Frauen und LGBT

Zahlen und Fakten zu Gewalt gegen Frauen

Manuel Schwaiger
  • Sexuelle Gewalt gegen Frauen stellt ein massives Problem dar – auch in Österreich. Eine Studie des Österreichischen Institutes für Familienforschung von 2011 liefert schockierende Zahlen: drei Viertel waren schon einmal sexueller Belästigung ausgesetzt. Beinahe jede dritte Frau hat bereits eine (versuchte) Vergewaltigung durchstehen müssen oder wurde sexuell genötigt. 7% wurden vergewaltigt.
  • Gerade bei Vergewaltigungen ist die Dunkelziffer gewaltig. Von 100 vergewaltigten Frauen erstatten nur neun Anzeige. Selbst wenn es zum Prozess kommt, gibt es meist keine Konsequenzen. Laut Justizministerium wurden 2013 von 920 mutmaßlichen Vergewaltigern nur 104 verurteilt – die Verurteilungsquote liegt deutlich unter anderen Gewaltverbrechen.
  • Erst seit 2004 wird in Österreich Vergewaltigung in der Ehe strafrechtlich verfolgt. Nicht nur daran zeigt sich, wie etabliert Gewalt und Besitzanspruch über die Frau immer noch ist: Züchtigung in der Ehe wurde bereits vor einem Jahrhundert verboten. Dennoch war jede vierte Frau in Österreich schon einmal Gewalt durch einen Partner ausgesetzt. 2005 verurteilte das UNO-Frauenrechtskomitee Österreich, da die Behörden gefährdete Frauen nicht schützen – was in zumindest zwei Fällen zur Ermordung der Betroffenen führte.
  • Im Gegensatz zu den Behauptungen der Rechten existiert kein Zusammenhang zwischen Einwanderung und Sexualstraftaten. Während in Deutschland zwischen 2010 und 2013 die Einwanderung stieg, stagnierte die Zahl der Vergewaltigungen. Stark betroffen sind aber migrantische Frauen von Zwangsprostitution und Menschenhandel.
  • Laut der WHO wurde weltweit jede dritte Frau schon einmal sexuell misshandelt. Ca. 140 Millionen Frauen und Mädchen sind die Opfer von Genitalverstümmelung. Weltweit werden mehr als 10% aller Mädchen vor dem 20. Lebensjahr Opfer von sexueller Belästigung oder sogar Vergewaltigung.
Erscheint in Zeitungsausgabe: 

NEIN zu Gewalt gegen Frauen

Nach den Ereignissen der Silvesternacht: Sind FPÖ & Co. jetzt die neuen Feministen?
Sarah Krenn

Die Silversternacht in Köln sorgt für viel Aufmerksamkeit in den Medien. Das Gute: Endlich wird über Gewalt gegen Frauen geredet. Das Schlechte: Selbsternannte Frauenschützer beginnen eine ekelhafte Hetzkampangne gegen Flüchtlinge, wie es sich FPÖ & Co. schon lange wünschen. Gerade konservative bis rechtsextreme Leute spielen sich nun als die Verteidiger von Frauenrechten auf. Was sehr absurd ist! Denn es sind doch genau diese Kräfte, die Frauen tagtäglich das Recht auf den eigenen Körper absprechen, die Frauenhäuser verbieten wollen (weil sie angeblich der Ehe schaden) und uns zurück an Herd und Kinder fesseln wollen. Und genau diese Leute, die uns sonst als Sexobjekt oder Mutter sehen, spielen sich nun als Beschützer vor dem "großen, bösen, fremden Mann" auf.

Dabei wird komplett außer Acht gelassen, dass 75% der Frauen in Österreich schon sexuelle Belästigung erlebt haben, ein Drittel sexuelle Gewalt und davon fast die Hälfte aus dem Bekanntenkreis und 25 % durch den eigenen Partner.

Das Feindbild vom triebgesteuerten frauenfeindlichem Moslem, welches Medien und die neuen Frauenverteidiger verbreiten wollen, hat nur wenig mit "Frauen schützen" zu tun. Wer Übergriffe auf Frauen verhindern will, muss bei der Frage beginnen, warum es auch in unserer christlich-abendländischen Gesellschaft so viele Übergriffe auf Frauen gibt. Warum Frauen nach wie vor im Durchschnitt 30% weniger als Männer verdienen. Und warum sexuelle Belästigung nach wie vor als Kavaliersdelikt oder sogar als „Kompliment“ gesehen wird.

Denn sexualisierte Gewalt gegen Frauen ist keine Sache der Religion oder der Kultur, sondern sie ist ein Auswuchs der kapitalistischen Gesellschaft (und vorheriger Klassengesellschaften), in der wir leben. Der Politik, die dringend nach einem Instrument gesucht hat, um die Stimmung gegen Flüchtlinge anzuheizen, um Zustimmung zu ihrer Abschiebepolitik zu bekommen, reagiert auch prompt. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer rührt die Werbetrommel für „ein sofortiges Ende des Aufenthalts in Deutschland", Team Stronach Klubobmann Luger gibt sich angesichts von „tausenden jungen Männer“ besorgt. Vor wenigen Monaten noch sprach sich Markus Franz (damals Team Stronach, heute ÖVP) fürs „Pograpschen“ aus und erhielt dafür auch Rückendeckung aus der Partei. So zu tun, als ob sexualisierte Gewalt gegen Frauen importiert wäre, geht am Erleben von Frauen vorbei, die in Familie, Schule, Ausbildung, Job und beim Fortgehen ständig mit Gewalt und Übergriffen konfrontiert sind. FPÖ-Generalsekretär Kickl meint, dass sich unter den „ Zuwanderern auch einige befänden, die Frauen offenbar als Freiwild sehen”. Unter den Zuwanderern gibt es aber auch viele Frauen, die Opfer von (sexualisierter) Gewalt sind. Und Freiwild sind Frauen auch durch „hiesige“ Männer, wie die Berichte bei #aufschrei  zeigen. Und es war auch die FPÖ, die sich gegen den Paragraphen gegen das "Po-Grapschen" auf die Hinterbeine gestellt hat.

Das alles zeigt, dass es für die neuen „Frauenschützer“ nichts zu meckern gibt, wenn sich weiße Männer an Frauen vergehen. Aber sobald es jemand mit einer anderen Hautfarbe/Religion tut, fühlen sie sich um ihren Besitz betrogen.

Die Übergriffe in Köln sind ein Verbrechen ohne wenn und aber und stellen einen neuen traurigen Höhepunkt im alltäglichen Normalzustand dar! Wir kämpfen gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt egal woher die Täter kommen. Und wir kämpfen mit unseren ausländischen KollegInnen gemeinsam für soziale Verbesserungen, höhere Löhne und gegen ein System, das Sexismus und Rassismus erzeugt.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

8.3. Demonstration: Nicht mit mir! Nein zu Gewalt gegen Frauen – Nein zu Rassismus!

Gewalt und Benachteiligung gegen Frauen ist überall:

  • Fast jede 3. Frau wurde bereits Opfer sexueller Gewalt

  • Mehr als jede 2. Frau hat bereits körperliche Gewalt erfahren

  • 3 von 4 Frauen haben bereits sexuelle Belästigung erlebt

  • Nur 1 von 5 Tätern ist eine unbekannte Person, der Rest Bekannte, Verwandte und Kollegen.

  • Frauen verdienen um rund ¼ weniger als Männer

Gewalt gegen Frauen ist kein Randthema. Doch wir alle sind an viele dieser Missstände gewöhnt, sind vielleicht selbst Teil davon und daher fallen sie uns weniger auf: Die ungute Anmache vom Chef die man sich gefallen lässt, weil man den Job braucht. Abfällige Bemerkungen über Figur oder Fähigkeiten durch Mitschüler. Der Freund der seinen Freunden die Freundin präsentiert wie eine Trophäe. Die Bekannte die blaue Flecken unter langen Ärmeln versteckt.... All das findet täglich statt und hat massiv negative Folgen.

Die sexuelle Übergriffe zu Silvester und der Aufruf zum Treffen von Vergewaltigungsbefürwortern im Februar sind nur die Spitze des Eisberges. Frauen sind auch im Jahr 2016 ständig mit Gewalt, Belästigung, Demütigung und Benachteiligung konfrontiert. Nach den Ereignissen in Köln ist das Thema sexuelle Gewalt gegen Frauen in allen Medien gewesen. Doch v.a. wurde es verwendet, um einen Besitzanspruch gegen „unsere“ Frauen deutlich zu machen. Denn am lautesten haben sich jene gemeldet, die sonst an vorderster Front stehen wenn es darum geht, Frauenrechte zu beschränken: Rechtsextreme, Abtreibungsgegner und Frau-an-den-Herd-Schicker. (Sexuelle) Gewalt gegen Frauen ist kein importiertes Problem, das findet auch in unserer Gesellschaft täglich statt.

Gut ist, dass immer mehr Frauen – und auch Männer – die Normalität von Gewalt gegen Frauen nicht mehr hinnehmen. Wir wollen diese Gewalt und dieses System, dass die Gewalt erzeugt und ermöglicht, bekämpfen.

Wir wollen

  • Selbstverteidigungskurse als fixer Bestandteil des Schulunterrichtes, damit sich Kinder&Jugendliche im Ernstfall verteidigen können. Sexismus und was dagegen getan werden kann muss Thema in den Schulen sein.

  • Umfassender Aufklärungsunterricht und ausreichend SozialarbeiterInnen damit Kinder&Jugendliche wissen, das es nicht in Ordnung ist, wenn sich Bekannte/Verwandte an ihnen vergreifen und dass sie AnsprechpartnerInnen haben.

  • Statt Kürzungen wie sie die Regierungen durchführen brauchen wir mehr Frauenhäuser und betreute Wohngemeinschaften für Kinder und Jugendliche um aus gewalttätigen Beziehungen/Familien raus zu können.

  • Wohnbauoffensive und Enteignung von leerstehenden Wohnungen um günstigen Wohnraum für alle zu schaffen sowie ein Mindestlohn von 1.700.- damit keine Frau bei einem gewalttätigen Partner bleiben muss.

  • Eine offensive Kampagne der Gewerkschaften gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Zuhause und für gleiche Löhne.

Willst du auch aktiv werden gegen Sexismus und gegen Rassismus? Dann werde Teil von „Nicht mit mir“.

Am 8. März ist internationaler Frauenkampftag. Weltweit gehen an diesem Tag Millionen Frauen und Männer für Frauenrechte auf die Straße. Hilf mit, damit die Demonstrationen in Wien ein starkes Zeichen werden: Verteile Flyer, mach bei Aktionen mit, häng Plakate auf, organisiere eine Diskussion oder Aktion zum Thema – wir helfen gern. https://www.facebook.com/nichtmitmir2014/?fref=ts

Demonstration am 8. März: https://www.slp.at/termine/nicht-mit-mir-nein-zu-gewalt-gegen-frauen-nein-zu-sexismus

Gegen sexuelle Gewalt und Rassismus

Stellungnahme zu den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht in Köln
CWI Köln

In der Silvesternacht hat es rund um den Kölner Hauptbahnhof eine große Zahl gewalttätiger sexueller Übergriffe auf Frauen gegeben, oft verbunden mit anderen kriminellen Aktivitäten wie Taschendiebstahl. Nach den Schilderungen der Frauen, die Opfer dieser sexistischen Gewalt wurden, war es ein Alptraum. Bisher sollen 60 Strafanzeigen vorliegen, davon rund ein Viertel wegen der sexuellen Übergriffe. Da mutmaßlich viele Männer arabischer Herkunft an diesen Straftaten beteiligt waren, wittern rechtsextreme Gruppen ihre Chancen und nutzen die Situation, um gegen alle Flüchtlinge und Muslime zu hetzen. Es ist nötig, gegen Sexismus und Gewalt Stellung zu beziehen. Genauso ist jede Form von rassistischer Hetze abzulehnen.

Während Presse und Polizei am 1. und 2. Januar nur wenig berichteten, gab es am dem 3. Januar Schlagzeilen, die immer reißerischer wurden und wenig zur Klärung beitrugen.

Was ist passiert?

Vor Mitternacht, das belegen Augenzeugenberichte und Videos, hielt sich eine Menschenmenge auf dem Bahnhofsvorplatz auf, in Pulks zusammenstehend. Aus diesen Pulks heraus wurden Böller und Raketen in andere Gruppen oder auf Passant*innen abgeschlossen, eine Situation, wie es sie schon häufiger im Umfeld der Deutzer Brücke gab. Die Zahl von 1.000 scheint angesichts des Bildmaterials übertrieben.

In der Menge hatten sich anscheinend mehrere Gruppen von Kleinkriminellen aufgehalten, aus dem Milieu der sogenannten „Antänzer“, die vorwiegend auf den Ringen Taschendiebstähle begehen. Nach Angaben der Polizei stammen viele davon aus Marokko, Algerien oder Tunesien. Diese hätten sich, so Presse- und Augenzeugenberichte, nach Mitternacht zu Trupps zusammengefunden, um überwiegend Frauen auszurauben. Die sexuellen Übergriffe waren zunächst wohl Mittel, um von den Diebstählen abzulenken. Innerhalb kurzer Zeit wurden die Übergriffe immer heftiger, Kleidungsstücke wurden Frauen vom Körper gerissen, sie wurden überall angefasst, massiv bedrängt, laut Polizei soll es zu einer Vergewaltigung gekommen sein. Inwieweit sämtliche Täter organisierte Kriminelle waren oder ob sich auch andere alkoholisierte Männer an den sexuellen Übergriffen beteiligt haben, ist nicht klar.

In der Silvester-Nacht ist anscheinend der organisierte Straßenraub zusammengetroffen mit einer  durchaus „deutschen“ Tradition, dem Massensaufen und dem massenhaften Männerpöbeln, welches den Sexismus schon beinhaltet. Erschreckend war allerdings auch die Rolle der Polizei, die zunächst so tat, als hätte sie nichts mitbekommen.

Widersprüche bei der Polizei

Die Polizei-Meldungen sind widersprüchlich. Sie verwirren mehr als dass sie Klarheit schaffen. Am 1. Januar berichtete die Polizei zunächst von „ausgelassenen Feiern“ und „weitgehend friedlichen“ Feiern. Am 4. Januar redete Polizeipräsident Albers von „1.000 Verdächtigen“. Er sagt es nicht, aber er implizierte, als wäre die gesamte Menge vor dem Hauptbahnhof an den sexuellen Übergriffen und Raubüberfällen beteiligt gewesen und als wären all als diese Leute nordafrikanischer Herkunft, was offensichtlich nicht stimmen kann. Übertreibt die Polizei im Nachhinein die Größe der Menge, um ihr Versagen zu rechtfertigen? Der Stuhl von Albers wackelt ohnehin, denn er hatte im Oktober 2014 zu verantworten, dass die Polizei 4.000 Nazis und Hooligans rund um den Bahnhof randalieren ließ. Der Polizeipräsident muss beantworten, warum die Polizeieinheiten wieder abrückten, nachdem sie vor Mitternacht die Menge zerstreut hatte, aus der Böller geworfen wurden. Wenn die Beamt*innen auf dem Platz geblieben wären, hätten die Übergriffe so nicht stattfinden können.

Wenn auch nur ein paar Nazis eine Kundgebung in einem Kölner Stadtteil machen, bereitet sich die Polizei massiv vor, stellt ein oder mehrere Hundertschaften bereit, geht gegen Antifaschist*innen vor, nur damit die Rassisten ihre Hetzreden halten können.  An einem Tag wie Silvester, an dem Tausende alkoholisiert durch die Straßen ziehen und das Risiko von Straftaten massiv ansteigt, ist die Polizei anscheinend nicht in der Lage oder nicht willens, Präsenz zu zeigen.

Rassistische Trittbrettfahrer

Faschistische Gruppen wie ProNRW und rechte Hooligans rufen zu Demonstrationen auf, angeblich, um die Frauen zu schützen. Teilweise wird in der rechten Szene unverhohlen eine Jagd auf migrantisch aussehende Jugendliche angekündigt. Nazis uns Rassisten wollen ausnutzen, dass viele der Gewalttäter mutmaßlich aus arabischen Ländern kommen und wollen suggerieren, dass sexuelle Gewalt vor allem von Migrant*innen ausgeht. Das ist schlicht bizarr. Nazis und Hooligans sind oft eng mit der organisierten Kriminalität, mit Prostitution und Drogenhandel verbunden. Sie profitieren davon, dass Frauen systematisch entrechtet, ausgebeutet und gedemütigt werden. Sie vertreten zudem eine Ideologie, die Frauen lediglich als Mütter oder Hausfrauen definiert, sie verweigern gleiche Rechte für Frauen. Faschisten diskriminieren Menschen auf der Grundlage ihres Geschlechtes oder ihrer sexuellen Orientierung. Die Rechten wollen auch Frauen und Kindern, die Opfer von Kriegen und oftmals damit einhergehender sexualisierter Gewalt sind, das Asylrecht in Deutschland und eine gute Unterbringung und Betreuung verweigern.

Die alltägliche sexualisierte Gewalt

Wer nur gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen auftritt, wenn sie von Nicht-Deutschen begangen wird, ist ein Rassist, ohne Wenn und Aber. Wir verurteilen Sexismus und sexistische Gewalt, egal von wem und egal in welcher Form. Sexuelle Gewalt wird nicht von außen nach Deutschland hinein getragen. Sexismus und Gewalt ist Teil jeder hierarchischen Gesellschaft, auch in Europa, auch hierzulande. Das Ausmaß der Übergriffe in der Silvester-Nacht ist schockierend. Dabei ist nicht einmal die Straße der gefährlichste Platz für Frauen, nicht Attacken durch Fremde sind das größte Problem. Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland vor allem häusliche Gewalt, oftmals ausgeübt von den eigenen Partnern oder anderen nahestehenden Personen. 25% aller Frauen haben mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt durch den eigenen Partner erlebt. 47% der von sexueller Gewalt Betroffenen haben mit niemandem darüber gesprochen. Frauen werden am Arbeitsplatz durch ihre Chefs unter Ausnutzung eines wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses sexuell belästigt. Überall prangt die sexistische Werbung auf Großflächenplakaten, auf denen für Bordelle und „Flatrate-Sex“ geworben wird. Die Frau wird zur Ware, jederzeit verfügbar, wenn man Geld oder Macht hat.

Mit dem alltäglichen, allgegenwärtigen Sexismus haben viele der selbsternannten Frauenfreunde aus der rechten und rechtsextremen Ecke offensichtlich keine Probleme. Sexualisierte Gewalt hat wenig mit Sex im eigentlichen Sinne zu tun, aber viel mit Gewalt und Macht. Sie ist das Produkt einer Gesellschaft, in der die Spaltung zwischen Männern und Frauen, aber auch zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen, zu den Grundpfeilern der Herrschaft einer reichen Minderheit gehören.

Wir kämpfen gegen jede Form von Sexismus und Rassismus, für gleiche Rechte für alle Menschen. Wir rufen dazu auf, sich an den Protesten gegen sexistische Gewalt und gegen Rassismus zu beteiligen.

Return of Kings: Frauenfeindliche Offensive

Gegenaktionen in vielen Städten geplant
Christian Walter, CWI-Deutschland, und Sonja Grusch

Für Samstag, 6. Februar, hat die frauenfeindliche Initiative „Return of Kings“ eine weltweite Offensive angekündigt. Mit Vernetzungstreffen wollen sie arbeitsfähige Unterstützergruppen aufbauen. Auch in einigen deutschen und österreichischen Städten sind Treffen angesetzt – Widerstand ist bereits angekündigt. 

„Return of Kings“: Erzkonservativ, reaktionär und gefährlich!

Hier mal einige Fakten zur Gruppe „Return of Kings“, die ihren Charakter offenbaren:

  • Ihr Gründer und bekennender Putin- und Trump-Fan Daryush Valizadeh (er nennt sich selber Roosh V) ist Gründer und Führungsperson. In Seminaren lehrt er Männer, wie sie Grenzen von Frauen am besten brechen können. Wenn eine Frau „Nein“ sagt, sei das nur eine weitere Herausforderung für den Mann. Am deutlichsten wird seine Widerwärtigkeit in der Forderung, Vergewaltigungen zu legalisieren – sofern sie auf Privatgelände geschehen. Das ist besonders deshalb wichtig, weil rund 80% aller Vergewaltigungen durch Bekannte bzw. Verwandte stattfinden, der größte Teil wohl auf "Privatgelände". Hochgradig gefährdet sind daher die Frauen, Töchter/Söhne, Enkeln, Nichten/Neffen sowie deren jeweilige Bekannte von diesen Männern. Um sie zu schützen muss das Thema Gewalt endlich aus dem Tabu-Eck geholt werden. Denn die "heilige" Familie ist der gefährlichste Ort für Frauen!
  • Er bezeichnet sich selber als „Männerrechtler“. Er steht für ein mittelalterliches Rollenbild, in dem der Mann in der Familie alles, die Frau nichts zu sagen hat. Das sieht er als „Männerrecht“ an: Frauen wie Objekte besitzen zu dürfen.
  • Er kämpft gegen eine „Feminisierung“ des Mannes. Männer sollten „maskulin“ (d.h. unterdrückerisch, beherrschend) und heterosexuell sein. Bi-, Homo- und Transsexualität lehnt er ab.
  • In rassistischer Manier werden Männern für Frauen aus unterschiedlichem Erdteilen bestimmte „Tipps“ gegeben, wie sie am besten zu brechen und letztendlich zu beherrschen seien.
  • Hinter feministischen Fortschritten vermutet „Return of Kings“ eine jüdische Verschwörung, in die Welt gesetzt, um eine „westliche Kultur“ zu untegraben.
  • In ihrer Selbstdarstellung schreibt die Gruppe: „Der Wert einer Frau hängt maßgeblich von ihrer Schönheit und ihrer Gebärfähigkeit ab. Der Wert eines Mannes hingegen von seinen Reichtümern, seinem Intellekt und seinem Charakter.“
  • Aber „nicht nur“ frauenfeindlich, rassistisch und antisemitisch ist diese Gruppierung: ihren Neoliberalismus bringen sie hiermit gut zum Ausdruck: „Sozialismus, Feminismus, Kulturmarxismus und der Kampf um soziale Gerechtigkeit zielen darauf ab, die Einheit der Familie zu zerstören, verringern die Geburtenrate und bluten den Staat durch steigende Wohlfahrtsansprüche aus.“

Die Zitate und Infos sind von den offiziellen Seiten von „Return of Kings“, die wir hier nicht verlinken wollen. VICE hat ein Seminar von Valizadeh besucht und das Erlebte in einem Bericht zusammengefasst: http://www.vice.com/de/read/als-frau-auf-dem-seminar-eines-vergewaltigungs-befuerworters-roosh-v-berlin-888. Triggerwarnung: Hier werden verschiedene Formen von Erniedrigung bis hin zur Vergewaltigung beschrieben.

Solche Widerwärtlinge wollen sich organisieren. „Return of Kings“ hat nach eigenen Angaben weltweit 40.000 Menschen in ihrem Newsletter. Das Online-Forum ist lebendig, hier tauschen Männer ihre Erfahrungen und Fanatasien. Durch Seminare in vielen Städten wurden bereits Kontakte geknüpft. Durch die Bezeichnung als "Pickup Artists" sollen ihren brutalen Gewaltfantasien und -Taten verharmlost und trendig präsentiert werden. Jetzt rufen sie zu einem weltweiten „Meetup Day“ auf, also einem Tag wo sich Anhänger sammeln sollen. Das Ziel davon ist zweifelsfrei die Schaffung einer besser vernetzten Anhängerschaft, um noch mehr solcher Seminare zu organisieren (und so u.a. auch viel Geld zu verdienen) oder an anderen Fronten gegen Errungenschaften der feministischen Bewegung zu kämpfen.

Widerstand formiert sich

Weltweit hat sich rasch Widerstand dagegen organisiert. In Aachen z.B. wurden beim linksjugend [‘solid]-Treffen Proteste ins Rollen gebracht. Das schreibt linksjugend [‘solid] Aachen:

Das Konzept für ihr [Return of Kings] Treffen sieht so aus: Von 20:00 -20:20 Uhr werden sie sich auf dem Aachener Katschhof sammeln. Mit einem Codespruch wollen sie sich Gleichgesinnten gegenüber zu erkennen geben: “Do you know where I can find a pet shop?” (Die direkte deutsche Übersetzung wäre: “Wissen sie wo ich ein Tiergeschäft finde?”. Es gibt im Englischen hier eine Doppeldeutigkeit, denn “Pet Shop” kann auch als Ort zum angrabschen interpretiert werden) und der Antwort “Yes, it’s right here.” (Deutsche Übersetzung: “Ja, das ist genau hier.”) Um 20:20 wollen sie dann woanders hingehen, wo sie sich ungestört austauschen können.

Wir rufen dazu auf:

  • kommt spätestens um 20:00 Uhr auf den Aachener Katschhof. Beachtet die Sicherheitshinweise weiter unten.
  • An die “männlichen” unter euch: Geht auf Gruppen von Männern zu und sagt den Codespruch.
  • Wenn sich Sexisten so zu erkennen geben, informiert Umstehende. Dann sollten alle (auch die nicht-“männlichen”) zu der Gruppe gehen und sie nicht unbegleitet gehen lassen. So machen wir ihnen klar, dass es kein Vernetzungstreffen von Vergewaltigungsfans in Aachen geben wird.
  • Sollten sie geschlossen zu einem anderen Treffpunkt aufbrechen, werden wir mitgehen und das Treffen verunmöglichen.
  • Sollten sie vereinzelt weggehen, werden wir in unseren Gruppen möglichst viele von ihnen begleiten und sicherstellen, dass sie nicht an einem späteren Zeitpunkt erneut zusammentreffen.
  • Wir (linksjugend [‘solid]) werden ab 19:00 vor Ort sein und für One Billion Rising (Aktion gegen sexualisierte Gewalt, 14.2. um 14:00 Uhr am Elisenbrunnen) mobilisieren. Ab 19:00 Uhr könnt ihr also gerne ankommen.

Sicherheitshinweise
“Return of Kings” ruft zu aggressivem Verhalten gegen “Verrückte Feminist*innen” auf. Das heißt: Abfilmen / -fotografieren, aber auch andere Formen von Bedrohungsszenarien. Überlegt euch, wie ihr euch vor Aufnahmen eurer Gesichter schützen könnt. Kommt entweder möglichst schon ab 19:00 Uhr zu uns, oder bewegt euch in Bezugsgruppen mit FreundInnen oder anderen Menschen, mit denen ihr euch abgesprochen habt.

Auch in vielen anderen Städten sind Proteste geplant. In Wien und Graz gibt es bereits Aufrufe zum Widerstand. Durchs Netz geht die Antwort eines weiblichen Boxteams. Nun wurde die Treffen abgesagt bzw. an nicht bekannt gegeben Orte verlegt. Ein Erfolg der massiven Proteste. Aber keine Entwarnung. Denn 1) ist nicht sicher, dass es nicht doch Vernetzungsversuche an anderen Orten gibt und 2) ist das Problem von (sexualisierter) Gewalt gegen Frauen damit ja nicht gelöst. Eine Petition, die die Einreise von Daryush Valizadeh verhindern soll (obwohl fraglich ist, ob er das überhaupt vor hat) geht daher auch am Problem vorbei. Und ist gerade nach Köln auch eine nicht ganz unproblematische Antwort. Selbstverständlich ist jemand wie dieser widerliche Sexist unerwünscht. Allerdings ist seine Position kein ausländischer Import - genausowenig wie Gewalt gegen Frauen erst mit den Flüchtlingen nach Europa gekommen wäre. Empörend ist auch, dass es zwar eine massive Medienkampagne zu Köln gab, in der auch von "Qualitätsmedien" das pauschale Bild der rückständigen Moslems gezeichnet wurde. Und jetzt? Nun gibt es eine Verabredung von Männer zu Übergriffen gegen Frauen. Doch hier, wo es deutsche bzw. österreichische weiße Männer offen und angekündigt tun, bleibt der breite Aufschrei bislang aus. Gewalt gegen Frauen muss laut und deutlich gekontert werden - durch linke und Frauenorganisationen, durch Gewerkschaften und FlüchtlingsaktivistInnen.

Ausblick

In den letzten Jahren hat es viele Rückschläge im Kampf gegen Diskriminierung von Frauen und nicht-heterosexuelle Männern gegeben. Gewalt gegen Frauen, sexuelle Übergriffe und Diskriminierung (z.B. in Form niedrigerer Löhne) sind keine Randerscheinungen sondern treffen alle bzw. die Mehrheit aller Frauen. 

Die SLP ist aktiver Teil von Protesten gegen sexualisierte Gewalt und für eine Welt in der Frauen tatsächlich gleichberechtigt sind. Beteiligt euch an unserer Kampagne "Nicht mit mir! Nein zu Gewalt gegen Frauen - Nein zu Rassismus" und demonstriert mit uns gemeinsam am 8.3., dem Internationaler Frauenkampftag.

Protest am 6.2. https://www.slp.at/termine/gegen-sexismus-und-sexualisierte-gewalt-gegen-frauen

Demo am Internationalen Frauenkampftag: https://www.slp.at/termine/nicht-mit-mir-nein-zu-gewalt-gegen-frauen-nein-zu-sexismus

6.2. "Rape" und "Culture" geht ja eigentlich gar nicht zusammen.

Gegen die Treffen von Vergewaltigungsverteidigern mobilisieren!

Am Samstag will eine Gruppen von Männern, die offensichtlich Angst vor Frauen und Sexualität haben sich gemeinsam an ihren komplexbeladenen Gewaltfantasien aufgeilen. Eigentlich bemittleidenswert - wären sie nicht gefährlich. Denn sie fordern dass Vergewaltigung in den eigenen vier Wänden legal sein soll. Schon heute passieren rund 80% aller Vergewaltigung im ganz engen Umfeld, also durch Verwandte oder nahe Bekannte. Hochgradig gefährdet sind daher die Frauen, Töchter/Söhne, Enkeln, Nichten/Neffen sowie deren jeweilige Bekannte von diesen Männern. Um sie zu schützen muss das Thema Gewalt endlich aus dem Tabu-Eck geholt werden. Denn die "heilige" Familie ist der gefährlichste Ort für Frauen!

Proteste von Frauen und Männern gegen die Vergewaltigungsverteidiger/befürworter/verharmloser finden am zumindest in Wien und Graz am 6.2. statt - Termine folgen auf https://www.slp.at/kalender#kalender-today-date-box

 

Sexismus & Rassismus: Nicht mit mir!

In der Silvesternacht werden in Köln Frauen von Gruppen von Männern sexuell belästigt. Ein Aufschrei geht durch die Medien, Zeitungen, TV und vor allem die sozialen Netzwerke greifen das Thema auf. Auch in anderen Städten melden sich Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind. Plötzlich ist überall über Sexismus zu lesen und darüber, dass Frauen häufig belästigt werden. Wurde sexuelle Belästigung bisher oft als Kavaliersdelikt behandelt, wird nun deutlich gemacht, dass es sich um ein Verbrechen gegen Frauen handelt.

Obwohl das eigentlich gut ist, hat das ganze doch einen ziemlich miesen Beigeschmack. Die Empörung kommt nämlich bei vielen daher, dass scheinbar viele der Täter Migranten waren. Plötzlich sind genau die Typen empört, die bisher meinten, ein „Klaps auf den Po“ wäre doch nur ein „netter Spaß“ und Frauen sollten sich doch über das Kompliment freuen. Rechte und Rechtsextreme, für die Frauen eigentlich besser zu Herd und Familie gehören und die z.B. gegen Abtreibung sind, spielen sich plötzlich als Frauenverteidiger auf. Und das stimmt ja auch irgendwie, doch wollen sie nur „ihre“ (weißen) Frauen vor den Übergriffen der „Ausländer“ schützen. Das ist dasselbe Besitzdenken, wie es auch bei religiösen Fundis zu finden ist.

Es stimmt also überhaupt nicht, dass hier ein Frauenbild wie aus dem Mittelalter von außen in unsere aufgeklärte Welt gebracht werden würde. Schließlich gibt es auch hierzulande ständig sexuelle Übergriffe gegen Frauen von hiesigen Männern, meist sogar von Bekannten oder Verwandten. Sexisten sind Arschlöcher – egal woher sie kommen, egal welche Religion sie haben. Die Angriffe sind zu verurteilen. Und der Rassismus, für den sie missbraucht werden ist es auch. In Köln haben am 9.1. tausende Menschen gegen die Angriffe auf Frauen UND gegen Rassismus demonstriert. Da wurde auch gefordert, dass nicht die Polizei (die Frauen nicht schützt, dafür aber Nazis) sondern Frauenorganisationen und Gewerkschaftsbewegung alle Unterlagen über die Ereignisse der Silvesternacht bekommen, um sie zu untersuchen. „Nicht mit mir!“ - Gegen Sexismus und gegen Rassismus, das sagen auch immer mehr in Österreich! Werde mit uns aktiv!

https://www.facebook.com/nichtmitmir2014/?fref=ts

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Offen gefragt

Ein paar Anregungen zum Nachdenken über den Umgang mit der Silvesternacht von Köln
Georg Kümmel, Köln

Die Debatte nach der Silvesternacht in Köln ist, vorsichtig gesagt, sehr verwirrend. Eine allgemeine Hysterie scheint das Land ergriffen zu haben. Was tun? Beginnen wir damit, den politischen AkteurInnen in der Debatte öffentlich einige Fragen zu stellen:

Kultur oder Religion

Die Männer, die die Frauen sexuell belästigt, ihnen Gewalt angetan und beraubt haben, müssen ein sehr rückständiges Frauenbild haben. Das soll, hören wir, mit ihrem Kulturkreis und ihrer Religion zu tun zu haben. Frage: In Deutschland werden jährlich über 7000 Fälle von Vergewaltigungen und schwerer sexueller Nötigung angezeigt. Die Dunkelziffer liegt weit höher. Die meisten Fälle von körperlicher und/oder sexueller Gewalt wird durch Beziehungspartnerinnen und Beziehungspartner begangen und sie kommt in allen Bildungs- und Sozialschichten vor. Frage: Lassen sich diese (mehrheitlich deutschen) Männer, wenn sie „ihre“ Frau verprügeln oder vergewaltigen, mehr von den Werten der westlichen Kultur der Aufklärung leiten oder eher von den Leitbildern unserer christlich-abendländischen Religion?

Deutsch aussehend

Eine unbekannte, nach einschlägigen Schätzungen aber sehr hohe Zahl deutscher Männer reist regelmäßig als so genannte Sextouristen nach Thailand, Kambodscha, auf die Philippinen und in weitere sehr arme Länder. Viele gehen dort gezielt zu Kinderprostituierten und missbrauchen sie. Frage: Sollte man den Regierungen dieser Länder nicht dringend vorschlagen, ein Einreiseverbot für deutsche Männer zu verhängen? Oder zumindest eine Obergrenze festzulegen? Oder sollten sie sicherheitshalber allen nordeuropäischen Männnern die Einreise verweigern? Oder würde es ausreichen, für alle „nordeuropäisch aussehenden“ Männer die Grenzen dicht zu machen. Oder nur für „deutsch aussehende“ Männer?

Leitkultur

Die Flüchtlinge sollen sich, so wird gefordert, die deutsche Leitkultur zu eigen machen, eventuell sogar entsprechende Erklärungen unterschreiben. Frage: Reicht es, wenn sie die öffentliche Bordellwerbung akzeptieren („100 Girls erwarten dich…“) oder müssen sie auch Werbung für Flatrate-Sex-Bordelle als völlig normal verinnerlichen?

Das größte Bordell in Köln (11 Stockwerke) trägt den Namen „Pascha“. Auf http://www.duden.de lesen wir zur Bedeutung des Wortes „Pascha“: „1. (früher) Titel hoher orientalischer Offiziere und Beamter 2. (abwertend) Mann, der Frauen als dem Mann untergeordnet ansieht und sich von ihnen gern bedienen, verwöhnen lässt.“ Frage: Passt das „Pascha“ eher zu unserer modernen westlichen Tradition und Frauenbild oder entspricht es doch mehr dem alten orientalischen?

Schutz

Zu denen, die die Frauen schützen wollen, gehört auch Horst Seehofer. 1997 lag im Bundestag ein Gesetzentwurf vor, mit dem Vergewaltigung in der Ehe erstmals als Straftatbestand anerkannt werden sollte. Horst Seehofer stimmte dagegen. Frage: Wollte Seehofer auch damals schon die Frauen schützen oder was wollte er?

Abschiebung

Die Abschiebung „krimineller Ausländer“ wird in der öffenltichen Debatte von so gut wie niemandem mehr in Frage gestellt. Trotzdem ein, zwei Fragen: Wäre es nicht konsequent, auch alle Länder, in denen deutsche Staatsbürger leben, aufzufordern, kriminelle Deutsche nach Deutschland abzuschieben? Immerhin leben allein in Europa 1,14 Millionen Deutsche ständig im Ausland. Weltweit sind das noch einige mehr. Darunter dürfte auch der ein oder andere sein, der eine Straftat begangen hat. Und fällt eigentlich niemandem mehr auf, dass die Forderung „Kriminelle Ausländer abschieben“ zuerst von rechten, rassistischen und faschistischen Parteien auf ihre Plakate geschrieben wurde? Warum wohl?

Türkei

Die Türkei ist Deutschlands Nato-Partner. Sie soll gerade helfen, die europäischen Außengrenzen zu schützen. Zugegeben, nicht vor einem bewaffneten Angriff anderer Mächte sondern vor  Flüchtlingen mit Plastiktüten. Frage: Ist es wirklich eine gute Idee sich „fest an die Seite der türkischen Regierung“ zu stellen? Muss der NATO-Partner zum Schutz der europäischen Außengrenzen wirklich so viele kurdische Dörfer und Städte beschießen oder würde es schon ausreichen, wenn der NATO-Partner aufhören würde, Deals mit dem IS zu machen?

Saudi Arabien

Saudi Arabien ist ein ganz besonderes Land. Frauen haben ihr Leben lang einen Vormund (Vater, Bruder, Ehemann) und auch sonst wenig Rechte. Es gibt aus dem Land auch besonders viel finanzielle Unterstützung für den IS, außerdem werden besonders viele Menschen hingerichtet, vorzugsweise geköpft. Doch Saudi Arabien ist drittgrößter Empfänger deutscher Rüstungsexporte (nach Großbritannien und Israel). Frage: Hofft man mit deutschen (westlichen) Waffen auch westliche Werte ins Land zu bringen? Oder gilt Saudi Arabien der deutschen Regierung als bereits ausreichend „verwestlicht“. Immerhin finden die Enthauptungen sehr transparent, in der Regel nämlich auf öffentlichen Plätzen, statt und die Opfer werden oft anschließend noch gekreuzigt.

Wem nützt es?

Inmitten der allgemeinen Hysterie wollen wir es wagen, noch ein paar weitere Fragen zu stellen. Kann es sein, dass hier etwas instrumentalisiert wird? Dass es gar nicht  um den Schutz von Frauen geht? Ja, von Beginn der Debatte nie darum ging? Kann es sein, dass die Regierung, ursprünglich dachte: so zweihundert- oder dreihunderttausend Flüchtlinge aufnehmen, das wäre gut für den (Billig-) Arbeitsmarkt und gut für das angekratzte Image nach dem Griechenland-Bashing? Könnte es sein, dass die Regierungsvertreter in den Flüchtlingen, die dann in viel größerer Zahl kamen und kommen, keine Menschen sehen, denen man unbedingt helfen muss, sondern ein innenpolitisches Problem? Kann es sein, dass ihnen die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht geradezu wie gerufen kamen, um ganz unchristliche Maßnahmen gegen Flüchtlinge umzusetzen und die öffentliche Meinung darauf vorzubereiten?

 

Zum Schluss: Wenn einige oder alle Fragen sehr zynisch klingen, dann war das nicht die Absicht des Fragestellers sondern widerspiegelt leider nur eine ganz reale Politik, die in diesem Land betrieben wird.

Linz: Demo gegen Homophobie – der Kampf geht weiter!

Weil FPÖ-Stadtrat Hein die 2015 installierten homosexuellen Ampelpärchen abmontieren ließ, organisierte ein breites Bündnis eine Demo. SLP-AktivistInnen beteiligten sich daran und erklärten im Flugblatt: „Der Kampf gegen Diskriminierung darf nicht bei Symbolen stehenbleiben. Langfristige Kampagnen in Schulen und Betrieben sind nötig, wir müssen erklären, dass homophobe Spaltungsversuche vor allem dazu dienen, ArbeiterInnen gegeneinander auszuspielen. Besonders Gewerkschaften sind gefordert, denn es zeigt sich: Jene PolitikerInnen, die gegen LGBT-Personen hetzen, stehen immer auch für Kürzungspolitik“. Wir bekamen sehr gute Rückmeldungen für unser Material. Zwei Demonstrantinnen halfen spontan beim Verteilen. Danach gab's noch eine ausführliche Diskussion über mögliche nächste Schritte.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Nach Köln

Rassistische Kräfte im Aufwind, direkte Gegenwehr & politische Antworten nötig
Claus Ludwig, Köln

Die sexuelle Gewalt an Silvester rund um den Kölner Hauptbahnhof versetzt die rassistische Rechte in die Lage, sämtliche Migranten aus muslimischen Ländern verbal zu attackieren. Sie ermöglicht den etablierten Parteien, das Asylrecht weiter zu beschneiden. Es ist, als hätten verschiedene Kräfte darauf gewartet, dass endlich etwas passiert, was man „den Flüchtlingen“ ankreiden kann. Die latent vorhandene Gewaltbereitschaft, die durch PEGIDA und andere Rechte gefördert wurde, bricht sich Bahn. Die Frauen, die Opfer der sexuellen Übergriffe und Diebstähle wurden, werden instrumentalisiert. Nazis, Hooligans, Hell’s Angels und andere Verbrecher, die davon reden, die Frauen zu „schützen“, haben eine eigene Agenda. Sie sind selber Sexisten und missbrauchen die Opfer der Silvesternacht, um Hetze und Gewalt gegen MigrantInnen zu verbreiten.

Es gäbe viel zu diskutieren über sexuelle Gewalt. Über die spezifischen Formen der Frauenfeindlichkeit bei deutschen wie nicht-deutschen Männern, mit oder ohne muslimischen Hintergrund. Über den Alltags-Sexismus in Form von omnipräsenter frauenverachtender Werbung, den Einfluss der Pornoindustrie und ihre Wirkung auf Jugendliche, Anmache in Schule, Uni und am Arbeitsplatz, (Zwangs-)Prostitution usw. Über die organisierte Misshandlung von Kindern in katholischen Einrichtungen. Über sexualisierte Gewalt und Vergewaltigungen beim Oktoberfest, an Karneval, bei Schützenfesten und vor allem in Familie und Bekanntenkreis. Doch statt einer nötigen Sexismus-Debatte erleben wir eine Eskalation des flüchtlings- und islamfeindlichen Diskurses.

Einige bürgerliche Institutionen drehen geradezu durch. In Bornheim bei Bonn wurde allen männlichen Flüchtlingen der Zutritt zum Schwimmbad verwehrt, weil es Belästigungen von Frauen durch einige Flüchtlinge gegeben haben soll. Auf gesetzliche Regelungen der Bundesrepublik kann sich die Stadt Bornheim nicht stützen, sie müsste schon auf die „Nürnberger Rassengesetze“ der Nazis zurück greifen, um dieses Verbot zu begründen. In Rheinberg am Niederrhein wurde der Rosenmontagszug abgesagt, begründet wurde dies mit einem nahe gelegenen Flüchtlingsheim. Die Geflüchteten, so werde befürchtet, könnten ähnlich agieren wie in Köln an Silvester.

Die Legende vom Tabu

Sexismus und sexualisierte Gewalt sind keine Importwaren, sondern integraler Bestandteil hierarchisch-patriarchalischer Gesellschaften, wie dem Kapitalismus. Unabhängig von Migration sind Frauen in der Bundesrepublik benachteiligt und erheblichen Gefahren ausgesetzt. Trotz aller berechtigten Ängste im öffentlichen Raum bleibt die eigene Wohnung der gefährlichste Platz für eine Frau in Deutschland. 24 Prozent aller Frauen haben gewaltsame Übergriffe durch den eigenen Partner erlebt.

Eine ganze Reihe von Artikeln von AktivistInnen der Frauen- und der antirassistischen Bewegung und auch in den bürgerlichen Medien haben diese Fakten, zum Teil sprachlich eindrucksvoll, geschildert. Gleichzeitig muss man wahrnehmen und anerkennen, wenn es Vorfälle sexualisierter Gewalt gibt, die neue Fragen aufwerfen. Sexuelle Übergriffe durch einzelne Männer sind schlimm genug, aber die Bildung von Männergruppen, die Frauen in der Öffentlichkeit einkreisen und bedrängen, ist eine andere Qualität und löst massive Ängste auf (wenn es auch ähnliche Szenen sicher beim Oktoberfest und ähnlichen Veranstaltungen gibt).

Ein zentraler Aspekt der rassistischen Erzählung ist, dass „die Linken“, „die Gutmenschen“, „die Lügenpresse“ angeblich verschweigen oder ignorieren wollen, dass die meisten Täter von Köln Migranten sind, dass sie nicht wahrhaben wollen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Art des Verbrechens und der Herkunft der Täter gibt.

Dass es ein Tabu gäbe, ist eine Konstruktion. Seit Jahren wird die angebliche Verantwortung junger muslimischer Männer für sämtliche Missstände vom Terror über Gewalt gegen Frauen bis zu kaputten Schulklos in den Talkshows rauf und runter diskutiert. Populisten verschiedener Prägung, von Sarrazin über Necla Kelek, Buschkowsky bis zu Tania Kambouri werden großzügig mit Sendezeit ausgestattet.

Und doch entfaltet die behauptete Existenz von Tabus, die es zu brechen gelte, eine enorme Wirkung. Die Linke und die Arbeiterbewegung können diese Wirkung nicht aufheben, aber können durch eine offene Diskussion versuchen, diese zu begrenzen.

Dazu gehört, die Ängste von Frauen ernst zu nehmen und anzuerkennen, dass die Übergriffe aufgrund ihres kollektiven Charakters eine größere Einschüchterungswirkung und ein größeres Bedrohungsgefühl entfalten, weil der Eindruck entsteht (bzw. dieser Eindruck durch die Medien und rechte Propagandisten erzeugt wird), dass die relative Sicherheit für Frauen im öffentlichen Raum nun in Frage gestellt ist.

Im kurzen Sommer der „Willkommenskultur“ im letzten Jahr gab es einige seltsame naive Auswüchse. Einige, die „Refugees welcome“ riefen, dachten wohl tatsächlich, es kämen nur nette Menschen, die unser multikulturelles Dasein bereichern würden. Flüchtlinge sind erst einmal Opfer von Krieg, Gewalt und Elend. Viele sind traumatisiert. Viele frustriert. Sie unterliegen zahlreichen Beschränkungen wie zu Beginn Arbeitsverboten und Beschränkungen bei der Jobsuche und dem Ausschluss von Sprachkursen. Sie sind nicht freiwillig hier. Vor allem sind „die Flüchtlinge“ nicht einheitlich. Sie gehören verschiedenen Klassen an, manche sind gestürzte Unterdrücker, manche sind immer unterdrückt gewesen. Sie bringen ihre Ideologien mit, manche fortschrittlich, manche reaktionär.

Das darf aber nicht dazu führen, das Grundrecht auf Asyl und Schutz vor Krieg, Unterdrückung und Verelendung in Frage zu stellen. Fängt man an solche Prinzipien in Bezug auf Geflüchtete und MigrantInnen zu teilen, wird das bei demokratischen und sozialen Rechten der inländischen Bevölkerung weiter gehen. Jede Spaltung wird von den Herrschenden eiskalt ausgenutzt, ihre Agenda der Profitmaximierung, Ausbeutung und Entdemokratisierung und Militarisierung der Gesellschaft durchzusetzen.

Die Linke und die Arbeiterbewegung müssen für die Verteidigung des Asylrechts eintreten, für dessen Ausbau, müssen gegen das Grenzregime der EU im Mittelmeer kämpfen, gegen Abschiebung, für Bleiberecht für alle, die es nach Deutschland geschafft haben. Aber sie sollten dies nicht mit der rosigen Illusion verbinden, eine so massive Fluchtbewegung würde ohne Probleme ablaufen. Sie müssen deutlich machen, dass die öffentlichen Ausgaben massiv gesteigert werden müssen, finanziert durch die Reichen und Konzerne, um die materiellen Voraussetzungen für ein gutes Zusammenleben zu schaffen, durch den Bau von bezahlbaren Wohnungen für alle, für den Ausbau von Schulen, Kitas, für die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen.

Anstieg rechter Gewalt

Die Silvesternacht von Köln hat die Lage in Deutschland deutlich verändert. Der offene Rassismus bricht sich Bahn. Einige, die bisher „für Flüchtlinge“ waren, schweigen. Einige Schwankende hören den Rechten zu. Die Hetze im Netz, vor allem in den Social Media, sprengt jeden Rahmen, aber sie wirkt auch im realen Leben. Im Interview mit dem WDR berichteten Menschen, die hier groß geworden sind, aber nicht typisch „deutsch“ aussehen, wie sie von Wildfremden an der Supermarktkasse aufgefordert werden, „zurück“ zu gehen.

Die rechte Gewalt, die in 2015 Woche für Woche zunahm, hat sich in den ersten Tagen des Jahres fortgesetzt. Die Berichte über die Anschläge wie im hessischen Dreieich, wo eine Flüchtlingsunterkunft mit scharfer Munition beschossen wurde, werden jedoch durch die Silvester-Debatte überlagert.

Am 10. Januar zog ein Mob von bis zu 300 Leuten in kleinen Gruppen durch die Kölner Innenstadt, jagte „Ausländer“ oder welche, die so aussahen und verletzte dabei drei Menschen. Dieser Mob bestand aus organisierten Nazis und Rechtspopulisten, Hooligans sowie Leuten aus der Türsteher-Szene und Rockern der Hell’s Angels. Auch rassistische „besorgte Bürger“, die keiner dieser Gruppen zuzuordnen sind, waren beteiligt.

Die Kölner Polizei merkte an, „Selbstjustiz“ wäre der falsche Weg. Aber „Selbstjustiz“ würde voraus setzen, dass die Silvester-Täter gejagt würden. Tatsächlich wurden ganze Bevölkerungsgruppen attackiert und für die Taten Anderer verantwortlich gemacht. So etwas nennt man Pogrom.

Nur einen Tag später griffen bis zu 300 rechte Hooligans das als alternativ bekannte Viertel Connewitz in Leipzig an, zerschlugen Fenster, schossen mit Raketen. Dieser bewusste Angriff auf Linke und der rassistische Mob von Köln markieren zusammen eine neue Qualität faschistischer Gewalt in Deutschland.

Für die antifaschistische Bewegung, die Linke, die Frauen- und die Arbeiterbewegung stellt sich die Frage nach einer politischen Strategie gegen den Rassismus. Unmittelbar muss zudem diskutiert werden, wie die Sicherheit der eigenen Aktionen und Veranstaltungen gewährleistet werden kann.

Vorauseilende Angst

Die große Zahl der Geflüchteten hat 2015 trotz aller Unfähigkeit des Staates zum Beispiel bei der Unterbringung hat zwar zu Einschränkungen geführt (wie durch die dauerhafte Nutzung von Turnhallen zur Unterbringung), aber nicht zu tiefgehenden Problemen für viele Menschen geführt. Die Kriminalität ist in den letzten Jahren nicht gestiegen, die Gewaltkriminalität leicht gesunken.

Deutschland befindet sich nicht in einer Wirtschaftskrise, es gab durchschnittlich leichte Steigerungen des Einkommens der Lohnabhängigen. Allerdings ist das Land sozial tief gespalten. Große Schichten wurden in den Niedriglohnsektor gedrängt. Während in eher ländlichen Gebieten die Arbeitslosigkeit hoch ist und die Jugend keine Zukunft hat, steigen in den wachsenden Ballungsgebieten die Mieten und sinken dadurch die verfügbaren Einkommen.

Aber das allein kann den großen Zulauf für rechte Parteien wie die AfD und Bewegungen wie PEGIDA seit 2014 nicht erklären. Vielmehr scheint es, als würde sich ein Teil der Bevölkerung in einer Art vorauseilender Angst nach rechts polarisieren, fürchtend, dass die Krisen dieser Welt – ökonomischer Kollaps der Euro-Peripherie, Eskalation des regionalen Krieges im Mittleren Osten, verschärfte Konkurrenz der imperialistischen Mächte, zerfallende Staaten  – über kurz oder lang wie ein Bumerang nach Deutschland zurück kommen.  Kräfte wie AfD und PEGIDA nutzen dies und brandmarken die Flüchtlinge als Vorhut dieser Krisen. Tatsächlich sind diese Ängste nicht unberechtigt. Kapitalistische Krise, zunehmende Konkurrenz und Kriege sind real. Allerdings ist die Alternative der Rechten die Eskalation dieser Konflikte, nicht deren Lösung.

Polarisierung nach rechts und links

2015 polarisierte sich die politische Debatte in Deutschland. Während sich ein Teil nach rechts orientierte und die rassistischen Übergriffe zunahmen, engagierten sich sehr viele Menschen in der Flüchtlingshilfe und lehnten die nationale und religiöse Spaltung ab. Auch aufgrund dieses Druckes verkündete Merkel ihr „Wir schaffen das“. Mehr Menschen als jemals zuvor seit Anfang der 1990er Jahre gingen gegen Nazis und Rassisten auf die Straße, beteiligten sich an Gegendemonstrationen und Blockaden.

Die Kölner Silvesternacht hat nun diejenigen gestärkt, die schon seit Monaten daran arbeiten, die Stimmung gegen die Geflüchteten zu wenden, Asylrechtsverschärfungen durchzusetzen und die Spaltung der Bevölkerung zu vertiefen. Bis dahin verhielten sich „die Flüchtlinge“ aus Sicht der Rassisten geradezu erschreckend vorbildlich. Auf einmal gab es die Gelegenheit, „die Flüchtlinge“ und gleich auch noch „die Muslime“ kollektiv verantwortlich zu machen und aus Köln ein Symbol zu machen für das Unheil, was Deutschland angeblich durch die Migration drohen würde.

Die Rassisten haben diese Steilvorlage für ihre Offensive genutzt. Ihre Propagandisten wie Tatjana Festerling (PEGIDA Dresden) entfalten eine Bürgerkriegsrhetorik, die nicht den realen Verhältnissen entspricht, aber als sich selbst erfüllende Prophezeiung einen Beitrag zur Eskalation leistet. Bundesweite und internationale Medien (SPIEGEL: „Auf der Kippe“, New York Times: „Germany on the brink“) zeichnen das Bild eines Landes, das in Richtung von was auch immer kippt.

PolitikerInnen der Regierungsparteien, allen voran die Machos der CSU, Innenminister de Maizière und SPD-Chef Sigmar Gabriel haben sich in einem Höllentempo versucht an die Spitze der Anklage gegen Täter von Köln zu stellen, beziehungsweise wie Angela Merkel in diesen Chor einzustimmen, und es fertig gebracht einerseits zu behaupten, man dürfe keinen Generalverdacht gegen Muslime und Flüchtlinge erheben – und dann vor allem über Muslime und Flüchtlinge zu reden und Gesetze und Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die nicht den Schutz von Frauen erhöhen, sich aber gegen alle Geflüchteten und MigrantInnen wenden.

Die Polizei in Düsseldorf hat am 16. Januar eine groß angelegte Razzia in der Nähe des dortigen Bahnhofes durchgeführt, wo sich viele marokkanische, algerische und tunesische Lokale und Läden befinden. Hunderte Beamte kontrollierten sämtliche Menschen aus den Maghreb-Staaten, riegelten die Straßen über Stunden ab. Gefunden wurde … wohl weniger als bei einer Spinddurchsuchung im Polizeipräsidium. Eine Anzeige wegen Diebstahl, eine wegen Hehlerei, dazu wurden einige Kiffer erwischt. 38 Menschen wird der illegale Aufenthalt in der Bundesrepublik vorgeworfen. Durch die massive Polizeipräsenz haben die von den örtlichen Medien frisch zum „Maghreb-Viertel“ getauften Straßen nun den Ruf eines Kriminalitätsschwerpunktes.

Das war und ist der offensichtliche Versuch, das Thema nicht der AfD und den Nazis zu überlassen, in der Hoffnung, eine weitere Stärkung dieser Kräfte zu verhindern. Es ist aber auch Ausdruck der Haltung, die sich im Bürgertum durchgesetzt hat, dass – trotz aller Bedeutung von Zuwanderung für den Arbeitsmarkt – die Zahlen der nach Deutschland kommenden gesenkt werden sollen. Gleichzeitig hat die herrschende Klasse allerdings kein Interesse an einer außer Kontrolle geratenen Eskalation und werden auch staatliche Maßnahmen gegen manche Auswüchse rechter Gewalt ergreifen, ohne jedoch das Übel an der Wurzel zu packen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sie alles unter Kontrolle haben. Auf der Wahlebene wird die AfD  erfolgreicher sein als es den Etablierten schmeckt. Selbst der staatliche Repressionsapparat spielt nicht immer mit, Polizei und Geheimdienste sind von Sympathisanten der Rechten durchsetzt.

In Deutschland findet eine Anpassung an die Situation in anderen europäischen Ländern statt, in denen der „Rechtspopulismus“ und die öffentliche Darstellung rassistischer Ideen weiter verbreitet und in geringerem Maße stigmatisiert sind , wie in Österreich, Italien und Frankreich sowie den meisten osteuropäischen und mehreren skandinavischen Ländern.

Allerdings hat diese „Anpassung“ in Deutschland ganz besonders widerwärtige Züge, denn hierzulande gibt es eine militante Nazi-Szene, die sich ihrer historischen Mission, Erbe des größten Verbrechens in der Menschheitsgeschichte zu sein, sehr bewusst ist. Anders als in den meisten Nachbarländern beschränken sich auch die „Rechtspopulisten“ nicht auf Propaganda in Medien und Parlamenten, sondern tragen ihre Hetze auf die Straßen, liefern die politischen Zünder für die Brandsätze, die auf Flüchtlingsunterkünfte geschleudert werden. Die Stärkung der Rechten in Deutschland geht in größerem Maß als in den meisten europäischen Ländern einher mit Aufmärschen, Gewalt und letztendlich Terror. Anschläge und Aufmärsche werden weiter zunehmen. Es gleicht einem Wunder, dass 2015 niemand durch rassistische Gewalt getötet wurde.

Es werden sich auch in 2016 Gelegenheiten für die antifaschistische Bewegung ergeben, die Rassisten zurück zu drängen. Soziale Kämpfe für Wohnraum, Bewegungen wie die gegen TTIP oder im betrieblich-gewerkschaftlichen Bereich können die gemeinsame Interessen der Lohnabhängigen in den Vordergrund rücken und die Fixierung auf Herkunft und Religion in den Hintergrund drängen. Die Rassisten selbst werden Fehler machen. Auch in der jetzigen Situation geht ein Teil der Bevölkerung nach links, geschockt durch den Ausbruch rassistischer Gewalt.

Die Bereitschaft, gegen die Rechten auf die Straße zu gehen, ist groß. Innerhalb von nur drei Tagen mobilisierte das Bündnis „Köln gegen Rechts“ am 9. Januar 4.000 Menschen zu einer Gegendemo gegen PEGIDA. In den ersten zwei Januar-Wochen gab es in Köln mindestens neun linke Demonstrationen gegen Rassismus und sexuelle Gewalt, an denen sich insgesamt fast 7.000 Menschen beteiligten.

Aber zunächst weht der Linken der Wind ins Gesicht, auch weil die Politisierung nach links keinen organisierten Ausdruck findet. Das hängt auch damit zusammen, dass zentrale Akteure versagen. Die Partei DIE LINKE äußerte sich über Tage nicht zum Thema, hatte wohl die Hoffnung, sie könne sich wegducken. Stattdessen waren auf der Website allgemeine Artikel zu prekärer Beschäftigung zu lesen oder drittrangige Meldungen über die Nominierung von Landtagskandidaten.

Als die Fraktionsspitzen Wagenknecht und Bartsch sich äußerten, war dies eine mittlere Katastrophe. Mit markigen Sprüchen über den „Missbrauch des Gastrechts“ folgten sie den etablierten Parteien und verzichteten darauf, den Rechten was entgegen zu setzen. Dies musste durch eine Erklärung des Parteivorstandes gerade gerückt werden, der den Schaden lediglich eingrenzen konnte. Dass im LINKE-regierten Land Thüringen sogar das Winterabschiebestopp aufgehoben wurde und hier, ebenso wie in Brandenburg, wo die LINKE zusammen mit der SPD regiert, Abschiebung zur täglichen Praxis gehört, erwähnte der Parteivorstand nicht.

Die Gewerkschaften halten sich vornehm zurück. Sie sprechen sich allgemein gegen Rassismus und Gewalt aus. Aber ihre Rolle als größte Organisationen, die Deutsche und MigrantInnen, Männer und Frauen vereinen, müsste sein, im gemeinsamen Kampf vorwärts zu gehen, die Mitglieder aufzuklären und zu mobilisieren gegen Rassismus und auch gegen sexuelle Gewalt.

Es ist nötig, in der LINKEN und den Gewerkschaften für eine andere Haltung zu kämpfen, aber beide Apparate haben ein großes Beharrungsvermögen. Viele Funktionäre glauben, sie könnten unangenehmen Situationen aus dem Weg gehen und die Routine fortsetzen. Die Aufgabe, Alternativen zur rechten Propaganda zu entwickeln und sich den Rassisten in den Weg zu stellen, ruht damit zu einem Gutteil auf den Schultern der in diversen Gruppen und Bündnissen organisierten antifaschistischen Bewegung.

Eine Politisierung der antifaschistischen Arbeit ist nötig. Das Aktionsbündnis „Köln gegen Rechts“ hat korrekterweise die Frage des Sexismus aufgegriffen. Ein Frauen-Flashmob hat sich einer Demo gegen den PEGIDA-Aufmarsch angeschlossen.

Die antifaschistische Bewegung muss sich in stärkerem Maße sowohl mit den drängenden sozialen Fragen wie Unterkunft und Bildung für die Flüchtlinge beschäftigen als auch mit den Fluchtursachen und den Zusammenhängen zwischen der Fluchtbewegungen und der deutschen und europäischen Wirtschafts- und Militärpolitik.

Anders als Anfang der 1990er Jahre agiert heute keine monothematische, relativ isolierte Nazi-Bewegung. Die gesellschaftliche Bandbreite rassistischer Ideen ist groß, speist sich auch aus den wirtschaftlichen, sozialen und militärischen Verwerfungen und Konflikten des Kapitalismus, die sich derzeit auf den Mittleren Osten konzentrieren.

Antifa muss daher links und antikapitalistisch sein, um der breiter gewordenen Rechten den Boden zu entziehen.

Claus Ludwig ist Mitglied des LINKE Landesrats NRW und des SAV Bundesvorstands.

 


 

Was passierte in der Silvesternacht?

Nach bisherigen Informationen feierten mehrere Tausend Menschen rund um den Hauptbahnhof und den Dom. In einer Gruppe von ca. 1.000 Leuten auf dem Bahnhofsvorplatz befanden sich viele junge männliche Araber. Raketen und Böller wurden ab ca. 20.00 Uhr auch auf Personen geworfen. Die Polizei schätzte die Lage als gefährlich ein und räumte vor Mitternacht den Bahnhofsvorplatz. Im Bahnhof und direkt am Bahnhof entstand ein starkes Gedränge. Es bildeten sich Gruppen junger Männer. Diese kreisten Frauen ein, die durch den Bahnhof gingen, griffen sie sexuell an, berührten sie, rissen an ihrer Kleidung, stahlen Geldbörsen und Smartphones.

In diesen Gruppen hielten sich wohl viele Männer aus Algerien und Marokko auf, die in kriminellen Banden organisiert sind und Straßenraub begehen. Diese Mischung aus organisierter Kriminalität, einem reaktionären Frauenbild, Alkoholisierung und damit verbundener Enthemmung und Bildung eines „Männermobs“ führte wohl dazu, dass die sexuelle Gewalt eskalierte und zum Selbstzweck wurde.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich alle Tausend Menschen an diesen Gewalttaten beteiligt oder sie gebilligt haben. Auch waren gewiss nicht alle arabischen Männer darin involviert. Es gibt mehrere Berichte von Menschen, die auf den Treppen vor dem Dom oder am Breslauer Platz unterwegs waren, mitten im Gedränge, mitten unter den „arabisch aussehenden“ Feiernden, die berichten, dass es eine freundliche Stimmung gab und sie keine Übergriffe oder auch nur Aggressionen bemerkten.

Die Gewalt fand direkt im und am Bahnhof statt. Wir müssen davon ausgehen, dass sich viele Dutzend bis einige Hundert Männer zu Gruppen zusammengeschlossen haben, um Frauen zu attackieren. Bisher sind über 600 Strafanzeigen eingegangen, davon vierzig Prozent wegen sexueller Übergriffe. In zwei Fällen wurde eine Vergewaltigung angezeigt.

Die Polizei hat die Frauen nicht geschützt. Es wurde keine Verstärkung herbeigeführt. Zu Beginn wurden  Beschwerden von Frauen nicht ernst genommen. Während in Berlin am 13. Januar 500 Beamte ein linkes Wohnprojekt stürmten, weil ein Beamter beschimpft und geschubst worden war, wurde an Silvester nicht einmal eine zusätzliche Hundertschaft eingesetzt. Die ersten Pressemitteilungen der Kölner Polizei zu Silvester waren schlicht gelogen.

Seiten