Frauen und LGBT

Argentinien: Protest gegen Frauenmorde

Monika Jank, Argentinien

Die Opfer von Femiziden sterben 2x: Durch die Hand der Mörder und die der Justiz!

Wir alle sind Lucia Perez

In Mar del Plata, normalerweise eine Tourismusdestination an der Küste Argentiniens, wurde vor zwei Jahren die damals 16-jährige Lucía Perez auf grausamste Weise ermordet. Die Jugendliche wurde nach dem Kontakt mit drei deutlich älteren Männern unter dem Einfluss von Drogen tot und mit den Spuren von sexuellem Missbrauch aufgefunden. Zwei der drei mutmaßlichen Täter wurden vor wenigen Tage, zeitgleich mit dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen (25.11.), wegen Drogenbesitz mit kommerziellen Zielen verurteilt, aber vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs und Femizid (Femizid: Mord an einer Frau) freigesprochen. Der dritte mutmaßliche Komplize wurde gänzlich freigesprochen. Das Gericht beschloss, dass Lucía Perez nicht aufgrund von sexueller Gewalt, sondern an den Folgen des Drogenkonsums starb und ihr angeblich starker Charakter und ihre Zuneigung zu älteren Männern beweisen würde, dass der sexuelle Verkehr mit ihrer Zustimmung stattgefunden hätte.

Welle von Protesten

Gegen diese Schuldumkehr, die ihr die Schuld für ihre Ermordung zuschob, haben sich unzählige ausgesprochen. Sowohl ihr Tod vor zwei Jahren wie dieses Gerichtsurteil, das Lucía für viele zum zweiten Mal ermordet, lösten einen öffentlichen Aufschrei aus. Der patriarchale und sexistische Charakter des herrschenden bürgerlichen Justizsystems wird kritisiert. Mit dem Hinweis, dass das Urteil und der grausame Mord alle (vom „Patriarchat“ unterdrückte) betrifft, schlossen sich im ganzen Land massenhaft Feminist*innen zusammen, um ihren Unmut auszudrücken. Gefordert wird dass die Justiz sexistische Taten bestrafen und durch ihre Duldung nicht weiter fördern darf. Viele kritisierten zu Recht das dahinter stehende kapitalistische System dass Frauenunterdrückung braucht und benützt. Denn es ist letztlich naiv zu glauben, dass ein bürgerlich-kapitalistisches Justizsystem das in einem kapitalistischen System agiert ohne Sexismus auskommt oder diesen wirklich umfassend bekämpfen würde.

Neben Demonstrationen wurde am 5. Dezember zu einer „feministischen Versammlung“ aufgerufen, bei der auch Lucía Perez Mutter teilnahm. An diesem Treffen mit Massenbeteiligung beschlossen die Teilnehmer*innen, für Mittwoch den 5. Dezember zu einem Frauenstreik aufzurufen und Demonstrationen im ganzen Land zu veranstalten, um Gerechtigkeit für Lucía Perez zu fordern. Schon kurz nach ihrem Tod im Oktober 2016 wurde ebenfalls ein Streik ausgerufen, der erste landesweite Frauenstreik. Damals legten Frauen für eine Stunde ihre Arbeit nieder und schlossen sich am späten Nachmittag zu Demonstrationen im ganzen Land zusammen.

Am 5. Dezember demonstrierten dann ca. 20.000 Menschen unter dem Motto „Wir sind alle Lucía Perez“ in Buenos Aires vom Tribunales, wo das Justizministerium ist, zum Plaza de Mayo. Ein Foto von Lucía Perez war dabei allerseits präsent. Zahlreiche verschiedene Organisationen waren anwesend – von linken Parteien über peronistische Organisationen, Studierendenvertretungen bis zu Gewerkschaften und vielen anderen. Viele waren in Schwarz gekleidet, um den „Zweiten Mord“ an Lucía Perez zu betrauern. Gerechtigkeit wurde gefordert und das Gerichtsurteil wurde angegriffen, allerdings ließ diese Minimalforderung viel Raum für verschiedene Ideologien und Menschen unterschiedlicher Meinungen. So fanden auch ein oder zwei hellblaue Tücher, die das Symbol der Abtreibungsgegner*innen sind, ihren Weg in die Demonstration. Am Ende der Demo wandten sich in einer Kundgebung die Mutter und der Bruder von Lucía Perez an die Masse und bedankten sich herzerwärmend für die Unterstützung. Lucía sei nur einer von vielen Fällen und sie sind stellvertretend für viele andere da. Nora Cortiñas von den Madres de la Plaza de Mayo, die Mütter vom Plaza de Mayo die in der letzten Militärdiktatur gegen das Verschwinden ihrer Kinder protestierten und so internationale Bekanntheit erlangten, sprach ebenfalls.

Es geht um viel(e) mehr!

Der Fall zeigt dass es konkrete Forderungen und Ziele braucht, damit Veränderungen erreicht werden können. Für reaktionäre Ideen ist kein Platz! Ganz bewusst und direkt wird von vielen betont das dieser Fall seine Wurzeln im System hat, dass dies kein Einzelfall ist. Die aktuelle Gesetzgebung wurzelt tief in einer menschenverachtenden kapitalistischen Logik zu der Frauenunterdrückung, Ausbeutung und Sexismus untrennbar dazu gehören. Gewalt an Frauen und LGBTQI+ werden so nicht nur zugelassen sondern letztlich sogar unterstützt. Und das betrifft letztlich alle! Bis zum 10. November 2018 wurden 216 Femizide, Morde, die explizit wegen dem Frausein passieren, registriert, so das Observatorio MuMaLa (Mujeres de la Matria Latinoamericana). Die Dunkelziffer ist dabei noch wesentlich höher, da viele Morde – wie der Fall von Lucía Perez zeigt – nicht als Femizid kategorisiert werden.

In Argentinien gab es 2015 einen massenhaften Aufschrei auf Grund von Gewalt an Frauen und Femiziden. Der Slogan „Ni Una Menos“ (keine weniger) wurde überall sichtbar. Mit der diesjährigen Massenbewegung für die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs (die aber am 8. August vom Senat abgelehnt wurde) bekam die feministische Bewegung des Landes, die grüne Flut (marea verde), wie sie auch genannt wird, weiteren massenhaften Zulauf – vor allem bei Jugendlichen. Obwohl in den letzten Jahren viel erreicht wurde, steht noch ein weiter Weg bevor, um die Gleichberechtigung von Frauen und LGBTQI+ zu erreichen. Den können wir nur gemeinsam und mit einen klaren Blick Richtung Sozialismus beschreiten. Denn der Kapitalismus stützt sich auf die Unterdrückung von Frauen und LGBTQI+. Ni Una Menos! Vivas y Libres nos queremos – Wir wollen leben und frei sein!

24.11. Auf die Straße gegen christliche Fundis!

Protest von Nicht mit mir: Unser Recht auf Selbstbestimmung!

Am 24.11. findet wieder der Marsch fürs Leben von christlichen FundamentalistInnen statt. Sie wollen die Selbstbestimmung über unsere Körper angreifen. Nicht mit uns! Wir protestieren gegen Sie und für Frauen* und LGBTQI*- Rechte! 
AbtreibungsgegnerInnen gab es schon immer, aber durch das Erstarken rechter Regierungen wie schwarz-blau haben sie starke Bündnispartner. AbtreibungsgegnerInnen haben seit dem letzten Jahr zwei parlamentarische Bürgerinitiativen ins Leben gerufen. „Fakten helfen“ von „Aktion Leben“ konzentriert sich auf die Forderung von „Statistischer Erhebung und Motivforschung“, was de facto bedeutet, dass sich Frauen für einen Abbruch rechtfertigen müssen. „Fakten helfen“ wurde bereits im Februar dem Gesundheitsausschuss zugewiesen. Die zweite parlamentarische Bürgerinitiative # fairändern läuft noch bis 24.11.2018 und umfasst weitreichende Forderungen – von statistischer Erhebung, über Zwangsberatung bis zu verpflichtender Bedenkzeit.
Diese Methode, bei der es rechte Bewegungen schaffen, praktischen Einfluss auf die Politik zu nehmen, kennen wir bereits aus Polen. Dort hat das ultra-rechtskonservative Bündnis „Stoppt Abtreibungen“ einen Gesetzesentwurf, der Schwangerschaftsabbrüche verunmöglichen soll, eingebracht. Dieser wurde von der Regierung aufgenommen.
Es braucht gesellschaftlichen Druck, um unsere Rechte zu erstreiten und einen freien, kostenlosen, flächendeckenden Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen. 

Wir fordern:

  • Eine sichere Abtreibung darf keine Frage des Einkommens oder des Wohnorts sein!
  • Verhütungsmittel müssen frei zugänglich sein!
  • Ein umfassender Aufklärungsunterricht muss fixer Bestandteil der Bildung sein!
  • Gleichzeitig brauchen Frauen, die sich für eines oder mehrere Kinder entscheiden, Unterstützung!
  • Das umfasst ausreichende kostenlose Kinderbetreuung, leistbaren Wohnraum und einem Einkommen von dem frau auch leben kann. Pro-Coice bedeutet eben, dass Frauen eine echte Wahl haben und selbstbestimmt entscheiden können.

​Hier gehts zum Protest: https://www.slp.at/termine/protest-f%C3%BCr-unser-recht-auf-selbstbestimmung

Nicht mit mir auf FB: https://www.facebook.com/events/2165203227086547/

Die Rechten und der „Lebensschutz“

Die gemeinsamen Wurzeln von rechten und religiösen GegnerInnen weiblicher Selbstbestimmung.
Aktivistin der SLP

Am 24. November findet der „Marsch für das Leben“ statt. Veranstaltet wird er u.a. von der katholisch-fundamentalistischen „Jugend für das Leben“ sowie der Katholischen Hochschulgemeinde. Nicht nur bei dieser Gelegenheit treten religiöser Fundamentalismus, Rechtsextremismus und Faschismus miteinander auf. Auch beim „Marsch für die Familie“, der Gegenveranstaltung zur alljährlichen Wiener Regenbogenparade, demonstriert eine ähnliche Allianz. Neben VertreterInnen der Katholischen Kirche finden sich hier Holocaust-Leugner, NS-Verharmloser und gewaltbereite Neonazis.

Bei Abtreibungsfrage und Frauenbild haben religiöser Fundamentalismus und Rechtsextremismus/Faschismus viel gemein: Gegen „Genderwahn“, gegen Abtreibung, gegen Verhütung, gegen zeitgemäßen Aufklärungsunterricht, gegen öffentliche Kinderbetreuung und v.a. für den Erhalt der traditionellen Familie: Mutter, Vater und viele eheliche Kinder.

Einer ihrer Demosprüche lautet „Die Wirtschaft ist gesünder - durch Vater, Mutter, Kinder“. Hier wird ihre gemeinsame ideologische Basis deutlich. Die Abtreibungsfrage war nie eine primär ethische, sondern vielmehr immer eine rationale, wirtschaftliche und politische. Maria Theresia brauchte ebenso Soldaten, wie der Nationalsozialismus und heutige Nationalstaaten. Die Festlegung von Frauen als Gebärmaschinen hängt auch mit der kapitalistischen Produktionsweise zusammen, es geht darum, ein Heer an Arbeitskräften zu produzieren.

Der Kapitalismus ist zwar ein internationales System, doch braucht das jeweilige Kapital „seinen“ Nationalstaat, um seine Interessen umzusetzen. Im Land braucht man ausreichend günstige Arbeitskräfte. Und nach aussen müssen die Interessen wenn nötig auch militärisch vertreten werden. Kapital-Staat-Religion gehören zusammen.

Der weibliche Körper wird zum „Produktionsmittel“ der Ware Arbeitskraft, über das die Frau selbst keine Verfügungsgewalt haben soll. Wenn Gesetze das Leben der Frau mit jenem des Fötus gleich setzen (Bsp. Chile und Irland), dann ist das nur die extremste Form der Bevormundung. Die Zwangsberatung vor einer Abtreibung ist eine mildere Form derselben Logik.

Leben wird den Herrschenden also in dem Maße „heilig“, in dem es verwertbar ist. Die Religionen erklären Abtreibung oder auch Verhütung zur Sünde, weil sie dem Staat Soldaten und Arbeitskräfte vorenthalten. Ihre Vorstellungen sind nicht nur Zeichen einer extrem veralteten und konservativen Gesinnung. V.a. geht es ihnen um den Erhalt der Kontrolle über Frauen und damit um den Erhalt der aktuellen Gesellschafts- und Wirtschaftsform. Also eines Systems, in dem eine Minderheit über eine Mehrheit herrscht und auf deren Kosten lebt.

Die völkische Ideologie rechtsextremer und (neo-) faschistischer Gruppierungen gehört dazu. Für sie ist die Rolle einer Frau die Produktion von Nachkommen zum Erhalt der Rasse. Der Nationalsozialismus bestrafte Abtreibung mit dem Tod. Allerdings nur, wenn es dem Erhalt des „arischen Volkes“ diente. Ging es um „minderwertiges“ Leben, so war Abtreibung im Sinne der „Rassenreinheit“ ein vom Staat erwünschtes Mittel. Geschätzte 400.000 Menschen wurden zwangssterilisiert, weil sie sich im Sinne der NS-Rassenhygiene aufgrund ethnischer Herkunft oder erblicher Veranlagung nicht reproduzieren sollten.

Und heute? Die neofaschistischen „Identitären“ sprechen sich ganz dieser Blut, Rasse und Boden-Ideologie folgend gegen Abtreibungen aus - „Lebensschutz ist Heimatschutz!“ erklären sie. Die deutsche AfD sorgt sich um die „Fruchtbarkeitsraten“ der Bevölkerung und will die Anzahl von Abtreibungen reduzieren.

Dass es diesen angeblichen „Lebensschützern“ nicht um den Schutz des Lebens geht und nicht um „die Kinder“, „die Familie“ oder „die Frau“ wird rasch klar. Die Einschränkung zum freien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen verhindert keine Abtreibung, gefährdet aber Gesundheit und Leben der Frau. Ihre Unterstützung für „Grenzen dicht“ nimmt tote Flüchtlingskinder in Kauf. Die Forderung nach einem Ende von Abschiebungen sucht man bei „Lebensschützern“ in der Regel vergeblich. FPÖ und ÖVP wollen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen beschränken – kürzen aber gleichzeitig das Geld für Kinder, v.a. wenn sie bzw. ihre Eltern keine „ÖsterreicherInnen“ sind. Und wer Menschen verweigert, ihre Familie zu sich zu holen, dem ist es mit dem „Wert Familie“ offensichtlich doch nicht so wichtig.

Auch wenn Rechtsextreme und religiöse Fundamentalisten manchmal unterschiedlich gegen Abtreibung und gegen die Selbstbestimmung von Frauen zu argumentieren scheinen, so geht es letztlich darum, Macht und Kontrolle über Frauen auszuüben und ihre Körper im Sinne der kapitalistischen Produktionsweise zu willenlosen Produktionsmitteln zu degradieren, die ausbeutbare Arbeitskraft erzeugen. Die Kontrolle und Unterdrückung der Frau dient also auch dazu, dieses System der Ausbeutung als Gesamtes aufrechtzuerhalten.

Unser Recht auf Selbstbestimmung!

Am 24.11. gegen christlichen FundamentalistInnen und Frauenfeinde auf die Straße gehen!
Martina Gergits

Die konservativen AbtreibungsgegnerInnen sind eine kleine, aber laute Minderheit. Doch international bekommen sie zunehmend Rückendeckung von rechten Regierungen. Auch in Österreich haben sie mächtige Bündnispartner in ÖVP und FPÖ. So kündigte Schwarz-Blau bereits im Regierungsprogramm bevormundende Maßnahmen an. Zwei von konservativ-christlichen Vereinen eingebrachte parlamentarische „Bürgerinitiativen“ fordern nun eine Beschneidung des Rechts auf Abtreibung als nächsten Schritt. Gleichzeitig sehen wir, wie weltweit, z.B. in Argentinien, Frauen für das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper kämpfen – und gewinnen, wie in Irland. AktivistInnen bauen starke, kämpferische Bewegungen auf, um sich für Frauenrechte stark zu machen und gegen Kürzungen zu stellen. Werden wir mit ihrem Vorbild aktiv. Wehren wir uns gegen die sexistischen Angriffe der Regierung und ihrer konservativen Lobby. Und erkämpfen wir echte Selbstbestimmung – über unsere Körper und unsere Leben!

Pro-Choice is ois

AktivistInnen von Nicht-mit-Mir kämpfen in Wien und Salzburg für das Recht auf Selbstbestimmung.
Katka und Martina

Anlässlich des internationalen Aktionstags für legale und sichere Abtreibung gingen weltweit Frauen auf die Straße um sich für ihre Rechte einzusetzen. Auch in Wien und Salzburg protestierten AktivistInnen von Nicht-mit-mir und vielen weiteren für das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. In Salzburg unterstützten viele SchülerInnen die Aktion, hielten Reden und erklärten Ihren eigenen Bezug zu dem Thema. Auch das Interesse der PassantInnen war groß und wir hörten „Gut, dass auch auf dieses Themen aufmerksam gemacht wird!“ und wir wurden auch gefragt, ob man selbst helfen könne.

In Wien beteiligte sich die österreichische Gruppe von Ni Una Menos (Feministinnen aus Argentinien) und viele weitere AktivistInnen, u.a. auch aus Polen. Zum Ende der Aktion wurden die Forderungen für einen freien, kostenlosen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, aber auch für kostenlose Verhütung, umfassenden Aufklärungsunterricht sowie kostenlose Kinderbetreuung für jedes Kind an den Eingang des „Sozial- und Gesundheits“Ministeriums geheftet um deutlich zu zeigen: „Unser Körper, unsere Entscheidung!“

Die schwarz-blaue Regierung hat bereits im Regierungsprogramm angekündigt das Recht auf Abtreibung zu beschränken. Doch wir werden nicht tatenlos zu sehen, wir kämpfen für unser Recht auf Selbstbestimmung!

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Argentinien: Frauenvernetzung

Die Revolution wird eine feministische sein
Monika Jank, Teilnehmerin am ENM

Bereits im Bus nach Trelew, einer Kleinstadt im argentinischen Teil von Patagonien, merkt man eine spezielle Stimmung. Am Busbahnhof angekommen sieht man sich Massen von Frauen in grün, der Farbe der Kampagne für die Legalisierung von Abtreibung, gegenüber. Kaum eine Frau hat kein grünes Pañuelo irgendwo an ihrem Körper oder ihrer Tasche befestigt. Das Pañuelo, das mit Tuch übersetzt werden kann, geht auf eine Gruppe von Frauen zurück (Madres de la Plaza de Mayo), die während der letzten Militärdiktatur gegen das Verschwinden ihrer Kinder protestiert haben.

Das Encuentro Nacional de las Mujeres (ENM = Nationales Frauentreffen) findet von 13. bis 15. Oktober in der Stadt Trelew, Provinz Chubut in Argentinien statt. Die Stadt, die kaum 100.000 EinwohnerInnen aufweist, wird von mehr als 50.000 Frauen für dieses lange Wochenende mit Beschlag belegt um zum 33-mal in Folge das ENM abzuhalten. Seit dem ersten Treffen 1985 änderte es jedes Jahr seinen Standort, um Frauen aus unterschiedlichen Regionen eine Chance zur Teilnahme zu geben. Seit dem Auftreten von Ni Una Menos (Keine Weniger) 2015, wo in massiven Protesten ein Ende von Frauenmorden und Gewalt gegen Frauen gefordert wird, ist die Teilnehmerinnenzahl explodiert. Auch heuer sind einige das ersten Mal dort. International kamen Frauen unter anderen aus Mexiko, Paraguay, Chile, Bolivien, Frankreich, Spanien, wobei diese wegen der Massen an Argentinierinnen kaum auffallen.

Für viele bedeutet das Treffen einen Einschnitt in ihr Leben: Die Solidarität und das Gefühl, man ist mit seinen Forderungen nach einer Welt ohne Patriarchat und sexistischer Diskriminierung nicht alleine. Das bildet die gemeinsame Basis der Masse an Teilnehmerinnen. Sie bezeichnen sich allesamt als Feministinnen und das revolutionäre Potenzial der Frau wird betont. Allerdings sind auch unterschiedlichste Gruppierungen, Organisationen und Parteien vertreten, die durchaus auch unterschiedliche Positionen und Interessen haben.

Gemeinsam bringen wir das Patriarchat zu Fall

Diese Vielfalt und Diversität wurde vor allem in den jeweiligen Workshops sichtbar. In mehr als 70 verschiedenen Arbeitskreisen zu unterschiedlichen Themen wie Feminismus und Aktivismus, lesbischer Aktivismus, nächste Strategien im Kampf für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen etc. teilen und diskutieren in den drei Abschnitten Frauen ihre Erfahrungen. Grundsätzlich ist die Idee, von Anfang bis zum Ende bei einem einzigen Workshop zu sein, um gemeinsam in der letzten Einheit Grundaussagen und -forderungen stellen zu können. Gerade in diesem Teil merkt man die unterschiedliche methodische und ideologische Herangehensweise der jeweiligen Teilnehmerinnen, die es verständlicherweise schwer machen, ein einheitliches Ergebnis zu erlangen. Die Auseinandersetzungen reichen vom Formalen (Wie wird der Workshop strukturiert? Wie wird der Ort für das Treffen des kommenden Jahrs ausgewählt?) zum Inhaltlichen (Welche Forderungen vertreten wird?).

Die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen wurde im argentinischen Parlament am 8. August mit einer knappen Mehrheit abgelehnt. Der Kampf auf der Straße gilt aber bereits als gewonnen. Eine breite Masse spricht sich dafür aus (die SenatorInnen, die dafür abgestimmt hatten, repräsentierten mehr als jene, die dagegen abgestimmt hatten), Abtreibungen wurden enttabuisiert und Betroffene begannen ihre Erfahrungen zu teilen. Wegen des großen Einflusses der katholischen Kirche und ihrer massenhaften Mobilisierung im Vorfeld des 8. August ist für viele der nächste Schritt die Trennung von Staat und Kirche und das daraus resultierende Ende der staatlichen Finanzierung der katholischen Kirche. Diese Kampagne, die sich gerade in ihren Anfängen befindet, nimmt sich ein oranges Pañuelo zum Symbol.

Demos erschüttern die Stadt

Transvestiten und Transsexuelle machen auf Trans- & Travestifemicidios (Morde an Transsexuellen und Transvestiten), ihr Verschwinden, die Gewalt, der sie täglich ausgesetzt sind, und ihre geringe Lebenserwartung aufmerksam. Unter diesem Titel schließen sich Tausende am Samstagabend auf den Straßen der Stadt zusammen. Am Abend des nächsten Tages wird die Abschlussdemo abgehalten. Wieder gehen Tausende von Leuten in einem großen Bogen durch die Stadt. Später wird von einer Demozuglänge von mehr als fünf Kilometern berichtet. Von angrenzenden Häuser aus drückten BewohnerInnen ihre Solidarität aus und zeigen ihr grünes Pañuelo. In dieser Demo mit einer unglaublich beeindruckenden Stimmung finden zahlreiche Forderungen und Transparente ihren Platz: von der Ablehnung des aktuellen IWF-Kredites, über die Forderungen nach der Legalisierung von Abtreibung über ein Ende von Frauenmorde und dem Sichtbarmachen von verschwundenen Frauen bis hin zur Forderung der Verbesserung des Gesetzes von Educación Sexual Integral (ESI = umfangreiche Sexualaufklärung), das durch die Abstimmung über die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den öffentlichen Fokus gerückt ist. AbtreibungsgegnerInnen argumentierten vor der Abstimmung mit ESI als Mittel zur Verhinderung von Abtreibung. Jetzt, wo die Überarbeitung des bereits existierenden Gesetzes zu ESI gefordert wird, sprechen sich dieselben AbtreibungsgegnerInnen dagegen aus und bezeichnen diese als „ideología de genero“ (Ideologie der Geschlechter).

Ein bleibender Eindruck für Trelew

Aufgrund einer monatelangen Panikmache in den Medien, die das ENM in ein schlechtes Licht rückte, waren viele BewohnerInnen von Trelew skeptisch. Diese negative Grundstimmung drückt sich in einigen Zwischenfällen aus, bei denen Steine auf Schulen geworfen wurden, wo Teilnehmerinnen untergebracht waren. Der Gipfel der Repression wird am Sonntag nach der Demonstration erreicht. Ein paar Teilnehmerinnen werden von der Polizei grundlos verhaftet und für ein paar Stunden festgehalten. Dem gegenüber stehen jene Bewohnerinnen von Trelew, die am ENM teilnehmen und mit einem durchaus positiven Erlebnis nach Hause gehen. Das Treffen und die Organisierung haben der feministische Bewegung vor Ort den Rücken gestärkt.

Mein Körper – Meine Entscheidung!

Religiösen Fundamentalismus bekämpfen – Frauenrechte verteidigen!
Ella Kempter

Kirche und christliche Fundis warten nur darauf, von Frauen erkämpfte Rechte anzugreifen. Jetzt, wo ÖVP und FPÖ an der Macht sind, ganz oben auf der Wunschliste: den Zugang zu Abtreibung erschweren.

Während das ihnen noch mehr Macht über die Körper von Frauen gäbe, würde es unsere Gesundheit und unsere Leben gefährden. Denn wo Abtreibung nicht zugänglich ist, werden nicht weniger durchgeführt – dafür aber umso gefährlicher.

Sie nennen sich „Pro Life“. Gleichzeitig macht ihre Politik 99% der Kinder - sobald sie geboren sind - das Leben zur Hölle. Gesundheit, Wohnen, Bildung: überall fehlt Geld weil sie und ihre FreundInnen in der Wirtschaft es sich einstecken.

Doch wir wollen nicht weniger, sondern mehr Rechte! Abtreibung muss, ebenso wie Verhütungsmittel und fortschrittlicher Sexualunterricht, für alle zuganglich und kostenlos sein. Mit kostenloser Kinderbetreuung, höheren Löhne und kürzeren Arbeitszeiten können wir uns auch frei für Kinder entscheiden. Wenn du bei unseren Aktionen gegen die christlichen Fundis dabei sein willst dann schreib uns: info@nichtmitmir.at

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Salzburg: Frauenrechte verteidigen!

AbtreibungsgegnerInnen stoppen!
Moritz Bauer

Am Samstag den 6.10. gingen wir in Salzburg gegen die christlichen FundamentalistInnen und radikale AbtreibungsgegnerInnen auf der Straße. Diese hatten für den Nachmittag ihren „Marsch für das Leben“ angekündigt, mit dem sie jedes Jahr wieder versuchen, Frauen das Recht auf Selbstbestimmung abzusprechen.

Die sozialistisch-feministische Initiative „Nicht mit mir“ https://www.facebook.com/nichtmitmir2014/ organisierte eine Kundgebung vor dem Landeskrankenhaus, dem einzigen Ort an dem Schwangerschaftsabbrüche in Salzburg möglich sind – und auch dort nur jeden ersten Samstag im Monat. Wir informierten PassantInnen mit Flugblättern, malten unsere Forderungen mit Straßenkreiden auf den Gehsteig und harrten für fast drei Stunden aus. Aktivistinnen des Frauenvolksbegehrens beteiligten sich genauso an unserer Kundgebung wie die "Omas gegen Rechts", insgesamt kamen junge und alte, Frauen und Männer um gemeinsam mit uns das Recht auf Abtreibung zu verteidigen. Auch viele der PassantInnen sagten, wie wichtig es sei, für Frauenrechte auf die Straße zu gehen und ärgerten sich mit uns über die Angriffe der Katholischen Kirche und von Schwarz-Blau.

Nicht blicken ließen sich jedoch die AbtreibungsgegnerInnen! Etwa 20 dieser christlichen FundamentalistInnen versammelten sich zwar gegen 17:00 vor dem Festspielhaus, kamen allerdings nicht bis zum Landeskrankenhaus. Von daher eine erfolgreiche Aktion gegen diesen frauenfeindlichen Marsch, deren OrganisatorInnen aktuell versuchen, im Windschatten von Schwarz-Blau Frauenrechte anzugreifen.

Werde auch du mit uns aktiv und tritt für Frauenrechte ein!

 

Feministisches Déjà-vu?

Sonja Grusch

Von 1.-8. Oktober findet die Eintragungswoche zum Frauenvolksbegehren statt. Schon im Frühjahr haben 247.436 den Weg auf die Ämter gemacht, nun liegt das Ziel bei 650.000 Unterschriften. Bei den Forderungen findet sich einiges, das wichtig wäre, zu erkämpfen. Aber irgendwie hab ich das Gefühl, das alles schon mal erlebt zu haben. Ach ja, 1997 haben 644.665 Menschen ein ähnliches Frauenvolksbegehren unterschrieben. Das Problem: Von den damaligen Forderungen wurde kaum eine erfüllt. Die Themen sind die selben geblieben: Lohnunterschiede, fehlende Kinderbetreuung, Gewalt und Abhängigkeit, teurer/schwieriger Zugang zu Verhütung und Abtreibung etc. gibt es nach wie vor. Seither hat es in Bund und Ländern verschiedene Regierungskombinationen gegeben. Aber gebracht hat das für die reale Situation von Frauen eher wenig. Weil nämlich schöne Worte die Wohnung nicht heizen und das Anerkennen der Tatsache, dass Frauen schlechter bezahlt werden, daran auch nichts ändert. Die aktuelle schwarz-blaue Regierung verpasst den Angriffen auf Frauen (die es im übrigen auch vorher schon gab) noch einen Turbo.

Ich hab das Frauenvolksbegehren unterschrieben – aber was nun? Ja, es ist ein Instrument, damit in der Öffentlichkeit mehr darüber gesprochen wird. Check, erledigt. Aber WIE können die Forderungen auch erreicht werden? Eine 30-Stundenwoche bei vollem Lohn ist längst überfällig, doch dafür muss ein echter gewerkschaftlicher Kampf geführt werden. Kostenlose Verhütung und Abtreibung wird die Regierung auch mit 650.000 Unterschriften nicht einführen, im Gegenteil will sie den Zugang erschweren. Verbesserungen wurden und werden uns NIE geschenkt, immer müssen wir sie erkämpfen. In Spanien haben am 8. März über fünf Millionen Frauen (und Männer) für Frauenrechte gestreikt. Das wäre doch mal ein nächster Schritt auch für den Kampf in Österreich!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Proteste gegen religiöse Fundis werden bestraft – wir lassen uns nicht mundtot machen!

Das harte Vorgehen der Salzburger Polizei gegen alle, die sich für Frauenrechte und gegen christliche FundamentalistInnen einsetzen, ist bekannt. So auch bei einer Aktion am 27.10.2017. Trotz massiver Proteste am Vorgehen der Polizei (Stichwort Kessel) und einer teilweise mehr als bedenklichen Verhandlung muss Moritz Bauer 80.- Strafe plus 10.- Verfahrenskosten bezahlen. Für einen Zivildiener eine Menge Geld!

Die Fundis haben finanzkräftige und mächtige Unterstützung aus Regierung, Kirche und Staat  – wir haben nur Euch und Eure Spenden! Für die Strafe von Moritz und unsere Arbeit für Frauenrechte.

Spenden bitte auf unser Konto (Verwendungszweck: Strafe & Frauenrechte):

 

IBAN: AT25600000000 8812733
 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Seiten