Internationales

Das war Beats of Solidarity!

Stefan Gredler

Am 18. März veranstaltete die Sozialistische LinksPartei ein Solidaritäts-Event für antikapitalistische politische Arbeit im Nahen Osten. Der Abend startete mit Podiums-Berichten von sozialistischen AktivistInnen aus Tunesien und Israel, sowie AktivistInnen der SLP.

Die tunesische LehrerInnengewerkschafterin und CWI-Unterstützerin Aroua erzählte über die politische Lage und Entwicklung ihrer Heimat, dem Ursprungsland des Arabischen Frühlings. Seit der Revolution 2010/11, welche das alte Regime Ben Alis stürtzte, hat sich die Lage der Bevölkerung nicht verbessert. Im Gegenteil, die Arbeitslosigkeit ist seitdem gestiegen, genauso wie die Preise für Grundversorgung. Die meisten Menschen leben nach wie vor in Perspektivenlosigkeit, die soziale Lage ist katastrophal! Die im Oktober vergangenen Jahres gewählte Regierung setzt sich aus der islamistischen Ennahda („Wiedergeburt“), eine Partei mit Verbindungen zum radikalen Salafismus, und der säkularen Nidaa Tounes („Ruf Tunesiens“), der Nachfolgepartei von Ben Alis RCD, zusammen. Somit bringen die neuen/alten pro-kapitalistischen Machthaber nichts anderes als Kürzungen und Sparmaßnahmen. Gerade deshalb betonte Aroua die Wichtigkeit des gewerkschaftlichen Kampfes der UGTT (Union Générale Tunisienne du Travail), des Gewerkschaftsdachverbandes der tunesischen ArbeiterInnen und der Notwendigkeit einer politischen Alternative mit sozialistischem Programm!

Unser israelische Genosse Omer berichtete von der politischen Lage in Israel/Palästina. Er erzählte über den letzten Krieg in Gaza, das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung, den Arbeitskämpfen der israelischen ArbeiterInnenklasse, der sozialen Lage in Israel/Palästina selbst und schließlich auch über die Parlamentswahlen, die am Vortag in Israel stattgefunden hatteb. Er unterstrich wie wichtig es ist, die israelische ArbeiterInnenklasse zu organisieren, um einen gemeinsamen Kampf mit der palästinensischen Bevölkerung zu führen und zu gewinnen. Er betonte auch das Recht auf nationale Selbstbestimmung der unterdrückten PalästinenserInnen in ihrem Kampf für Freiheit.

Nach einem zusammenfassenden Bericht der SLP-Bundessprecherin Sonja Grusch, die die Relevanz des subjektiven Faktors, der revolutionären Partei, besonders in einer Region wie dem Nahen Osten hervorhob, begann der nicht minder hochwertige musikalische Teil des Abends. SLP-Aktivist und Rapper „Verlorian“ leitete mit einer starken Improvisation aus Bass, Schlagzeug und Vocals ein, Grund dafür war das Ausfallen des Plattenspielers, das ihn jedoch nicht aus der Bahn warf. Danach stand „Lev Bro“, ein bekannter Rapper innerhalb der österreichischen Linken für uns auf der Bühne, gefolgt wurde er von dem grandiosen Geschwisterpaar und Rap-Duo „Esrap“. Schließlich wurde von Omer alias „RiffRaff“ auch auf Hebräisch gerappt. Bevor der lange solidarische Abend mit instrumentalischen Techno von „Schramm“ sich zu Ende neigte präsentierten auch die „Trivialz“ feinsten HipHop aus ihrer neuen EP!

Beats of Solidarity war ein voller Erfolg und geprägt von wunderbarer Solidarität seitens der AktivistInnen, der MusikerInnen und vor allem den BesucherInnen. Viele Leute waren zum ersten Mal bei einer Veranstaltung der SLP und waren beeindruckt von der Verbindung zwischen politischen Reden mit stimmungsvoller Musik! Das Attentat in Tunis am selben Tag bei dem knapp zwei Dutzend Menschen ums Leben kamen, aber auch die Parlamentswahlen in Israel aus denen die rechte Likud-Partei rund um Benjamin Netanjahu als Sieger hervorging zeigen uns klar, wie wichtig die Arbeit von linken und v.a. sozialistischen GewerkschafterInnen und AktivistInnen in dieser Region ist und unter welch schweren Bedingungen diese Arbeit stattfindet. Durch Spenden von Eintritt und Buffet konnte ein toller Betrag für unsere AktivistInnen im Nahen Osten gesammelt werden und somit jene wichtige Arbeit erfolgreich unterstützt werden!

Internationale Notizen: Norwegen - Irland - Brasilien

Norwegen: Generalstreik bei -20°

Über 1,5 Millionen ArbeiterInnen streikten am 28.1. gegen die von der konservativen Regierung geplanten Angriffe. Die Gewerkschaftsführung hofft nun, dass das Parlament die Angriffe abwehrt. UnterstützerInnen des CWI in Norwegen, mit Hilfe des CWI in Schweden, machten klar: Kein Vertrauen in die Herrschenden! Für einen 24-stündigen Generalstreik als nächsten Schritt!

http://www.socialistworld.net/view/54

Irland: Brutale Repression gegen AktivistInnen

Seit Anfang Februar rollt eine Verhaftungswelle durch Irland. Ziel sind AktivistInnen der Bewegung gegen die geplanten Wassergebühren. Vorwand sind lächerliche Anschuldigungen wie die Behauptung, DemonstrantInnen hätten die Vizepremierministerin „gekidnappt“. Die Bewegung hat die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung und wird von der Socialist Party (CWI Irland) angeführt. Eines der ersten Opfer der Verhaftungen war SP-Parlamentarier Paul Murphy, dem sogar der Verlust seines Sitzes droht, wenn er verurteilt wird. Selbst ein 14-Jähriger wurde verhaftet, genau wie zahlreiche Familienväter und -mütter. Die Bewegung reagierte mit großen Demonstrationen in mehreren Städten, auch international organisierten CWI-Sektionen Proteste vor Botschaften, wie in Wien.

http://www.socialistparty.ie

Brasilien: Internationales sozialistisches Treffen

Über 200 SozialistInnen, GewerkschafterInnen und AktivistInnen aus ganz Lateinamerika kamen nach Niteroi, um sich auszutauschen und über Strategien des Widerstands gegen die kapitalistische Krise zu diskutieren. Organisiert wurde das Treffen von Liberdade, Socialismo, Revolucao (CWI Brasilien). In Brasilien führte der neoliberale Privatisierungswahn sogar zu Wassermangel, der Millionen Menschen bedroht. Highlight des einwöchigen Treffens war eine Veranstaltung mit Kshama Sawant, sozialistische Stadträtin in Seattle und Aktivistin des CWI in den USA, zu der über 300 BesucherInnen kamen. Kshama betonte den weltweiten Charakter des Kampfes gegen Imperialismus und Kapitalismus. Zum Abschied überreichte ein Vertreter der Landlosenbewegung MTST, einer der wichtigsten sozialen Bewegungen Brasiliens, Kshama eine MTST-Fahne.

http://www.lsr-cit.org

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Griechenland steht auf gegen Spardiktat

Nach dem Wahlsieg von Syriza ist erstmals Optimismus in die griechische Gesellschaft zurückgekehrt.
Katerina Kleitsa, Xekinima (CWI in Griechenland)

Die griechischen ArbeiterInnen forderten bereits mit Massendemonstrationen die Einhaltung der Wahlversprechen und das Standhalten gegen die EU. Obwohl Syriza mit den rechten “Unabhängigen Griechen” (ANEL) koaliert, überwiegt die Euphorie über den Stopp der Sparpolitik. Doch wie lange? 72 % sagen, es ist gut, dass Syriza sich der Troika widersetzt. Die ArbeiterInnen haben Hoffnung, Kraft und neue Energie geschöpft und erwarten von der Regierung, dass sie ihre Versprechen einhält. Sie haben das Gefühl, dies ist endlich eine Regierung, die sie durch Massenaktionen beeinflussen können. Davor gab es eine gewisse Müdigkeit, da keiner der x Generalstreiks die Sparpolitik hatte stoppen können.

Syriza steht unter Druck der griechischen ArbeiterInnenklasse wie auch der herrschenden Klasse. Das zeigt sich in ihrer Politik: Einerseits hat Syriza die Zusammenarbeit mit der Troika aufgekündigt und die Umsetzung vieler Punkte ihres Wahlprogramms angekündigt (Anhebung des Mindestlohns, Verdopplung der Pensionen, Stopp diverser Privatisierungen). Andererseits ruderte die Syriza-Führung in wichtigen Punkten, wie dem Schuldenschnitt, zurück. Die Forderung nach Verstaatlichung der Banken und der Schlüsselindustrie wurde schon vor der Wahl fallengelassen. Und Anel ist für die Syriza-Führung eine willkommene Ausrede für eventuell zukünftige Zugeständnisse.

Die herrschende Klasse in der EU ist gespalten, wie sie mit Syriza umgehen soll. Aber der entscheidende Teil, besonders die deutsche Bourgeoisie, beharrt auf der Einhaltung der Sparauflagen. Sie haben Angst, dass auch andere Länder die Sparpolitik aufkündigen könnten. Das Drohszenario, dass Griechenland den Euro verlassen muss, ist weiterhin aufrecht – auch wenn die herrschende Klasse das nicht unbedingt will, sondern als Waffe einsetzt, um die griechische ArbeiterInnenklasse zu erpressen.

Wie können wir dem Paroli bieten? Wir müssen uns organisieren, um Druck auszuüben, damit die Regierung ihre Versprechen umsetzt. Unsere Forderung muss lauten: „Kein Schritt zurück!“. Um die von Syriza angekündigten Maßnahmen umsetzen zu können, muss die Wirtschaft wachsen. Das gibt es aber nur, wenn wir sagen: Wir werden ihre Schulden nicht bezahlen und das Bankensystem verstaatlichen, d.h. in die Hände der Gesellschaft und der ArbeiterInnen legen. Wir müssen die Schlüsselindustrie verstaatlichen, wir müssen ArbeiterInnenkontrolle und –verwaltung umsetzen, wir müssen durch Währungs- und Kapitalkontrollen sowie ein Außenhandelsmonopol die Spekulation stoppen. Wir müssen die Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Massen planen und wir müssen endlich selbst über unser Leben entscheiden, dazu brauchen wir Versammlungen und Komitees in den Betrieben und Nachbarschaften. Das alles ist umso notwendiger, wenn Griechenland tatsächlich den Euro verlassen muss.

Wir müssen auf die Gefahren hinweisen, wenn Syriza auf halben Wege stecken bleibt und die ArbeiterInnenklasse enttäuscht. Denn das könnte faschistische Kräfte wie die Goldene Morgenröte stärken. Es ist Aufgabe der Linken, gemeinsam mit linken Teilen von Syriza für ein sozialistisches Programm zu kämpfen und die Massen zu mobilisieren. Wir müssen die unabhängigen Aktionen der ArbeiterInnenklasse stärken. Die Bewegungen, die es bereits gibt, wie z.B. gegen die Goldminen in Chalkidiki, müssen ihren Forderungen an die Regierung Nachdruck verleihen – und das passiert bereits. Einige Beispiele: Beschäftigte des von der vorigen Regierung stillgelegten staatlichen Senders ERT erstellten einen detaillierten Vorschlag zur Wiedereröffnung. Dieser Vorschlag sieht u.a. Kontrolle der MitarbeiterInnen über die Inhalte vor und will den Sender in den Dienst der sozialen Bewegungen stellen. Die Athener BusfahrerInnen forderten in einem offenen Brief an die Regierung die ausreichende Finanzierung des öffentlichen Verkehrs. Es gab Demonstrationen, um der griechischen Regierung gegen die Troika den Rücken zu stärken. Der Druck dieser Bewegungen kann Syriza nach links drücken. Dann könnte es sein, dass die Syriza-Führung wesentlich weiter gehen muss, als sie eigentlich will.

Anstatt sich nur mit Regierungschefs wie Faymann zu treffen, muss Syriza nach ihren wirklichen Verbündeten suchen: der ArbeiterInnenklasse Europas, die unter der Sparpolitik genauso leidet. Die Syriza-Führung glaubt, sie kann die EU durch Verhandlungen mit der herrschenden Klasse reformieren. Aber die EU kann nicht reformiert werden – sie ist eine Institution des Kapitalismus. Wir können diese Krise nur überwinden, wenn wir mit dem Kapitalismus brechen – durch einen gemeinsamen Kampf von ArbeiterInnen in Europa, hin zu einem sozialistischen Europa, auf Basis einer freiwilligen demokratischen sozialistischen Föderation.

 

http://www.xekinima.org

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Griechenland unter SYRIZA: Bilanz der ersten Monate

Arbeiterklasse und soziale Bewegungen müssen den Kampf aufnehmen, um ihre Rechte durchzusetzen
Andreas Payiatsos; Artikel aus der Zeitung von Xekinima (Schwesterorganisation der SLP und Sektion des CWI in Griechenland)

Am Mittwoch, dem 11. Februar, wie auch am Sonntag, dem 15. Februar, füllten hunderttausende DemonstrantInnen den Syntagma Platz in Athen sowie weitere zentrale Plätze in rund 40 anderen Städten Griechenlands. Mit diesen Mobilisierungen sollte das Signal ausgesendet werden, dass man Widerstand zu leisten bereit ist gegen die Drohungen der EU, des IWF und der herrschenden Klasse in Deutschland.

Am Freitag, dem 20. Februar, sind dann noch einmal 500 DemonstrantInnen auf dem Syntagma Platz in Athen und 150 weitere auf dem Lefkos Pyrgos in Thessaloniki zusammengekommen. Einige KommentatorInnen erklärten die wesentlich geringeren Teilnehmerzahlen damit, dass der darauffolgende Montag, der 23. Februar, ein arbeitsfreier Tag war und die Beschäftigten sich wahrscheinlich ein langes Wochenende gegönnt hätten. Dieser Erklärungsversuch ist eine Beleidigung unserer Intelligenz! Wir diskutieren hier nicht über eine wie auch immer geartete Verringerung von TeilnehmerInnenzahlen – wir sprechen über ein Paradebeispiel für völliges Versagen! Und dieses Versagen kann nur politisch erklärt werden: Die ArbeiterInnen hatten einfach keine Lust, sich schon wieder auf den öffentlichen Plätzen zusammenzufinden um zu demonstrieren! Natürlich bedeutet das nicht, dass es in Zukunft nicht möglich wäre, wieder ähnlich erfolgreiche Mobilisierungen mit ähnlichem Charakter hinzubekommen. Das hängt aber vor allem und in erster Linie davon ab, welchen Weg die neue SYRIZA-Regierung jetzt einschlagen wird.

SYRIZA wird von der großen Mehrheit der griechischen Bevölkerung weiterhin unterstützt. Und SYRIZA steht nach dem Desaster der Vorgängerregierung aus konservativer „Nea Demokratia“ und sozialdemokratischer PASOK weiterhin für die Hoffnung auf bessere Zeiten. Der Unterschied zwischen Freitag, dem 20. Februar, und Sonntag, dem 15. März, besteht allein darin, dass der Entusiasmus, den die Wahl SYRIZAs mit sich gebracht hat, buchstäblich und ohne Übertreibung in den ersten 20 Tagen an der Regierung verflogen ist.

Für den Verlauf der vergangenen Woche (beginnend mit Montag und Dienstag, dem 16. bzw. 17. Februar) gilt, dass die Psychologie der Massenbewegung an „AktivistInnen“ aber auch der Gesellschaft allgemein von zwei wesentlichen Faktoren beeinflusst ist.

Einerseits war da die schroffe Ablehnung Wolfgang Schäubles, des deutschen Bundesfinanzministers, sowie zahlreicher anderer, ähnlich denkender Politiker in der EU sowie die Erkenntnis, dass SYRIZA sich auf einen Prozess aus „blutigen“ Zugeständnissen und Kompromissen einlassen würde. Der zweite Faktor bestand aus der Wahl des rechts-konservativen „Nea Demokratia“-Mitglieds Pavlopoulos zum Präsidenten der griechischen Republik.

Natürlich ist der erstgenannte Faktor der wichtigere und entscheidende Grund. Es macht aber Sinn, sich in aller Kürze auch mit dem zweiten zu beschäftigen. Die Nominierung und letztendliche Wahl von Pavlopoulos hat nicht dazu geführt, dass sich noch mehr Menschen auf SYRIZA hin orientiert haben (wie der SYRIZA-Vorstand gerne glauben würde). Die Menschen haben sich deswegen stärker mit SYRIZA identifiziert, weil es zum Konflikt mit Schäuble und seinesgleichen gekommen ist. Der „Fall Pavlopoulos“ hat die Leute, die sich das alles nicht vorstellen konnten, ganz allgemein durcheinander gebracht. Doch vor allem die Menschen, die der Linken zuzurechnen sind, waren bitter enttäuscht, weil das für sie ein klares Signal für die Tendenz zu Zugeständnissen und eine Anpassung der Regierung war.

Harte Landung

Der Konflikt mit Schäuble und der Clique, die die EU dirigiert, hat die Führung von SYRIZA kalt erwischt, die ihre Verhandlungen mit der Troika auf sehr „entspannte“ Art und Weise – vielleicht sogar ein wenig „leichtfertig“ – beginnen wollte. Wie wir allerdings in einem unserer zahlreichen Artikel zu dieser Thematik prophezeit hatten, würden die Versuche der SYRIZA-Regierung, die Politik der Troika hinsichtlich Griechenlands zu verändern, vom Direktorium der EU nicht mit „freundschaftlichen Verhandlungen“ gutiert sondern wie eine „Kriegserklärung“ verstanden werden.

So haben wir wenige Tage vor den Wahlen, am 23. Januar 2015, in einem Artikel, der auf unserer Homepage www.xekinima.org nachzulesen ist, geschrieben:

„Der Vorstand von SYRIZA ist nicht der Auffassung, dass das gesamte System falsch ist, sondern glaubt, dass die EU und die Troika nur eine falsche Politik verfolgen, die sie durch den Druck von SYRIZA zu ändern in der Lage sind, damit letztere die Umsetzung eines sozialpolitisch heiklen Ansatzes wieder rückgängig machen kann. Diese Form von >Optimismus< teilen wir absolut nicht. Unserer Meinung nach werden umgekehrt die Troika, die griechische herrschende Klasse sowie >die Märkte< enormen Druck auf SYRIZA aufbauen, um sie zum Einknicken zu zwingen, dazu, dass die Wahlversprechen gebrochen werden und mit der alten Politik weitergemacht wird.

Und wenn die SYRIZA-Regierung diesem Druck weiterhin widerstehen sollte und eine Politik umsetzt, die sich gegen die Austerität richtet – womit sie aus Sicht der Troika zum >Negativbeispiel< für die Bevölkerungen im Rest Europas (sprich: für die SpanierInnen, PortugiesInnen, IrInnen, ItalienerInnen, ZypriotInnen etc.) würde -, dann wird die Gegenseite den >Krieg< gegen SYRIZA vollkommen ungehemmt zu führen beginnen. Dann wird es darum gehen, SYRIZA entweder gefügig zu machen oder die Partei des Amtes zu entheben.

Mit dem Begriff >Krieg< meinen wir Sabotageakte auf wirtschaftlicher Ebene: Ablehnung, die griechischen Staatsdefizite durch die Troika zu finanzieren; Ablehnung, mit den Mitteln der EZB für Liquidität zu sorgen (was mögliche Erleichterungen in Griechenland dramatisch einschränken würde); Abzug von Kapital aus Griechenland durch die Großkonzerne; Beendigung der Investitionen durch das Großkapital; Entlassungen (was die Wirtschaft in eine noch tiefere Krise stürzen wird)“.

Der Kompromiss vom 20. Februar

Und genau dies ist eingetreten. Das Direktorium Europas hat der SYRIZA-Regierung ein Ultimatum gestellt, dass man mit Beginn der 9. Kalenderwoche (ab dem 24. Februar) nicht mehr für die Liquidität der Banken sorgen wird. Das war der erste Schritt in Richtung Euro-Austritt. Was das angeht, haben wir keine „Verhandlungen“ bekommen sondern eine „Kriegserklärung“. Bleibt zu hoffen, dass die SYRIZA-Führung daraus ihre Lehren zieht und künftig anders an die Dinge herangeht.

Schäuble und der Rest der Clique, die Europa regiert, waren bereit, SYRIZA einige geringfügige Zugeständnisse zu machen. Im Gegenzug wollte man dafür aber von SYRIZA die Annahme der geballten Ladung ihrer Forderungen. Die SYRIZA-Regierung knickte ein und am Ende stand dann der Kompromiss vom Freitag, dem 20. Februar.

Hier die wesentlichen Punkte:

Die griechische Regierung erklärte sich bereit, jeden einzelnen Euro der Staatsschulden zurückzuzahlen. Damit ist die Position „Streichung des größten Teils der Schulden“ hinfällig geworden.

Die Troika ist „abgeschafft“ aber … die Institutionen, die die Troika bilden (EU, EZB, IWF), bestehen weiter. Sie werden auch künftig diskutieren und kontrollieren, was in Griechenland geschieht. Von jetzt an werden sie dies allerdings unter einem neuen Namen tun. Sie werden nun nicht mehr „die Troika“ sondern „die Institutionen“ genannt.

Die „Kredit-Vereinbarung“ (bei der es im Grunde um das Memorandum geht, auch wenn der Begriff nicht mehr bemüht wird) ist nicht aufgehoben sondern um vier Monate verlängert worden. In diesen vier Monaten soll das nächste „Programm“, das die Regierung umsetzen wird, beschlossen werden (wenn es denn beschlossen wird).

Die „Institutionen“ werden dann die genaue Umsetzung dieses Programms überprüfen (im Grunde auf dieselbe Art und Weise, wie die Troika die Umsetzung der Memoranden überwacht hat).

Die griechische Regierung hat zugestimmt, dass sie keine unilateralen Maßnahmen ergreifen wird. Folgt man der Lesart der „Institutionen“, so wird alles, was zuvor nicht diskutiert und beschlossen worden ist, als unilaterale Maßnahme bezeichnet. Mit anderen Worten: Die SYRIZA-Regierung kann nichts tun ohne die Zustimmung der „Institutionen“. Damit können auch die Maßnahmen zum Wohlergehen der Bevölkerung nicht in Angriff genommen werden oder die Maßnahmen aufgehoben werden, die durch die alten Memoranden vorgegeben worden sind. Dasselbe gilt für die Austeritätsgesetze und die Politik der Kürzungen.

Was hat SYRIZA erreicht?

Das Wesentliche, was SYRIZA bei dieser Verinbarung hinbekommen hat, ist, dass die „Institutionen“ Entgegenkommen zugesichert haben, hinsichtlich des Problems der „Primär-Überschüsse“ flexibel reagieren zu wollen. Wie wir in früheren Artikeln erklärt haben, hat die SYRIZA-Regierung darum gebeten, die „Primär-Überschüsse“ der kommenden Jahre (2015 bis 2020), die ursprünglich durchschnittlich vier Prozent betragen sollten, auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts abzusenken.

Dies kann als Bemühen der SYRIZA-Regierung ausgelegt werden, jährlich einige Milliarden Euro einsparen zu wollen, die sie in Maßnahmen zu Gunsten der ärmsten Schicht stecken wird. Die Summen, die die Regierung damit einfordert, belaufen sich grob gerechnet auf rund sechs Milliarden Euro pro Jahr. Wenn wir einmal davon ausgehen, dass es in diesem Punkt zwischen griechischer Regierung und den „Institutionen“ zu einem Kompromiss kommt (was möglich ist), dann könnte die SYRIZA-Regierung jedes Jahr irgendwas in Richtung zwischen 2,3 Milliarden bis vier Milliarden Euro „gewinnen“. Diese Summen würden dann aufgewendet, um damit die schlimmsten Folgen der humanitären Krise zu lindern und einigen Bevölkerungsschichten, die von der Rezession am stärksten in Mitleidenschaft gezogen worden sind, etwas Luft zu verschaffen. Diese Kosten zur Linderung der humanitären Krise belaufen sich – geht man von den Angaben aus, die SYRIZA in ihrem „Programm von Thessaloniki“ vor den Wahlen zu Papier gebracht hat – auf rund zwei Milliarden Euro.

Was nun?

Dass die humanitäre Krise angegangen werden soll, ist natürlich alles andere als unwesentlich. Der Regierung wird allerdings nicht eingeräumt, dabei besonders weit gehen zu können.

Wenn das „Programm von Thessaloniki“ in vollem Umfang umgesetzt worden wäre, dann hätte das der Arbeiterklasse und den anderen, von der Krise betroffenen Schichten eine allgemeine Erleichterung verschafft, für bessere Renten gesorgt, den Mindestlohn auf das Vor-Krisen-Niveau angehoben und so weiter. Dieses Minimal-Programm hätte laut Berechnungen von SYRIZA Kosten in Höhe von 12 Milliarden Euro verursacht.

Daraus ergeben sich zwei Fragen: Woher will die Regierung den Fehlbetrag nehmen, um die Maßnahmen aus dem „Programm von Thessaloniki“ wirklich umsetzen zu können? (Übrigens: Natürlich nur zu den Bedingungen, die „die Institutionen“ zur Finanzierung einer Politik erlauben, mit der SYRIZA die humanitäre Krise anzugehen gedenkt). Und: Welche Garantie gibt es dafür, dass „die Institutionen“ eine Politik umsetzen, die im Sinne der Menschen ist und die die Regierung tatsächlich vor hat umzusetzen?

Hier einige der Maßnahmen, die SYRIZA versprochen hat, unmittelbar nach den Wahlen umzusetzen, und bei denen betont wurde, sie seien „nicht verhandelbar“:

  • Wiedereinführung der Tarifautonomie (einschließlich der Anerkennung von Tarifverhandlungen und -verträgen) wie vor der Krise üblich
  • Wiedereinstellung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die „illegaler Weise und entgegen der Verfassung entlassen worden sind“ (schätzungsweise 4.000 bis 10.000 KollegInnen)
  • Abschaffung der sogenannten „Beurteilung“, die von der Troika eingeführt wurde und nach der jährlich 15 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zwangsläufig als „ineffizient“ bewertet und folglich als zu entlassen deklariert worden sind.
  • Rückführung des Mindestlohns auf 751 Euro brutto monatlich (rund 670 Euro netto)
  • Weihnachtsgeld für Niedrig-Renten (unter 700 Euro netto)
  • Für Niedriglohn-BezieherInnen: Abschaffung der Grundsteuer, Beendigung von Zwangsräumungen und Schutz des Erstwohnsitzes; Anhebung des Steuerfreibetrags auf 12.000 Euro Jahres-Nettoeinkommen.
  • Beendigung von Privatisierungen

Das sind nicht alle Maßnahmen, die im „Programm von Thessaloniki“ (vor den Wahlen beschlossen) stehen, aber einige der grundlegendsten und wichtigsten.

Konflikt mit der Troika unumgänglich!

Wie wir oben ausgeführt haben, werden für das „Programm von Thessaloniki“ von SYRIZA selbst rund 12 Mrd. Euro veranschlagt. Woher aber wird SYRIZA die fehlenden acht Mrd. bis 10 Mrd. Euro nehmen (immer unter der Voraussetzung, dass „die Institutionen“ die nötigen zwei bis drei Mrd. Euro genehmigen, die nötig sind, um die humanitäre Krise anzugehen)?

SYRIZA sagt (ausgehend vom „Programm von Thessaloniki“), man werde gegen die Korruption und Steuerflucht vorgehen sowie die Reichen besteuern und darüber die nötige Finanzierung des eigenen Programms hinbekommen.

Wird SYRIZA dies wirklich tun?

JedeR, die/der sagt, dass sie das „natürlich machen werden“, hat noch nicht ganz umrissen, was zur Erreichung dieser Zielsetzung alles nötig ist. SYRIZA müsste sich mit dem Großkapital und den Reichen anlegen, ihnen einen Teil ihres Reichtums wegnehmen und diese Gelder an die abhängig Beschäftigten und die Mittelschichten transferieren.

Wie werden sich Kapital und die Reichen in so einem Fall verhalten? Glaubt irgendjemand, dass sie im Fall eines Angriffs auf ihre Reichtümer einfach „abwarten und Tee trinken“ werden? Wäre es nicht viel logischer für sie, ihr Vermögen, ihre Kapitalien und Investitionen einfach irgendwo anders hin umzuleiten, in neue „Profit-Paradiese“, und somit die Volkswirtschaft Griechenlands zu sabotieren?

Vielleicht noch wichtiger ist ein anderer Aspekt: Für die EU sind die allermeisten der o.g. Maßnahmen ein rotes Tuch – nicht nur aus unmittelbar finanziellen Überlegungen heraus sondern auch aus politischen Gründen.

Die EU vertritt die Interessen des in Europa ansässigen multinationalen Kapitals, das Griechenland als Ziel auserkoren hat, um die Vorteile aus Niedriglöhnen für sich zu nutzen, sich den enormen Reichtum des Landes für „Peanuts“ anzueignen (z.B. die bisher in öffentlichem Besitz befindlichen Versorgungsunternehmen, Naturressourcen, Landbesitz etc.) und dabei auf ArbeiterInnen zurückgreifen zu können, die unter „Bedingungen wie in China“ arbeiten.

Warum sollte die EU (oder eine andere der „Institutionen“) die Wiederherstellung der Tarifautonomie und Tarifverträge, die Anhebung des Mindestlohns, ein Ende der Privatisierungsmaßnahmen und die Besteuerung der Reichen oder das Ende der Ausbeutung der Naturressourcen des Landes akzeptieren, wenn sie all diese Forderungen ganz einfach mit einem „Nein“ von Schäuble abtun kann? Schließlich gesteht die oben beschriebene Vereinbarung, die die Regierung unter SYRIZA unterschrieben hat, Schäuble, der herrschenden Klasse in Deutschland und dem EU-Direktoriat genau diese Macht doch zu!

Die Zugeständnisse, die SYRIZA gemacht hat, sind so weitreichend, dass das „Programm von Thessaloniki“ in Wirklichkeit untergraben und ausgehöhlt wird. Es geht immerhin um das Programm, von dem SYRIZA immer gesagt hat, es sei nicht verhandelbar und die Finanzierung dieses Programms sei leicht und ohne Rücksicht auf irgendeine „Vereinbarung“ mit den Gläubigern hinzubekommen (übrigens ein Punkt, bei dem wir von Anfang an betont haben, dass diese Annahme falsch ist).

Die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen

Es ist durchaus davon auszugehen, dass „die Institutionen“ es SYRIZA erlauben werden, ein Päckchen an Maßnahmen zu finanzieren, mit dem man dem Armutsproblem und dem Elend, das durch die Memoranden verursacht worden ist, teilweise begegnen kann (indem man z.B. zugesteht niedrigere Primärüberschüsse anzustreben und sich grundsätzlich der Abbezahlung der Schulden verpflichtet).

Mit diesen Summen kann das Problem der „Unter-Entwicklung“ und der Wirtschaftskrise aber nicht gelöst werden. Dazu werden die Finanzmittel nicht ausreichen, mit denen man die Wirtschaft nicht zurück auf Wachstumskurs bringen können wird. Und ohne Wachstum werden die Probleme aus Erwerbslosigkeit, allgemeiner Verarmung und das Fehlen eines sozialen Netzes nicht gelöst werden können.

Was das angeht, kann der Vorstand von SYRIZA das, was bei der Vereinbarung mit der EU, der EZB und dem IWF herausgekommen ist, nicht als Erfolg feiern. Es wurden umfangreiche Zugeständnisse gemacht und ihre Unterschrift unter ein Dokument gesetzt, dass es „den Institutionen“ weiterhin erlaubt, über alles zu entscheiden, was die Regierung an Gesetzen einbringen will.

Natürlich müssen wir feststellen, dass sie die EU dazu gebracht haben, etwas Raum für Maßnahmen zu lassen, die die Situation der Ärmsten und am schlimmsten betroffenen Schichten in Teilen lindern werden. Den ärmsten Bevölkerungsschichten, den Erwerbslosen, ärmsten RentnerInnen und den Beschäftigten aus dem Niedriglohn-Sektor gibt das Hoffnung und verschafft der Regierung daher etwas Zeit zum Durchatmen bzw. eine Schonfrist. Diese Phase wird allerdings nicht lange andauern.

Irgendwann (wahrscheinlich früher als gewünscht) wird sich die Regierung der zentralen Herausforderung stellen müssen. Sie wird die Wirtschaft zurück in die Wachstumszone bringen müssen, um – wenn auch nur schrittweise – Lösungen für die enormen sozialen Probleme anbieten zu können, die in der Vergangenheit angehäuft worden sind. Die politischen Maßnahmen, die dazu nötig sind, werden in großen Teilen der Linken und sogar von weiten Teilen der allgemeinen Bevölkerung längst diskutiert. Fakt ist, dass diese notwendigen Maßnahmen größtenteils schon ihren Niederschlag in Parteitagsbeschlüssen von SYRIZA gefunden haben (auch wenn sie nicht mit ins „Programm von Thessaloniki“ aufgenommen worden sind). Es geht dabei grundsätzlich um Maßnahmen wie die folgenden: Verstaatlichung der Banken, Übertragung der Kontrollfunktionen und Geschäftsführungsfunktion in Unternehmen aber auch der Gesellschaft allgemein an die abhängig Beschäftigten, Verstaatlichung der Schlüssel-Sektoren der Wirtschaft, Bildung demokratisch gewählter Gremien zur Organisierung bestimmter Teile der Industrie bzw. der Wirtschaft insgesamt, demokratische Planung der Wirtschaftsabläufe, um den Interessen der Bevölkerungsmehrheit gerecht zu werden etc. Das sind sozialistische Maßnahmen/Politikansätze, und sie sind absolut notwendig und stellen für die Wirtschaft aber auch die griechische Gesellschaft die einzige Möglichkeit dar, aus der katastrophalen Abwärtsspirale wieder herauszukommen. Und: Die Durchführung solcher Maßnahmen muss einhergehen mit internationalistischen Aufrufen an die Arbeiterklassen im Rest von Europa, damit wir auf dem gesamten Kontinent alle zusammen auf dasselbe Ziel hinarbeiten und einen gemeinsamen Weg einschlagen in Richtung des Aufbaus eines „anderen Europas“, das am Ende nur auf ein „sozialistisches Europa“ hinauslaufen kann.

Selbstverständlich bedeuten diese Maßnahmen die direkte Konfrontation mit dem inländischen und dem ausländischen Kapital wie auch mit „den Institutionen“. Und das bedeutet, dass Griechenland aus der Eurozone geworfen wird, was die Kontrolle über die Kapitalströme und die öffentliche Kontrolle über den Außenhandel nötig macht, um die Volkswirtschaft vor den Angriffen „der Märkte“ zu schützen.

Die sozialen Bewegungen

Soll es für die Bevölkerung in Griechenland Hoffnung auf Licht am Ende des Tunnels geben, dann ist dies die Art von Kampf, der dazu erforderlich ist.

Der Vorstand von SYRIZA behauptet, dass ein Konflikt nicht nötig ist und es ausreiche, mit der EU und „den Institutionen“ zu „Verhandlung in beiderseitigem Interesse“ zu kommen. Der gerade erst geschlossene „Kompromiss“, den die Regierung am 20. Februar eingegangen ist, ist der Beweis dafür, dass dies in der Praxis nicht möglich ist.

Es ist allerdings Zeit, den bereits eingeschlagenen Kurs noch zu ändern. In den bevorstehenden Wochen und Monaten wird die SYRIZA-Regierung weiterhin die Unterstützung von der Masse der griechischen Bevölkerung für die direkte Auseinandersetzung mit „den Institutionen“ bekommen. Wird sie diesen Weg aber auch gehen?

Diese Frage betrifft nicht so sehr den Vorstand von SYRIZA sondern vielmehr die Gesellschaft als solche: die Arbeiterklasse und die sozialen Bewegungen. Die Massenbewegungen sollten nicht nur darauf warten, dass die Regierung „ihre Schlussfolgerungen zieht“ und dann die richtige Entscheidung trifft. Die Arbeiterklasse und die sozialen Bewegungen müssen vielmher den Kampf aufnehmen, um ihre eigenen Rechte durchzusetzen. Für den Anfang sollten die Dinge umgesetzt werden, die SYRIZA ja bereits zugesagt hat: Mindestlohn von 750 Euro, Beendigung von prekärer Beschäftigung und Leiharbeit, dauerhafte und unbefristete Beschäftigungsverhältnisse, Wiedereinstellung der entlassenen KollegInnen, Beendigung der Privatisierungen, Beendigung des Ausverkaufs von öffentlichem Eigentum und Naturresourcen, Rausschmiss des Konzerns „Eldorado Gold“ aus der Region Halkidiki (wo sich die Goldminen im Norden des Landes befinden) und Abschaffung der Grundsteuer für niedrige Einkommen, um nur einige zu nennen.

Auf diese Weise kann die Massenbewegung SYRIZA nach links drängen. Und je nach dem, in welchem Umfang dies gelingt, wird dann die Frage des Euro geklärt werden müssen. Die Entscheidung darüber wird von der Bevölkerung Griechenlands gefällt werden müssen. Entweder muss dies durch ein Referendum geklärt werden oder durch Neuwahlen. In beiden Fällen haben wir nicht den geringsten Zweifel, wie das Ergebnis aussehen wird.

Eurozone: Die Bombe tickt

Gefangen in der Rezession geht in der Eurozone das Gespenst der Stagnation um
von Lynn Walsh; Artikel aus der „Socialism Today“, dem Monatsmagazin der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SLP und Sektion des CWI in England und Wales)

Die Eurozone ist gefangen in der Rezession. Gleichzeitig geht das Gespenst der Stagnation um. Das Mittel des „Quantitative easing“ (= Erhöhung der Geldmenge) wird zu keiner Lösung wie von Zauberhand führen. Die Wahl einer SYRIZA-Regierung mit einem gegen die Austerität gerichteten Programm hat die Möglichkeit mit sich gebracht, dass es mit den führenden Politikern des deutschen Kapitalismus und ihren Verbündeten zur Machtprobe kommt. Die Lage wird immer explosiver und es gibt immer weniger Möglichkeiten, sie in den Griff zu bekommen.

Weder die EU noch die Eurozone können von sich behaupten, dass es sich bei ihnen um Erfolgsmodelle handelt. Nach der „großen Rezession“ von 2007/-09 und den anschließenden Rettungspaketen für zahlungsunfähige Banken gratulierten sich die führenden Politiker der EU selbst, die Krise gemeistert zu haben. Letztes Jahr war die Eurozone dann aber mit dem Gespenst einer sich lang hinziehenden Stagnation konfrontiert. Das Wachstum ging gegen Null. Die Rezession war nicht länger auf die schwächeren Volkswirtschaften im Süden Europas beschränkt (Griechenland, Portugal, Spanien etc.) sondern hatte nun auch die Kern-Länder Frankreich, Italien und sogar Deutschland in Beschlag genommen. Vor allem Deutschland war vom verlangsamten Wachstum in China betroffen, was die deutschen Exporte von Industriegütern gedrosselt hat. Die gemeinsame Währung hat die Volkswirtschaften der Eurozone nicht vor einem trägen, uneinheitlichen Wachstum mit hoher Erwerbslosigkeit (vor allem unter der jungen erwerbsfähigen Bevölkerung) bewahrt.

Ein wesentlicher Faktor, der zum Abschwung der Weltwirtschaft beigetragen hat, war die Verlangsamung der chinesischen Volkswirtschaft. Dort lag das Wachstum (im Vergleich zu den Zuwachsraten von neun bis 10 Prozent zwischen 2008 und 2011) nur noch bei jährlich sieben bis acht Prozent. Die USA und Großbritannien stellten (mit 2,2 Prozent bis 2,4 Prozent in den USA und 1,7 Prozent bis 2,6 Prozent in Britannien) teilweise eine Ausnahme dar. In beiden Ländern kam es dennoch zu kaschierter Arbeitslosigkeit und die Löhne sind hinter dem Wachstum zurückgeblieben. Die Einkommen und der Reichtum des reichsten einen Prozent der Bevölkerung sind hingegen in den Himmel geschossen.

Ein weiterer wesentlicher Faktor, der bei den jüngsten Entwicklungen maßgeblich war, war der Fall des Ölpreises, zu dem es jüngst gekommen ist. Dieser ist im Verhältnis zum letzten Höchststand zwischen 40 Prozent und 50 Prozent zurückgegangen. Deutschland, Japan und andere Volkswirtschaften erlebten infolge des fallenden Ölpreises einen spürbaren Aufschwung, da der Konsum von Waren und Dienstleistungen, die nichts mit dem Erdöl oder davon abhängigen Produkten zu tun haben, zunahm. Auf der anderen Seite hatte die Entwicklung des Ölpreises allerdings Folgen für einige der großen Öl-produzierenden Länder (z.B. Irak, Venezuela, Russland u.a.). Dort wird der Rückgang des Werts ihrer Öl- und Gasexporte schwerwiegende Auswirkungen auf die jeweiligen Haushalte haben, was die politische Instabilität in einer Reihe dieser Öl-produzierenden Staaten wiederum verstärken und die geopolitischen Spannungen in einer Reihe von Regionen der Welt verschärfen wird.

Die EZB und das Mittel des „Quantitative Easing“

Im Juli 2012, als die Volkswirtschaften der Eurozone sich am Rande der Rezession bewegten, versprach Mario Draghi, Chef der „Europäischen Zentralbank“ (EZB), dass er „alles Nötige“ tun würde, um die Eurozone zu unterstützen. Seine zwischen den Zeilen gegebene Zusage, liquide Mittel in die Wirtschaft zu pumpen und sich somit am Beispiel des „quantitative easing“ (QE) in den USA, Japan und Großbritannien zu orientieren, verstanden die Finanzmärkte als Absicherung, er würde einschreiten, um einen neuen Niedergang zu verhindern. Die deutsche Regierung unter Angela Merkel wehrte sich jedoch weiterhin gegen das QE, den Kauf von Staatsanleihen der Länder der Eurozone durch die EZB. Draghi machte Ausflüchte, obwohl die Wirtschaft in der Eurozone über das Jahr 2014 hinweg stagnierte (bei einem Wachstum von 0,8 Prozent).

Dann, Anfang dieses Jahres, kündigte Draghi ein umfassendes QE-Programm an, das im März anlaufen soll. Wie kam es zu diesem Sinneswandel? Ein Grund dafür war das Urteil eines wichtigen EU-Gerichtshofs, wonach es für die EZB durchaus legitim sei, Staatsanleihen auf dem Sekundär-Markt (sprich: nicht direkt von den betreffenden Regierungen) aufzukaufen. Mehr noch ins Gewicht fiel dabei, dass zum Jahreswechsel der plötzliche Rückgang der Inflation das Gespenst einer ausgewachsenen Deflation aufkommen ließ.

Eine Deflation würde den Effekt haben, dass die realen, inflationsbereinigten Kosten für die Schulden steigen, was eine zusätzliche Belastung für die Wirtschaft bedeuten würde. Hinzu kommt, dass die Deflation die Profite der Großkonzerne schrumpfen und Investitionen zurückgehen lässt. Das wiederum hätte mit großer Wahrscheinlichkeit eine steigende Arbeitslosigkeit zur Folge. Vor diesem Hintergrund stimmte die deutsche Regierung dem QE-Programm der EZB widerwillig zu. Vorgesehen ist, dass die EZB jeden Monat Staatsanleihen und Verbindlichkeiten im Wert von 60 Milliarden Euro aufkauft. Auf diese Weise soll zusätzliches Geld in Richtung der Banken gepumpt werden. Alles in allem plant Draghi 1,1 Billionen Euro dafür aufzuwenden.

Während dieser Schritt von einigen als mutige Entscheidung begrüßt wird, kritisieren andere das QE-Paket als „zu wenig umfänglich und zu spät“. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos warnte der frühere US-Finanzminister Lawrence Summers, dass „es ein Fehler [ist] anzunehmen, dass das QE ein Allheilmittel in Europa ist oder dass es ausreichen wird“. Gleichzeitig sagte Mark Carney, Chef der „Bank of England“, dass Geldpolitik allein „das Risiko einer sich länger hinziehenden Stagnation“ nicht ausmerzen kann.

Carney steht auf dem Standpunkt, dass der Erfolg der Eurozone von einer gemeinsamen Steuer- und Ausgabenpolitik abhängig ist – und er fordert die Länder der Eurozone auf, grenzüberschreitende Überweisungen von Steuern zu erlauben. Deutschland, die Niederlande, Finnland und andere Mitglieder der Eurozone haben die Idee einer „Transfer-Union“, in der Ressourcen von den reicheren an die ärmeren Länder der Eurozone verschoben werden, allerdings unmissverständlich zurückgewiesen. Carneys Vorschläge sind zwar „logisch“, stehen aber unmittelbar in Konflikt zu den divergierenden Interessen der Nationalstaaten, die der Eurozone angehören. Führende Politiker der Eurozone kritisieren Carney – und die Regierung Großbritanniens – als „Zuschauer“, die kein Recht haben, einer verschwenderischen Ausgabensteigerung in den Kernländern der Eurozone das Wort zu reden.

Dabei ist Skepsis durchaus angebracht, was die Wirksamkeit des QE angeht. In den USA, Japan und Großbritannien, wo das QE in ganz massivem Umfang umgesetzt wurde, sind die meisten der Fonds, die die dortigen Zentralbanken eingerichtet haben, über den Umweg der Geschäftsbanken direkt an finanzstarke Spekulanten weitergereicht worden. Die Fonds sind für Investitionen in „aufstrebende Märkte“ benutzt worden, in den Bau von Luxusanwesen, den Kauf von Unternehmensanteilen und in reine Spekulation geflossen. Nur ein geringer Teil bis gar nichts davon hat seinen Weg in die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus, Bildung, die Erneuerung der Infrastruktur oder Investitionen ins produzierende Gewerbe gefunden. Dasselbe wird auch in der Eurozone geschehen. Man kann in diesem Zusammenhang von Keynesianismus für Bankiers und Spekulanten sprechen.

Austerität

Unter dem Regime der Austerität, das in der Eurozone herrscht, und hauptsächlich von den führenden Vertretern des deutschen Kapitalismus diktiert wird, „haben sich die von der Rezession gebeutelten Krisenländer des Euro [anstatt die öffentlichen Ausgaben zu steigern; Anm. d. Autor] jetzt in eine Depression hinübergerettet, was zu Massenarbeitslosigkeit, alarmierenden Armutsständen und kaum noch zu Hoffnung geführt hat“, so fasst es Joseph Fischer, der ehemalige grüne Außenminister Deutschlands zusammen. Die wüsten Austeritätsmaßnahmen, die Griechenland auferlegt worden sind, haben das Land in eine tiefe Krise getrieben. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist dort um 28 Prozent zurückgegangen, wobei die Binnennachfrage um rund 40 Prozent gesunken ist. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 26 Prozent, wobei die Jugendarbeitslosigkeit bei verheerenden 57 Prozent rangiert. Viele Teile der Gesellschaft brechen zusammen.

Die Staatsschulden sind auf unglaubliche 175 Prozent des BIP angestiegen, was vollkommen untragbar ist. Mehr als die Hälfte des von Griechenland geliehenen Geldes, mit dem eigentlich die Krise bekämpft werden soll, ist in die Schuldenzahlung geflossen. Von den insgesamt 254,4 Milliarden Euro an Krediten, die die Troika aus EZB, IWF und Europäischer Kommission zur Verfügung gestellt haben, sowie den eigenen Finanzmitteln Griechenlands (aus Steuereinnahmen etc.) sind lediglich 27 Milliarden Euro für die „Aufrechterhaltung der staatlichen Abläufe“ ausgegeben worden. Der gesamte Rest ist in die Abbezahlung der Kredite, Zinszahlungen und die Rekapitalisierung der griechischen Banken geflossen.

Zwar hat die griechische Regierung durch wilde Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen einen Primärüberschuss des Haushalts (Berechnung ohne die Schuldendienste) von 1,5 Prozent des BIP erzielt. Doch nach Maßgabe der Troika-Pläne sollte das Land bereits im Jahr 2016 einen Primärüberschuss von 4,5 Prozent des BIP erreicht haben. Das ist nur möglich, wenn es zu weiteren Kürzungen und erneuten Steuererhöhungen kommt, was für die Arbeiterklasse Griechenlands und sogar für größere Teile der Mittelschicht dort eine schwere neuerliche Bürde wäre.

Deutschland und der „Grexit“

2012 erachteten Merkel und ihre politischen Verbündeten in der Eurozone eine Rettung Griechenlands als Möglichkeit die Eurozone wieder zu stabilisieren. Und trotzdem entschieden sie sich gegen diesen Weg. Stattdessen legten sie ein „Rettungspaket“ für Griechenland auf, das nur zu extrem belastenden Bedingungen gewährt wurde. Nach ihren Berechnungen würde ein Austritt Griechenlands aus dem Euro und die Rückkehr zur Drachme dazu führen, dass das Land seine Währung abwerten würde, um dem Export neuen Auftrieb zu verleihen. In dem Fall könnten andere Länder wie Portugal, Spanien etc. diesem Beispiel folgen. Bei einer Rückkehr zur alten Währung würden diese Länder einen Wettlauf um die größte Währungsabwertung beginnen und zu Maßnahmen greifen, die den Nachbarn Schaden würde. Das hätte die Gefahr eines Aufbrechens der Eurozone mit sich gebracht, möglicherweise mit einem übrig bleibenden Rest bestehend aus Deutschland, den Niederlanden und Belgien.

So wurde die Bevölkerung Griechenlands also gezwungen, den Preis mit einem wüsten Austeritätspaket zu bezahlen. Als Gegenleistung für den weiteren Verbleib in der Eurozone nutzte die Troika, die diese Pakete finanziert hatte, die Angst-beseelte Kapitulation der griechischen Regierungskoalition aus konservativer „Nea Demokratia“ und sozialdemokratischer PASOK für sich aus. Ferner machte sie sich den Umstand zunutze, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Griechenland es vorzog, lieber in der Eurozone zu bleiben, weil der Euro mit den Begriffen Wachstum, Modernisierung der griechischen Gesellschaft etc. gleichgesetzt wurde.

Heute haben wir es mit einer ganz ähnlichen Situation zu tun. Deutschland würde es vorziehen, Griechenland dabei zu behalten und so zu verhindern, dass die Eurozone aufbricht. Der große Unterschied zu 2012 besteht allerdings darin, dass die griechische Bevölkerung unter den Folgen einer beispiellosen Austerität gelitten hat.

Ein Aufbrechen der Eurozone unter den derzeitigen Bedingungen würde – wenn überhaupt zu irgendwas – dann zu noch katastrophaleren Folgen führen als noch im Jahr 2012. Die Annahme, dass die jüngsten Reformen im Bankenwesen es den europäischen Banken erlauben, durch eine weitere schwere Krise hindurchzukommen, ist reine Fantasie. Ein Zusammenbuch der Eurozone würde zu Erschütterungen im Weltwährungssystem führen. Einen Vorgeschmack davon gibt die Loslösung des schweizerischen Franken vom Euro. Die Institutionen der Schweiz wollen verhindern, dass der Franken durch den rückläufigen Euro mit in die Tiefe gezogen wird, was für das Bankengeschäft im Land eine ernste Gefahr darstellen würde. Der Wert des Euro ist abgesunken, weil das Mittel des QE eingefüht worden ist. Dadurch wurde der Wechselkurs des Euro zwangsläufig ausgehöhlt. Eine unmittelbare Folge: Menschen in Polen, die ihre Häuser mit Krediten von schweizerischen Banken in Franken bezahlt haben, sehen sich nun mit ruinösen Zahlungsforderungen konfrontiert, da der Wert des Franken gegenüber dem Euro gestiegen ist. Auch die Institutionen in Dänemark könnten sich demnächst gezwungen sehen, die Bindung der Krone an den Euro aufzugeben.

Die Logik der momentanen Situation geht – unabhängig davon, wie die unmittelbare Intention der politischen Führungspersonen beider Seiten auch aussehen mag – auf die Annahme zurück, dass es tatsächlich zum Aufbrechen der Eurozone kommen könnte. Objektiv betrachtet sind die Schulden Griechenlands nicht zurückzahlbar. Und infolge des auf die Austerität zurückzuführenden Abschwungs ist es eine Tatsache, dass die Schulden im Verhältnis zum BIP sogar noch größer werden. Viele kapitalistische Kommentatoren wenden ein, dass ein großer Teil der griechischen Staatsschulden unweigerlich abgeschrieben werden muss und dass es besser wäre rechtzeitig zu handeln. So tritt beispielsweise Reza Maghardan, ein ehemaliger Vertreter des IWF, für die Abschreibung der Hälfte der Schulden Griechenlands ein.

Ab einem bestimmten Zeitpunkt könnten sich die griechischen Kapitalisten dafür entscheiden, dass ein umfassender Zahlungsausfall hinsichtlich der Schuldenstände praktikabler wäre als eine fortwährende Stagnation, die auf die Austerität zurückzuführen ist. Auf kapitalistischer Grundlage würden sowohl ein „Grexit“ als auch ein Zahlungsausfall Griechenlands der dortigen Arbeiterklasse ein schreckliche Last namens „Neubelebung“ aufbürden. Wie so etwas aussehen kann, konnte man zwischen 2000 und 2003 in Argentinien beobachten. Was die Arbeiterklasse angeht, so müssen die Banken und Großkonzerne in ihr Eigentum übergehen, will man zu einer Neubelebung in ihrem Sinne kommen. Die Unternehmen und Finanzhäuser müssen der Kontrolle der Beschäftigten unterstellt werden, wobei ein demokratisch aufgestellter Plan für Produktion und Handel aufgestellt werden muss.

Viele führende Köpfe der Eurozone haben große Angst vor der Möglichkeit sozialer Unruhen in Griechenland. Sie fürchten in der Tat das Gespenst der Revolution. Sollte die soziale Lage in Griechenland explodieren, so würde dies zu Erschütterungen auch in Spanien, Italien, Frankreich etc. führen. Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble beharren allerdings weiter auf einem rigiden Kurs, was die „Verpflichtungen“ Griechenlands angeht. Sie geißeln weiterhin die „verantwortungslose Kreditaufnahme“ und die „finanzwirtschaftliche Verschwendung“ Griechenlands. Dabei kann man nur verantwortungslos Kredite aufnehmen, wenn man verantwortungslos Kredite angeboten bekommt. Und dabei standen die deutschen Banken in der ersten Reihe. Abgesehen davon sind die verschwenderischen öffentlichen Ausgaben auf korrupte Regierungen und Staatsbedienstete zurückzuführen. Reiche Griechen haben nur geringe oder gar keine Steuern bezahlt und den Finanzsektor sowie den Staat ausgeplündert. Die Schulden sind nicht von der griechischen Arbeiterklasse angehäuft worden.

Parallel dazu hat der deutsche Kapitalismus von seiner Position in der Eurozone profitiert. Dadurch, dass schwächere Volkswirtschaften (wie etwa die griechische) einbezogen worden sind, ist der Wert des Euro auf dem Devisenmarkt vergleichsweise niedrig gehalten worden. Auf den Exportmärkten hat Deutschland dadurch einen Preisvorteil erhalten. Ohne die Eurozone wäre eine eigenständige deutsche Währung heute wesentlich stärker bewertet, wodurch es Deutschland schwerer gehabt hätte, seine Industriegüter in den Rest der Welt zu exportieren. Jahr für Jahr hat Deutschland einen Leistungsbilanzüberschuss eingefahren (befördert durch den Export und auf Kosten der Binnennachfrage). Das hat es schwächeren Volkswirtschaften wie Griechenland schwerer gemacht, Güter auf den deutschen Markt zu exportieren. Umgekehrt kam Deutschland in den Genuss, vielfältige Möglichkeiten nutzen zu können, um seine Waren in die Märkte der südeuropäischen Länder auszuführen.

Bei der Errichtung der Eurozone hat Deutschland eine entscheidende Rolle gespielt. Merkel betrachtet die Eurozone indes als fiskalpolitische Größe, mit deren Hilfe man Haushaltsdefizite und Staatsschulden begrenzen kann. Die deutsche Regierung hat die EZB darin blockiert, als „letzte Rettung“ für Regierungen der Eurozone aufzutreten. Deutschland hat das QE-Programm der EZB nur wegen der Gefahr eines allgemeinen Abschwungs der Eurozone hingenommen. In den vergangenen Jahren haben sich Merkel und ihre Verbündeten für eine besser koordinierte, institutionalisierte Führung für die Eurozone stark gemacht – allerdings nur, um die eigene politische Rolle zu stärken. Das Ergebnis der drastischen Restriktionen bei den Staatsausgaben war eine Periode der Stagnation, wobei der deutsche Kapitalismus selbst im Laufe des letzten Jahres in die Rezession geraten ist. In den letzten Jahren hat der Unterschied beim BIP-Wachstum und den Lebensstandards zwischen den reicheren und den ärmeren Mitgliedern der Eurozone enorm zugenommen.

Merkel und ihre Gefolgsleute haben die Idee einer Fiskalunion nach dem Muster föderal organisierter Staaten wie etwa Kanada oder den USA permanent abgelehnt. In Föderalstaaten kommt es zu einer gewissen Umverteilung der Staatseinnahmen, was die regional bedingten Unterschiede teilweise abmildert und die schwächeren Länder in einer Rezession abfedern hilft. Solche Vorschläge sind von Deutschland immer als Idee einer „Transfer-Union“ gebrandmarkt worden. Stets wurde das Bild vom „sparsamen“ Deutschland gegenüber den „verschwenderischen“ Ländern des Südens bemüht.

Vorläufige Vorschläge

Nach Verhandlungen in angespannter Atmosphäre sind die führenden VertreterInnen der SYRIZA-Regierung am 20. Februar zu einer vorläufigen Übereinkunft mit den „Institutionen“ gekommen, die man zuvor als Troika kannte. Das Ergebnis ist eine weitere Kredit-Tranche, die einen ansonsten noch im Februar drohenden Zahlungsausfall verhindert. Dann nämlich werden einige laufende Kredite fällig.

Alexis Tsipras, der Vorsitzende von SYRIZA und Premierminister Griechenlands, wie auch sein Finanminister Yanis Varoufakis behaupten, sie hätten „einen bedeutsamen Verhandlungserfolg“ erzielt. In Wirklichkeit haben die führenden Köpfe von SYRIZA einen Purzelbaum geschlagen. Es haben zwar einige kosmetische Veränderungen stattgefunden (so wird die verhasste Troika nun mit dem Begriff „die Institutionen“ bezeichnet und von den „Memoranden“, den Austeritätspaketen, ist keine Rede mehr). Grundlegend hat sich allerdings nichts geändert. Als sie in die Verhandlungen gegangen sind, haben Tsipras und Varoufakis gesagt, sie würden einer Fortführung der bestehenden Austeritätspakete in keiner Form zustimmen. Sie verlangten eine neue Vereinbarung, mit der die katastrophalen Austeritätsmaßnahmen, die der griechischen Arbeiterklasse auferlegt worden sind, aufgehoben werden.

Im Laufe der Verhandlungen akzeptierten sie dann das bestehende Paket. Das einzige, was sie als „Gewinn“ verbuchen können, ist so etwas wie einen möglichen „Spielraum“ hinsichtlich des Primärüberschusses des Haushalts (vor Schuldenzahlungen). Momentan soll dieser bei drei Prozent des BIP und in 2016 dann bei 4,5 Prozent liegen. Varoufakis meint, dass der Primärüberschuss 1,5 Prozent des BIP betragen müsse, was bedeuten würde, dass die Schulden mit einer wesentlich niedrigeren Zinssatz als derzeit gefordert bedient werden müssten. Das brächte einen weiteren „haircut“ (Schuldenabschreibung) für die Gläubiger Griechenlands mit sich. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die führenden Vertreter Deutschlands bereit wären, eine solche Abschreibung zu akzeptieren.

Im Gegenteil hat Schäuble wiederholt gefordert, dass Griechenland sich an die alte Vereinbarung zu halten habe. Wie andere neoliberale Politiker auch, ist er offenbar nicht in der Lage zu erkennen, dass die Schulden, die Griechenland hat, ganz objektiv nicht zurückzuzahlen sind. Schäuble und Konsorten sind entschlossen den führenden PolitikerInnen von SYRIZA eine schwere, demoralisierende Niederlage beizubringen, um PODEMOS und anderen Kräften, die in Europa gegen die Austerität ausgerichtet sind, darüber abzuschrecken. Angesichts der sozialen Folgen, die ihre unentwegte Austerität mit sich bringt, scheinen sie unachtsam. Früher oder später wird das jedoch explosive politische Unruhen hervorrufen, die wir so noch nicht gesehen haben.

Varoufakis behauptet, es gäbe „konstruktive Mehrdeutigkeit“ darüber, wie gravierend das Austeritätspaket aussehen solle. Die griechische Seite wird eine korrigierte Version einreichen, bei der der Schwerpunkt darauf liegt, hart gegen Steuerflüchtlinge, Schmuggel und Korruption vorzugehen. Dieser Vorschlag wird jedoch von den Institutionen einer Prüfung unterzogen werden, und Schäuble hat klar gemacht, dass man „Details“ (über das Einsparpotential) sehen will und nicht nur vage politische Versprechungen. Darüber hinaus wird das Austeritätprogramm weiterhin unter der Beobachtung der Institutionen stehen.

Die Gespräche von Brüssel haben bestätigt, dass Deutschland, die dominierende Macht in Europa, die Politik der Eurozone diktiert. Dahinter folgen die Niederlande und Finnland, die einen gemeinsamen Block unter der Führerschaft Deutschlands bilden. Schäuble wird allerdings auch von den neoliberalen Regierungen in Portugal, Spanien und Irland unterstützt, die ihrerseits sehr heftige Austeritätsprogramme umgesetzt haben – und eine politische Gegenbewegung fürchten, wenn Greichenland nun Zugeständnisse gemacht werden sollten.

Bis dato sind die VertreterInnen von SYRIZA darin gescheitert, die deutsche neoliberale Politik herauszufordern. Dies ist nicht möglich, wenn man Verhandlungen in einem Rahmen führt, den die offiziellen Institutionen der EU bzw. Eurozone, der EZB und des IWF vorgeben. Will man mit der Austerität brechen und die Lebensstandards der griechischen Bevölkerung wiederherstellen, so sind dafür die Massenmobilisierung der Arbeiterklasse und ein alternatives sozialistisches Programm nötig. Nur so kann man die Kontrolle über die Wirtschaftsabläufe bekommen. Es bräuchte ein Programm für ein sozialistisches Europa.

Eine vorübergehende Lösung

Wenn wir uns die Pressemeldungen vom 24. Februar ansehen, dann berichtet „BBC News“, dass die Finanzminister der Eurozone bestätigt haben, sie sähen die griechische Regierung in der Pflicht. Diese habe als Vorbedingung für eine Ausdehnung des „Rettungsprogramms“ bis Juni Reformvorschläge vorzulegen. Die Regierung Tsipras schlägt unter anderem vor, gegen Steuerflucht und Korruption vorzugehen. Sie verspricht, bereits durchgeführte Privatisierungsmaßnahmen nicht wieder rückgängig machen zu wollen, jedoch solche Vorhaben einer erneuten Prüfung zu unterziehen, die noch nicht umgesetzt worden sind. Man will im betrieblichen Bereich zum Prozedere der Tarifverhandlungen zurückkehren, aber nicht so weit gehen, den Mindestlohn umgehend wieder anzuheben. Die „humanitäre Krise“ Griechenlands wird dadurch abgemindert, dass für den Bereich des Wohnungswesens Garantiezusagen gemacht werden und den Erwerbslosen, die nicht krankenversichert sind, kostenlose medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt wird. Die öffentlichen Ausgaben sollen aber dennoch nicht steigen. Die Löhne im öffentlichen Dienst sollen reformiert werden, um weitere Kürzungen zu verhindern, ohne die allgemeinen Lohnkosten anzuheben. Die Renten sollen reformiert werden, ohne bei den Beiträgen zu sparen. Die Zahl der Ministerien wird von 16 auf 10 reduziert, wobei die Anzahl der Sonderberater gekürzt und die Beihilfen für BeamtInnen gekürzt werden.

Diese Rezepte zeigen, dass in den entscheidenden Punkten nichts Wesentliches herausgekommen ist. Die Institutionen sind davon abgekommen, auf direkten Kollisionskurs zur SYRIZA-Regierung zu gehen. SYRIZA wurde ermöglicht, dem aufpolierten „Rettungsprogramm“ einen eigenen Stempel aufzudrücken. Es ist jedoch ganz klar, dass die führenden Vertreter der Eurozone sich auf eine Konfrontation vorbereiten. Die Europäische Kommission und die EZB haben beide verlautbaren lassen, dass sie die Vorschläge aus Griechenland als „angemessenen ersten Schritt“ betrachten. Man habe „eine unmittelbare Krise verhindert“, so das Statement des EU-Kommissars Pierre Moscovici. „Das bedeutet [jedoch] nicht, dass wir diese Reformvorschläge billigen“. Sie sind demnach nur die Grundlage für weitere Verhandlungen.

Die schärfste Kritik kam von Christine Lagarde, Chefin des IWF. In den Vorschlägen von SYRIZA mangele es an „eindeutigen Sicherheiten“ für ganz wesentliche Bereiche. Wörtlich sagte sie: „In ziemlich vielen Bereichen […] darunter die wahrscheinlich wichtigsten, hält der Brief [der griechischen Regierung] keine eindeutigen Sicherheiten bereit, dass die Regierung vorhat, die angepeilten Reformen auch durchzuführen“. Draghi sagte, es gäbe Prüfungsbedarf, ob es zu den von Griechenland zurückgewiesenen Maßnahmen „solche Maßnahmen gibt, [die Griechenland vorschlägt und] die von gleicher oder gar besserer Qualität sind“. Mit anderen Worten: Kürzungen müssen ersetzt werden durch Kürzungen oder durch noch umfassendere Kürzungen.

Das ist ein Patt, das nicht von Dauer sein kann. Im Juni (vielleicht schon früher) werden alle diese Punkte erneut auf den Tisch kommen. Gleichzeitig werden die Beschäftigten in Griechenland (wie auch in Spanien, Portugal, Irland und andernorts) noch unrihiger werden, die Austerität abschaffen zu wollen und ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Die Institutionen werden Griechenland die Daumenschrauben anlegen. Es kann ja sein, dass die führenden SYRIZA-Politiker einwenden, sie hätten Zeit gewonnen. Das macht aber nur dann Sinn, wenn sie gleichzeitig schnell damit beginnen, massenweise Kräfte zu mobilisieren, um zu einer Machtprobe mit den kapitalistischen Mächten zu kommen, die Europa beherrschen.

Ukraine: Krieg = Frieden?

Nach dem Abkommen Minsk II
Dima Yansky, Köln (SAV, deutsche Schwesterorganisation der SLP)

Bis Redaktionsschluss verging seit dem Gipfel von Minsk in der Ukraine kein einziger Tag und keine einzige Nacht, in der nicht Raketen und Bomben die Menschen aus ihrer Nachtruhe rissen. Es verging kein einziger Tag, an dem sich junge Männer nicht in blutige Eisklötze auf gefrorenen Schlachtfeldern verwandelten.

In der Ukraine tobt ein Krieg, in dem seit langem keine Konventionen und Absprachen mehr gelten. Es kommen alle tödlichen Waffen zum Einsatz, derer die jeweiligen Konfliktparteien habhaft werden können: schwere Ferngeschütze und Raketensysteme, verbotenen Kassetten- sowie Phosphorbomben.

Debalzewe

Die ostukrainischen Separatisten eroberten vor kurzem die Kleinstadt Debalzewe, den Brückenkopf der ukrainischen Armee, welcher tief in ihrem Territorium liegt. Mit 400 gefangenen ukrainischen Soldaten, hunderten erbeuteten Schutzpanzern, Panzern und Kanonen, großen Munitionsreserven feierten die seperatistischen Kräfte ihren bis jetzt vielleicht größten Sieg seit Beginn des Bürgerkrieges. Zumal Debalzewe die Bahnverbindung zwischen den von den Separatisten gehaltenen Regionen um Donezk und Lugansk darstellt.

Man vermutet, dass bis zu eintausend ukrainische Soldaten tot im Umland und in den Wäldern verstreut liegen. Einige ihrer Battalione wurden zur Hälfte ausradiert.

Die Kommandeure der ukrainischen Freikorps und des “rechten Sektors” sehen in dieser Niederlage einen Verrat des Oberkommandos. Sie haben bereits angekündigt, dass sie eigene parallele Haupquartiere gründen werden, um auf eigene Faust ihre Heimat zu verteidigen. Da sie mittlerweile über weit mehr als 10.000 Kämpfer verfügen – finanziell sowie logistisch durch einige Oligarchen unterstützt -, hat man es mit einer ernstzunehmenden Bedrohung von Rechts zu tun.

Auch wenn die ukrainische Elite die Niederlage nicht wahrhaben will und sich selbst am Jahrestag des “Maidan” feiern lässt, so sind doch die Folgen des Massakers bei Debalzewe nicht mehr zu übersehen.

Imperialistische Mächte

Die westlichen imperialistischen Kräfte mit den USA an der Spitze sehen sich in einem erbitterten Machtkampf mit dem imperialistischen Russland und anderen. Deshalb wird die finanzielle und militärische Unterstützung der Kiewer Regierung seitens der USA und der NATO fortgesetzt und wohl noch verstärkt werden.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat bereits grünes Licht für das neue 15 Milliarden Dollar schwere Hilfspaket für das bankrotte Land gegeben. Militärunterstützung läuft bereits. Ohne die Lieferungen von Kriegsmaterialien aus den NATO-Ländern wäre die Ukraine gar nicht in der Lage, ihren Feldzug im Winter zu führen: Winteruniformen und Stiefel aus Kanada, Essensrationen, Biwaks, Funksysteme, Nachtsichtgeräte helfen, die Kriegsmühlen in Gang zu halten. Die Diskussion über tödliche oder “weniger” tödliche Waffen ist nur Heuchlerei. Fernrohre aus den USA und gepanzerte Fahrzeuge aus Großbritanien in Händen der ukrainischen Soldaten sind genauso totbringend wie die russischen Panzerfäuste, die bei den Separatisten landen. Ohne die Unterstützung beider imperialistischer Seiten wäre der Krieg in der Ukraine in dieser Form nicht möglich.

Dennoch kündigten die USA offen neue Lieferungen sogenannter “defensiver” Waffen an, was in sich selbst ein Widerspruch ist und gute Chancen auf das “Unwort des Jahres” hat.

Wehrdienstverweigerung

In der Ukraine selbst wird der Krieg immer unpopulärer. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen 11.000 Fahnenflüchtige, davon einige hohe Offiziere und sogar Generäle. Die groß angekündigte Mobilmachung ist gescheitert, da nur 20 Prozent der dazu Aufgerufenen dem Appell Folge leisteten. Die jungen Arbeiter ziehen es vor, sich “ruhmlos” davon zu machen, anstatt “heldenhaft” in diesem sinnlosen Krieg ihr Leben zu lassen.

Wenig bekannt ist, dass die BewohnerInnen hunderter kleiner Dörfchen und Städtchen der Ukraine die Mobilmachung erfolgreich sabotierten, in dem sie Einberufungsbefehle verbrannten und die Einberufungszentralen blockierten.

Aufgaben

Der Kampf gegen diesen Krieg sollte bei Linken und Gewerkschaften ganz oben auf der Agenda stehen. Konkret bedeutet das für uns in Deutschland (und in Österreich, anm.) unter anderem, für Antikriegsproteste einzutreten, welche für einen sofortigen Stopp aller Militärlieferungen in die Region kämpft. Nötig sind stattdessen Aufbau- und Hilfsprogramme.

Griechenland: “Es gibt eine Alternative!”

Gespräch mit Nikos Kanellis, Sprecher der marxistischen Organisation Xekinima und auf einer Syriza-Liste gewählter Stadtrat in Volos, Griechenland.
Das Interview führte Sascha Stanicic. Es erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt.

Was denkst Du über die Einigung zwischen der EU und der Syriza Regierung?

Es handelt sich dabei um einen Rückschritt im Vergleich zu den Wahlversprechen Syrizas. Zum einen weil die Schulden in voller Höhe zurück gezahlt werden sollen. Vor den Wahlen hat Syriza noch einen Schuldenschnitt gefordert. Zum anderen muss jede Maßnahme der Regierung von der Troika akzeptiert werden – nur dass diese nicht mehr “Troika” heißt. Und mehr noch: die Regierung verpflichtet sich keine Maßnahmen umzusetzen, die den bisherigen beschlossenen Abmachungen widersprechen, welche aus harten Austeritätsmaßnahmen bestehen. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Regierung einer permanenten Erpressung der Troika ausgesetzt sein wird.

Gab es denn für Tsipras und Varoufakis eine Alternative zur Zustimmung angesichts des enormen Drucks von Schäuble und Co.?

Die gab es! Die große Mehrheit der Bevölkerung hätte eine “harte Haltung” unterstützt. Deshalb fanden im ganzen Land, selbst auf kleinen Inseln, Massendemonstrationen zur Unterstützung der Regierung statt. Im “Kampf” mit der Troika haben siebzig bis achtzig Prozent die griechische Regierung unterstützt. Xekinima und andere Kräfte auf der Linken, auch einige Syriza Abgeordnete, haben vorgeschlagen, dass Tsipras ein Referendum hätte durchführen sollen zur Frage: “Euro und Austerität oder Anti-Austeritäts-Politik im Interesse der Arbeiterklasse und Drachme?” Wir sind fest davon überzeugt, dass in dieser Situation die Mehrheit sich für einen Bruch mit dem Euro ausgesprochen hätte. Gleichzeitig haben wir erklärt, dass die Wiedereinfühurng der Drachme für sich allein noch keine Lösung der kapitalistischen Krise darstellen würde und dass sie einher gehen müsste mit der Durchsetzung sozialistischer Politik, um die Wirtschaft wieder auf einen Wachstumskurs im Interesse der arbeitenden Bevölkerung zu bringen.

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung? Wird die Unterstützung für Syriza nun zurück gehen?

Ein großer Teil der griechischen Gesellschaft unterstützt die Syriza-Regierung weiterhin, weil sie sie mit der verhassten Vorgängerregieurng vergleicht, die die schlimmste arbeiterfeindliche Politik zu verantworten hatte. Die Menschen sind auch erleichtert, dass erst einmal keine neuen Austeritätsmaßnahmen auf der Agenda stehen.

Gleichzeitig ist vielen klar, dass die Regierung unter dem Druck der herrschenden Klassen Deutschlands, Europas und Griechenlands zurück weicht und ihre Wahlversprechen nicht einhält. So gibt es in großen Teilen der Gesellschaft eine gewisse Verwirrung und Enttäuschung, was eindeutig an der schwächeren Teilnahme an den letzten Demonstrationen zu erkennen ist.

Was sollte die Regierung und die griechische Linke Deiner Meinung nach tun?

Nötig sind unmittelbare Maßnahmen gegen die massenhafte Verarmung, wie die versprochene Wiedereinfühurng der Tarifverträge, die Erhöhung des Mindestlohns und ähnliche Maßnahmen. Gleichzeitig sollte Tsipras erklären, wer für den hohen Schuldenstand tatsächlich verantwortlich ist und auf dieser Basis die Rückzahlung einstellen. Dann sollte die Regierung sozialistische Politik umsetzen, wie die Verstaatlichung der Banken und entscheidenden Wirtschaftsbereiche unter Kontrolle und Verwaltung der Arbeiterklasse und Gesellschaft, öffentliche Investitionsprogramme und Wirtschaftsplanung. Die Volkswirtschaft sollte geschützt werden vor Profitstreben und Sabotage des Kapitals durch Kapitalverkehrskontrollen und ein staatliches Außenhandelsmonopol.

Leider geht Tsipras einen anderen Weg. Deshalb ist der Druck von unten entscheidend. Die linken Kräfte, die nicht die sektiererische Position der KKE (Kommunistische Partei) und von ANTARSYA (antikapitalisches Bündnis) teilen, müssen versuchen, die Massenbewegung zu organisieren, um die Regierung unter Druck zu setzen. Gleichzeitig müssen sie zusammen kommen, diskutieren, koordinieren und die Notwendigkeit sozialistischer Politik den Massen erklären, um eine revolutionär-sozialistische Alternative aufzubauen.

Griechenland: Stimmung in der Bevölkerung richtet sich klar gegen die Austerität

Sozialistische Politik würde große Unterstützung bekommen
Von Nikos Anastasiades, Mitglied im Vorstand von Xekinima (Schwesterorganisation der SLP in Griechenland)

 

Am 20. Februar haben Verhandlungsführer Griechenlands einer viermonatigen Verlängerung des derzeitigen „Rettungsprogramms“ mit den Gläubigern (der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank) zugestimmt. Es wird berichtet, dass die griechische Delegation von der „Eurogruppe“ (den Finanzministern der Eurozone) regelrecht erpresst wurde. Der griechischen Syriza-Regierung wurde gedroht, sie werde gezwungen innerhalb weniger Tage Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, wenn sie nicht zustimme.

 

Im Wesentlichen besteht dieses Abkommen aus den folgenden Punkten: Griechenland muss den Rahmen, den die „Memoranden“ (gemeint ist die Vereinbarung über die Austerität) vorgeben, für die nächsten vier Monate akzeptieren, wird das nächste Finanzpaket nur dann erhalten, wenn dieses von der Troika als „positiv“ bewertet wird, muss sämtliche Schulden zum vorgegebenen Zeitpunkt zurückzahlen, setzt sich dafür ein, dass der Großteil des Geldes, das durch die Austeritätsprogramme akquiriert wird, eingesetzt wird, um die Schulden zurückzuzahlen und Griechenland wird keine „unilateralen Maßnahmen“ ergreifen.

Es liegt auf der Hand, dass diese Vereinbarung ein enormes Zurückweichen der Regierung Griechenlands bedeutet.

Dass es zu diesem Viermonats-Deal gekommen ist, mag Griechenland davor bewahrt haben, unmittelbar aus dem Euro zu fliegen, dafür muss jedoch ein sehr hoher Preis gezahlt werden. Trotz der positiven Darstellung durch Premierminister Tsipras hat Athen umfassende Zugeständnisse gemacht. Dazu gehört auch, dass man die Forderung nach einer „Abschreibung“ der enormen Schuldenstände Griechenlands nicht umgesetzt hat.

Syriza behauptet, man habe die beste aller schlechten Vereinbarungen, die angeboten wurden sind, herausgeholt. Schließlich habe die Gefahr eines Kapitalabflusses von den griechischen Banken und eines chaotischen Bankensturms gegeben. „Wir haben Zeit gewonnen“, so die Behauptung von Syriza. Die Frage ist nur, wofür man Zeit gewonnen hat. Im Rahmen dieses Abkommens musste Athen seinen Gläubigern akzeptable Reformvorschläge machen. Bis April müssen die Vorschläge von Syriza von der Eurogruppe und der Troika abgenickt werden. Wenn Syriza diesem Diktat nicht zustimmt, dann fließen nicht die benötigten Kredite, mit denen angesichts der Schulden in Höhe von 320 Milliarden Euro ein Zahlungsausfall verhindert werden kann.

Ist damit alles verloren?

Bedeutet dies, dass alles verloren ist? Das hängt von der Stimmung in der Bevölkerung ab und davon, ob die arbeitenden Massen in Griechenland zu neuen Kämpfen bereit sind. Die sozialen Bewegungen und die Arbeiterbewegung werden kämpfen, um ihren Wahlerfolg gegen das Establishment auf die betriebliche Ebene auszuweiten. Demgegenüber wird die Troika versuchen, Syriza im Rahmen der kapitalistischen EU zu kontrollieren. Zwischen diesen beiden Polen wird die Regierung unter heftigen Druck geraten. Was am Ende bei diesem Tauziehen herauskommen wird, kann man vom heutigen Standpunkt nicht vorhersagen, weil es um eine Auseinandersetzung zwischen lebendigen Kräften geht.

Syriza sollte der griechischen Bevölkerung die Wahrheit sagen. Wenn die Regierung Zugeständnisse gemacht hat, um Zeit zu gewinnen, damit ein strategischer Plan umgesetzt werden kann, mit dem die Austerität bekämpft wird, dann werden die Menschen das verstehen und diesen Kampf unterstützen. Geschieht das jedoch nicht, dann würde das auf tragische Weise zeigen, dass die griechische Regierung einen Weg der Klassen-Kollaboration mit der EU und der Elite im eigenen Land eingeschlägt. Das hieße, dass man deren Agenda akzeptiert.

Syriza verfolgt kein Programm, dass man allgemein als sozialistisch bezeichnen kann. Die führenden Politiker von Syriza geloben – koste es, was es wolle – Teil der kapitalistischen Eurozone bleiben zu wollen. Das bedeutet, dass die griechischen ArbeiterInnen in Geiselhaft genommen werden und ihnen die Zwangsjacke des EU-Kapitalismus der Bosse angelegt wird. Damit wird die Logik des „einheitlichen Binnenmarkts“ akzeptiert genauso wie die Diktate der Troika.

Varoufakis, der griechische Finanzminister, behauptet, dass die Vereinbarung es Griechenland erlaubt, die Fiskalziele für dieses Jahr zu ändern. Auf diese Weise wäre ein niedrigerer Überschuss möglich und es bestehe die Möglichkeit einer „kreativen Mehrdeutigkeit“ hinsichtlich des Überschusses, den Griechenland über 2015 hinaus einzufahren hat. Die griechische Regierung hat gesagt, dass sie damit die Möglichkeit habe, eine gewisse „humanitäre Politik“ durchzuführen. Es ist richtig, dass die paar Milliarden Euro die schreckliche Belastung für die am härtesten betroffen Teile der griechischen Bevölkerung etwas abmindern könnten. Im Moment mag das von den arbeitenden Menschen als eine Art Fortschritt betrachtet werden. Das gilt vor allem, wenn man es mit dem jämmerlichen Resultat der Arbeit der letzten Regierung vergleicht.

Es könnte kaum um mehr gehen

Das alles wird aber nicht reichen, um damit eine Reihe von Reformen finanzieren zu können, die der Arbeiterklasse zu Gute kämen. Auch die öffentlichen Investitionen, die so dringend nötig sind, sind damit nicht zu bezahlen. Die Hauptbestandteile des „Programms von Thessaloniki“ von Syriza, bei dem es sich schon um einen Rückschritt im Vergleich zu den vorherigen Programmen handelt, werden (möglicherweise auf unbestimmte Zeit) aufgeschoben. Damit wird der Schaden, der in den letzten fünf Jahren angerichtet wurde (es geht um nicht weniger als den Verlust von 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den letzten fünf Jahren), nicht wettgemacht. Und wenn die Syriza-Regierung den drakonischen Bedingungen zustimmt, die der deutsche Kapitalismus fordert, dann wird das von den griechischen ArbeiterInnen früher oder später als 180-Grad-Wende und Kapitulation von Syriza verstanden.

Schon jetzt geraten die führenden PolitikerInnen von Syriza in der Öffentlichkeit ins Wanken, wenn es um die Frage geht, ob sie an ihren ursprünglichen Zusagen festhalten. Dies gilt zum Beispiel, wenn man nach der Wiedereröffnung des Senders ERT fragt. Einerseits wurde behauptet, dass man keine neuen Privatisierungen durchführen wolle, andererseits hat Syriza die Möglichkeit diskutiert, ein privates Unternehmen bei der „Entwicklung“ von Infrastrukturprojekten hinzuzuziehen.

Es gibt jedoch in der Öffentlichkeit große Unterstützung für ein radikales und gegen die Austerität gerichtetes Programm. Am 15. Februar sind mehr als 100.000 Menschen im Zentrum von Athen zusammengekommen, um ihre Unterstützung für die ursprüngliche Verhandlungsposition von Syriza zu zeigen. Die Stimmung war kämpferisch. Die faschistische „Goldene Morgenröte“ und der reaktionäre Nationalismus sind in den Hintergrund gedrängt worden, weil es zu einer neuen Stimmung gegen die Troika und gegen den Imperialismus gekommen ist. 66 Prozent der Menschen, die die „Goldene Morgenröte“ gewählt haben, sagen, sie stimmten der Haltung der Syriza-Regierung zu. Das zeigt, dass große und aktive Unterstützung für einen mutigen Kampf gegen die Troika vorhanden wäre, wenn es ein klares sozialistisches und gegen die Kürzungen gerichtetes Programm gäbe; einschließlich der Nichtanerkennung der Schulden, der Beendigung aller Austeritätsmaßnahmen, Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, des Staatsmonopols auf den Außenhandel und Überführung der Großkonzerne und Banken in demokratisch verwaltetes öffentliches Eigentum, um den Bedürfnissen der vielen und nicht der wenigen zu entsprechen – und eines internationalistischen Klassen-Appells an die abhängig Beschäftigten in den anderen Ländern Europas.

Selbst wenn Syriza nur trotzig an ihrem „Programm von Thessaloniki“ festhalten würde, dann würden die ArbeiterInnen und die Ärmsten in Griechenland – mit der aktiven Unterstützung durch die ArbeiterInnen in anderen Ländern Europas, die gegen ihre eigenen Kürzungspolitik betreibenden Regierungen vorgehen wollen – enthusiastisch mobilisieren, um diese durchzusetzen.

Wenn die Linke darin scheitert, einen Ausweg aufzuzeigen, und die Mittelschicht sowie große Teile der Arbeiterklasse Opfer von Frustration und Demoralisierung werden, dann wird der „Nea Demokratia“ und anderen Austeritätsparteien der Weg für ihre Rückkehr an die Macht geebnet. Hinzu kommt, dass die „Goldene Morgenröte“ erneut Zuwächse verzeichnen würde. Für die griechische und die europäische Arbeiterklasse könnte es kaum um mehr gehen.

http://www.socialistworld.net

Weltperspektiven: Erste Zeichen des Wiedererwachens des Klassenkampfs sind Vorboten der Zukunft

Im Dezember 2014 beschlossen bei einem Treffen des Komitees für eine ArbeiterInneninternationale (KAI/CWI) SozialistInnen aus 35 Ländern und allen Kontinenten ein Dokument über die internationale Entwicklung und Perspektiven. Behandelt werden die wirtschaftliche wie die politische Entwicklung. Analysiert werden Krisenherde, ihre Ursachen und die Verantwortung des Imperialismus dabei. Doch im Fokus steht, worüber die bürgerlichen Medien nicht schreiben: dass nämlich der Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus, gegen Krisen und Kriege überall zunehmen und dass nicht nur die Wirtschaft, sondern v.a. auch das politische System des Kapitalismus in der Krise ist.

56 Seiten A5, um 4,5 inkl. Porto

Konto: IBAN: AT25600000000 8812733

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Internationale Notizen: Irland - Nigeria - Sri Lanka

Irland: Medienhetze

In Irland steht die Regierung einer Massenbewegung gegen die Wassersteuern gegenüber. Am 11.11. demonstrierten 100.000, am 14.11. wurde der Wagen der stellvertretenden Premierministerin in Jobstown/Dublin von wütenden EinwohnerInnen blockiert. Es folgten Lügen und Medienhetze gegen die Bewegung und insbesondere gegen das „Bündnis gegen Kürzungen“ (AAA) und die Socialist Party (CWI in Irland).
http://www.socialistparty.ie

Nigeria: Angriff auf AktivistInnen
Am 30.11. wurden AktivistInnen der ERC (Kampagne für Bildungsrechte) von AnhängerInnen der Regierung angegriffen. An der Obafemi-Awolowo-Universität organisierten StudentInnen zuvor Proteste gegen den Präsidenten Jonathan, der dort mit seiner Partei eine Veranstaltung abhielt. Die AktivistInnen, darunter auch etliche Mitglieder des DSM (Demokratische Sozialistische Bewegung – CWI in Nigeria), wollten damit auf die undemokratischen Strukturen an den Universitäten aufmerksam machen. Sechs StudentInnen wurden als Reaktion darauf später von Jonathan-AnhängerInnen mit Macheten schwer verletzt, Polizei und Unileitung vertuschten die Angriffe. Die ERC ruft zu weiteren Protesten und Aufklärung der Angriffe durch eine unabhängige, demokratisch gewählte Kommission auf.
http://www.socialistnigeria.org

Sri Lanka: Sozialist bei Wahlen
Bei den Präsidentschaftswahlen in Sri Lanka am 8.1. verlor der amtierende Präsident Mahinda Rajapaska gegen einen früheren Mitstreiter. Das Ergebnis wird an der Ausrichtung der Regierungspolitik wenig ändern: Kürzungspolitik, Korruption, Angriffe auf ArbeiterInnenrechte, Repression und Diskriminierung gegen TamilInnen bzw. Muslime. Die Schwesterpartei der SLP stellte mit Siritunga Jayasuriya einen sozialistischen Kandidaten. Siritunga war der einzige Kandidat, der den Abzug der Truppen aus den Tamilengebieten und die volle Gleichberechtigung der tamilischen Bevölkerung forderte sowie für den Aufbau einer MassenarbeiterInnenpartei eintrat. Die 8,840 Stimmen sind eine gute Ausgangssituation für den Aufbau einer politischen Kampagne gegen die kommenden Angriffe.
http://www.lankasocialist.com

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