Internationales

Zehn Jahre DIE LINKE

Eine kritische Würdigung
von Lucy Redler, Mitglied im Parteivorstand DIE LINKE, Mitglied im BundessprecherInnenrat der Antikapitalistischen Linken (AKL) und Bundessprecherin der SAV (der deutschen Schwesterorganisation der SLP)

Zum Jahrestag der LINKEN wird es viele Artikel geben, die das Bestehen der Partei würdigen und die Bedeutung der Partei hervorheben. DIE LINKE ist heute die einzige linke Opposition gegen Militarisierung, Krieg und Sozialabbau im deutschen Bundestag. Sie hat die Einführung des Mindestlohns, auch wenn dieser noch viel zu niedrig ist, mit vorangetrieben. DIE LINKE ist die einzige Partei, die KollegInnen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen tatkräftig in ihrem Kampf für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen unterstützt und an der Seite streikender Belegschaften steht.

 

Der zehnte Jahrestag sollte aber auch genutzt werden, um einen kritischen Blick zurück nach vorn zu richten und zwei Fragestellungen in den Blick zu nehmen:

1. Was waren die Erwartungen zum Zeitpunkt der Fusion 2007 an die neue Partei und wie sieht die Bilanz davon aus?

2. Welche Konflikte und Fragestellungen gab es 2007, mit denen wir uns auch noch heute beschäftigen? Wie können diese gelöst werden?

Erwartungen und Bilanz

Die Parteigründung wurde von den meisten Beteiligten mit großer Euphorie und hohen Erwartungen vollzogen. Endlich schien eine starke und stärker werdende Partei links der Sozialdemokratie eine realistische Chance. Wie sieht die Bilanz konkret aus? Ein Überblick über einige wichtige Bereiche ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Mitgliederentwicklung:

2007 hatte die Partei 71.711 Mitglieder, Ende März 2017 sind es knapp 59.000, davon 36,8 Prozent Frauen und acht Prozent unter 25 Jahren. Das Durchschnittsalter liegt bei 58 Jahren mit großen Unterschieden zwischen Ost und West. In den ostdeutschen Bundesländern liegt es außer in Berlin überall bei über 65 Jahren (in Berlin bei 60 Jahren) und in den westdeutschen Bundesländern zwischen 46 und 50 Jahren.i Die Partei gewinnt derzeit mehr Menschen unter 36 Jahren, was sehr positiv ist. Es reicht aber nicht, um die Überalterung der Partei aufzuhalten. Linksjugend [solid] und SDS erleben einen deutlichen Mitgliederzuwachs. Doch gerade die Politik des Linksjugend-Bundesverbands entspricht so wenig dem Bedürfnis vieler lokaler Gruppen und links-aktiver Jugendlicher, dass der Jugendverband weit davon entfernt ist, sein Potential auszuschöpfen.

Viele Aktivistinnen und Aktivisten der ersten Stunde, vor allem aus der WASG, haben sich aus der aktiven Parteiarbeit zurückgezogen oder sind gar aus der Partei ausgetreten. Im Osten verliert die Partei jährlich eine große Zahl von Mitgliedern durch Tod. Es sind auch viele neue Mitglieder dazu gekommen, aber der große Aufbruch zu einer neuen starken und einheitlichen Linken ist irgendwo und irgendwann stecken geblieben.

Verankerung in Betrieben, Gewerkschaften und Bewegungen:

Vor allem VertreterInnen der WASG machten sich bei der Fusion dafür stark, ein hohes Augenmerk auf die betriebliche und gewerkschaftliche Verankerung der Partei zu legen. In einzelnen Bereichen hat sich die Partei ein Standing erarbeitet, wie zum Beispiel im Krankenhausbereich. Hier ist DIE LINKE erste Ansprechpartnerin für Kolleginnen und Kollegen.

Die Kampagne der Partei für mehr Personal im Krankenhaus ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Partei an der Seite von KollegInnen für Verbesserungen kämpfen kann: durch Unterstützung der betrieblichen und gewerkschaftlichen Kämpfe, durch Infotische auf der Straße, durch Anträge und Anhörungen im Bundestag. Auch in anderen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, bei den Streiks im Einzelhandel oder auch bei den Sozial- und Erziehungsdiensten war DIE LINKE am stärksten präsent. Das ist der Verdienst vieler Parteimitglieder, der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft und auch des Vorsitzenden Bernd Riexinger. Auch die Linksfraktion hat zu verschiedenen Themen wertvolle Konferenzen für betrieblich Aktive und Betriebs- und Personalräte angeboten. Eine gute Rolle spielte die Partei ebenfalls in der Auseinandersetzung um TTIP und CETA und bei Blockupy. Leider prägen diese Beispiele nicht die Gesamtpartei (und -fraktion).

Gemessen an ihrem Apparat, ihren finanziellen Möglichkeiten und ihrer Größe bleibt die Partei weit unter den Möglichkeiten. Sie hat zudem eine deutlich geringere Verankerung im Bereich der Metall- und Elektroindustrie als im Bereich des Öffentlichen Dienstes. Und in letzterem ist sie stärker im Bereich der Daseinsvorsorge als beispielsweise in der Verwaltung, Telekom etc präsent. Natürlich spielt der Bewusstseinsstand der KollegInnen in den verschiedenen Sektoren und auch die Politik der verschiedenen Einzelgewerkschaften eine Rolle dafür, welche Möglichkeiten DIE LINKE ausschöpfen kann. Doch der subjektive Grund für die unzureichende Verankerung ist die starke parlamentarische Ausrichtung der Gesamtpartei.

Beim Bundesparteitag in Magdeburg 2016 berichtete die Mandatsprüfungskommission, dass von 579 Delegierten nur eine Minderheit von 234 Mitglied einer Gewerkschaft ist. Gleichzeitig sind 244 Delegierte entweder MandatsträgerInnen auf Bundes- Landes- oder kommunaler Ebene oder arbeiten hauptamtlich für die Partei (bei Fraktionen, Abgeordneten oder in der Bundesgeschäftsstelle).ii Das ist alles andere als ein gutes Verhältnis.

Es gibt eine Schieflage zwischen den Ressourcen, Zeit und Nerven, die die Partei insgesamt in lokale und bundesweite Kämpfe und Kampagnen steckt und dem, was sie in parlamentarische Arbeit investiert. In vielen Bundesländern und auch auf kommunaler Ebene wird die nötige Bewegungsorientierung oftmals der parlamentarischen Arbeit untergeordnet anstatt die MandatsträgerInnen in den Dienst des Aufbaus von Bewegungen und Widerstand zu stellen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass es in der LINKEN stark unterschiedliche Ansichten gibt, ob grundlegende dauerhafte Verbesserungen im Rahmen des Kapitalismus oder nur mittels seiner Überwindung durchgesetzt werden können, woraus sich direkt die Frage ergibt, ob Verbesserungen vor allem durch Widerstand, Streiks, Proteste und Bewegungen oder vor allem durch parlamentarische Arbeit erreicht werden können.

Die meisten Bewegungen finden heute lokal statt. Vor allem hier kann DIE LINKE beim Aufbau von Widerstand und Protesten einen Unterschied machen. Positive Beispiele hierfür sind unter anderen die erfolgreiche langfristige Mieterkampagne der LINKEN in Bad Cannstatt, die Arbeit in Solidarität mit Geflüchteten der LINKEN in Bochum, die Kampagnearbeit der LINKEN Neukölln, die auch immer wieder die Grundlage für sehr gute Wahlerfolge liefert und die Kampagne der hessischen LINKEN gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens.

Wahlergebnisse:

Vor der Fusion waren WASG und Linkspartei.PDS (wie die PDS inzwischen hieß) beim gemeinsamen Wahlantritt 2005 mit 8,7 Prozent in den Bundestag eingezogen, nachdem die PDS im Jahr 2002 die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr erreicht hatte. 2009 erreichte die Partei stolze 11,9 Prozent bei den Bundestagswahlen, um dann 2013 wieder auf 8,6 Prozent zu fallen. Zum Zeitpunkt des zehnten Jahrestages liegt die Partei in den Umfragen auf ähnlichem Niveau wie 2013. Das entspricht einer Stagnation auf Bundesebene im Vergleich zum Fusionszeitpunkt.

In den ostdeutschen Bundesländern hat die Partei bei den letzten Landtagswahlen außer in Thüringen und Berlin überall mehr oder weniger stark an Zuspruch verloren. iii

In den westdeutschen Bundesländern ist es der Partei nur in Hessen, dem Saarland und den Stadtstaaten Bremen und Hamburg gelungen, erneut in die Landesparlamente einzuziehen. In anderen Bundesländern scheiterte der erneute Einzug entweder knapp wie in NRW mit 4,9 Prozent oder der Wieder- oder erstmalige Einzug in die Landtage wurde deutlich verfehlt. Damit hat die Hoffnung vieler, DIE LINKE in Westdeutschland als starke Kraft zu etablieren, einen Dämpfer bekommen.

„Ohne uns wäre die Rechte stark“

Dieser richtige Satz stammt von Oskar Lafontaine beim Gründungsparteitag der LINKEN 2007: „Zu einem historischen Auftrag, den wir haben, möchte ich etwas sagen, weil er in der Öffentlichkeit immer wieder vergessen wird. Wir sind die einzige Stimme im Parlamentsbetrieb und im politischen Leben, die denen Hoffnung wieder gibt, die bisher nicht mehr zur Wahl gingen, weil sie gesagt haben, es lohnt sich ja nicht mehr, sie entscheiden ja doch immer gegen uns. Ohne uns wäre die Rechte in Deutschland stark. Das ist bereits ein historisches Ergebnis der neuen LINKEN.“iv

Lange konnte die Existenz der LINKEN den Aufstieg einer rechtspopulistischen Kraft, die wir in vielen anderen Ländern beobachtet haben, bremsen. Das hat sich mit der Gründung der AfD im Jahr 2013 geändert. DIE LINKE gewinnt zunehmend Mitglieder und WählerInnen in urbanen, jungen, gut gebildeten Milieus und verliert solche unter den abgehängten und ausgebeutetesten Schichten, die teilweise gar nicht mehr zur Wahl gehen und zum Teil der AfD ihre Stimme geben.

Die Analyse, warum Letzteres der Fall ist, ist stark umstritten. Während Gregor Gysi und andere die AfD dadurch bekämpfen möchten, dass neue rot-rot-grüne Regierungen gebildet werden, sieht ein Großteil des linken Parteiflügels und auch die Autorin dieses Textes ein erhebliches Problem darin, dass die LINKE durch Regierungsbeteiligungen mit SPD und Grünen als angepasste parlamentarische Ergänzungspartei wirkt und dadurch nicht in der Lage ist, der berechtigten Wut vieler Menschen Ausdruck zu verleihen.

Fragestellungen und Konflikte damals und heute

Ein Grundproblem der Partei seit der Fusion bis heute besteht darin, dass es zu zentralen Fragestellungen qualitative Differenzen gibt.

Das gilt vor allem für:

• Wie werden gesellschaftliche Verbesserungen durchgesetzt: vor allem parlamentarisch oder durch Druck durch Bewegungen und Proteste?

• Gibt es ein linkes Lager von LINKE, SPD und Grünen oder ist es Aufgabe der LINKEN Veränderungen aus der Opposition durchzusetzen bis sich linke parlamentarische Mehrheiten ergeben?

• Will die Partei den Kapitalismus wirklich überwinden oder geht es um kleine Verbesserungen im Bestehenden?

• Wer entscheidet in der Partei vor allem? Die Basis, die Vorstände oder die Fraktionen?

In Wirklichkeit gehören all diese Fragen zusammen. Einige in der Partei betonen das hohe Gut des Pluralismus. Die stellvertretende Parteivorsitzende Janine Wissler schreibt in einer kurzen Bilanz in der Disput im Mai 2017: „Diese Pluralität macht die Partei so spannend – und oft auch anstrengend. Weil man sich miteinander auseinandersetzen und einen Konsens finden muss oder manchmal auch nur eine Sprachregelung.“vNatürlich muss DIE LINKE vor dem Hintergrund des heutigen Bewusstseinsstand und der gesellschaftlichen Ausgangslage verschiedene Traditionen und ideologische Positionen in sich vereinen. Aber Pluralismus darf nicht zuBeliebigkeit führen. In der LINKEN sollte die Basis dafür die Verteidigung der Interessen der Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten und eine antikapitalistische Perspektive sein.

Das Problem ist heute zum einen, dass manche Positionen so unterschiedlich sind, dass sie die Partei lähmen und zum anderen, dass die notwendigen Debatten selten offen so geführt werden, dass sich Mehrheitspositionen in der Partei herausbilden können. Es werden viel zu viele „Sprachregelungen“ gefunden, anstatt wichtige Fragestellungen zu klären. Das ist aber notwendig für jede demokratische Partei, die sich weiterentwickeln will. Die Formelkompromisse zu inhaltlichen Themen wie der Regierungsfrage, der EU, der NATO und anderen Fragen bedeuten im Endeffekt, dass oftmals führende Mitglieder mit Apparat und Medienpräsenz im Gepäck die reale Position der Partei in der Öffentlichkeit prägen.

Das gilt vor allem für die Regierungsfrage. Der in Erfurt gefundene Kompromiss lautet, dass sich die Partei an keiner Regierung beteiligt, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt, Aufrüstung und Militarisierung vorantreibt, Privatisierungen der Daseinsvorsorge oder Sozialabbau betreibt, deren Politik die Aufgabenerfüllung des Öffentlichen Dienstes verschlechtert. Diese Positionierung findet erstens auf Landesebene in der Praxis keine Anwendung. Das aktuellste und extrem bittere Beispiel hierfür ist die Zustimmung der Landesregierungen, in denen die LINKE mitregiert, zur Möglichkeit der Autobahnprivatisierung am 2. Juni im Bundesrat. Zweitens bildet der Erfurter Kompromiss eine Vielzahl von Aspekten der Arbeit in Regierungen gar nicht ab: Er erfasst weder den Sozialabbau und Privatisierungen der Vergangenheit noch aktuelle zentrale Themen wie Abschiebung von Geflüchteten, prekäre Arbeit, steigende Mieten oder Freihandelsabkommen. Drittens wird er vom Spitzenpersonal unserer Partei mal so und mal so ausgelegt. Will man diese Position aber bei Bundesparteitagen schärfen, wird einem entgegen gehalten, man wolle Kompromisse aufmachen, die die Partei an den Rand der Spaltung bringen könnten. Wenn sich FunktionsträgerInnen in den Ländern nicht an diese Kompromisse halten, ist diese Kritik selten zu vernehmen. Die Parteilinke wäre gut beraten, an der Stelle um Mehrheiten zu ringen.

Natürlich kann und muss es auch Kompromisse und nicht nur Mehrheitsentscheidungen geben. Was nötig ist, hängt von der politischen Bedeutung der Themenfelder ab. Das Problem ist derzeit, dass vorauseilende Kompromisse unter FunktionsträgerInnen der Taktgeber der Partei geworden sind und nicht lebendige Debatten an der Basis, in der sich Mitglieder eine Meinung bilden können. Ein schönes Beispiel dafür, wie es anders laufen kann, war die von der AKL beim Bielefelder Parteitag 2015 angestoßene Debatte über Kommunalpolitik. In dieser Debatte wurden zwei unterschiedliche Linien in der Partei (Politik der Sachzwänge oder kämpferische Kommunalpolitik) deutlich und Mitglieder konnten sich eine Meinung bilden.

Im April 2016 veröffentlichten die Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger ihren Text „Revolution für soziale Gerechtigkeit und Demokratie“vi. Vieles darin ist positiv, vor allem die Aussage, es gäbe kein linkes Lager von LINKE, SPD und Grünen. Claus Ludwig, Sprecher der LINKEN Köln-Kalk und aktiv in AKL und SAV, und ich schrieben in einer Antwort auf den Text: „Es wird nicht gelingen, DIE LINKE als kämpfende, ‚revolutionäre‘ Kraft darzustellen, eine ‚neue Kultur der Selbstermächtigung und Beteiligung durch Organisierung an der Basis‘ zu schaffen, ohne kontroverse Debatten offen zu führen, den Konflikt mit dem auf Regierungsbeteiligungen und ‚Realpolitik‘ orientierten Flügel einzugehen und für klar antikapitalistische Mehrheitsverhältnisse zu kämpfen. Ohne solche haben wir am Ende nicht einmal eine Reform der Partei, geschweige denn die Revolution.“vii

Geburtsfehler der LINKEN

Im Buch „Nach Goldschätzen graben, Regenwürmer finden – Die Linke und das Regieren“ schreibt Sascha Staničić, Bundessprecher der SAV, treffend, dass die Akzeptanz von Regierungsbeteiligungen mit prokapitalistischen Parteien so etwas wie der Geburtsfehler der Partei DIE LINKE ist. Im Gegensatz zur PDS lehnte die WASG „kategorisch eine Regierungsbeteiligungen ab, die zu Sozialkürzungen, Privatisierungen und Personalabbau führt. Unter den damaligen Bedingungen der Agenda 2010-Politik der SPD und den Erfahrungen mit der rot-roten Koalition in Berlin war das gleichbedeutend mit einer Absage an rot-rote oder rot-rot-grüne Koalitionsgedanken. Das war der entscheidende Unterschied zur politischen Praxis der PDS und das sollte zur Hauptkontroverse in der Fusionsdebatte werden. Der neuen Partei wurde ein Grundwiderspruch in die Wiege gelegt, der seit neun Jahren eine massive Bremse für ihren Aufbau und ihre Stärkung darstellt.“viii

Einerseits will die Partei an der Seite von Bewegungen Verbesserungen gegen alle etablierten Parteien durchsetzen, andererseits orientiert sie auf Bündnisse mit SPD und Grünen und untergräbt damit in der Praxis ihre eigenen Forderungen. Der Widerspruch ist Ausdruck davon, dass ein Teil der Partei die Perspektive sozialistischer Veränderung aufgegeben hat und darauf setzt, die kapitalistischen Verhältnisse mit zu verwalten und etwas besser zu gestalten, was zur Fokussierung auf eine Politik des (parlamentarischen) kleineren Übels führt.

Das führt dann zu solch kuriosen Situationen, dass DIE LINKE einen wichtigen Beitrag leistet, die gesellschaftliche Stimmung zum Thema Privatisierungen zu drehen und in Ländern oder Kommunen, in denen DIE LINKE mit SPD (und Grünen) regiert, Privatisierungen mit durchsetzt (Ausgründung der CFM in Berlin, Privatisierung von über 100.000 Wohnungen in Berlin, Verkauf der WoBa in Dresden, Zustimmung zur Möglichkeit der Autobahnprivatisierung im Bundesrat).

Im Gegensatz zur Autorin dieses Textes hatten einige in der neu gegründeten Partei wie beispielsweise Klaus Ernst (Mitbegründer der WASG und Parteivorsitzender der LINKEN von 2010 bis 2012) die Illusion, mit der Gründung der LINKEN die SPD nach links zu treiben. Klaus Ernst zieht in der Mitgliederzeitschrift Disput im Mai 2017 folgende Bilanz: „Auch die einstige Hoffnung, die SPD nach links zu treiben, bewahrheitete sich nicht. Hartz IV wurde nicht abgeschafft, Kriegseinsätze, Altersarmut sowie eine wachsende Ungleichheit bei Vermögen und Einkommen sind Realität.“ix Trotzdem wird von großen Teilen der Partei diese falsche Orientierung beibehalten.

Der Berliner Landesparteitag der WASG am 4.11. 2006 formulierte zu Recht politische Mindestbedingungen für eine Neugründung der Linken. Die WASG forderte unter anderem die Absage an Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Beendigung von Regierungsbeteiligungen, die zu Sozialabbau, Privatisierungen und Stellenstreichungen führen. Heute müsste man die Kriterien noch schärfer formulieren. Damals richteten sie sich eindeutig gegen die Praxis der Regierungsbeteiligungen der LINKEN mit der SPD in Berlin (2002-2011) und Mecklenburg-Vorpommern (1998-2006). Die WASG Berlin war gegen eine schnelle Fusion im Top-down-Verfahren. Sie wollte auch Kräfte der politischen Linken einbeziehen, die nicht Teil von WASG und Linkspartei.PDS waren, forderte eine Trennung von Amt und Mandat und den Aufbau außerparlamentarischen Widerstands zur Veränderung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse. Sie warnte davor, dass die Regierungsbeteiligung in Berlin ein Präzedenzfall für die neue Linke wird, wenn die Frage nicht vor einem Zusammenschluss der beiden Parteien geklärt würde.x

Weil diese Punkte nicht zur Basis für die Fusion wurden, sprachen sich die Mitglieder der WASG Berlin und auch die Autorin dieser Zeilen gegen die Fusion aus. Die Warnungen haben sich bestätigt. Die politischen Konflikte, die damals eine Rolle gespielt haben, sind heute noch aktuell.

Glaubwürdigkeit

Durch den Widerspruch von richtigen Forderungen auf Bundesebene und der Zustimmung der Politik vermeintlicher Sachzwänge auf Landesebene, wird die Glaubwürdigkeit der Partei beschädigt. Oskar Lafontaine hatte beim Gründungsparteitag angemahnt:

„Wenn wir wissen, dass viele Menschen in Deutschland sagen, die da oben machen ja doch, was sie wollen, es lohnt sich doch gar nicht mehr, dann müssen wir dagegen halten mit direkter Demokratie, mit Mitgliederentscheiden, mit Generalstreik usw. Aber wir müssen auch dagegen halten mit Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit ist das Schwerste. Lasst uns alles versuchen, dass diese Glaubwürdigkeit bei allen Fehlern und Irrungen, die unvermeidlich sind, zum Markenzeichen der neuen LINKEN wird! Und wenn wir das wollen, liebe Freundinnen und Freunde, dann lasst mich schließen mit einem Wort eines Dichters der Oktoberrevolution, mit einem Wort Majakowskis. Der sagte einmal: Wir werden dann Glaubwürdigkeit haben, ‚wenn wir dem eigenen Lied niemals auf die Kehle treten‘. In diesem Sinne: Glück auf!“xi

Davon ist DIE LINKE leider weit entfernt.

Sascha Staničić führt in seinem Beitrag außerdem aus, weshalb die Akzeptanz von Regierungsbeteiligungen mit SPD und Grünen als konstitutives Element der neuen Partei auch wichtige Folgen für ihre innere Verfasstheit hat: „Denn das verstärkt eine Fokussierung auf parlamentarische Arbeit, eine Stärkung der Macht der Parlamentsfraktionen, die Entstehung materieller Eigeninteressen bei einer wichtigen Schicht der ParteifunktionärInnen und MandatsträgerInnen etc. In den Augen vieler Menschen ist DIE LINKE der linke Teil des Establishments. Niemand würde in der Politprofi-Partei darauf kommen, den Slogan aus WASG-Gründungstagen ‚Jetzt wählen wir uns selbst‘ zu verwenden. Regierungsbeteiligungen und eine auf Regierungsbeteiligungen ausgerichtete Politik führt unter den gegenwärtigen Verhältnissen geradezu zwangsläufig zu einer Schwächung der Parteibasis, zu Top-Down-Prozessen und dazu, dass Positionen häufiger durch ParteiführerInnen in den Medien deklariert als auf Parteitagen erarbeitet werden.“xii

Was tun?

Auch wenn es wichtig ist, die Ursachen für Entwicklungen zu verstehen, geht es heute vor allem darum, Maßnahmen zu ergreifen, die in die richtige Richtung weisen.

Als wichtigstes erscheint mir das, was Claus Ludwig und ich vor einem Jahr schrieben:

„DIE LINKE muss ihre Verbindungen zu Establishment und bürgerlichen Parteien bewusst und erkennbar kappen, um an Glaubwürdigkeit und Handlungsfreiheit zu gewinnen. Sie muss als eindeutig oppositionelle, kämpferische, sozialistische, klassenbasierte Kraft erkennbar sein. (…) Die Partei muss sich ändern, nicht hier und da ein bisschen, sondern in ihrem ganzen Auftreten, ihrer Schwerpunktsetzung, ihrer inneren Verfasstheit – sie braucht nicht weniger als eine Revolutionierung. So lange bei Parteitagen ein Großteil der Delegierten Mandatsträger, MitarbeiterInnen und Vorstandsmitglieder sind, hilft das Beschwören von mehr Bewegungsorientierung und Selbstorganisation in Strategiepapieren nur wenig. So lange in Thüringen abgeschoben wird, ist die Forderung nach einem ‚gesellschaftlichen Lager der Solidarität‘ von innen hohl.“xiii

Um diese Fragen sollte die Parteilinke entschlossen ringen und gleichzeitig eigene positive Beispiele setzen: durch erfolgreiche lokale Kampagnen, durch engagierte Solidaritätsarbeit für KollegInnen im Betrieb, durch beispielhafte antirassistische Initiativen. Nur wenn wir einen Beitrag leisten, die Partei zu verankern und ihr spezifisches Gewicht zu erhöhen, kann es uns wirksam gelingen, in innerparteilichen Debatten Gehör zu finden.

Unsere Perspektive sollte nicht weniger als der Aufbau einer sozialistischen Massenpartei sein. Eine Partei, die in der Zukunft Hunderttausende organisiert und eine starke Verankerung in der Arbeiterbewegung hat. Erinnern wir uns an die Entwicklung der SPD im 19. Jahrhundert zu einer Partei von einer Million Mitgliedern, Dutzenden Tageszeitungen und einer Basis in den Betrieben – alles übrigens aus der Opposition heraus.

DIE LINKE ist kein Selbstzweck. Aber sie ist es wert, um sie zu kämpfen.

 

iAlle Zahlen aus der dem Parteivorstand vorgelegten Mitgliederstatistik zum Ende des ersten Quartals 2017

iihttps://archiv2017.die-linke.de/partei/organe/parteitage/magdeburger-par...

iiiIn Berlin erreichte die PDS im Jahr 2002 vor ihrem Einritt in die erste rot-rote Regierung 22,6 Prozent. Nach zehn Jahren in der Regierung hatte sie ihre Unterstützung halbiert und erreichte in 2011 nur noch 11,7 Prozent. In 2016 schaffte sie es auf 15,6 Prozent, liegt damit aber weiterhin deutlich unter dem Ergebnis der Zeit vor dem Regierungseintritt.

ivhttps://archiv2017.die-linke.de/partei/organe/parteitage/archiv/gruendungsparteitag/reden/oskar-lafontaine/

vDisput, Mai 2017, Seite 9

vihttps://archiv2017.die-linke.de/nc/die-linke/nachrichten/detail/artikel/...

viihttps://www.sozialismus.info/2016/05/revolution-der-sozialen-gerechtigke...

viiiS. Staničić: Die Regierungsfrage als Geburtsfehler der Linken, in: Gleiss/Höger/Redler/Stanicic (Hrsg): Nach Goldschätzen graben, Regenwürmer finden, S. 152

ixDisput, Mai 2017, Seite 8

xBeschluss des 8. Landesparteitags der WASG Berlin am 4.011.2006, zitiert nach: L- Redler: Das Verschwinden der WASG, S. 38

xihttps://archiv2017.die-linke.de/partei/organe/parteitage/archiv/gruendungsparteitag/reden/oskar-lafontaine/

xiiS. Staničić, a.a.O., S. 154f

xiiihttps://www.sozialismus.info/2016/05/revolution-der-sozialen-gerechtigke...

 

     

    Britische Wahlen: Riesiger Erfolg für Jeremy Corbyn

    Desaster für Theresa May
    Angelika Teweleit, CWI Deutschland

    Wer geglaubt hat, mit dem Brexit-Votum habe sich eine Rechtsverschiebung in Großbritannien durchgesetzt, muss sich jetzt verwundert die Augen reiben. Das Ergebnis der Unterhauswahlen bedeutet eine Niederlage für die Regierung unter Theresa May und eine Absage an ihre Austeritätspläne, wie die Zerschlagung des nationalen Gesundheitswesens, der Streichung von kostenlosen Mittagessen an Schulen oder auch der Besteuerung von RentnerInnen. Auch UKIP, die rechtspopulistische Partei, hat 10,7 Prozentpunkte verloren und kam nur noch auf 1,9 Prozent. Stattdessen geht als Gewinner der Wahl derjenige hervor, der einer massiven Medienkampagne ausgesetzt wurde, er sei „nicht geeignet, das Land zu führen“: Jeremy Corbyn.

    Jeremy Corbyn hat mit einem linken und kämpferischen Programm in nur kurzer Zeit so viel Begeisterung ausgelöst, dass die Labour Party von 27 Prozent in Umfragen vom April auf 40,1 Prozent anwuchs, im Vergleich zu den letzten Wahlen 9,6 Prozentpunkte dazugewann und somit die Mehrheit der Tories im Abgeordnetenhaus verhinderte. Das ist der größte Zugewinn nicht nur für Labour, sondern für überhaupt eine Partei in Großbritannien seit 1945. Der 68-Jährige Corbyn begab sich auf eine unermüdliche Tour durch das Land, in der er deutlich machte, dass er auf der Seite der ArbeiterInnen, RentnerInnen, Jugendlichen steht und nicht der reichen Minderheit. Das Wahlprogramm war kein sozialistisches Programm, aber es beinhaltete zentrale Forderungen, die auf große Resonanz in der Bevölkerung stieß – wie ein massives Investitionsprogramm in das Gesundheits- und Bildungswesen, die Rücknahme der Privatisierungen im nationalen Gesundheitswesen und die Rückverstaatlichung der Bahn und Post. Es sprach sich klar gegen Kürzungspolitik aus und hat deutlich gemacht, sich mit den Reichen anlegen zu wollen. Damit hat Corbyn die Hoffnungen vieler ArbeiterInnen und Jugendlichen auf ein Ende der Austerität und auf reale Verbesserungen steigen lassen.

    Gleichzeitig hat Corbyn zu jedem Zeitpunkt – und das vor dem Hintergrund von zwei schlimmen Terroranschlägen, die dem IS zugeschrieben wurden – ein klar antirassistisches Profil behalten. Es ist bedeutsam, dass ihm das offensichtlich nicht geschadet hat, sondern im Gegenteil. Kombiniert mit einer klaren Antwort auf die soziale Frage haben das viele ArbeiterInnen und Jugendliche begrüßt.

    Besonders unter Jugendlichen konnte Corbyn viele gewinnen, zur Wahl zu gehen und ihr Kreuz bei Labour zu machen. 72 Prozent der 18- bis 25Jährigen beteiligten sich an der Wahl, im Vergleich zu nur 43 Prozent 2015! In einem Artikel in der Zeit drücken einige Stimmen von Jugendlichen einen Teil der Stimmung aus. So sagte eine junge Frau, deren Eltern Einwanderer aus Jamaica waren: „Ich habe noch nie in meinem Leben gewählt, Politik interessiert mich nicht, wenn ich ehrlich bin. Beim EU-Referendum dachte ich noch: Macht doch was ihr wollt. Aber zur Parlamentswahl werde ich das erste Mal wählen gehen. Wegen Jeremy Corbyn.“ und ein Student: „Er setzt sich für Studenten ein, für alleinerziehende Mütter und Leute, die sich keine Eigentumswohnung in Central London leisten können. Corbyn ist schon vor Ewigkeiten für Abrüstung und gegen Apartheid auf die Straße gegangen. Seine Glaubwürdigkeit hat er sich auf der Straße erarbeitet, nicht im Parlament. Corbyn ist anders, deshalb glaube ich ihm, was er sagt.“

    Corbyn hat nicht die Mehrheit gewonnen, aber das Ergebnis ist eine massive Bestätigung für ein linkes und kämpferisches Programm. Für die Rechten und die so genannten Blairites in der Labour Party, die seit seiner Wahl zum Vorsitzenden versucht haben, ihn zu demontieren, ist das Ergebnis ein Schlag ins Gesicht. Es war nicht nur sein Wahlkampf – auch in vielen Wahlkreisen, wo linke Labour-KandidatInnen antraten, schnitt die Partei besser ab. In Canterbury – seit 1918 fest in Tory-Hand – gewann Labour den Sitz. Während die Labour Party unter Tony Blair zur neoliberalen Kriegspartei wurde, die immer mehr an Unterstützung verlor, haben sich seit 2015 viele der Partei wieder zugewandt und sind sogar eingetreten, um Jeremy Corbyn und sein linkes Programm zu unterstützen. Hunderttausende haben sich in den letzten Wochen begeistert im Wahlkampf für Corbyn engagiert. Labour ist zu zwei Parteien in einer geworden. Der Kampf in Labour wird fortgesetzt, nun auf der Grundlage eines gestärkten Corbyn und einer mobilisierten Anhängerschaft in der Arbeiterklasse, deren Erwartungen gestiegen sind. Es ist nur ein Jahr her, dass eine Mehrheit der Labour-Abgeordneten versuchte Corbyn aus dem Amt zu jagen. Mit den rechten Blairites, die immer noch in der Fraktion vertreten sind, lassen sich Programmpunkte wie der massive Ausbau des Gesundheits- und Bildungswesens und vieles mehr nicht bewerkstelligen. Sie stehen für eine Politik im Interesse des Big Business. Deshalb ist notwendig, einen Bruch mit diesen Teilen der Labour Party herbeizuführen, die in der Praxis – zum Beispiel in Kommunalregierungen – für eine Politik gegen die Arbeiterklasse stehen.

    Wie aktuell in vielen anderen Ländern ist auch in Großbritannien die Situation für die Herrschenden instabil. Zur Zeit zeichnet sich ab, dass Theresa May sich von der nordirischen protestantisch-unionistischen DUP dulden lassen will. Das wäre eine instabile Regierung, mit nur einer knappen Mehrheit im Parlament.

    Die Möglichkeiten für den Aufbau einer politischen Alternative im Interesse der ArbeiterInnen und Jugendlichen sind gewachsen. Das Selbstbewusstsein vieler AktivistInnen ist gestiegen und weite Teile der Jugend politisieren sich nach links. Die Socialist Party, Teil des Komitees für eine Arbeiterinternationale, spielt eine wichtige Rolle in diesem Prozess.

    Zeitnah wird ein Artikel der SP auf unserer Webseite erscheinen.

    Internationale Notizen: Mai 2017

    Russland: Proteste gegen Korruption

    Am 26. März fanden in knapp 100 Städten in allen Teilen Russlands Proteste gegen das Regime statt. Auslöser waren Korruptionsvorwürfe gegen Premier Medwedew, die im Internet viral gingen. Rund 70.000 Menschen, v.a. Jugendliche, beteiligten sich. Es wurde u.a. der Rücktritt der Regierung gefordert. Die Behörden griffen hart durch und bereits am ersten Tag der Proteste wurden über 1.500 Menschen festgenommen. Soziale Forderungen sind diesmal weit präsenter und AktivistInnen der Sozialistischen Alternative (CWI in Russland) haben z.B. die Forderung nach einem Mindestlohn von 300 Rubel/Stunde zentral auf ihrem Material. Obwohl die Proteste illegalisiert wurden, wurden in Moskau und Petersburg in wenigen Minuten hunderte Flugblätter verteilt und viele mehr klickten im Anschluss unsere Homepage an.

    Socialist.news

    Serbien: Proteste gegen Wahlbetrug

    Seit den Wahlen von Vucic zum serbischen Präsidenten am 2. April, beteiligen sich in verschiedenen serbischen Städten Tausende an Anti-Vucic-Demos. Auslöser für die größten Proteste seit dem Sturz Miloševićs sind verschiedenste Fälle von Wahlbetrug und Vucics autoritärer Regierungsstil. Nun fordern die Protestierenden faire Wahlen, Medienfreiheit, Dezentralisierung der Macht. Die aufgestaute Wut bricht hervor und auch Forderungen nach verbesserten Lebens- und Arbeitsbedingungen und gratis Bildung und Gesundheitsversorgung für alle werden immer wichtiger. Bei den Protesten sind v.a. junge Menschen, aber auch Gewerkschaften und streikende ArbeiterInnen. CWI-AktivistInnen beteiligten sich vor Ort an den Protesten und unterstützen auch internationale Solidaritätsproteste.
    Socialistworld.net

    Hong Kong: Proteste
    In Hong Kong droht vier Abgeordneten mit fadenscheinigen Begründungen der Verlust des Mandates. Darunter „Long Hair“, der bekannteste linke Oppositionelle. Das ist Teil des Angriffs auf demokratische Rechte in Hong Kong, die China vorantreibt. CWI-AktivistInnen solidarisierten sich in Hong Kong und weltweit mit den Betroffenen. In Wien wurde eine Kundgebung vor der chinesischen Botschaft abgehalten.

    Socialism.hk

     

    Erscheint in Zeitungsausgabe: 

    100 Tage Trump

    Helmut Swoboda

    Die Bilanz der ersten 100 Tage Trump ist eine bewegte. Bei der Bildung der Regierung zeigte der Milliardär gleich, was er von den Rechten von Beschäftigten hält. Er wollte Puzder als Arbeitsminister einsetzen. Puzder ist extremer Gegner des Mindestlohns und möchte Gewerkschaften verbieten. Nach der Ankündigung von Widerstand aus einer starken Gewerkschaft im öffentlichen Dienst (SEIU) zog dieser seine Kandidatur zurück.

     

    Die Rechte von ArbeitnehmerInnen kommen auch unter Druck durch die brutale Abschiebepolitik gegen illegalisierte MexikanerInnen. Die Brutalität der Greifkommandos der Behörden soll einschüchtern und Widerstand klein halten. Fälle, in denen ChefInnen illegaliserte Beschäftigte vor die Wahl stellen, entweder niedriger Lohn oder Abschiebung, sind keine Seltenheit. Die Solidarität in der Bevölkerung gegen diesen Rassismus wächst aber.

    In der Außenpolitik setzt der neue Präsident auf Konfrontation. In Syrien ließ er einen Flugplatz mit Raketen beschießen. Vor einem neuen Krieg schreckt er scheinbar nicht zurück, auch nicht mit Nordkorea, wohin er einen Flugzeugträgerverband entsandt hat. Auch wenn die Eliten der Demokratischen Partei in das Kettenrasseln gegen Assad einstimmen, sind es gerade die ArbeiterInnen, die auf keinen Fall einen neuen Krieg wollen.

    Jess Spear von der Socialist Alternative (CWI USA) verweist auf den Konflikt zwischen den protektionistischen Ideen Trumps und dem Wunsch der Mehrheit der Milliardärsklasse, die von der Globalisierung profitiert. Es sind solche Widersprüche, die zeigen, wie schwach die Trump-Regierung trotz Allem eigentlich ist.

    Es ist nicht zu übersehen, dass der Widerstand sich leidenschaftlicher entfaltet, und viele Menschen sehen in Trump eine reale Gefahr. Ob die Proteste erfolgreich sein werden, hängt davon ab, ob die Massenbewegung die effektivsten Methoden der ArbeiterInnenbewegung lernt, um eine Einheit der Aktionen zu erreichen. Spear schlägt ein mutiges Programm mit Aktionen wie Schul- und Unistreiks, Highwayblockaden, betrieblichen Streiks und Massendemonstrationen vor. Dieser Kampf lässt sich gewinnen und Trump lässt sich stürzen. Welche Chancen der dringend notwendige Widerstand aber auch bietet, zeigt das enorme Wachstum sozialistischer Gruppen in den USA.

    Mehr zum Thema: 
    Erscheint in Zeitungsausgabe: 

    Puls Of Europe

    Moritz Erkl

    Brexit und rechte Wahlerfolge machen Vielen zu Recht Angst. Hier trifft die 2016 gegründete „Bürgerinitiative“ „Pulse of Europe“ einen Nerv. Am bisherigen Höhepunkt, dem 2. April versammelten sich in 12 europäischen Ländern bis zu 48.000 Menschen, um für ein vereintes Europa zu demonstrieren. Den InitiatorInnen gelingt es, viele für „Gemeinsamkeit“ und „Einigkeit“ zu mobilisieren. Nur: die EU war nie ein Friedensprojekt, ist für Kriege mitverantwortlich und führt „Krieg“ gegen sozial Schwache wie z.B. in Griechenland. „Gemeinsam“ sind die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Herrschenden. Ja, dem gilt es ein vereintes Europa entgegen zu setzen. Aber das ist nicht die EU, sondern ein Europa unter Kontrolle und Verwaltung der „99%“, wo der Reichtum Europas für die Menschen, nicht die Konzerne eingesetzt wird.

    Mehr zum Thema: 
    Erscheint in Zeitungsausgabe: 

    Neuwahlen in Großbritannien

    Corbyn muss mit sozialistischen Positionen kämpfen
    Erklärung der Socialist Party (Schwesterorganisation der SLP in England und Wales)

    Die britische Premierministerin Theresa May hat Neuwahlen verkündet. Entgegen ihrer eigenen Aussage über die Gründe, die dahinter stehen sollen, geht es in Wirklichkeit nur um eines: die Schwäche der Regierung angesichts einer immer stärker werdenden Wut in der britischen Gesellschaft.

    Die Beschäftigten in Großbritannien leiden unter der längsten Lohnflaute seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Sozialkürzungen führen dazu, dass Millionen von Menschen nicht mehr genug Geld haben, um sich und ihre Familien zu ernähren. Im abgelaufenen Jahr ist mit 200.000 Personen eine Rekordzahl an Menschen aufgrund von Mangelernährung ins Krankenhaus eingewiesen worden. Sowohl dem Bildungsbereich wie auch dem Gesundheitssystem NHS drohen lebensbedrohliche Einschnitte. Die Wohnungskrise ist akut. Und die neuen, extrem heftigen, gewerkschaftsfeindlichen Gesetze führen unter GewerkschafterInnen zu Verbitterung und Frustration.

    May führt bei weitem keine starke Regierung an. Sie fürchtet sich wegen der lediglich hauchdünnen Parlamentsmehrheit der Tories vor unfreiwilligen 180-Grad-Wendungen. Derer gab es allein im ersten Jahr der Tory-Regierung ganze elf. Um noch weitere zu verhindern, vollzog May jetzt die bisher Bedeutendste. Hatte sie vorher noch versprochen, keine vorgezogenen Neuwahlen durchzuführen, hat sie sie nun doch angekündigt. Das zeigt, dass kapitalistische PolitikerInnen die Regeln nach eigenem Bedarf ändern. Cameron und Clegg haben den Fixed-term Parliaments Act (Gesetz, welches Parlamentswahlen alle fünf Jahre vorsieht; Anm. d. Ü.) eingeführt, um die Koalitionsregierung für fünf Jahre zu stützen. Jetzt bricht May damit, um eine schwache Tory-Regierung zu stärken. Sie pokert auf Basis der derzeitigen Umfragewerte und setzt darauf, die Wahlen mit einer größeren Mehrheit zu gewinnen, um dann ihr wirkliches Programm besser durchsetzen zu können. Bisher scheint es „nur“ um warme Worte und darum zu gehen, „lediglich die Geschäfte zu führen“. Zu erwarten ist hingegen brutale Austeritätspolitik.

    Hohes Risiko für die Tories

    Dabei geht May ein hohes Risiko ein. Das wirkliche Ergebnis wird erst am 8. Juni, dem Tag der vorgezogenen Neuwahl, klar. Und bis dahin kann noch so einiges passieren. Teilweise versucht sie, die Wahl als ein Referendum zum Brexit darzustellen. Sie hofft, dass jenes Drittel der Tory-WählerInnen, welches das „Remain“-Lager unterstützte, widerwillig erneut ihre Regierung unterstützt. Eine Garantie dafür gibt es freilich nicht. Einige werden sich im Juni sicherlich für die Liberaldemokraten entscheiden, die ebenfalls für den Verbleib in der EU waren.

    Darüber hinaus ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die verhassten Tories in Schottland bedeutend vordringen können. Die Scottish National Party hat ihr wahres Gesicht noch nicht vollständig enthüllt und wird wahrscheinlich zum großen Teil ihre Wählerbasis halten. Nach dem Sieg in der Nachwahl in Copeland hat May sicherlich neue Hoffnung, dass die Tories im Norden Englands ihre Position ausbauen können. Allerdings nahmen die absoluten Stimmen für die Tories sowohl bei den Nachwahlen in Copeland als auch in Stoke ab. Die Tories gewannen in Copeland nur, weil ihr Stimmergebnis weniger sank als das von Labour.

    International betrachtet, scheint die Lehre der letzten Wahlen zu sein, dass die WählerInnen von den USA über Frankreich bis in die Niederlande das kapitalistische Establishment abstrafen wollen. Die Parteien und KandidatInnen, die von sich behaupten, gegen das Establishment anzutreten, finden massenhaft Anklang. In Frankreich kommt der Präsidentschaftskandidat Mélenchon, der mit einem linken Programm antritt, mittlerweile auf 19 Prozent in den Meinungsumfragen (Stand 18.April). Jeremy Corbyn, Vorsitzender der britischen Labour Party,  muss jetzt einen Wahlkampf in Gang bringen, der sich auf sozialistische Politik stützt, die für die Arbeiterklasse von Bedeutung ist.

    Politik für sozialistischen Wandel

    Es ist klar, dass ein großer Teil der pro-kapitalistischen Clique an der Spitze der Labour Party diese Neuwahlen insgeheim gut findet, weil man hofft, dass Corbyn verlieren wird und man ihn dann leichter durch einen rechteren Parteivorsitzenden ersetzen kann, der der Austerität weniger abgeneigt ist. Allerdings könnten sie den Tag noch bereuen, an dem diese Neuwahlen verkündet worden sind. Wenn Corbyn auf der Grundlage eines klar sozialistischen Programms – für einen „Brexit“ im Interesse der Arbeiterklasse und der Mittelschichten – antritt, dann kann er die Wahlen gewinnen.

    Die Positionen, die ihn an die Spitze der Labour Party befördert haben, sind dafür ein guter Anfang: Sofortige Einführung eines 10-Pfund-Mindestlohnes, kostenlose Bildung für alle, massives Wohnungsprogramm und Verstaatlichung der Bahn- und Energiekonzerne. Das sollte mit Positionen wie einem sofortigen Ende aller Kürzungen im öffentlichen Dienst und dem Versprechen der sofortigen Wiederverstaatlichung der Post einhergehen.

    Jeremy Corbyn sollte klarmachen, dass er die privaten Träger aus dem Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Bildung raushalten wird. Er sollte die Einführung eines wirklich sozialistischen NHS ankündigen, das dann ausreichend finanziert wäre, allen zugute käme, hohe Qualitätsstandards erfüllen und der demokratischen Kontrolle der Bevölkerung unterliegen würde. Dann wäre Pflege von dem Punkt an kostenlos, ab dem man sie benötigt. Diese Forderungen sollten mit der Notwendigkeit eines grundlegenden, sozialistischen Wandels verbunden werden. Wir brauchen eine Gesellschaft, welche sich nach den Interessen der Mehrheit und nicht nach den Profiten der Wenigen richtet.

    Solch eine Wahlkampagne sollte sich nicht nur auf Reden und Werbespots beschränken. Die Kampagne zum Erhalt des NHS sollte mit der Massenbewegung verbunden werden, welche am 4. März mit der landesweiten Demonstration begann. Jeremy Corbyn hielt auf dieser Demo eine Rede. Jetzt sollte er zusammen mit den Gewerkschaften und den GesundheitsaktivistInnen zu einer zweiten Demonstration aufrufen – während des Wahlkampfs. Das würde Millionen auf die Straße mobilisieren – gegen die Tories und für den Erhalt des NHS.

     

    Zum Attentat in Manchester

    Gemeinsam gegen Terror, Krieg und Rassismus
    von Judy Beishon, Mitglied des Exekutivkomitees der Socialist Party

    Junge Menschen, die sich einfach nur eine Nacht lang amüsieren wollten, mussten stattdessen eines der schlimmsten Horrorszenarien durchleben, als am 22. Mai im Foyer der Manchester Arena (21.000 Plätze) eine Bombe explodierte. 22 Menschen wurden getötet und mindestens 59 wurden verletzt. Die Explosion ereignete sich am Ende eines Konzerts der US-Sängerin Ariana Grande.

    Diese Gräueltat, welche die Socialist Party zutiefst verurteilt, zeigt Parallelen zum Angriff auf das Bataclan-Konzerthaus in Paris vom November 2015 auf. In beiden Fällen wurden einfache Menschen mit den verschiedensten Lebenshintergründen willkürlich umgebracht – insbesondere junge Menschen.

    Die ersten Berichte legten nahe, dass der Angreifer ein Selbstmordattentäter war, der ebenfalls am Tatort starb. Es ist der schlimmste Terroranschlag in Großbritannien seit den Londoner Anschlägen vom Juli 2005, bei denen 52 Menschen getötet wurden.

    Die Menschen von Manchester reagierten schnell und halfen denen, die vom Tatort flohen. Über Twitter wurden Unterkünfte und Transport angeboten, während Taxi-FahrerInnen freie Fahrten organisierten. Ihre Antwort der Solidarität und Hilfe – zusammen mit der Arbeit der Notfalleinsatzkräfte und Krankenhausangestellten – hat nichts gemein mit der heuchlerischen Reaktion der Tory-Minister. Jene bekunden ihr Mitleid und ihre Trauer, während sie gleichzeitig eine Politik unterstützen, welche den Nährboden für solche Schandtaten bereitet.

    Terroranschläge werden in europäischen Städten häufiger. In Großbritannien werden sich nun Menschen im ganzen Land weniger sicher fühlen – auch weil der Anschlag außerhalb von London stattgefunden hat. Die Gründe für die Anschläge sind oft vielseitig und keine der Anschläge gleichen sich vollkommen. Doch ein roter Faden sind Verbindungen zu Gruppen wie dem sogenannten IS sowie Wut auf die Interventionen des westlichen Imperialismus im Nahen Osten.

    Von daher dürfen wir uns nicht nur gegen die reaktionären Organisationen wie den sogenannten IS stellen, welcher barbarische Angriffe auf einfache Menschen unterstützt oder durchführt. Es ist genauso wichtig, sich gegen die imperialistischen Kriege zu stellen und den sofortigen Rückzug der britischen Streitkräfte aus dem Nahen Osten zu fordern. Gleichsam müssen wir die Einheit der arbeitenden Menschen aufbauen – gegen Sündenbock-Politik, Rassismus und Spaltung. Wir halten mit sozialistischen Ideen dagegen – mit der einzigen Alternative zum jetzigen System, welches Armut, Krieg und Terrorismus nicht beenden kann und nicht beenden wird.

    Unfähigkeit der Tories im Kampf gegen den Terror

    Nach der Schandtat von Manchester wird Theresa May ohne jeden Zweifel ihr Gepose einer „starken und stabilen“ Haltung verdoppeln und verdreifachen, um als strenge „Anti-Terror“-Gesetzeshüterin dazustehen und ihre Wahlaussichten zu verbessern. Allerdings gab es eine ganze Menge von sogenannte Anti-Terror-Gesetzen in den letzten zwei Dekaden und keines davon konnte neue Anschläge, wie den vom März in Westminster oder den letzten furchtbaren Anschlag von Manchester, verhindern. Davor hatte die Socialist Party wiederholt gewarnt.

    Gleichzeitig bedeutet die unerbittliche Kürzungspolitik der Tories für viele Menschen, dass sie bei Anschlägen weitaus gefährdeter sind. Nach dem Anschlag bei Westminster haben wir darauf hingewiesen, dass die Kürzungen bei Notfalleinsatzkräften, Krankenhäusern und Verkehrsbeschäftigten unweigerlich die Schnelle der Hilfe für diejenigen verringern werden, die sie dringend brauchen.

    Es wurde berichtet, dass acht Krankenhäuser im Großraum Manchester Opfer des Anschlags behandelten, während gleichzeitig einige dieser Häuser von Kürzungen bedroht sind, bei welchen sie ihre 24-Stunden-Notfallversorgung verlieren könnten. Der Anschlag auf die Manchester Arena, welcher am späten Abend stattfand, offenbart die potenziell desaströsen Konsequenzen solcher Kürzungen, welche die Tories weiter anstrengen wollen.

    Während des Wahlkampfs wurde die Entschlossenheit der Tories, mit den erbarmungslosen Kürzungsmaßnahmen weiterzumachen, offensichtlich. Sie mussten heftige Gegenreaktionen einstecken, als ihre Pläne bekannt wurden, auf Sozialfürsorge angewiesene Menschen weiter zu bestrafen. Jetzt nach dem Anschlag muss ihre Selbstdarstellung als Verteidiger der einfachen, arbeitenden Menschen noch mehr entblößt und zurückgewiesen werden.

    Zustimmung zu Anti-Kriegs-Politik

    Die Zuganschläge im spanischen Madrid von 2004, bei welchen 191 Menschen starben, fanden während eines Wahlkampfs statt und die herrschende Volkspartei (Partido Popular; Anm. d. Ü.) versuchte, auf Kosten der Gräueltaten ihre Wahlaussichten auszubauen. Ihre Strategie ging komplett nach hinten los. Massive Wut entlud sich gegen sie, nach dem sie versucht hatten, baskischen Nationalisten die Schuld für die Angriffe zu geben. Tatsächlich wurde bekannt, dass die Täter aus Sympathie zu Al-Qaida handelten. Eine Stimmung der Abscheu gegenüber der Regierung und ihrer Pro-Irakkriegs-Position führten zum Wahlsieg der spanischen Sozialistischen Partei (PSOE; Anm. d. Ü.).

    Es war ein sehr konkreter Fehler der Volkspartei, welcher dieses Ergebnis mitherbeiführte. Doch im derzeitigen Wahlkampf in Britannien kann die Anti-Kriegs-Position von Jeremy Corbyn sogar noch mehr Resonanz finden und einen wichtige Rolle spielen. Corbyn ist seit langem ein entschiedener Gegner der Interventionen von Großbritannien und anderen westlich-kapitalistischen Mächten in den Kriegen in Afghanistan, Irak und Syrien. Diese haben massenhaft Verwüstung angerichtet und Leben gekostet. Sie haben die Bedingungen für das furchtbare Ausmaß an terroristischer Gewalt in diesen und anderen Ländern geschaffen.

    Wir von der Socialist Party sind ebenfalls klar gegen diese Kriege eingetreten und haben gewarnt, dass einfache, arbeitende Menschen im Nahen Osten und weltweit den Preis für sie zahlen werden: sowohl in finanzieller Hinsicht als auch hinsichtlich der dadurch hervorgerufenen Instabilität.

    Gleichzeitig verurteilen wir (wie auch Corbyn) die Ideologie und die abscheulichen Methoden von rechten, reaktionären Organisationen wie dem IS und Al-Qaida, welche danach trachten ein repressives, halb-feudales und kapitalistisches Kalifat zu errichten – ohne Arbeiterdemokratie und Grundrechte.

    Es ist die Aufgabe der Arbeiterklasse im Irak und in Syrien den Kampf gegen den IS anzuführen. Das muss mit dem Aufbau von Gewerkschaften, demokratischen und überkonfessionellen Verteidigungseinheiten etc. einhergehen und von der Solidarität der weltweiten Arbeiterbewegung unterstützt werden. Die imperialistischen Mächte ihrerseits intervenieren für ihr eigenes Prestige, ihren Einfluss und die Interessen ihrer Großunternehmen.

    Das schließt den britischen Imperialismus mit ein, ob er nun von den Tories oder von den Blairites (nach Tony Blair, rechter Flügel in der Labour Party; Anm. d. Übers.) vertreten wird. Es war ein schöner Zufall, dass im „morgendlichen Briefing“ des Guardians direkt nach der Nachricht zum Anschlag in Manchester eine weitere gelistet wurde, nach der im Tory-Wahlmanifest eine „beispiellose Unterstützung der fossilen Energieindustrie“ festgehalten wird. Die Chefs der Ölindustrie haben für Mays Wahlkampf Unterstützung von über 390.000 Pfund zugesagt, so der Artikel.

    Die Wahlen am 8. Juni halten eine so dringend nötige Möglichkeit bereit, die Tories aus der Regierung zu jagen und den Kampf gegen die Blairites in der Arbeiterbewegung voranzubringen, indem Jeremy Corbyn Premierminister wird. Das wäre ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg, die Austerität, die Armut und die dem Kapitalismus inhärenten Kriege zu beenden – jene Grundlagen für Spaltung, Rassismus und Terrorismus.

     

       

      Protest gegen französischen Multi TOTAL

      Am 31.3. organisierte das CWI einen internationalen Aktionstag gegen TOTAL. Der Konzern ist seinen ehemaligen Beschäftigten im extrem armen Jemen viel Geld schuldig. Von den ArbeiterInnen, die für ihre Rechte kämpfen, wurden drei ermordet! In Wien 11 organisierte die SLP eine Kundgebung vor dem Firmensitz. Mittels Transparent, Reden und Tafeln zeigten wir auf, dass Total für Profite offensichtlich über Leichen geht. TOTAL-Geschäftsführer Jezioro gab sich unwissend, als wir unsere Protestnote überreichten, die u.a. von GewerkschafterInnen und BetriebsrätInnen unterstützt wird. Die Aktion stieß in den umliegenden Bürogebäuden auf starkes Interesse. Wir erhielten Applaus aus den Fenstern, wo ein Kollege durch das Heraushalten einer roten Jacke signalisierte, dass er solche gewerkschaftlichen Anliegen unterstützt.

       

      Erscheint in Zeitungsausgabe: 

      Frankreich: Der neue Präsident wird die großen wirtschaftlichen und sozialen Probleme nicht lösen.

      Kämpfe und sozialistische Politik sind essentiell.
      Leila Messaoudi, Gauche Révolutionaire (CWI Frankreich)

      Emmanuel Macron, der bislang jüngste Präsident Frankreichs, ist ein Mann der zuvor niemals gewählt wurde und derzeit auch keine Partei hat. Er wird als „Außenseiter“ betrachtet, der sowohl die „linken“ (Sozialistische Partei) als auch die „rechten“ (Republikaner) besiegt hat und so in die zweite Runde am Sonntag des 7. Mai gegen Marine Le Pen vom Front National einziehen konnte. Doch ist er alles andere als ein unbeschriebenes Blatt und hat eine klare Haltung gegen die ArbeiterInnenklasse. (Siehe weitere Artikel vom CWI zum selben Thema).

      Während viele jetzt ob der Niederlage der extremen Rechten aufatmen und pro-EU PolitikerInnen die Bedrohung gegen die EU und den Euro abklingen sehen bedeutet die Wahl Macrons kein Ende der tiefen Krise und der Spaltungen innerhalb der französischen Gesellschaft. Emmanuel Macron kommt aus einer der größten Bankenorganisationen der Welt und wurde von Francois Hollande in die Regierung geholt, obwohl er kein Mitglied der SP ist, um jene harsche neoliberale Politik durchzuführen die so große Probleme für Frankreichs ArbeiterInnen und Jugendliche verursacht hat.

      Präsident Macron kann sich Massenopposition auf der Straße als auch bei den Parlamentswahlen im Juni gegenübersehen. Die untenstehende Stellungnahme von Gauche Révolutionaire (CWI Frankreich) beschreibt, dass die sieben Millionen Stimmen für Jean-Luc-Mélonchon ein riesiges Potential für sozialistische Ideen repräsentieren.

      Riesige Wut über die Wahl eines Repräsentanten der Großkonzerne und der Banken - Organisiert den Widerstand!

      Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich haben eine historische Zurückweisung „traditioneller“ Parteien demonstriert. In der ersten Runde wurden sowohl die „sozialistische“ Partei von Präsident Hollande als auch der korrupte rechte Kandidat Fillon von Sarkozys Les Republicains ausgelöscht. Die Stärke der sozialen Wut in der Gesellschaft drückte sich durch sieben Millionen Stimmen für Mélenchon und sein Programm eines kompletten Bruchs mit der Sparpolitik wegen der sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen verschlechtert haben, aus. Doch diese Stimmen waren nicht ausreichend um zu verhindern, dass Marine Le Pen und ihr modernisierter Front National (FN) in die zweite Runde einziehen konnten. Sie konnte deshalb in der zweiten Runde gegen den klaren Kandidaten der herrschenden Klasse, Emmanuel Macron, antreten.

      Letztendlich wurde Macron mit 65,8% der abgegebenen Stimmen gegen 34,2% für Le Pen gewählt. Man könnte meinen, dass die KapitalistInnen nun ihre willige Marionette an der Macht installiert haben und er nun ihre Politik der Austerität und Repression gegen ArbeiterInnen, Jugendliche, Erwerbslose und MigrantInnen mit neuer Kraft fortsetzt. Doch das ist keineswegs garantiert!

      Rekordzahl von „WeißwählerInnen“

      Nicht ausgefüllte oder ungültige Wahlzettel machten 12% aller Stimmen der zweiten Runde aus – ein historischer Rekord. Es hat die Medien zur Veröffentlichung der nicht Zahl der WeißwählerInnen gezwungen. Diese werden normalerweise nicht veröffentlicht. Wenn wir die Enthaltungen dazurechnen, sie belaufen sich auf 34% der WählerInnen, dann haben 16 von 47 Millionen registrierter WählerInnen (von 52 Millionen Volljähriger in Frankreich) nicht zwischen Le Pen und Macron „gewählt“.

      Das ist ein klares Zeichen, dass Macron von einer sehr schwachen Basis aus regieren muss und die kommenden Monate und Jahre sehr instabil sein werden. Hinter den Prozentzahlen verbirgt sich eine noch weniger glorreiche Wirklichkeit. Macron erhielt 20,4 Millionen Stimmen und Le Pen 10,6 Millionen. Trotz der drohenden Machtübernahme durch Le Pen erhielt Macron nur die Stimmen von 43,6% aller für die Wahl registrierten WählerInnen. Umfragen vor den Wahllokalen haben außerdem ergeben: 43% jener, die Macron gewählt haben, taten dies um Le Pen zu blockieren. Nur 16% unterstützten sein Programm.

      Macron: Politik gegen ArbeiterInnen und Jugendliche

      Macron hat eine Mission: Die Maßnahmen gegen öffentliche Dienstleistungen, die von Sarkozy und Hollande 15 Jahre gesetzt wurden, fortsetzen, Kündigungen umsetzen und den Arbeitsmarkt flexibilisieren. Er hat bereits angekündigt, dass er in den nächsten fünf Jahren 120.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst streichen will. Und er wird ein Arsenal von antidemokratischen Mechanismen, die in der Verfassung der fünften französischen Republik festgeschrieben sind, nutzen, um Gesetze, die für die KapitalistInnen lebenswichtig sind, durchzusetzen – genauso wie Manuel Valls es in seiner Zeit als rechte Hand von Holland getan hat. Er will mit Dekreten regieren, was bedeutet, das Parlament und Debatten über geplante Gesetze zu umgehen. Das erste ist bereits für Juni oder Juli geplant – es soll weitere Veränderung zuungunsten von ArbeiterInnen im Arbeitsgesetz des Landes bringen. Danach sollen weitere zu Arbeitslosengeld, sozialer Sicherheit, usw. kommen.

      Die Ablehnung solcher Maßnahmen ist massiv und hat sich während des Wahlkampfes gezeigt. Aber diese Wut und Ablehnung muss einen sozialen und politischen Ausdruck finden, der die Interessen von ArbeiterInnen, Jugendlichen und der Mehrheit der Bevölkerung nach vorne stellt. Denn es besteht die Gefahr, dass der Front National versuchen wird, von der Ablehnung gegenüber den Bossen zu profitieren und sie in die falschen Bahnen zu lenken, indem sie Rassismus und alle möglichen Formen von Diskriminierung verwendet.

      Für die herrschenden Klassen besteht eine große Instabilität. Es ist jetzt Zeit, auf die Straßen zu gehen, um klar zu machen, dass wir diese durch und durch unsoziale Politik ablehnen. Die Führung der Gewerkschaftsdachverbände können nicht weiter schweigen wenn eine zehnfache Änderungen des Arbeitsgesetzes angekündigt werden, nachdem der Widerstand gegen das El-Khomri-Gesetz vor nicht einmal einem Jahr Millionen auf die Straße gebracht hat. Wir müssen uns organisieren und unsere kollektive Stärke zeigen, und können damit nicht bis Ende Juni warten.

      Le Pen will die Oppositionskraft gegen Macron spielen. Nicht mit uns!

      Für Le Pen und den FN war die Wahlkampagne nicht so einfach. Sie hofften auf der Welle der weitverbreiteten Unzufriedenheit reiten zu können und haben im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erreicht. Aber die Kampagne von Mélenchon hat viel von ihrer Unterstützung untergraben. Sie konnte in der zweiten Runde 10,6 Millionen Stimmen erreichen, also 3,5 Millionen mehr als in der ersten Runde. Möglicherweise kamen diese von den reaktionärsten, rechtesten Fillon-WählerInnen und jene des Chauvinisten Dupont-Aignon (der in der ersten Runde 1,7 Millionen Stimmen bekam). Es kamen bestimmt auch manche Stimmen von jenen, die verständlicherweise den Banker Macron verhindern wollten, indem sie (fälschlicherweise) für Le Pen stimmten, die weiterhin eine echte kapitalistische Kandidatin und der schlimmste Feind der „normalen Menschen“ bleibt.

      Jetzt will sie versuchen, ihre Partei komplett zu verändern. Am Sonntag (den 8. Mai) hat Le Pen ihr Vorhaben ganz klar angekündigt: Die Gründung einer neuen Partei in den nächsten Monaten, die die Menschen, die gegen Macrons Politik sind, zusammenbringt. Aber das hat bereits Widerstand in der FN selbst erzeugt, speziell unter den UnterstützerInnen von Marion Maréchal-Le Pen, die eine Aussöhnung mit bestimmten Teilen der klassischen Rechten ablehnen. Die Herausforderung besteht für den FN darin, von der Wut, die sich aufgestaut hat zu profitieren, aber es ihren FührerInnen gleichzeitig auch zu ermöglichen, Karriere zu machen. Die Spannungen werden sich vervielfachen, besonders, wenn die wirkliche Opposition zu Macorn, jene von ArbeiterInnen und Jugendlichen, Forderungen aufstellt, die jenen des Front National (unter welchem Namen auch immer) widersprechen.

      Die Wahlen zur Legislative 2017

      Die nächsten bundesweiten Wahlen finden in einem Monat statt, am 11. und 18. Juni 2017. Dabei werden die Mitglieder der Nationalversammlung gewählt. Es ist klar, dass sie tatsächlich die 3. und 4. Runde sein werden, in denen die Wut und der Wille, sich zu wehren, Ausdruck finden wird.

      Mehr als je zuvor ist es notwendig, dass ArbeiterInnen, Jugendliche und jene, die in den ärmeren Regionen Frankreichs leben, einen unabhängigen politischen Ausdruck finden, um die Parteien, die für den Kapitalismus antreten, zu konfrontieren: Macrons Bewegung „En Marche!“, die zerbröckelnde „sozialistische“ Partei (PS), die EELV (Europa Ökologie – Die Grünen) (die bereits eine Allianz mit Macrons Partei anstreben), die RepublikanerInnen und die FN.

      Für Mélenchons Kamapgne sind KandidatInnen notwendig, die für einen Bruch mit der Kürzungspolitik stehen. Wir können keine Abmachungen mit Parteien, die diese umsetzen, wie die PS oder Teile der EELV, akzeptieren. Wir brauchen KandidatInnen, die gegen Kündigungen kämpfen, wie die KollegInnen bei Whirlpool oder Tati, die gegen den Abbau von öffentlichen Dienstleistungen, gegen die Zerstörung der Umwelt, für Lohn- und Pensionserhöhungen, Arbeitszeitverkürzung und mehr Jobs, kämpfen. KandidatInnen, die sich von den korrupten und karrieregeilen von „En Marche!“, der RepublikanerInnen, der PS und der FN völlig unterscheiden, würden das zeigen, indem sie nur den durchschnittlichen Lohn eines/einer FacharbeiterInnen annehmen würden.

      Wir sind dafür, in jedem Wahlkreis nur eineN KandidatIn rund um dieses Programm aufzustellen. Es sollte möglich sein, für den/die selbeN KandidatIn zu kampagnisieren, egal, ob von Mélenchons La France insoumise („Unbeugsames Frankreich“, FI) oder der französischen Kommunistischen Partei (KPF), bei gleichzeitiger Wahrung ihrer eigenen Freiheit, sich auszudrücken, wenn sie das wollen. Ein Abmachung sollte getroffen werden, wenn schon nicht für eine gemeinsame Kampagne, dann zumindest eine Aufteilung der Wahlkreise. Dass ist entscheidend. Aber wenn die KPF, was scheinbar der Fall ist, fordert, in einer großen Mehrheit der Wahlkreise die HauptkandidatInnen zu stellen und der FI nur jene Gegenden zu überlassen, in denen Mélenchons Ergebnis bei der Präsidentschaftswahl schwächer war, dann wird leider kein anderes Abkommen möglich sein als jenes, das FI schon vorgeschlagen hat: 26 Wahlkreise zu finden, die für die KPF gewinnbar sind und 26 für FI, sodass es keine Konfrontation zwischen den beiden Bewegungen geben wird.

      Man muss nicht abwarten, um eine kämpferische Linke aufzubauen!

      Angesichts der Tatsache, dass die Politik im Interesse der Bosse fortgesetzt wird, hat die wirkliche Linke eine große Verantwortung und kann das Feld nicht dem FN überlassen. Wir müssen auf dem Schwung aufbauen, der durch die Kampagne um Mélenchon in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen ausgelöst wurde. Das Ergebnis von Mélenchon brachte Hoffnung für „gewöhnliche“ Leute und ein fortschrittliches Programm, das jene angreift, die wirklich für die Krise verantwortlich sind: Die Superreichen, die Banken, die BesitzerInnen von Aktienpaketen.

      Mélenchon war am 23. April (1. Runde) nicht weit davon enfernt vor Le Pen zu liegen was die Medien in Alarmbereitschaft versetzte (neun MilliardärInnen besitzen aktuell 90% der französischen Medien). Die ungezügelte Offensive der JournalistInnen und der herrschenden Klassen gegen Mélenchon, die so weit ging, dass er mit Stalin verglichen wurde, zeigte ihre Angst, dass die Massen sein wirtschaftliches und soziales Programm übernehmen und versuchen würden, es in der Praxis umzusetzen.

      Wir müssen eine neue politische Kraft mit einer Massenbasis aufbauen, die fähig ist, Wut und Widerstand rund um ein wirtschaftliches und soziales Programm zu organisieren, das jene identifiziert, die wirklich verantwortlich sind: Die KapitalistInnen und ihre RepsräsentantInnen. Hunderttausende von Mélenchons WählerInnen wollen einen Kampf um sein Programm führen. Was in den letzten beiden Wochen der Kampagne gefehlt hat, war eine besser strukturierte FI-Organisation, die fähiger gewesen wäre, sich als eine radikale und kämpferische Bewegung gegen pro-kapitalistische KandidatInnen zu verankern.

      Es ist dringend nötig, sich in diese Richtung zu bewegen, denn die Kandidatur für die Wahlen zur Legislative werden Organisierung brauchen. Und vor Allem werden die Wahlen bereits eine Möglichkeit sein, zu verhindern, dass Macron eine Mehrheit in der Nationalversammlung bekommen. Der Wahlkampf ist eine Möglichkeit, einen massenhaften Kampf gegen seine Politik aufzubauen, der Demonstrationen und Streiktage beinhalten wird.

      Wir sind für eine solche politische Massenorganisation des Kampfes, eine neue, wirklich demokratische Partei, die ArbeiterInnen, Jugendliche und all jene, die genug haben vom Kapitalismus zusammen bringt. Dafür gibt es nicht eine vielzahl von Lösungen sondern nur eine! Wir müssen einen Kampf führen, um die kapitalistische Diktatur zu beenden, indem wir der KapitalistInnenklasse die Produktionsmittel wegnehmen und die großen Sektoren der Wirtschaft in öffentliches Eigentum unter der Kontrolle und Verwaltung durch gewählte VertreterInnen der Bevölkerung überführen. Eine neue Kraft kann aufgebaut werden mit Massenmobilisierungen und der Diskussion eines Anti-Kürzungs-Programmes, aber auch durch die Verteidigung des demokratischen Sozialismus gegen den Kapitalismus und seiner Diktatur des Profits.

      Mit Mélenchons’ Ergebnis und der FI-Kampagne wurde ein großer Schritt in diese Richtung gemacht und wir können sagen, dass die KapitalistInnen von jetzt an einer echten Opposition gegenüberstehen und dass sie wachsen und sich aufbauen wird.

      Auf diese Art und Weise wird Gauche Revolutionnaire in der nächsten Periode weiterkämpfen! Mach mit!

      Historischer Kongress von „Izquierda Revolucionaria“ in Spanien

      Einstimmiger Beschluss zur Vereinigung mit dem CWI
      Izquierda Revolucionaria

      Der Kongress von „Izquierda Revolucionaria“ (IR – Revolutionäre Linke) im spanischen Staat fand vom 13. bis zum 16. April in Madrid statt. Es war zwar der 22. Kongress seit sich unsere marxistische Organisation um die Zeitung „El Militante“ gegründet hat, aber der außergewöhnlichste seit vielen Jahren.

      Teilgenommen haben fast 200 ArbeiterInnen und junge AktivistInnen aus sozialen Bewegungen, der Arbeiter- und der Studierendenbewegung, die aus über dreißig Städten im spanischen Staat nach Madrid gekommen waren. GenossInnen von IR aus Mexiko und Venezuela waren ebenso anwesend wie auch Mitglieder der revolutionären CWI-Sektionen aus Belgien, Schottland und Portugal. Ebenfalls mit dabei waren VertreterInnen des Internationalen Sekretariats des CWI.

      Kapitalistische Krise und verstärkter Klassenkampf

      Die Diskussionen des Kongresses erstreckten sich über vier Themenfelder: Internationale und spanische Perspektiven, Marxismus und die Befreiung der Frau, der Vereinigungsprozess mit dem CWI und Aufbau der Partei – Strategie und Taktik.

      Die Perspektiven-Diskussion fand von Donnerstagnachmittag bis Freitagvormittag statt. Das Einleitungsreferat war in zwei Teile unterteilt. Tony Saunois vom Internationalen Sekretariat des CWI war der erste Redner. Er lieferte einen allgemeinen Überblick über die weltweite Krise des Kapitalismus, die Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten und das stärker werdende geopolitische Ungleichgewicht des Systems. Er beschrieb auch den an Schärfe zunehmenden Klassenkampf und die stärker werdende politische Polarisierung. Besonderes Augenmerk legte er dabei auf den Wahlsieg von Trump in den USA, den Brexit und die Ereignisse, die sich in Frankreich abzeichnen.

      Nach ihm sprach Juan Ignacio Ramos, der Generalsekretär von IR. Er schilderte ausführlich die derzeitigen Hintergründe des Klassenkampfes im spanischen Staat und die Krise des Regimes. Er erläuterte die Perspektiven von PODEMOS und den Prozess der Neuordnung der Linken, die an Dringlichkeit zunehmende nationale Frage und die neuen Kämpfe, die gegen das neue „Dreier-Bündnis“ (aus konservativer PP, ex-sozialdemokratischer PSOE und der neuen Partei „Ciudadanos“) aufgenommen worden sind, sowie die Aufgaben, die sich daraus für MarxistInnen in dieser Phase ergeben.

      In der sich anschließenden Debatte wurden alle bedeutenden Aspekte aufgegriffen, die für die politische wie gesellschaftliche Situation in den ausschlaggebenden Ländern der Welt von Belang sind: der Krieg in Syrien, die Präsidentschaft von Trump, die Unterstützung für sozialistische Ideen in den USA, der Brexit und die Perspektiven für die EU, die Wahlen in Frankreich, die Erfahrung mit der „linken“ Regierung in Portugal, die Ereignisse in Griechenland, die Situation in Lateinamerika (Venezuela, Argentinien, Brasilien, Mexiko etc.), die Weltwirtschaft … All diese und noch weitere Problemstellungen wurden diskutiert. In Ergänzung dazu wurden noch die konkrete Situation in Spanien, die Politik der linken Kommunalregierungen in den Großstädten, die reale ökonomische Lage und die katastrophalen Auswirkungen der PP-Politik für die abhängig Beschäftigten erörtert. Berücksichtigt wurde auch der Kampf für eine Gewerkschaftsarbeit, die wieder kämpferisch und im Sinne der Arbeiterklasse ausgerichtet sein muss, sowie die nationale Frage, wie sie sich in Katalonien und im Baskenland stellt.

      Das zusammenfassende Schlusswort zu diesem Arbeitskreis über die Perspektiven hielt Danny Byrne vom Internationalen Sekretariat des CWI. Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen, die sich aus der Debatte ergab, kann in einer Idee zusammengefasst werden: dass es jetzt nötiger denn je ist, eine revolutionäre Massenorganisation aufzubauen, die in der Lage ist das gigantische Potential, das die Arbeiterklasse in den Kämpfen gegen Kürzungen und Austerität an den Tag legt, zu kanalisieren.

      Von der Russischen Revolution bis heute: Für die Rechte der Frau!

      Die soziale Rebellion, die in vielen Ländern zu verzeichnen ist, hat diejenigen, die am stärksten unterdrückt werden, bei den Auseinandersetzungen in die vorderste Reihe gebracht. Millionen von Frauen, die bei der Arbeit, im Bereich der Bildung, zu Hause, auf der Straße und auf sexueller Ebene Ausbeutung erleben, sind Opfer institutionalisierter und gesellschaftlich-begründeter Gewalt, die tausende das Leben kostet. Die Regierungen und das System nehmen das billigend in Kauf.

      Die Sitzung, die sich mit diesen für die Zukunft der Weltrevolution wichtigen Aspekten befasste, widmeten wir den Freitagabend. Barbara Areal vom Vorstand von IR übernahm die Einleitung vor der Diskussion. Sie setzte bei den Erfahrungen an, die in der Russischen Revolution von 1917 gemacht wurden, und sprach über die Fortschritte, die sich daraus auf juristischer wie auf praktischer Ebene für die Befreiung der Frauen aus der Arbeiterklasse ergeben haben. In der Diskussion befassten wir uns dann mit revolutionären Pionierinnen dieses Kampfes: Alexandra Kollontai, Nadja Krupskaya, Clara Zetkin, Elena Stasova, Konkordia Samoilova u.a. Aber auch mit dem Rückschritt, den der Stalinismus für die Befreiung der Frau bedeutet hat. Schließlich ging es noch um die Aufgaben, vor denen wir heute stehen, um dieses grausame Unterdrückung zu beenden.

      Die Einleitung befasste sich mit essentiellen Aspekten, die das Programms des sozialistischen Feminismus verteidigen muss: das Recht auf kostenlose Abtreibung, den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen, gegen staatliche Unterdrückung und die Ketten, die uns die katholische Kirche auferlegt, und die Notwendigkeit, die Frauenbewegung mit klassenbewussten und revolutionären Inhalten auszustatten. Das Einleitungsreferat endete damit, die Aufgabe hervorzuheben, die wir uns zu diesem Thema selbst gestellt haben: Stärkung von „Libres y Combativas“, der revolutionären, anti-kapitalistischen und sozialistisch-feministischen Plattform, die wir zusammen mit der Schüler- und Studierendengewerkschaft „Sindicato de Estudiantes“ gegründet haben.

      Die sich anschließende Debatte, in der eine ganze Reihe von Redebeiträgen gemacht wurden, befasste sich mit zahlreichen Aspekten: von den massiven Mobilisierungen, die weltweit zur Verteidigung von Frauenrechten stattfinden, über die Notwendigkeit, die Bewegung für die Rechte der LGBTI-Community zu verteidigen sowie gegen deren Kommerzialisierung ankämpfen zu müssen, bis hin zur zentralen Aufgabe, die darin besteht zu begreifen, dass das Geschlecht den Gegensatz zwischen den gesellschaftlichen Klassen nicht aufhebt. Die Interessen und Ziele der Frau aus der Arbeiterklasse, ihr täglicher Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung hat nichts gemein mit Maria Cospedal (Generalsekretärin der konservativen „Partido Popular“), Esperanza Aguirre (PP-Vorsitzende der Region Madrid), Ana Botín (Aufsichtsratsvorsitzende der „Banco Santander“), Hillary Clinton oder Theresa May. Der Kampf für die Befreiung der Frau aus der Arbeiterklasse ist durch und durch verbunden mit dem Kampf für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft.

      Aufbau der marxistischen Kräfte

      Die Sitzung zum Thema „Aufbau der Partei“ wurde von Carlos Ramirez eingeleitet und am Ende von Victor Taibo zusammengefasst. Beide sind Mitglied im Vorstand von „Izquierda Revolucionaria“. Die Diskussion war gespickt mit Berichten von IR-Interventionen und -Aktionen sowohl in der Arbeiter- als auch in der Jugendbewegung. Es ging aber auch um die Fortschritte, die wir in der letzten Zeit bei der Neugewinnung von Mitgliedern und der Entwicklung einer neuen Schicht von Kadern machen konnten. GenossInnen aus Venezuela und Mexiko berichteten von den Erfahrungen, die sie in diesen Ländern gemacht haben. Die Anwesenheit von GenossInnen der verschiedenen Sektionen des CWI half uns, uns auch mit der Entwicklung der marxistischen Kräfte in anderen Ländern zu beschäftigen. Ihre Beiträge bereicherten die Diskussion.

      Es ist nötig, die Arbeit der jungen KämpferInnen von IR zu betonen, die das „Sindicato de Estudiantes“ (SE) aufgebaut haben. Unsere SchülerInnen- und Studierendengewerkschaft hat in der vergangenen Zeit ein spektakuläres Wachstum zu verzeichnen. Der Kampf, den SE zur Verteidigung der öffentlichen Bildung geführt hat, hat die Regierung gezwungen, einen der heftigsten Bestandteile ihrer reaktionären Bildungsreform wieder zurückzunehmen: die Zentralprüfungen, die aus der Franco-Zeit stammen. Die Entschlossenheit, mit der SE den Kampf geführt hat, hat es der Bewegung außerdem ermöglicht, große Teile der Strategie der bürokratischen Gewerkschaftsvorstände von CCOO und UGT zunichte zu machen, die – genau wie der Parteivorstand der PSOE einen „Bildungspakt“ unterzeichnen wollten, um die Massenbewegung zu beenden und zur Demobilisierung beizutragen.

      Ebenfalls hervorgehoben wurde die Produktion marxistischer Literatur durch die „Friedrich Engels Stiftung“ (FFE). Bei der FFE handelt es sich z.Zt. um den wichtigsten spanischsprachigen Verlag für marxistische Veröffentlichungen weltweit. Er verfolgt das Ziel, die Arbeiterbewegung im entscheidenden Moment mit theoretischem Wissen zu bewaffnen.

      Vereinigung der marxistischen Kräfte

      Der intensivste Teil des Kongresses war ohne Zweifel die Sitzung, die im Zeichen der Vereinigung von IR und CWI stand. Tony Saunois leitete dies ein und bezog sich dabei auf die Geschichte von „Militant“, die revolutionäre Organisation, die in den 1970er und -80er Jahren gegen die rechtslastige Bürokratie in der britischen „Labour Party“ gekämpft hat. Damals zählte man allein in Großbritannien 8.000 Mitglieder und führte einen großen Kampf gegen Margaret Thatcher. „Militant“ wurde zur einflussreichsten trotzkistischen Organisation in Europa und bildete die Keimzelle, aus der heraus sich das CWI entwickelt hat.

      Der Sturz der UdSSR und der stalinistischen Regime in Osteuropa führte einen Wendepunkt in der Zeitgeschichte herbei und bildete den Beginn einer wüsten ideologischen Kampagne gegen die Ideen des Sozialismus. Vor diesem Hintergrund sahen sich MarxistInnen gezwungen, große Anstrengungen zu unternehmen, was die Fragen von Theorie und Taktik angeht. Angesichts einer äußerst komplexen Situation mussten wir uns neu orientieren. Diese Veränderungen bildeten auch den Rahmen, in dem es zur Abspaltung von IR vom CWI kam.

      Nach jahrzehntelanger Arbeit auf getrennten Wegen haben unser Eingreifen in den Klassenkampf und unsere Analysen über den Charakter der Epoche wie auch die nötige Strategie und Taktik für den Aufbau marxistischer Massenparteien dazu geführt, das wir wieder zueinander gefunden haben. Wir sind ein und dieselbe Organisation mit ein und derselben Methode und Analyse und teilen dieselbe Vergangenheit. Auf dieser Grundlage findet nun die Wiedervereinigung unserer beider Organisationen statt, die uns beide auf ein neues Niveau bringt.

      Mit großer Begeisterung haben die Delegierten und Gäste des Kongresses einstimmig für die gemeinsame Erklärung gestimmt, die den Weg zur Vereinigung freimacht und von den Internationalen Vorständen des CWI sowie von IR vorgestellt wurde. Dieser Vereinigungsprozess wird im Juli dieses Jahres in Barcelona in einen Vereinigungskongress und eine öffentliche Veranstaltung in Gedenken an die Russische Revolution münden. Wir hoffen, dass sich mehr als 600 Menschen daran beteiligen werden.

      Unser Vertrauen in die Ideen des Marxismus und die Kapazitäten unserer gesellschaftlichen Klasse, die Gesellschaft transformieren zu können, konkretisierte sich anhand des beeindruckenden Ergebnisses des Spendenappells, den wir traditionell bei unseren Kongressen durchführen. Am Ende kam eine historische Summe zusammen, die all unsere Erwartungen bei weitem übertroffen hat.

      Während des Kongresses gab es mehr als siebzig Redebeiträge, wodurch er einer der Kongresse mit der stärksten aktiven Beteiligung in unserer Geschichte war. Vor allem die Rolle, die unsere weiblichen Genossinnen in allen Debatten gespielt haben, ist erfreulich.
      Im Laufe des Kongresses wurden die Grußworte von den CWI-Sektionen aus Griechenland, Belgien, Chile, Portugal, Australien, Deutschland, den USA, Schweden, Brasilien, Schottland, England & Wales, Irland und China verlesen.

      Beendet wurde der Kongress am Sonntagmittag mit dem gemeinsamen Singen der Internationale. Es war ein Kongress, der die Grundlagen für einen qualitativen Schritt nach vorne beim Aufbau der marxistischen Kräfte in Spanien und international schaffen wird.

       

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