentriert in der Industrieregion Oberschlesien, gelten als die bestorganisierten Schichten der ArbeiterInnenklasse. Sie sind für ihre Unterstützung von sozialen Protesten (inklusive Frauen- und LGBT-Demonstrationen) bekannt.

Am 7.1. kündigte die Regierung an, das größte Kohleunternehmen (Kompania Weglowa) zu sanieren, das zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich noch im Staatsbesitz war. Es beschäftigt mehr als 50.000 ArbeiterInnen. Der Plan beinhaltete die Schließung von vier Minen, Abbau von 5.000 ArbeiterInnen, und Öffnung des Unternehmens für den Markt. Die BergarbeiterInnen in Brzeszcze besetzten ihre Mine. Die Besetzung weitete sich rasch auf andere Minen aus. Weibliche Beschäftigte besetzten oberirdische Gebäude der Kompania Weglowa und organisierten tägliche Demonstrationen. Eine nie dagewesene Solidaritätswelle ging durch die Bevölkerung. Die Bevölkerung verstand, dass der Plan der Regierung Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut bedeuten würde. Die Demos umfassten tausende Menschen. Die Polizei wagte nicht, zu intervenieren. In Umfragen unterstützen 68% die BergarbeiterInnen. Beschäftigte anderer Sektoren nahmen an den Demonstrationen teil. EisenbahnerInnen halfen bei Schienenblockaden in Katowice.

Am 20.1. sollten sich GewerkschaftsvertreterInnen verschiedener Industrien treffen, um über eine Ausdehnung des Protestes zu entscheiden. Das Gespenst des Generalstreiks ging um. Die Gewerkschaftsbürokratie drohte die Kontrolle zu verlieren. Am 17.1. unterzeichnete sie einen Deal mit der Regierung. Am Papier sollte keine Mine geschlossen werden, aber die Einigung beinhaltete die Aufteilung und einen Teil-Verkauf der Minen. Das ebnet den Weg zur Privatisierung. Bis 2020 sollen 10.000 Jobs gekürzt werden. Nun kündigten die Beschäftigten einer der Minen eine weitere Demonstration an.

Auch im zweitgrößten Bergbauunternehmen JSW, das zu 55% im Staatsbesitz ist und mehr als 26.000 Menschen beschäftigt, ist die Stimmung explosiv. Der Streik paralysierte alle sechs Minen. Der Grund waren Angriffe auf Löhne und Arbeitsbedingungen. Auslöser war aber die Entlassung von neun GewerkschafterInnen für Solidaritätsaktionen mit den Protesten bei der Kompania Weglowa. Diesmal war der Staatsapparat repressiver. Während einer Demo setzte die Polizei Tränengas, Wasserwerfer und Gummigeschosse ein und verletzte 20 Menschen. Das Gericht verurteilte den Streik als illegal. Wieder gab es einen faulen Deal: Die entlassenen AktivistInnen wurden wieder eingestellt und der verhasste Präsident des Betriebs musste zurücktreten. Aber Gewerkschaftsspitzen hatten Lohnkürzungen und einer Arbeitszeitverlängerung zugestimmt. Viele fühlten sich betrogen. Der Streik bei Kompania Weglowa dauerte zehn Tage, der bei JSW von 28.1. bis 15.2..

Beide „Einigungen“ lösen nicht die Probleme der polnischen Bergbauindustrie. Ein weiterer Ausbruch ist nur eine Frage der Zeit. Beschäftigte der Post, EisenbahnerInnen, KrankenpflegerInnen und andere wurden radikalisiert und drohen nun auch mit Streiks.

Alternatywa Socjalistyczna (CWI in Polen) hat die Streiks und Proteste mit aller Kraft unterstützt. Wir verteilten Flugblätter bei verschiedenen Betrieben in mehreren Städten. Viele ArbeiterInnen unterstützen die Streiks und sagten, es brauche ähnliche Aktionen in ihren Betrieben. Als wir bei den Stahlwerken in Warschau Flugblätter verteilten, haben ArbeiterInnen ihre Gewerkschaftsfahne geschwungen, um ihre Solidarität zu zeigen. Unsere Forderungen lauten: „Nein zum ‚Reformplan‘ der Regierung für den Bergbausektor. Für die Vorbereitung eines regionalen Generalstreiks und Aufbau von Druck für einen Generalstreik im ganzen Land. Verstaatlichung der Minen, des Bergbau- und Energiesektors unter ArbeiterInnenkontrolle und –verwaltung. Für demokratisch gewählte Streikkomitees in den Betrieben - Entscheidungen wie Beendigung oder Weiterführung des Streiks müssen von den ArbeiterInnen selbst getroffen werden. Öffnung der Firmenbücher der Minen und Prüfung der Profite der Energiebetriebe. Für demokratische Kontrolle über Energiepreise. Für einen demokratischen sozialistischen Plan der Wirtschaft, der nachhaltige Energietechnologien fördert und die Jobs der betroffenen ArbeiterInnen garantiert.“

 

Alternatywa Socjalistyczna 

http://wladzarobotnicza.pl

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kein Ausweg aus der Krise in Sicht

Der Fehler aller Krisenstrategien ist, dass nur Symptome und nicht Ursachen der Krise bekämpft werden.
Sonja Grusch

Deutschland führte mit 1.1.2015 einen Mindestlohn von 8,5 Euro/Stunde ein, der trotz diverser Ausnahmen eine Verbesserung ist. SPÖ-Kanzler Faymann erklärt im „Österreich“-Interview am 27. Jänner „Wir haben inhaltliche Überschneidungen mit Syriza". Führende europäische SozialdemokratInnen starten einen neuen Anlauf zur Finanztransaktionssteuer. Die britischen Torries wollen multinationale Konzerne stärker besteuern. Die Europäische Zentralbank wird bis Ende September 2016 im Rahmen des „Quantitative Easing“ (QE) Staatsanleihen um 1,14 Billionen Euro kaufen um die Wirtschaft anzukurbeln.

Ist die Periode des Neoliberalismus zu Ende? Nein! Egal welche Regierung am Ruder ist, egal ob ein bisschen mehr neoliberal oder ein bisschen mehr Keynes: Wirtschaftsinteressen stehen nach wie vor im Zentrum. Aber was ist dann los in der EU?

Mit der Krise 2007 begann das Große Kürzen, um Schulden und damit Zinsen zu senken. So sollten „die Finanzmärkte“ beruhigt, die Staaten besser bewertet (höheres Rating) und die Wirtschaft angekurbelt werden. Das Ergebnis der Rosskur: neue Rekordschulden, der Konsum brach ein und das Bankensterben konnte auch nicht aufgehalten werden. Die Wirtschaft wurde nicht gerettet, aber viel Verbitterung über „die da oben“ entstand. Protestbewegungen wie Occupy („wir 99% gegen das Reiche 1%“), hatten Massenunterstützung. Getrieben von dieser Stimmung und der Wirkungslosigkeit ihrer Maßnahmen sollte die Wirtschaft „stimuliert“ werden. Es gab „Verschrottungsprämien“ um die Autoindustrie zu stützen und Bauprojekte wurden vorgezogen. Hacken dabei: die Staatsverschuldung stieg weiter, der Konsum wurde trotzdem nicht angekurbelt, die Arbeitslosigkeit stieg und der Lebensstandard sank. Auch dieser Weg führte nicht zum Erfolg.

Die Herrschenden haben in vielen Gipfeltreffen erfolglos versucht, Lösungen zu finden. Weil sie nur Symptome bekämpfen, die Ursache der Krise aber nicht sehen. Es ist eine strukturelle Krise des Kapitalismus, nicht nur das Ergebnis falscher Politik. Was im Kapitalismus immer wieder zu Krisen führt, hält die Weltwirtschaft seit bald zehn Jahren im Würgegriff: die im System liegenden Widersprüche. Diese Widersprüche herrschen zwischen „gesellschaftlicher Produktion“ (durch die Mehrheit) und „privater Aneignung“ (nur wenige kassieren den Reichtum, der Rest hat nur Geld für das Nötigste - so bleiben Waren unverkauft); und der Widerspruch zwischen dem Wunsch der KapitalistInnen niedrige Löhne zu zahlen, aber doch zahlungskräftige Kundschaft zu haben. Hinzu kommt der Widerspruch, die neueste Technologie einzusetzen um wettbewerbsfähig zu bleiben, damit Arbeitskräfte abzubauen und genau damit die Profitrate zu drücken (Stichwort „Tendenzieller Fall der Profitrate“). Und dann gibt es noch den Widerspruch zwischen der Planung der Produktion im einzelnen Unternehmen und dem Chaos des Marktes was zu Über- und Fehlproduktion führt. Diese "Geburtsfehler" des Kapitalismus führen immer wieder zu Krisen und können durch die verschiedensten Maßnahmen der Herrschenden nicht gelöst werden. Und daher kann auch die Krise auf Dauer nicht überwunden werden.

Deshalb wurschteln sie weiter. In den 1970er Jahren dominierte das Dogma des staatsinterventionistischen Keynsianismus. Sein Versagen führte ab den 1980er Jahren zum Vormarsch des Neoliberalismus. Doch auch dieser hielt die Versprechen nicht. Nun sehen wir eine Mischung aus beiden, die ebenso versagt. Einerseits tritt das Kapital für „weniger Staat“ ein und fordert Privatisierungen und weniger staatliche Kontrollen und Regelungen. Gleichzeitig will es die „Verantwortung des Staates“, wenn es um z.B. Hypos und Heta geht. Die Schulden sollen gekürzt, die Wirtschaft aber stimuliert werden. Die ratlose Verzweiflung wird immer offensichtlicher.

Nichts wird sozialer, nichts wird gerechter, bestenfalls wird es populistischer!

Sozialdemokratische Parteien geben sich gern Sozial, doch letztlich haben sie, stärker als die traditionellen bürgerlichen Parteien, die Rettung der EU und des europäischen Kapitals im Auge. Warum? Weil sie ursprünglich ArbeiterInnenparteien waren. Als sie zu vollständig bürgerlichen Parteien wurden, wurde ihr Bündnispartner das internationale Kapital (Beispiel SPÖ und Siemens). Das heimische Kapital hat seine Partei v.a. in der ÖVP, teils auch in der FPÖ. Hier war für die SPÖ, als später dazugekommene Vertretung kein Platz mehr. Da ist es nicht verwunderlich, wenn die traditionellen bürgerlichen Parteien, wie CDU oder Tories, Maßnahmen setzen, um dem eigenen nationalen Kapital Vorteile im internationalen Wettbewerb zu verschaffen (wobei sich die Interessen des deutschen Kapitals aufgrund seiner Dominanz häufig mit jenen „der EU“ decken). Die Sozialdemokratie übernimmt stärker die Rolle des „ideellen Gesamtkapitalisten“, setzt auf aus gesamtkapitalistischer Sicht notwendige Maßnahmen. Wenn Maßnahmen wie die Abschreibung griechischer Schulden oder „Helicopter-Geld“ (wahlloses Geldverteilen) angedacht werden, dann nur deshalb, weil das Kapital zur Zeit einen Zusammenbruch des Euro bzw. die Reduzierung der EU auf ein Kerneuropa als das wirtschaftlich teurere Szenario einschätzt.

Wenn aus den Reihen der Sozialdemokratie soziale Töne kommen, dann spiegelt das keine Rückbesinnung auf alte Werte wieder, sondern ist Populismus, wie ihn alle Parteien auf Stimmenfang einsetzen. Doch in ihnen noch verbliebene Linke schüren die die Illusion einer sozialen Renaissance der Sozialdemokratien. Ihre Taten sehen anders aus: die Lohnsteuerreform wird Besserverdienende stärker entlasten, die Gegenfinanzierung ist fraglich (weil die Wirtschaft kaum wie erwartet angekurbelt wird) bzw. durch Kürzungen bei Beschäftigten (Stichwort: Verwaltungsreform). Vermögende werden kaum zur Kasse gebeten, die Staatsverschuldung weiter ansteigen (siehe Kommentar Seite 2).

Wenn Superreiche wie Androsch oder Treichl für eine Millionärsteuer sind, dann deshalb, weil sie verstehen, dass es ihnen billiger kommt, ein kleines Bisschen ihres Reichtums abzugeben, als wenn es zu politischen Unruhen kommt. Denn die Optik ist eine schiefe, wenn die Reichen immer reicher werden doch „das Volk“ den Gürtel enger schnallen soll. Sie versuchen den Druck vom sozialen Kochtopf zu nehmen.

Es weht ein neuer Wind in Europa: doch nicht deshalb, weil die etablierten Parteien einen echten Kurswechsel einschlagen. QE wird den Banken Geld bringen und soll die Exporte ankurbeln. Die Hoffnung, dass die Wirtschaft in Folge wie in den USA wächst (und auch dort bringt das Wachstum für ArbeiterInnen kaum Verbesserungen), ist eine Illusion. Denn die Basis für das US-Wachstum war nicht QE, sondern das Wachstum der BRICS-Staaten, das vorbei ist, sowie die massive Ausbeutung der Umwelt (Fracking). Ein bisschen mehr Keynesianismus oder ein bisschen mehr Neoliberalismus ist kein wirklicher Unterschied. Beides sind Strategien um den Kapitalismus mit seinen Ungerechtigkeiten und seinen Widersprüchen zu retten. Der neue Wind kommt von den Millionen Menschen, denen es reicht; die in Griechenland und Spanien eine linke Alternative zur Kürzungspolitik wählen (wollen); die in Deutschland, Belgien und Norwegen gegen Kürzungen und für höhere Löhne streiken; die in Frankreich und Irland für sozialistische Politik eintreten. Das ist der Stoff, aus dem ein neues Europa und eine neue (Wirtschafts-)Politik gemacht ist.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Zahlen &Fakten zur Kürzungspolitik der Sozialdemokratie

Manuel Schwaiger
  • Die griechische PASOK trug den neoliberalen Sparkurs der Troika ohne Kritik mit - das Ergebnis: Jugendarbeitslosigkeit von 50%, Absturz der Reallöhne um durchschnittlich 40%, das öffentliche Gesundheitssystem ist zusammengebrochen und 68% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze.
  • Die Holland-Regierung in Frankreich will bis 2017 50 Milliarden Euro sparen – durch Kürzungen bei den Pensionen und Sozialleistungen sowie Stellenabbau bei den Behörden. Gleichzeitig gibt es 425 Millionen für Polizei und Geheimdienst.
  • Der Chef der deutschen SPD, Sigmar Gabriel, tritt für die Unterzeichnung von Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA ein, die zu einer Aushebelung von Arbeits- und Umweltschutzrichtlinien führen und Großkonzerne unterstützen würden.
  • Die SPD unterstützt neoliberale Politik schon länger, etwa mit der „Agenda 2010“, einem gemeinsam mit dem damaligen grünen Koalitionspartner geschürten Sparpaket: Lohnnebenkosten wurden gesenkt, Sozialabgaben der Beschäftigten erhöht, Arbeitslosengeld wird erst ausgezahlt, wenn der/die Arbeitslose seinen/ihren gesamten Besitz verloren hat. Außerdem wurden massive Einsparungen bei Kranken- und Pensionsversicherungen vorgenommen, das Pensionsalter erhöht und Leiharbeit gefördert.
  • Mit dem Segen ihrer neoliberalen Freunde von der deutschen Regierung führt die sozialdemokratische Regierung Italiens massive Einsparungen durch. Der Kündigungsschutz wurde massiv aufgeweicht und es sollen 85.000 Staatsangestellte wegfallen, 10 Milliarden werden im Gesundheitsbereich gekürzt, auch die Mehrwertsteuer soll erhöht werden.
  • In der Regierung beschloss die Irish Labour Party (die nun in Umfragen bei unter 10% liegt) mehrere Sparpakete, die zu Arbeitslosenzahlen von 10-15%, und einem Absacken der Einkommen um bis zu 20% führten. Gespart wurde vor allem im Gesundheits- und Sozialbereich (z.B. Kindergeld). Gegen die Einführung neuer Massensteuern, etwa auf Wasser, demonstrierten Hunderttausende.
  • Die niederländische PvdA stimmte Ende 2012 einem Sparpaket in der Höhe von 16 Milliarden € zu. Arbeitslosengeld und Sozialleistungen wurden erheblich gekürzt, gleichzeitig wurde mehr Geld für die Polizei bereitgestellt.
Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Sozial gerechter mit SPÖ & Co?

Ein sozial gerechtes Europa ist von und mit der europäischen Sozialdemokratie nicht zu erwarten.
Christian Bunke

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. So existiert bei manchen die Hoffnung, dass eine Stärkung sozialdemokratischer Parteien eine Abkehr von Sparpolitik und Sozialkahlschlag bedeuten könnte.

Ein solcher hoffnungsfroher Mensch ist Griechenlands Finanzminister Varoufakis. Zumindest war er das in den ersten Tagen seiner Amtszeit, als er u.a. nach Österreich reiste um für Unterstützung einer Neuverhandlung der griechischen Staatsschulden zu werben.

Doch im Allgemeinen zeigte man ihm die kalte Schulter. In Britannien gab es mehr Sympathien für die Not der GriechInnen vom konservativen Finanzminister, als vom Vorsitzenden der Labour-Partei Miliband. Letzterer konnte sich nur ein Statement abringen, dass die Wahlentscheidung der GriechInnen zu respektieren sei.

Etwas anderes kann er auch nicht sagen. Genau wie die Regierenden Konservativen und liberaldemokratischen Parteien ist die Labour-Partei von Kopf bis Fuß auf Sparen eingestellt. Das Nulldefizit ist im Wahlprogramm, die geplante Entlassung von 20.000 weiteren BeamtInnen und die Privatisierung des Gesundheitswesens auch.

Und doch hat der Wahlsieg von Syriza die Frage nach Alternativen zum Neoliberalismus auf die Tagesordnung gebracht. An diversen europäischen Universitäten wagen sich wieder keynesianische WirtschaftswissenschafterInnen ans Tageslicht, die mehr oder weniger verzagt Investitionsprogramme zur Steigerung der Kaufkraft fordern.

Das wird von europäischen Gewerkschaften aufgegriffen, die unter dieser Forderung Solidaritätsunterschriften für die neue griechischen Regierung sammelten. Unterschriften sind gut, der Aufbau einer europäischen Widerstandsbewegung gegen Sozialkahlschlag durch die Gewerkschaften wäre viel besser!

Doch in den sozialdemokratischen Parteien spiegelt sich selbst dieses Engagement nicht wieder, auch wenn manche KommentatorInnen den Beginn einer Spaltung innerhalb der EU geortet haben wollen.

Was es gibt, sind innerfamiliäre Streitereien über die „richtige“ Taktik im Umgang mit Griechenland und der Wirtschaft insgesamt. Auch Mafiabosse liegen manchmal miteinander im Clinch. Die Ursachen des Streits liegen teils in den verschiedenen Ländern. Ein französischer Hollande kann „seinem“ Volk nur schwer erklären, warum die Sparpolitik für Griechenland aufgehoben werden soll, wenn er sie im eigenen Land mit wachsender Brutalität umsetzt.

Man erkennt aber auch Zeichen der Nervosität in der Eurogruppe. So etwa als der holländische sozialdemokratische Vorsitzende der Eurogruppe Dijsselbloem den Bittbrief der griechischen Regierung um Verlängerung der Finanzhilfe zunächst abgesegnet, dann aber von Teilen seiner eigenen Regierung und Schäuble zurückgepfiffen wurde. Oder als der französische Währungskommissar Moscovici glaubte, er hätte einen auch für die griechische Regierung akzeptablen Kompromissvorschlag ausgearbeitet, der dann aber von Dijsselbloem durch den Druck Schäubles nicht zur Diskussion zugelassen wurde.

Doch das sind keine grundsätzlichen Unterschiede. Die europäische Politik steht fest auf dem Boden einer wirtschaftsfreundlichen Politik. Die Verhandlungen über das neue Freihandelsabkommen mit den USA laufen ungestört weiter.

Die EU bleibt eine eiskalte kapitalistische Maschinerie im Interesse der reichen Länder bzw. der Reichen und Mächtigen in diesen Ländern. Es ist dringend nötig, dieser Maschine Sand ins Getriebe zu streuen und sie letztlich zum Stillstand zu bringen. Die Sozialdemokratie wird uns da nicht helfen. Es braucht Massenbewegungen von unten und sozialistische ArbeiterInnenparteien die ihr Heil nicht im Kapitalismus suchen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Frisch gekämpft ist halb gewonnen - Nordirland

Simon Stockhamer

Freitag der 13. des März war wahrlich ein Unglückstag für Nordirland - zumindest für die Regierung. Für die nordirische ArbeiterInnenklasse, besonders die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, war er ein voller Erfolg! Ein 24 stündiger Generalstreik von Zehntausenden, darunter PflegerInnen, LehrerInnen, Feuerwehrleute, StraßenarbeiterInnen und Transportbeschäftigte, legte das Land lahm. Es gab Demos und Kundgebungen. Der landesweite Arbeitskampf, initiiert von Gewerkschaften wie UNISON, Unite und INTO, richtete sich gegen die Maßnahmen der Regierung: Einsparungen, Lohndruck, Arbeitsplatzvernichtung und Privatisierungen. Diese Schritte treffen Nordirland besonders hart, da die Arbeit aus dem Öffentlichen Dienst ganze 70 % der Wirtschaftsleistung ausmachen. Rund 20.000 Jobs sind durch die Sparpolitik in Gefahr.

Die geplanten Kürzungen betreffen KatholikInnen und ProtestantInnen gleichermassen, was beide Hand in Hand auf die Straße trieb und der Spaltung entgegenwirkte. Das zeigt vor allem auch, dass die Menschen sich nicht mehr täuschen lassen und bereit sind, jegliche Angriffe von Regierung und Unternehmen zurückzuschlagen. Die Mitglieder der Socialist Party riefen andere Gewerkschaften dazu auf sich bei kommenden Protesten stärker zu beteiligen. In diesem Land ist der Riese längst erwacht und zeigt seine Macht. Auch bei uns gibt es solche Kürzungen - es wird Zeit, dass unsere öffentlich Bediensteten uvm. es den KollegInnen in Irland gleichtun!

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