Internationales

Internationale Notizen - Südafrika - Großbritannien - Israel/Palästina

SAFTU Streik in Südafrika
Am 25. April beteiligten sich zehntausende ArbeiterInnen an landesweiten Streikdemonstrationen der linken, kämpferischen Gewerkschaft SAFTU. Sie forderten v.a. eine Erhöhung des Mindestlohnes, der momentan bei gerade 1,25€/Stunde liegt. Begleitet wurde der Streik von Einschüchterungen durch die Polizei und Einschränkungen des Streikrechts durch die Regierung. Die WASP (Partei der ArbeiterInnen und SozialistInnen, CWI in Südafrika), nahm führend an der Organisation des Streiks teil. Vor allem arbeitet die WASP daran, KollegInnen in anderen Gewerkschaftsverbänden, die von ihrer zurückhaltenden Gewerkschaftsführung enttäuscht sind, zu erreichen. Auch die Forderung nach einer neuen sozialistischen ArbeiterInnenpartei wurde eingebracht, da auch eine politische Vertretung nötig ist.

http://www.workerssocialistparty.co.za

London: Solidarität für TamilInnen
Am 16. Juni fand in London der Tamil Solidarity Day statt. Organisiert wird er von der Kampagne Tamil Solidarity (TS), die 2009 auf Initiative der Socialist Party (CWI in England und Wales) entstand. Es fand eine Reihe von Diskussionen statt, an denen auch VertreterInnen anderer tamilischer Organisationen teilnahmen. Bemerkenswert war auch die Teilnahme von britischen GewerkschafterInnen und die Debatte über die Lage der tamilischen ArbeiterInnen in Britannien. Ein wichtiger Ansatz von TS ist es, den Kampf für die Rechte der TamilInnen nicht isoliert von den sozialen Bewegungen in Britannien zu führen. Genaueres über TS und die Lage in Sri Lanka und Indien kannst du am Sommercamp der SLP (19.-26. August) erfahren.

http://www.socialistparty.org.uk

www.tamilsolidarity.org

Soliproteste für Gaza
Die israelische Gewalt gegen die Massenproteste in Gaza führte auch in Israel zu Demonstrationen. Socialist Struggle Movement (CWI in Israel/Palästina) beteiligt sich aktiv und macht klar, dass Protest kein Terror ist. Weil die größte Bedrohung der Menschen in Israel die Politik der israelischen Regierung ist, braucht es auf beiden Seiten der nationalen Trennlinie den Kampf für sozialistische Veränderung.

http://www.socialism.org.il

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

SLP | SAV Sommercamp 2018

Sonne, Streik, Sozialismus: 90 TeilnehmerInnen diskutieren eine Woche über sozialistische Ideen
Christoph Glanninger

Unzählige Workshops

GewerkschaftsaktivistInnen
aus Slowenien berichten

PartisanInnendenkmal
am Peršmanhof

Solidaritätsbotschaft an die
streikenden ArbeiterInnen von Pula

Streik in Pula

Alle Workshops

Von 19.-26. August fand zum vierten mal das gemeinsame CWI-Sommercamp der Sozialistischen LinksPartei und der Sozialistischen Alternative statt. Mit dabei waren 90 SozialistInnen aus 10 Ländern, die eine Woche lang über den Widerstand gegen Rassismus, Sexismus und Kapitalismus diskutierten.

Umfangreiches Angebot: vom Widerstand der kärtner SlowenInnen zur trotzkistischen Bewegung in Sri Lanka

Dabei gab es ein abwechslungsreiches Angebot an Workshops und Diskussionen. In zahlreichen Workshops zogen TeilnehmerInnen z.B. die Lehren aus historischen Ereignissen wie dem Prager Frühling 1968, der Nelkenrevolution in Portugal 1974 oder der PartisanInnenbewegung in Griechenland und Kärnten / Koroška. Zentral waren aber auch Erfahrungen aus aktuellen Bewegungen und Ereignissen, z.B. berichteten SozialistInnen aus Portugal und Griechenland über ihre Erfahrungen mit der EU-Sparpolitik und dem Widerstand dagegen. Bei anderen Workshops diskutierten kämpferische BetriebsrätInnen und GewerkschaftsaktivistInnen darüber wie wir den „ÖGB aufrütteln“ können und wie kämpferische Gewerkschaftspolitik ausschauen müssten.

Einen weiteren Schwerpunkt des Kampf bildeten aber auch Diskussionen rund um die Themen Feminismus, Frauenbefreiung und der Kampf für gleiche Rechte für LGTBQ-Personen. Die Workshops wurden organisiert von Aktivistinnen der feministischen Kampagne „Nicht mit mir“ und beschäftigten sich unter anderem mit der femnistischen Bewegung in Argentinien, dem „Ausverkauf des Feminismus“ oder „Campaign against domestic violence“ (einer Kampagne gegen häusliche Gewalt innerhald der englischen Gewerkschaftsbewegung).

Einen weiteren Höhepunkt bildete aber auch der jährliche Besuch beim Peršmanhof, einem Denkmal und Museum für slowenische PartisanInnen die im zweiten Weltkrieg dort von Nazis ermordet worden waren.

Unter den Gästen aus 10 unterschiedlichen Ländern waren nicht nur Mitglieder unserer Schwesterorganisationen, sondern auch GewerkschaftsaktivistInnen aus Slowenien. Die über den Kampf für ArbeiterInnenrechte im Land berichteten.

Solidarität mit streikenden WerftarbeiterInnen in Pula

Internationalismus bedeutet aber für uns nicht nur Diskussionen und ein internationalistisches Camp sondern immer auch konkrete Praxis. Mehrere TeilnehmerInnen des Camps nutzten den programmfreien Tag des Camps um einen Streik von WerftarbeiterInnen im 300 Kilometer entfernten Pula zu unterstützen. Gemeinsam mit kroatischen SozialistInnen von Radnička Fronta betiligten wir uns an den Protesten. Die Proteste fordern die Bezahlung ausstehender Löhne und einen Rücktritt des Management, gleichzeitig besteht auch die Angst vor einer Pleite, die, die Jobs von 4.500 Beschäftigten der Uljanik Gruppe bedroht.

ArbeiterInnen drückten ihre Wut durch eine entschlossene Spontandemonstration durch die Stadt aus, bei der sie überwältigende Solidarität von der Bevölkerung erhielten. Auch CWI-Mitglieder überbrachten ihre Solidarität und diskutierten mit einem Mitglied des inoffiziellen Streikkommittees über Möglichkeiten für den Aufbau von internationaler Solidarität.

Kraft tanken für einen heißen Herbst

Neben dem umfangreichen politischen Programm gab es auch mehr als genug Gelegenheiten für Erholung, Sport, gemeinsames musizieren, Wandertouren und andere viele andere Aktivitäten.

Den Abschluss bildete eine internationale Rally mit RednerInnen aus Deutschland, Österreich, Portugal, Großbritannien, Griechenland und Tschechien unter dem Titel „Nein zur EU der Banken und Konzerne – Für ein sozialistisches Europa“.

Durch die Mischung aus politischen Diskussionen, Praxis und Entspannung, bietet das SLP | SAV Sommercamp mittlerweile zum die ideale Vorbereitung für die bevorstehenden politischen Entwicklungen.

 

In Chemnitz und überall: Nazis und Rassisten stoppen!

Sächsische Polizei einmal mehr Erfüllungsgehilfe der Rechten
Steve Kühne, Dresden

Die Bilder sind schockierend: Über fünftausend Rechte ziehen durch die Innenstadt im sächsischen Chemnitz. Sie schlagen auf MigrantInnen ein, bewerfen GegendemonstrantInnen mit Flaschen und Steinen, attackieren JournalistInnen. Die Polizei ist nicht Willens oder nicht in der Lage die Nazis zu stoppen.

Anlass war der tragisches Tod eines 35jährigen am Rande des Chemnitzer Stadtfestes, dessen Hintergründe noch immer im Dunkeln liegen. Inzwischen sind ein Syrer und ein Iraker für die Tat verhaftet worden. Sogleich gingen Gerüchte um einen zweiten Toten durchs Netz. Auslöser solle ein Streit bezüglich des Übergriffs auf mehrere Frauen gewesen sein. All das kam aus dem Reich der Phantasie, ausgedacht, um – wie es die Antonio-Amadeo.Stiftung ausdrückte – Pogromstimmung zu schüren. Eifrig verbreitete besonders die Bildzeitung die Mär von einem Übergriff auf deutsche Frauen, den drei deutsche verhindern wollten. Die Polizei widersprach dieser Darstellung entschieden.

Sogleich fanden sich rechte Gruppen wie „Kaotic Chemnitz“ oder „NS Boys“, aber auch die AfD, die über soziale Netzwerke, zu Demonstrationen noch am Sonntag, dem Tattag aufriefen. Es kamen gut eintausend Menschen, aus deren Mitte von der Polizei weitgehend ungehindert MigrantInnen und AntifaschistInnen angegriffen wurden. Tags darauf demonstrierten über fünftausend Rechte, die überregional mobilisiert hatten.

Den Tod des Chemnitzers zum Anlass für diese Gewaltorgie herbeizuziehen ist perfide: Er hatte kubanische Wurzeln und war damit ganz sicher nicht einer jener Menschen, die „Kaotic Chemnitz“, die „NS Boys“ oder die AfD hier dulden wollen. Mehr noch: Auf seiner Facebookseite hatte er Seiten wie „DIE LINKE Chemnitz“, „FCK NZS“ (Fuck Nazis) und „Storch Heinar“ (eine Persiflage auf die rechte Bekleidungsmarke Thor Steinar) geliked.

Das gerade der Tod dieses Mannes für völlig aus dem Ruder laufende rechte Demos liefern muss, ist unfassbar. Selbst der sächsische Innenminister Wöller (CDU) musste inzwischen einräumen, dass das Vorgehen der Rechten in punkto Gewaltanwendung eine neue Qualität erreicht habe.

Sachsen: Rechte Vorfälle häufen sich

Seit Oktober 2014 geht in Dresden die rassistische PEGIDA-Bewegung auf die Straße. Die Jahre haben das Bundesland verändert, auch wenn die PEGIDA-Aufmärsche nur noch einen bruchteil der Menschen mobilisieren wie zu Beginn. Rechte Gruppierungen bekommen Rückenwind und fühlen sich ermuntert. Wie Franziska Schreiber, ehemalige Landesvorsitzende der Jungen Alternative (JA), der Jugendorganisation der AfD, in ihrem kürzlich erschienen Buch festhält, rekrutierten gerade JA und AfD auf den Demos in Dresden neue Anhänger. Die Wahlerfolge dieser Partei und ihre rassistischen Reden und Statements geben rechten Brandstiftern zusätzlich Auftrieb.

Wie der Vorfall um das Kamerateam des ZDF während einer PEGIDA_Demo gegen die Kanzlerin im August zeigt, bei der ein LKA-Mitarbeiter die Polizei dazu bringt die Arbeit der JournalistInnen unter dem Vorwand einer Kontrolle zu behindern, zeigt wie sehr der sächsische Staatsapparat von Rechten und Rassisten unterwandert zu sein scheint. Ebenso der Fall um den Richter Jens Meyer, der nun für die AfD im Landtag sitzt und in einer Rede im Vorprogramm von Höcke im Dresdner Ball- und Brauhaus Watzke die NPD lobte, als Partei, die immer deutsche Interessen vertreten habe. Derlei Vorfälle lassen sich beliebig weiter aufzählen.

Sie zeigen vor allem eines: Den Kampf gegen Rassisten, Nazis, Rechtspopulisten und Reichsbürger werden wir nur gemeinsam gewinnen können. Wir können uns dabei nicht auf den von rechts durchlöcherten Staatsapparat verlassen. Wer Rechte stoppen will, der muss dazu auf die Straße gehen, in Betrieb, Schule und Uni aktiv werden. Wir müssen uns zusammen schließen und organisieren, auch um uns gegen Nazi-Gewalt organisiert zu verteidigen, denn das wird die Polizei nicht verlässlich machen.

Der sächsische Innenminister betont, er stehe hinter der Polizei. Heidenau, Bautzen, Freital, Colditz – all das sächsische Orte. Sie alle sind durch rassistische Übergriffe bekannt geworden. Brennende Unterkünfte von Asylsuchenden, tätliche Übergriffe… – die Liste ist lang und erschreckend. Und in keinem dieser Fälle spielte die Polizei eine ruhmreiche Rolle. Stets ließ man Recht gewähren und nicht selten wurde gleichzeitig massiv gegen linke Gegenproteste vorgegangen.

Gerade dort, wo DIE LINKE eher als Teil des Establishment gesehen wird – in Ostdeutschland – feiert die AfD Erfolge. Dabei gibt sie keine Antwort auf Verarmung oder Niedriglohnpolitik: Sie will laut ihres Vorsitzenden Meuthen und Alice Weidel die Rente vollends auf private Finanzierung umstellen und damit schadet sie vorrangig denen, die sich wegen ihres geringen Einkommens nicht leisten können private Rentenvorsorge zu betreiben. Weidel ist Mitglied in der neoliberalen Hayek-Gesellschaft, die es sich zum Ziel gemacht hat, die Großunternehmer von jeder sozialen Einschränkung zu befreien. Die AfD steht nicht für eine Ende des Sozialabbaus, sondern für dessen radikale Fortsetzung.

Wir können gewinnen

Und doch gibt es auch Hoffnung: Als am 25.08. die faschistische Identitäre Bewegung nach Dresden mobilisierte, kamen nur rund 400 Menschen, aber fast zweitausend beteiligten sich an Gegenaktivitäten. Bei der Bundestagswahl schnitt die AfD immer da schwächer ab, wo DIE LINKE kämpferisch und offensiv antirassistisch auftrat.

Das heißt auch, dass das letzte Wort in der Auseinandersetzung mit den Rechten nicht gefallen ist. Wenn Gewerkschaften, LINKE und soziale Bewegungen den Kampf gegen die Rassisten mit einer wirklichen Alternative für das Zusammenleben aller Menschen zu verbinden, dann können große Mobilisierungen erreicht werden. Wenn der Kampf für mehr Pflegepersonal, für bessere Schulen und der Kampf gegen die AfD miteinander verbunden werden, dann können die gemeinsamen sozialen Interessen der arbeitenden Menschen unabhängig von Hautfarbe, Nationalität und Religionszugehörigkeit aufgezeigt werden. Hiergeborene MieterInnen verstehen am besten, dass die genau die gleichen Interessen haben wie die aus Syrien geflüchtete Familie, wenn sie gemeinsam gegen Mietwucher kämpfen. Rassismus spaltet, das heißt, er schwächt uns! Solidarität hilft uns zu siegen!

Das bedeutet aber auch, dass gerade der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) und auch DIE LINKE endlich offensiv den Kampf gegen die rechte Gefahr aufnehmen müssen!

  • Nazis und Rassisten stoppen!
  • Gemeinsam gegen Sozialabbau und Rassismus kämpfen!
  • Für eine Kampagne der Gewerkschaften und der Partei DIE LINKE gegen Nazis, AfD und Rassismus!
  • Für Komitees aus Gewerkschaften, sozialen Initiativen und Migrantenverbänden zur Aufsicht über Polizei, LKA und BKA!
  • Solidarität statt Rassismus
  • Kapitalismus abschaffen

Venezuela nach den Präsidentschaftswahlen

Weder die Kapitalisten noch die Bürokraten können die Krise lösen!
von Izquierda Revolucionaria (CWI in Venezuela)

Dieser Artikel ist eine Übersetzung, der am 12. Juni 2018 auf Englisch erschienen Version auf socialistworld.net, der Webseite des Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI), dem in Österreich die SLP angehört. Seit dem hat es einen Mordanschlag auf Maduro gegeben, dem er entgehen konnte. Dieser Angriff zeigt nochmals die Gefahr, die von den rechten bürgerlichen Kräften ausgeht. Er zeigt, dass die am Ende von diesem Artikel vorgeschlagenen Maßnahmen dringender sind denn je. Stattdessen steht jedoch zu befürchten, dass der venezolanische Staat seinen repressiven Maßnahmen gegen unabhängige Aktivitäten von unten verstärken wird. Mehr Informationen dazu, gibt es ebenfalls auf socialistworld.net

 

Weder die Kapitalisten noch die Bürokraten können die Krise lösen! Für den Aufbau einer revolutionären Linken, die für die Interessen der ArbeiterInnen und der Armen kämpft!

Am 20. Mai fanden in Venezuela Präsidentschaftswahlen statt. Laut dem amtlichen Endergebnis gewann Nicolás Maduro mit 6,2 Millionen Stimmen vor Henri Falcón (ein General und ehemaliger Gouverneur des Bundesstaates Lara, der 2010 vom „Chavismo“ ins Lager der Opposition gewechselt war) mit 1,9 Millionen und dem Evangelikalen- [Christliche Fundamentalisten, AdÜ] Führer Javier Bertucci mit 989.761. Die Wahlbeteiligung lag bei 46 Prozent.

Der Zynismus des Imperialismus

Der US- amerikanische und der europäische Imperialismus sowie rechte Regierungen in Lateinamerika lancierten eine hysterische Kampagne, in der sie das Wahlergebnis als ungültig bezeichneten und sich selbst als Speerspitze der Demokratie ausgaben. Leute wie Donald Trump, der demokratische Rechte ständig missachtet und ja fast drei Millionen Stimmen weniger als seine Konkurrentin bekommen hat, zeigen den wahren Charakter der kapitalistischen US-„Demokratie“. Oder auch Leute wie Temer, der durch einen parlamentarischen Putsch eingesetzte brasilianische Präsident und wie die europäische herrschende Klasse, deren Politiker mittels ungewählter Organe wie der Troika regieren und mittels nationaler Regierungen, die immer korrupter werden, krasse Kürzungsmaßnahmen und Angriffe auf demokratische Rechte durchführen. Leute wie die spanische PP-Regierung, deren Führer Rajoy sich über „das Fehlen demokratischer Standards in Venezuela“ beklagt, aber erstens ein Land regiert, dessen Staatsoberhaupt nicht gewählt werden kann (sondern nur von seinem Vater ernannt wurde, der wiederum von einem Diktator eingesetzt wurde [die Rede ist vom spanischen König, AdÜ]) zweitens 10.000 PolizistInnen zur gewaltsamen Unterdrückung von Wahlen ausgeschickt hat, wobei 1.000 Menschen verletzt wurden, und drittens Rapper und AktivistInnen allgemein für ihre Ansichten einsperrt.

Diese lächerliche Medienkampagne illustriert die Probleme des Imperialismus, ihre Lakaien der MUD (Koalition zwischen rechten und rechtsextremen Parteien in Venezuela) an die Macht zu bringen. Gelänge es ihnen, würden sie zweifellos eine ähnlich schlimme oder sogar schlimmere Politik machen als die derzeit in Brasilien, Argentinien, Honduras etc. praktizierte.

Die MUD ging sehr geschwächt und zerstritten hervor aus ihrer Boykottkampagne der Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung, während der sie auch gewaltsam die Macht zu ergreifen versuchte. Imperialistische Regierungen und ihre Medien versuchten die hohe Wahlenthaltung bei den Präsidentschaftswahlen (54 Prozent) als Zeichen der Unterstützung für die MUD darzustellen und so die Moral ihrer UnterstützerInnen zu heben, da sie seit den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung von einer Niederlage zur nächsten stolpern. Auch der Versuch einer Massenkundgebung am 17. Mai gegen die Durchführung der Wahlen scheiterte.

Jetzt hoffen sie, dass die Medienkampagne zusammen mit dem Zusammenbruch der Wirtschaft und der wachsenden Unzufriedenheit mit der Politik der Maduro-Regierung allgemein ihnen helfen wird, ihre UnterstützerInnen zurück auf die Straße zu bringen.

Aber entgegen der Machenschaften und Lügen der Imperialisten und der MUD zeigt die Rekord-Enthaltung vielmehr, dass sich seit den Zeiten der Massenunterstützung für Chávez (aufgrund der fortschrittlichen Programme und Reformen, die dieser als Antwort auf die sozialen Probleme der Massen durchführte) viel geändert hat. Die bürokratisch geführte Maduro-Regierung, die den Kapitalismus nur verwalten will und dafür einerseits mit Teilen der venezolanischen Bourgeoisie sowie mit dem chinesischen und russischen Imperialismus paktiert und andererseits die revolutionäre Linke angreift, hat weite Teile der Bevölkerung von sich entfremdet.

Die KapitalistInnen inner- und außerhalb Venezuelas benutzen diesen Skeptizismus der Massen – und die tiefe Krise, die das Land durchlebt, mit seiner unkontrollierbaren Inflation, Rationierungen und stillstehenden Produktionsanlagen -, um Venezuela als das nächste „Versagen des Sozialismus“ darzustellen und als warnendes Beispiel gegen jedwede Massenbewegung, die Kürzungspolitik und kapitalistische Privatisierungen in Frage stellt.

In Wirklichkeit ist in Venezuela aber nicht der Sozialismus gescheitert – vielmehr gab es dort nie Sozialismus. Die chavistischen Reformen und Sozialprogramme brachten ihm Massenunterstützung, aber Chávez machte auf halbem Weg halt, ohne die notwendigen weiteren Schritte zum Sozialismus zu gehen: Enteignung der Banken und Großunternehmen und Etablierung einer direkten Kontrolle durch die Arbeiterklasse und die Bevölkerung insgesamt.

Doch alle Maßnahmen, die die Lebensqualität der Bevölkerung verbesserten, scheiterten letztendlich am Privateigentum und der kapitalistischen Struktur der Wirtschaft. Außerdem war die ausufernde Staatsbürokratie schon damals ein Problem. Dies führte schon in den letzten Regierungsjahren Chávez zum Wegbröckeln seiner Unterstützung. Nach seinem Tod und nach Maduros Rechtsschwenk brach sowohl die Wirtschaft ein als auch die Moral der venezolanischen Massen.

Die Wahlkampagne bot den ArbeiterInnen und Armen keine Alternative

Angesichts der inhaltsleeren Wahlkampagne der Regierung, die vor allem mit durchsichtigen Wahlversprechen operierte – keiner ihrer Kandidaten machte Vorschläge, wie die Bedürfnisse der Arbeiterklasse in diesen Zeiten der schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise gestillt werden könnten –, hatten die Kampagnen von Henri Falcón und Javier Bertucci einen gewissen Erfolg. Falcón punktete mit einem „Dollarisierungs“programm, während Bertucci die religiöse Schiene fuhr; beide gewonnen Wählerstimmen in unzufriedenen und verzweifelten Schichten der Bevölkerung, aber von der großen Mehrheit schlugen ihnen Misstrauen und Skepsis entgegen.

Ein weiterer Ausdruck ihres oben erwähnten Rechtsrucks war die Abschlusskundgebung der Regierung auf der zentralen Avenida Bolivar in Caracas: Der Autoritätsverlust bei den Massen zeigte sich an der geringen Beteiligung, der apolitischen Atmosphäre mit Discomusik und der Tatsache, dass die meisten nicht einmal Maduros Rede zuhörten. Bedeutend war auch, dass die Führung der Regierungspartei PSUV jeden Bezug auf nicht nur den Sozialismus, sondern auch auf Chávez‘ Erbe getilgt hat. Nicht einmal der übliche Abschluss-Einspieler mit Chávez‘ Stimme wurde mehr verwendet. Maduro schloss seine Rede vielmehr mit dem x-den Aufruf für eine „Regierung der Versöhnung und nationalen Einheit“. Für die PSUV-Führung bedeutet dies ein Festhalten an bzw. den Ausbau der Allianz mit Teilen der Unternehmerschaft.

Die Wahlergebnisse sprechen eine deutliche Sprache. Überall im Land herrschte – als Ausdruck des Protests gegen die unbeständige und widersprüchliche Politik der Regierung – eine ohrenbetäubende Stille auf den Straßen und in den Stadtvierteln.

Aber wie wir ebenfalls wiederholt betont haben, bedeutet die hohe Wahlenthaltung keine wachsende Unterstützung für die extrem rechte Opposition, die nicht zur Wahl antrat. Große Teile ihrer sozialen Basis – Teile der Mittelschicht und der demoralisierten Armen, die sich an den „Guarimbas“ beteiligten (gewalttätige Demonstrationen faschistischer Banden, auf denen es sogar zu Lynchmorden und in-Brand-setzen von Chavistas kam, nur weil diese links aussahen oder einfach ihre Nichtzustimmung zum Ausdruck gebracht hatten) – sind inzwischen sehr kritisch gegenüber den Führern dieser Opposition. Sie sehen sie als Verräter, die diese Auseinandersetzungen nur zu ihrem eigenen ökonomischen Vorteil benutzt haben. Viele derjenigen, welche 2015 für die Opposition gestimmt hatten, um ihre Unzufriedenheit mit der Regierung auszudrücken, wurden von diesen gewaltsamen Methoden abgestoßen und sind sehr besorgt, was diese Elemente alles anrichten könnten, wenn sie an die Macht kämen. Hinzu kommt die Schwäche der venezolanischen Bourgeoisie im Allgemeinen in Zeiten der Weltwirtschaftskrise und das Wissen der Massen um die verheerende Wirkung neoliberaler Maßnahmen, wie sie der IWF und der US-Imperialismus Venezuela aufzwingen würden, sollten die Rechten gewinnen.

Die soziale Unzufriedenheit wächst

Nur 3 von 10 Wahlberechtigen stimmten für Maduro. Im Vergleich mit dem Ergebnis der vorherigen Präsidentschaftswahlen 2013, als die Regierung 7,5 Mio. Stimmen gewann, ergibt sich ein Verlust von mindestens 2 Millionen Stimmen in 5 Jahren [es waren 1,6 Mio. mehr VenezolanerInnen wahlberechtigt, AdÜ]. Im Vergleich zu 2012, als Chávez 8,2 Mio. Stimmen gewann, wird der Abstand noch größer. Zudem gab die übergroße Mehrheit diesmal ihre Stimme nicht mit Enthusiasmus oder Vertrauen an Maduro (2013 und bei Chávez‘ Siegen war dies der Fall gewesen) – sie entschieden sich vielmehr für das „kleinere Übel“.

Bei den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung im Juni 2017 stimmten allein aus dem Atavistisch-Lager über 8 Millionen Menschen ab! Wenn wir dies mit den letzten beiden Wahlen vergleichen, den Regional- und den Präsidentschaftswahlen, sehen wir, dass die Hoffnungen der Menschen heftig enttäuscht wurden und die Regierungspolitik weitgehend abgelehnt wird, wie es schon bei den Parlamentswahlen 2015 der Fall gewesen war.

Bisher konnte die Maduro-Regierung sich Durchwursteln, weil die Führung der MUD unfähig war und es nicht vermochte, die soziale Unzufriedenheit und die Ablehnung des politischen Klingelwesens in Unterstützung umzumünzen. Maduro und Co.’s einziges Ziel ist es, mithilfe eines Teils der Bürokratie die Kontrolle über den Staatsapparat zu behalten, kritische Stimmen auf der Linken zu isolieren und mit Teilen der herrschenden Klasse und des Imperialismus zu verhandeln, um an der Macht zu bleiben.

Es war beschämend zu sehen, wie die FührerInnen der PSUV erklärten, die Wahlen mit 68 Prozent gewonnen zu haben – der Abstand in Prozent zu den Oppositionskandidaten mag das hergeben, aber die niedrige Wahlbeteiligung von 46 Prozent versuchen sie unter den Teppich zu kehren. Sie verfehlten ihr Ziel, 10 Millionen Stimmen zu erreichen, was sie im Vorfeld als Erfolgsschwelle gesetzt hatten, um dem Imperialismus zu beweisen, dass sie immer noch Massenunterstützung haben. Eben sowenig gelang es ihnen, 50 Prozent der Parteimitglieder als UnterstützerInnen der neu gegründeten Partei zu gewinnen (ein Versuch der Bürokratie, mit weißer Weste anzutreten, genannt „Samos Venezuela“ [„Wir sind Venezuela“, AdÜ]). All dies verschwieg die Führung, als die den Sieg feierte.

Dies schwere Krisensituation bedroht die Arbeiterklasse mehr und mehr. Die herrschende Klasse im In- und Ausland ist sich bewusst, dass die Wirtschaftssanktionen zu einer solch dramatischen Krise geführt haben, dass soziales Chaos und ein Totalzusammenbruch des Landes möglich sind.

Das Programm der PSUV: Falsche Versprechungen und sozialistische Rhetorik zur Stabilisierung des Kapitalismus

Schon einige Stunden vor Bekanntgabe der Ergebnisse weigerten sich Falcón und Bertucci, diese anzuerkennen, und riefen zusammen mit der MUD-Führung zu verschärften internationalen Sanktionen einerseits und inländischem Druck auf der Straße andererseits auf, um wieder in die Offensive zu kommen. Weder die extreme noch die „versöhnlerische“ Rechte waren zunächst bereit, das Ergebnis zu akzeptieren.

In seiner Siegesrede in der Wahlnacht bekräftigte Maduro seine politische Linie aus der Kampagne, ließ jegliche Ideen und Bilder von Chávez hinter sich und rief immer wieder alle Schichten zur Versöhnung auf, insbesondere die Bosse und die Rechte. Er versprach, der „Wirtschaftskrieg“ zu beenden, sagte aber den Massen – nachdem er ihnen im Wahlkampf alle möglichen Versprechen gemacht hatte – im Prinzip, sie sollten ihr Los still erdulden, weil sich „Resultate“ nicht von heute auf morgen zeigen könnten.

Maduro macht immer stärker deutlich, dass die Regierung den Kapitalismus stabilisieren möchte, indem sie einen starken staatlichen Sektor erhält, der von der Bürokratie kontrolliert wird (und von der Militärführung, deren Gewicht in der Regierung stetig wächst). Im Zusammenspiel damit versucht er, ein politisches Regime zu konsolidieren, dass angesichts sinkender Unterstützung immer öfter zu bonapartistischen Maßnahmen greift – darunter die Verfolgung kritischer Schichten des Chavismus und der revolutionären Linken.

Die Regierung kann sich im Moment nur mit Hilfe von Klientel-Maßnahmen (Unterstützungszahlungen an große Gruppen, zum Beispiel der Verkauf von „CLAP“-Lebensmittelpaketen zu sehr günstigen Preisen) und der Einfuhr von Lebensmitteln halten. Diese Maßnahmen stoßen jedoch schnell an ihre Grenzen und lösen die Krise unkontrolliert steigender Preise und brachliegender Produktionsanlagen nicht.

Ein weiterer Faktor, der der Regierung geholfen hat, ist das Fehlen einer linken Massenalternative, die sich klar von der Bürokratie abgrenzen und ein unmissverständlich antibürokratisches, antikapitalistisches und sozialistisches Programm haben müsste. Die Unzufriedenheit mit Maduro und der Bürokratie hat sich bereits in einer Zunahme kritischer Stimmen und Kräfte innerhalb der Chavista-Bewegung Bahn gebrochen. Zur Verfassungsgebenden Versammlung letztes Jahr und zu den Kommunalwahlen sind viele kritische KandidatInnen angetreten.

Einige dieser kritischen Stimmen (wie Eduardo Saman, der ehemalige Ernährungsminister und alternativer Kandidat für das Bürgermeisteramt in Caracas) versuchen, ihre Kräfte in Formationen wie „Patria Rebelde“ oder andern zu bündeln. Die Erfahrungen des vergangenen Jahres haben gezeigt, dass es notwendig ist, die Politik der Bürokratie zu verurteilen und gleichzeitig zu erklären, dass eine revolutionäre Alternative aufgebaut werden muss, die sich auf die bewusstesten und kämpferischsten Teile der Arbeiterklasse und der Armen stützt und unter der Kontrolle der ArbeiterInnen selbst steht, die sich mit einem Aktionsplan bewaffnet, um die Arbeiterklasse, die Jugend und die Bevölkerung insgesamt zu erreichen.

Die extreme Rechte und der Imperialismus werden ihre Angriffe nicht stoppen

Die Rechte will ihre Basis mittels der sogenannten „Breiten Front“ neu mobilisieren. In manchen Gebieten haben sie erste Erfolge erzielt und rufen nun verstärkt „die Zivilgesellschaft“ zu Protesten auf, um die Rolle ihrer rechten PolitikerInnen zu verschleiern. Es wird der Rechten nicht leicht fallen, ihre Mobilisierungsfähigkeit auf den Straßen wiederzuerlangen, aber es ist auch nicht undenkbar, dass es ihnen gelingt – zumal die hilflosen politischen Entscheidungen der Regierung ihnen den Boden bereiten.

Die „Breite Front“ diskutiert zur Zeit noch intern und veranstaltet Bundeskongresse ihrer verschiedenen Sektionen: Jugend, Frauen und ArbeiterInnen. Außerdem führen sie soziale Aktionen durch, um ihre Organisation „näher an die Gesellschaft“ zu bringen. Sie müssen solche Aktionen machen, um ihre wahren politischen Ziele zu verschleiern und das Vertrauen ihrer sozialen Basis zurückgewinnen zu können. Und sie versuchen damit gleichzeitig, Schichten der Bevölkerung zu erreichen, die ihnen bisher ablehnend gegenüberstehen.

Es ist klar, dass die Aktivitäten der „Breiten Front“ durch ausländische Interventionen ergänzt werden, die über die Nichtanerkennung der Wahlergebnisse hinausgehen werden. Wirtschaftliche Aggressionen und Attacken in den Medien werden verschärft werden. Es wird keinen „sozialen Frieden“ geben, solange die aktuelle Krise andauert. Dies zeigt sich in den jüngsten Aktionen multinationaler Konzerne, die Angriffe auf die Energie- und Bergbauressourcen Venezuelas gestartet haben. Der US-Ölkonzern ConocoPhillips hat Anlagen der PDVSA (staatliche venezolanische Ölgesellschaft, AdÜ) in der Karibik übernommen. Die PDVSA wird auch aus New York bedroht, weil Schulden in Höhe von 25 Mio. an den kanadischen Baukonzern SNC-Lavalin nicht bezahlt wurden, und das kanadische Bergbauunternehmen Rusoro fordert immer noch 1,3 Mrd. als Entschädigung für die Enteignung seiner venezolanischen Goldminen. Auch andere Schuldner haben den Druck erhöht. Die Regierung hat offiziell keine Erklärungen abgegeben, scheint aber hinter den Kulissen zu verhandeln.

Das Ziel ist die wirtschaftliche Erstickung und Zahlungsunfähigkeit des venezolanischen Staates, welche eine große psychologische Wirkung auf die Bevölkerung hätte und es der Regierung noch schwerer machen würde, Devisen zu bekommen. Letzteres würde wiederum die Importkrise (z.B. für Medikamente) und die Probleme bei der Finanzierung öffentlicher Gesellschaften und Dienstleistungen weiter verschärfen.

Für den Aufbau einer revolutionären Linken! Kämpft gegen die Kapitalisten und die Bürokraten! Alle politische und wirtschaftliche Macht muss auf die ArbeiterInnen und Armen übergehen!

Die Arbeiterklasse und die Armen leiden unter den schwersten Angriffen durch die Kapitalisten und Bürokraten seit Menschengedenken. Die Regierung hat sich unfähig gezeigt, Preise zu kontrollieren, den Mangel zu beheben oder (trotz der CLAP- und anderer Programme) auch nur die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen – und teilweise wurden sogar Löhne nicht ausbezahlt wie im Fall der venezolanischen Staatsbank! Bankgeschäfte können nur noch selten elektronisch abgewickelt werden, weil das Internet ständig zusammenbricht, angeblich wegen „Kabeldiebstahls“. Auch Stromausfälle sind an der Tagesordnung. Der wirtschaftliche Zusammenbruch hat auch die PDVSA erfasst, welcher trotz steigender Weltmarktpreise für Öl keine Fördermengenerhöhung gelingt, weil sich der Zustand der Anlagen immer weiter verschlechtert und weil es immer wieder zu Plünderungen durch Bürokraten kommt.

Diese schwere Krisensituation und die Zunahme von Protesten, welche sie auslösen kann, könnte sich jederzeit zu einer Revolte auswachsen. Wenn keine bewusste revolutionäre Führung aufgebaut wird, könnte während dieser Revolte die Macht in die Hände der extremen Rechten fallen. Ebenso denkbar wäre es, dass Teile der Armeeführung dies nutzen, um – zunächst noch unter Beibehaltung „bolivarischer“ Rhetorik – die prokapitalistische und bürokratische Degenerierung weiter zu beschleunigen.

Die wichtigste Aufgabe für RevolutionärInnen und AktivistInnen aus der Arbeiterklasse und sozialen Bewegungen ist es, eine Alternative aufzubauen, welche die bewusstesten linken Schichten der ArbeiterInnen und der Jugend vereint und es den kritischen Linken innerhalb des Chavismus ermöglicht, über ein Notprogramm und -aktionsplan zu diskutieren und zu entscheiden. Solch ein Plan muss die Forderungen der Arbeiterklasse berücksichtigen, die sich gegen sowohl die Rechte als auch die Bürokratie richten (letztere versuchen, ihre Macht durch bonapartistische Maßnahmen und die Hilfe des russischen und des chinesischen Kapitalismus‘ zu sichern). Izquierda Revolucionaria glaubt, dass der Kampf um politische und wirtschaftliche Macht für die Arbeiterklasse und die Armen auf folgenden Forderungen beruhen sollte:

1. Direkte Arbeiterkontrolle in allen öffentlichen und privaten Gesellschaften, um den Kampf gegen Preiserhöhungen, für lokale Lebensmittelproduktion und für die Befriedigung aller Bedürfnisse der Menschen gegen kapitalistische und bürokratische Sabotage führen zu können.

2. Lohnerhöhungen oberhalb der Inflationsrate. Diskussion über und Durchsetzen von Tarifverträgen. Alle LeiharbeiterInnen erhalten reguläre unbefristete Arbeitsverträge. Wiedereinstellung aller revolutionärer KämpferInnen, die von Bossen und Bürokraten gefeuert wurden. Arbeitslosengeld für alle Arbeitslosen.

3. Konfiszierung und Verstaatlichung aller geschlossenen und solcher Unternehmen, deren Produktionskapazitäten nicht voll ausgeschöpft werden, sowie brachliegender Grundstücke; sofortige Einstellung von ArbeiterInnen, BäuerInnen und StudentInnen, um dort unter demokratischer Arbeiterkontrolle zu arbeiten. Alle Unternehmen, die die Wirtschaft sabotieren, verstaatlichen und unter demokratische Arbeiterkontrolle stellen.

4. Schaffung eines staatlichen Unternehmens mit Außenhandelsmonopol. Demokratische Arbeiterkontrolle, um gegen Spekulation, Inflation und Korruption zu kämpfen und vollständige Lebensmittelautonomie ermöglichen zu können.

5. Verstaatlichung der Banken, der Grundstücke und der Industrieanlagen unter Arbeiterkontrolle, um die ganze Wirtschaft demokratisch im Interesse der Bevölkerung planen und ihre sozialen Bedürfnisse stillen zu können.

6. Schaffung eines öffentlichen Gesundheitswesens, dass frei und allen zugänglich ist und eine hochwertige Versorgung garantiert. Enteignung privater Kliniken und Weiterbetrieb unter demokratischer Kontrolle, um allen eine Gesundheitsversorgung ohne Diskriminierungen zu ermöglichen.

7. Schaffung einer öffentlichen Baugesellschaft für Infrastruktur, Wohnungen, Universitäten etc., geführt unter demokratischer Kontrolle und mit der Verpflichtung, 500.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen und so den Wohnungsmangel in 3 Jahren zu beseitigen.

8. Nichtzahlung der Auslandsschulden! Die Imperialisten zwingen uns mit Sanktionen und den Zinszahlungen ins Elend – unser Elend bezahlt ihre massive Anhäufung von Reichtum.

9. Schaffung eines sozialistischen Staates auf der Basis von Arbeiter-, Bauern- und Studentenräten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene. Alle VertreterInnen müssen jederzeit wähl- und abwählbar sein durch die Versammlung, die sie gewählt hat. Sie sollten ihrer Basis mindestens halbjährlich Rechenschaft ablegen müssen und sie sollten nicht mehr als einen Facharbeiterlohn verdienen, um das korrupte Bürokratentum zu beenden.

Um eine Alternative für die ArbeiterInnen und die Jugend aufzubauen und für solch ein Programm zu kämpfen, schließ dich Izquierda Revolucionaria an!

Weder Bourgeoisie noch Bürokratie!

Alle Macht der Arbeiterklasse!

Massendemonstrationen gegen die Regierung in Rumänien

Diese Erklärung einer Gruppe von SympathisantInnen des CWI in Rumänien „Mana de Lucru“ erschien zuerst am 13. August in englischer Übersetzung auf der Webseite socialistworld.net.

Wir verurteilen den skandalösen Machtmissbrauch durch die rumänischen Polizeikräfte!

Ohne Vorbehalte verurteilen wir den skandalösen Machtmissbrauch durch die rumänische Gendarmerie [Bereitschaftspolizei] bei den Protesten von Freitagabend, als hunderte Personen verletzt worden sind. Derart willkürliche Gewalt ist typisch für dieses repressive Staatsorgan, dessen wesentliche Rolle darin besteht, die Interessen des politischen Establishments gegen die Zivilbevölkerung zu schützen. Wir fordern eine öffentliche Untersuchung dieses missbräuchlichen Vorgehens und den sofortigen Rücktritt der dafür Verantwortlichen!

Die Wut, welche die Leute auf die Straße treibt, ist aufrichtig und gerechtfertigt. Die Regierung der PSD („Sozialdemokratische Partei“, die aus der alten stalinistischen Regierungspartei hervorgegangen ist) ist zweifelsfrei eine Regierung, die im Dienste der korrupten OligarchInnen steht. Die Interessen der „einfachen Leute“ kümmern sie nur wenig.

Wir meinen allerdings, dass die Empörung sich gegen die gesamte politische Elite Rumäniens und die neoliberale Politik richten sollte, durch die Millionen von RumänInnen gezwungen worden sind, das Land zu verlassen. Diejenigen, die geblieben sind, müssen hingegen mit Niedriglöhnen, unsicheren Beschäftigungsverhältnissen und einem dahinsiechenden öffentlichen Versorgungssystem zurechtkommen. Demgegenüber müssen wir mit ansehen, wie die Parteien aus der Opposition heraus versuchen, die Protestbewegung zu vereinnahmen und sie in ihrer politischen Auseinandersetzung mit der PSD nutzen. Befänden sich diese Parteien jedoch selbst in der Regierung, so würde klar werden, dass auch sie keine wirkliche Alternative zur PSD darstellen. Die Wahrheit ist, dass keine der derzeitigen Parteien uns vertreten kann – weder diejenigen, die das Land verlassen haben, noch diejenigen, die hier geblieben sind. Keine dieser Parteien hat ein Programm anzubieten, das die drängenden sozialen und ökonomischen Probleme aufgreifen würde, mit denen die Mehrheit der RumänInnen konfrontiert ist.

Bedauerlicherweise gibt es auch bei den Protesten kein solches Programm – noch nicht einmal eines mit „Minimal-Charakter“. Die einzigen eindeutigen Forderungen, die dort vorgebracht werden (Rücktritt der Regierung und vorgezogene Neuwahlen), erwecken den Eindruck, lediglich den führenden Köpfen der Opposition zu dienen. Das Fehlen einer Liste eindeutiger und relevanter Forderungen, offenbart den Mangel an Lösungsvorschlägen der Opposition aber auch das Fehlen einer politischen Linken und einer Arbeiterbewegung, die stark und kämpferisch genug wäre, um den Kurs dieser Proteste beeinflussen und das Problem der Korruption mit anderen Aspekten in unserer Gesellschaft in Verbindung bringen zu können: von den oft krassen Arbeitsbedingungen bis hin zur Krise im Gesundheitssystem.

Eine wirkliche Alternative zur PSD und dem Rest des politischen Establishments kann nur von dort kommen, indem die Korruption nicht nur als rein politisches Phänomen angegangen wird, sondern als ein wesentliches Element im Prozess der kapitalistischen Restauration nach 1989, bei dem eine Handvoll Menschen auf Kosten der Gesamtbevölkerung unfassbar reich geworden sind. Wir brauchen eine sozialistische und antikapitalistische Alternative, die für die Interessen der „einfachen Leute“ steht und nicht für die eines bestimmten Teils der dominierenden gesellschaftlichen Klasse. Wir brauchen eine Alternative, die für akzeptable Arbeitsplätze und angemessene Löhne, für soziale Rechte, eine ausreichend finanzierte öffentliche Versorgung, eine an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichteten Wirtschaft und für echte demokratische Kontrolle über unsere Gesellschaft kämpft.

Nach Irland ein weiterer Erfolg für Frauen in Argentinien!

Monika Jank

Der 13. Juni stellte den Höhepunkt der argentinischen Bewegung für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen dar. Der Kongress stimmte in knapper Mehrheit für den Gesetzesentwurf einer legalen, risikoarmen und kostenlosen Abtreibung, der Senat muss noch abstimmen. Dies ist jedoch nicht auf einen plötzlichen Sinneswandel der Abgeordneten zurückzuführen, die in den letzten 13 Jahren sechs ähnliche Vorschläge abgelehnt hatten. Sondern das ist Ausdruck einer jahrelangen Mobilisierung, u.a. seit 2015 in der Bewegung Ni Una Menos (Keine Weniger). Es stehen v.a. junge Frauen und Mädchen an der Spitze der Bewegung, da sie von dieser Kriminalisierung am meisten betroffen sind. In vielen Bildungseinrichtungen ist ein Meer an grünen Tüchern zu sehen, das Symbol der Legalisierungskampagne. #AbortoLegalYa

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Kämpfer des Monats: Tohil Delgado

Tohil ist Mitglied der SLP Schwesterorganisation im Spanischen Staat. Vor acht Jahren schritt er ein, als ein Polizist in Madrid auf offener Straße eine junge Immigrantin verprügelte. Nun drohen dem bekannten Gewerkschaftsaktivisten wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ drei Jahre Haft.Unterstütze die internationale Solidaritätskampagne: http://www.sindicatodeestudiantes.net/juicio-tohil/view/form

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Schulstreik gegen den Polizeistaat

Leon Neureiter

“Big brother is watching you,” lautet ein Spruch der herrschenden Partei in Orwells „1984“. Heute hieße es wohl eher: „Zur Abwehr einer […] drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut […] kann die Polizei auch Daten sicherstellen.“ Dieses Zitat stammt aus Artikel 25 der neuen Fassung des bayrischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Die Polizei kann von nun an selbst im Falle einer lediglich drohenden Gefahr Daten einsehen – aber auch löschen und verändern. Mit einer Meldeanordnung kann eine Person verpflichtet werden, über einen längeren Zeitraum regelmäßig bei einer Polizeidienststelle zu erscheinen. Zudem kann die Polizei nun eine zeitlich unbegrenzte Vorbeugehaft verhängen, die alle drei Monate richterlich verlängert werden kann.

An Münchner Schulen war diese Gesetzesänderung ein großes Thema, wobei die SchülerInnen fast durchgehend dagegen waren. Es gab grundsätzlich einen Wunsch, etwas dagegen zu tun, und schließlich wurde in der Woche vor der Verabschiedung am 15. Mai über WhatsApp für einen Schulstreik am Tag der Verabschiedung mobilisiert. Trotz des engen zeitlichen Rahmens war das Ergebnis beachtlich – am Pestalozzi-Gymnasium streikten sogar 150 SchülerInnen (15,6 %). Die streikenden SchülerInnen machten die wertvolle Erfahrung der Selbstorganisation und wurden politisiert – viele von ihnen nahmen auch am Vernetzungstreffen zum nächsten Schulstreik am 22. Juni teil, bei dem es um die Abschiebungspolitik der Landesregierung ging.

Der Schulstreik hat aber v. a. durch das repressive Vorgehen der Polizei gezeigt, welche Rolle der Staat im Kapitalismus hat und in welche Richtung die Änderungen gehen. Einem Schüler fiel sein Schild von der Stange, die daraufhin von der Polizei als Waffe ausgemacht wurde. Ebenfalls aufschlussreich war das Vorgehen im Luisengymnasium, wo die SchülerInnen beinhart eingesperrt wurden und durch die Fenster herausklettern mussten. Die Nation dient der Sicherung der Herrschaft der KapitalistInnen (u. a. durch die Zerschlagung von Basisinitiativen und sozialen Bewegungen), und das Bildungssystem dient dazu, junge Menschen in das hierarchische System zu integrieren. Gut, dass die bayrischen SchülerInnen dagegen aufstehen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Schweden: Die Mietergewerkschaft zur Kampforganisation gemacht

Interview mit Kristofer Lundberg

Kristofer Lundberg wurde in diesem Jahr zum Vorsitzenden der Mietergewerkschaft der Westküstenregion (Göteborg) in Schweden gewählt, die etwa 77.000 Haushalte vertritt. René Arnsburg sprach mit ihm über die Kampagnen, die sie durchgeführt haben, welche Funktion die Gewerkschaft hat und wie Kristofer gewählt wurde. Ḱristofer Lundberg ist langjähriges Mitglied der Rättvisepartiet Socialisterna (RS – Sozialistische Gerechtigkeitspartei in Schweden, Schwesterorganisation der SLP und dortige Sektion des Komitees für eine Arbeiterinternationale KAI/CWI)

 

Was ist die Mietergewerkschaft?

Zuerst muss man sagen, dass man ihr nur als Haushalt beitreten kann. Das bedeutet, dass die Anzahl der Mitglieder in Personen in etwa mit dem Doppelten angegeben werden kann. Die Gewerkschaft hat eine lange Tradition in Schweden, ist über hundert Jahre alt und hat auch eine recht radikale Vergangenheit. Die ersten Mietergewerkschaften wurden 1915 gegründet und die erste nationale Organisation wurde 1923 ins Leben gerufen. Ihr Vorsitzender war gleichzeitig der schwedische Vertreter der Kommunistischen Internationale. Die Mietergewerkschaft war eine sehr kämpferische Gewerkschaft mit Mietstreiks, Besetzungen, Massendemonstrationen und wuchs sehr schnell.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat dann die Sozialdemokratie die Kontrolle übernommen und sie wurde eher zu einer Institution oder Versicherungsgesellschaft als einer Gewerkschaft. Aber sie hat weiterhin ihre Strukturen und ihre Ortsgruppen behalten und heute hat sie im ganzen Land 540.000 Mietgliedshaushalte mit 10.000 gewählten Vertreter*innen in ihrer Organisation auf lokaler oder nationaler Ebene und 900 hauptamtlich Beschäftigte aller Art wie AnwältInnen, lokale Organisator*innen und mehr.

 

Wie wurdest du zum Präsidenten der Region gewählt?

Das erste Mal wurde ich in einer Ortsgruppe vor sieben Jahren zum Vorsitzenden gewählt. Wir verwandelten sie von einer sozialdemokratischen und passiven Organisation, die ab und zu ein paar soziale Veranstaltungen durchführte in eine kämpferische und politische Gruppe. Vor einigen Jahren hatten wir eine Kampagne für eine Rekommunalisierung. Wir wurden damals von einer Gruppe Mieter*innen kontaktiert, die in einem Stadtteil mit 900 privaten Wohnungen lebten. Sie waren in einem äußerst schlechten Zustand und mussten dringend renoviert werden. Die Immobilienfirma tat jedoch nichts. Also stellten wir eine Kampagne auf die Beine, um das Viertel zu organisieren. Wir führten Demonstrationen durch, machten öffentliche Veranstaltungen, trafen uns mit der Eigentümerfirma und einer staatlichen Firma aus der Nachbarschaft. Wir forderten, dass diese übernehmen sollte, wenn die private Firma die Renovierungen nicht durchführt, wir kontaktierten Politiker*innen und so weiter. Die Kampagne wurde von RS ins Leben gerufen und später von der Mietergewerkschaft unterstützt. Dann griff sie eine Konferenz der 16 Göteborger Mietergruppen auf und setzte den Stadtrat so sehr unter Druck, dass er der Rekommunalisierung 2015 zustimmte. Einige rechtspopulistische Parteien stimmten ebenfalls zu, wollten aber einen Deal machen, dass die Hälfte der Wohnungen direkt an die Mieter*innen weiterverkauft wird. Das sagten sie allerdings nicht öffentlich. Als wir davon erfuhren, belebten wir die Kampagne auf ein Neues und organisierten Widerstand in dem Bezirk. Besagte PolikiterInnen hatten gesehen, dass wir einmal gewonnen haben, also nahmen sie schnell von ihrem Plan Abstand. Als der Stadtrat dann die Renovierungen durchführen wollte, sagten sie, dass sie die Mieten erhöhen müssen. Bei Renovierungen gibt es Mietsteigerungen von fünfzig oder sechzig Prozent, weil diese nicht verhandelt werden müssen, da die Wohnung eine neue Ausstattung hat.

Wir starteten also eine neue Kampagne und forderten Renovierungen unter der Kontrolle der Mieterschaft ohne Mieterhöhung. Nach einem Jahr trat der Stadtrat dann vor die Öffentlichkeit und teilte mit, dass sie die Idee hatten, die Wohnungen ohne Mieterhöhung zu sanieren, weil es in Schweden ein Problem mit der Gentrifizierung gäbe. Das entsprach genau unseren Forderungen, aber sie wollten uns den Sieg nicht eingestehen. Alle Leute in dem Bezirk wussten aber, dass wir es waren, die gewonnen haben.

Diese drei Kampagnen wurden in der gesamten Region wahrgenommen und ich wurde gebeten, mich zur Wahl zu stellen. Erst hatte ich nein gesagt, weil wir auf örtlicher Ebene schon soviel Arbeit machen, aber dann wurde mir klar, dass wir eine weitergehende Verantwortung haben. Wir haben lange darüber gesprochen, dass die Gewerkschaft eine neue Führung braucht, dass die Gemeinden die Kontrolle wiedererlangen müssen, also musste ich zur Wahl antreten und habe gewonnen.

 

Welche politische Bedeutung hat deine Wahl?

Gleich im Anschluss kam die Nachricht, dass der Stadtrat dreihundert Wohnungen in einem anderen Bezirk verkaufen will. Wir beriefen eine Versammlung ein und einhundert Leute kamen, aber der Raum war viel zu klein. Also verschoben wir sie um eine Woche und 360 Menschen aus dreihundert Wohnungen kamen!

Wir organisierten drei Aktivengruppen, Unterschriftensammlungen und Demonstrationen. Nach einigen Monaten knickte der Stadtrat ein. Damit hatten wir bewiesen, dass nicht die Verhandlungen mit den Firmen, sondern die Organisation in den Gemeinden entscheidend ist.

Göteborg war immer der radikalste und am weitesten links stehende Bezirk, sogar schon in der Gründungsphase und ist es immer noch, was sich unter anderem in meiner Wahl zum regionalen Präsidenten ausdrückt. Es war eine Wahl, in der sich zwei Seiten gegenüberstanden: auf der einen die institutionalisierte Sozialdemokratie, auf der anderen eine kämpferische Organisation.

Ich kandidierte auf der Grundlage eines radikalen Programms, für eine kämpferische Gewerkschaft und dafür, dass die lokalen Organisationen die Kontrolle zurückbekommen. Es gab eine große Begeisterung für meinen Wahlantritt und ich wurde von Ortsgruppen in der ganzen Region eingeladen, um über meine Kandidatur zu sprechen. Das jagte der Bürokratie und der Sozialdemokratie Angst ein. Sie versuchten von der nationalen Ebene aus zu verhindern, dass ich gewählt werde, sie versuchten Leute zu beeinflussen, die mich nomierten. Als die Jahreshauptversammlung stattfand, wurde ich dennoch mit 60 Prozent der Stimmen gewählt.

Das hat im ganzen Land einen großen Medienrummel verursacht, es wurde in den Zeitungen davon berichtet, im Fernsehen und im Radio. Die Schlagzeilen waren zum Beispiel: “Revolutionäre SozialistInnen übernehmen die Mietergewerkschaft.” “Nehmt Euch vor den Trotzkist*innen in Acht!” und sowas. Die Zeitschrift der Gewerkschaft schrieb einen langen Artikel und machte ein Interview mit mir, in dem erklärt wird, was wir unter Trotzkismus verstehen und was wir mit revolutionären Sozialismus meinen. Das war kein Angriff, die Zeitung stellte nur dar, was wir sagen und wer wir sind. Es gab auch eine regionale Zeitung, die ein Interview mit mir darüber führte, was Trotzkismus und revolutionärer Sozialismus sind. Diese Zeitung geht an 1,1 Millionen Menschen!

Es war also auch eine sehr gute Berichterstattung für unsere Partei und unser Programm. Die Absicht war, die Leute abzuschrecken, doch stattdessen wuchs deren Interesse an uns nur.

Ich werde weiterhin zu Treffen eingeladen, sowohl der Mietergewerkschaft, als auch anderer Gewerkschaften. Letztens sprach ich auf einer Vertrauensleutekonferenz mit hundert Teilnehmenden der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes. Wir haben darüber diskutiert, an welchen Punkten wir zusammenarbeiten können und wir haben auch gemeinsame Treffen mit der Hafengewerkschaft mit ebensoviel Leuten durchgeführt.

 

Wie kann so eine Zusammenarbeit mit Berufsgewerkschaften aussehen?

Auf dem letzten Kongress der Mietergewerkschaft vor drei Jahren wurde beschlossen, dass sie nicht nur über das Thema Wohnen spricht, sondern über die Lebensbedingungen insgesamt. Das heißt, wenn wir über bestimmte Stadtteile sprechen, beschäftigen wir uns mit Fragen, die direkt mit der Wohnung zusammenhängen wie Mieterhöhungen, Renovierungen und so weiter. Aber wir sprechen auch über die Notwendigkeit besserer Schulen, die Gesundheitsversorgung, ansprechende Dienstleistungen, eine gute Infrastruktur und Sicherheit. Die Mietergewerkschaft ist zu einer politischen Organisation geworden, die sich nicht mehr nur um die Unterkunft allein kümmert, sondern um die Wohngebiete – wir sind eine Organisation der Stadtteile. Und deshalb müssen wir mit der Lehrergewerkschaft für bessere Schulen, mit der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, der Pflegegewerkschaft und anderen zusammenarbeiten.

 

Demnach ist die Mietergewerkschaft jetzt die größte politische Organisation in Schweden?

Ja, sie ist größer als die größte Berufsgewerkschaft. Wie ich bereits sagte, organisiert die Gewerkschaft 540.000 Haushalte, aber sie verhandelt über Mieterhöhungen für drei Millionen Mieter*innen. Keine staatliche oder private Firma kann einfach die Mieten einführen, die sie wollen. Sie müssen vorher in Verhandlung gehen. Wenn wir widersprechen, können sie vor ein Schiedsgericht gehen und dann entscheidet das Gericht. Aber zumindest können sie nicht einfach für sich die Mieten festlegen.

 

Es läuft also ähnlich wie in einer Betriebsgewerkschaft ab, die über die Lohnhöhe verhandelt?

Ja, das ist ein Vermächtnis der “fortschrittlichen” Jahre der Sozialdemokratie, es wurde institutionalisiert. Aber in diesem Jahr sprachen sich alle rechten Parteien, einschließlich der rechtsradikalen Schwedendemokraten, für die Einführung der Marktmiete aus. Das ist die Hauptauseinandersetzung gerade und die Mietergewerkschaft wird dagegen in den Wahlen kämpfen (am 9. September 2018 finden in Schweden Parlamentswahlen statt). Wir haben einen Kampagnenplan aufgestellt, der besagt, dass es nicht nur die lokalen oder regionalen Gruppen sind, die dagegen mobilisieren müssen, sondern der Hauptamtlichenapparat wird mitmachen müssen. Der arbeitet bislang hauptsächlich intern. In Göteborg haben wir etwa achtzig Vollzeitkräfte, von denen nur zehn Außenarbeit machen und der Rest arbeitet im Büro. Jetzt, nachdem ich Präsident der Region geworden bin, haben wir beschlossen, dass wir alle während des Wahlkampfes rausholen werden. Wir werden die Büros nur mit einer Minimalbesetzung offen halten und alle restlichen Leute werden auf der Straße sein, um die Kampagne gegen die Einführung der Marktmiete zu führen.

 

Und wenn die neue Regierung nach den Wahlen sagt, dass sie die Marktmiete trotzdem einführen wollen?

Dann werden wir eine noch größere Kampagne auf die Beine stellen. Wir haben bereits den 1. September als einen landesweiten Protesttag gegen die Marktmiete festgelegt. Es wird in allen größeren Städten Demonstrationen geben und sogar in manch kleineren. Wir werden einhundert Leute aus Göteborg zur Demo nach Stockholm schicken, aber trotzdem unsere eigene Demonstration durchführen.

 

Du hast berichtet, dass ihr Massenversammlungen, Ortsgruppen und Demonstrationen organisiert. Aber wenn das alles nicht genug ist, was ist dann die nächste Stufe? Mietstreiks? Besetzungen?

Historisch gesehen war es genau das. Aber das kam in Schweden seit den 30er Jahren nicht mehr vor, glaube ich. Es gibt jedoch diese Vergangenheit und ich wurde in den Medien gefragt, ob ich das auch heute noch machen würde und meine Antwort war: “Wenn es nötig und wenn es das ist, was die Menschen machen wollen, dann werden wir es natürlich machen.” Es wird allerdings eine weitaus größere Bewegung erfordern, die ein höheres politisches Bewusstsein als heute hat. Die Gewerkschaft ist sehr aktiv und kämpferisch geworden, aber das politische Niveau ist immer noch nicht besonders hoch.

 

Wie ist die Wohnsituation in Schweden zur Zeit?

Es kommt sehr darauf an, wo du in Schweden lebst. Aber in den Rand- und Arbeiterbezirken gibt es einen großen Anteil von MigrantInnen und viel Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit unter in Schweden Geborenen beträgt beispielsweise um die drei Prozent, aber in den migrantisch geprägten Stadtteilen über zwanzig, unter Jugendlichen sogar dreißig Prozent. Die Arbeitslosigkeit und der Wohnungsmangel sind die Hautprobleme. In meinem Stadtteil, den die Polizei und die Bürgerlichen als “No-Go-Area” bezeichnen, bewerben sich dennoch auf eine freie Wohnung 800 Menschen, weil es so wenig Leerstand gibt. Das betrifft sogar die Gegenden, von denen alle denken, dass dort niemand leben will. Das ist wirkliche Wohnungsnot. Wir haben 1600 obdachlose Familien mit Kindern in Göteborg. In Stockholm und Malmö sieht es genauso aus. Es kommt vor, dass in einer Wohnung zwei oder drei Familien leben.

 

Wie viele neue Wohnungen müssten gebaut werden, um den Bedarf zu decken?

Es müssten 80.000 pro Jahr gebaut werden. Der Wohnungsbau hält schon lange nicht mehr mit dem Bedarf Schritt. Es gibt aber auch noch das Problem der “Millionengebiete”. In den 60ern und 70ern wurden eine Millionen Wohnungen gebaut, um die Wohnungsnot zu beseitigen. Und seit sie gebaut wurden, wurden sie kein einziges Mal saniert. Jetzt haben wir einen Sanierungsbedarf von 800.000 Wohnungen. Und die Frage ist, wer das bezahlen wird. Wir haben einen lokalen Sieg errungen, von dem ich erzählt habe. RS fordert, dass der Staat für die Sanierungen zahlen soll. Wir sehen, dass alle Firmen, egal ob öffentlich oder privat, Jahr für Jahr Gewinne machen, ohne zu sanieren, also finden wir, dass die Mieter*innen nicht dafür zahlen sollten.

Eine andere Frage ist die der Neubauten. Alle neuen Wohnungen dürfen nach Marktpreisen vermietet werden. Das können sie nicht bei den alten Häusern machen, aber bei allem, was neu gebaut wird. Ich habe beispielsweise eine Dreiraumwohnung, für die ich 600 Euro zahle. Dieselbe Wohnung würde neu gebaut mindestens das Doppelte oder Dreifache kosten. Wir haben also eine Situation, in der Häuser gebaut werden, in die es sich niemand leisten kann, einzuziehen.

 

Was sind Forderungen von RS für ein mietenpolitisches Programm?

Wir fordern staatliche Betriebe für den Wohnungsbau und natürlich die Enteignung der Banken, die an den Immobilienpreisen großen Anteil haben. Das alles unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung. Wir haben in unserer Zeitung gerade ein Programm formuliert, dass eine soziale Mietenpolitik fordert, dass wir die Privatisierungen stoppen müssen und dass wir bezahlbaren Wohnraum brauchen. In diesem Programm sagen wir auch, dass das Fehlen linker Vorschläge dazu geführt hat, dass jetzt private Firmen über soziale Wohnpolitik sprechen. Sie sagen, dass der Staat Geld für die Leute in die Hand nehmen muss, die sich keine Wohnungen leisten können. Was sie fordern ist nichts anderes, als dass der Staat für ihre Mietsteigerung zahlen soll. Sie sanieren und Menschen können es sich nicht leisten, sie bauen und niemand kann es sich leisten, also wollen sie jetzt staatliche Gelder haben, worüber aber niemand außer uns spricht, nicht einmal die Linkspartei (Vänsterpartiet).

Vielen Dank!

Wien: Protest in Solidarität mit den Frauen in Argentinien

Bis zu 60 Menschen beteiligten sich an einem wütenden Protest vor der argentinischen Botschaft in Wien
Monika Jank

Am 8. August rief Nicht Mit Mir zu einer Solidaritätskundgebung mit der Bewegung für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen auf. Zahlreiche Menschen – unter anderen viele ArgentinierInnen – antworteten begeistert auf unsere Initiative und versammelten sich mit ihrem grünen pañuelo (ein Tuch, das Symbol der Bewegung) vor der argentinischen Botschaft im 1. Wiener Gemeindebezirk. Neben Nicht Mit Mir Aktivistinnen wandten sich auch argentinische Feministinnen mit motivierenden Reden an das Publikum.

Anlass war die Abstimmung im Senat Argentiniens über einen Gesetzesentwurf der Campaña Nacional por el Derecho del Aborto Legal, Seguro y Gratuito (Nationale Kampagne für das Recht auf legale, sichere und kostenfreie Abtreibung), der bereits im Kongress am 13. Juni mit einer knappen Mehrheit angenommen wurde. Die Abstimmung, die um Mitternacht Ortszeit (5:00 Uhr morgens österreichische Zeit) beendet war, fiel leider in einer knappen Mehrheit (38 zu 31) dagegen aus. Der Kampf geht jedoch weiter. Es ist nicht das erste Mal, dass die Campaña Nacional einen dementsprechenden Gesetzesentwurf vorgebracht hat. Genau genommen war es der 7. innerhalb der letzten 15 Jahren. Und es wird auch sicherlich nicht der letzte sein. Denn hinter dem Gesetz steht eine Massenbewegung, die viel internationale Solidarität – wie sich in den weltweiten Protestaktionen (Brasilien, USA, Costa Rica, Spanien, Deutschland, Irland, Österreich – um nur ein paar zu nennen) gezeigt hat.

Bereits 2015 erhielt Argentinien internationale Aufmerksamkeit wegen einer Bewegung, die sich Ni Una Menos nannte. Übersetzt mit „Keine weniger“ richtet(e) sie sich gegen Frauenmorde – sogenannten feminicidios. Abtreibung unter illegalen und unsicheren Verhältnissen ist dabei ein Aspekt dieses Phänomens. So haben die massenhaften Demonstrationen von Ni Una Menos die öffentliche Aufmerksamkeit auf Frauenrechte gelenkt, die sich in den aktuellen Kampf für die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs übersetzten, die eine breite Mehrheit der argentinischen Bevölkerung unterstützt. Wie eine bekannte argentinische Autorin, Claudia Piñero, schreibt, ist der Kampf durch den negativen Ausgang der Abstimmung im Senat nicht verloren. Der Kampf hat bereits viel erreicht – Frauen können jetzt offener über eigene Abtreibungen und den damit einhergehenden Problemen reden etc. – und er geht weiter, bis jeder Frau das Recht zugestanden wird, über ihren eigenen Körper zu bestimmen.

Nicht Mit Mir setzt sich auch in Österreich für eben jenes Recht ein. So sind auch hierzulande die AbtreibungsgegnerInnen auf Vormarsch. Daher rufen wir am Montag, den 13. August um 19:00 zum ersten Vernetzungstreffen: Aktiv werden gegen AbtreibungsgegnerInnen auf. Denn der Kampf für Frauenrechte ist kein isolierter, sondern eine internationaler!

Wie man uns gestern vor der argentinischen Botschaft und später vor dem Stephansdom singen hören konnte, wohin wir für Fotos übersiedelt sind, um den internationalen Charakter der Bewegung besser unterschreien zu können:

Ahora que estamos todas Jetzt da wir alles sind
Ahora que sí nos ven Jetzt sehen sie uns doch
Abajo el patriarcado, Se va a caer Nieder mit dem Patriarchat, es wird zerbröckeln
Arriba el feminismo, que va a vencer! Hoch mit dem Feminismus, denn er wird siegen!

 

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