Betrieb und Gewerkschaft

„Streik – Kurz & Bündig“: unsere Broschüre für den erfolgreichen Arbeitskampf, nicht nur im Betrieb

„In Frankreich, da wissen Sie wie man kämpft.“ Das ist so ein Satz, den wir bei Infotischen&Co immer wieder mal von Menschen hören, die hierzulande mit dem ÖGB und den Teilgewerkschaften hadern. Tatsächlich sind wesentliche Kampf-Traditionen der ArbeiterInnenbewegung in Österreich weitgehend in Vergessenheit geraten. Das hat nicht mit der „österreichischen Seele“ zu tun, sondern vielmehr mit der unseligen „Sozialpartnerschaft“, die ÖGB&Co zu Ideologie und Selbstzweck erhoben haben. Streiks stören die Gewerkschaftsführung nur dabei. Deshalb versuchen sie entweder ganz ohne auszukommen oder sie so harmlos wie möglich zu gestalten. Streiken heißt in Österreich leider oft Karten spielen statt Arbeiten, versteckt irgendwo im Betrieb und das wars.
Aus internationalen und auch historischen österreichischen Beispielen haben wir daher unsere „Streik – kurz & bündig“ Broschüre entwickelt. Im praktischen A6 Format und mit 35 Seiten hat sie auch schon äußerlich den Charakter eines „schlauen Buchs“ für betriebliche Kämpfe. Drinnen finden sich hilfreiche Tipps für demokratische Strukturen im Streik, fürs Verbreiten der Solidarität in anderen Branchen und der Öffentlichkeit oder für den Umgang mit den ChefInnen. Die neue Regierung und die UnternehmerInnen planen eine verstärkte Offensive gegen Kollektivverträge und Arbeitsbedingungen – deshalb ist die Broschüre heute aktueller denn je.

Für gerade mal 2€ (zuzüglich Porto) lässt sie sich über unsere Website (slp.at/broschueren) oder einfach per Mail an slp@slp.at bestellen.  

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Erfolg für Liste be-wsw

Kämpferische und demokratische Betriebsratsarbeit zahlt sich aus!

Bei den Betriebsratswahlen beim Wohnservice Wien wurde die Liste be-wsw zum dritten Mal (2011, 2014 und 2018) wiedergewählt. Irene Mötzl, wiedergewählte Betriebsrätin und SLP-Aktivistin im Interview über die Arbeit im Betrieb.

Ihr seid jetzt zum dritten Mal wiedergewählt worden, was ist das Geheimnis eures Erfolges?

Gute Frage. Ich schätze KollegInnen haben unterschiedliche Gründe warum sie unsere Liste wählen. Aber ich denke schon, dass es den meisten wichtig ist, einen Betriebsrat zu haben dem sie vertrauen können. Uns ist es wichtig die KollegInnen ehrlich über alle wesentlichen Vorgänge die sie betreffen zu informieren. Das erlaubt jeder/jedem Einzelnen sich eine eigene Meinung darüber zu bilden und dann auch darüber zu entscheiden welche Maßnahmen als Belegschaft bzw. vom Betriebsrat gesetzt werden sollen. Wir bemühen uns die KollegInnen so weit als möglich in Diskussions- und Entscheidungsprozesse einzubinden – vor allem wenn es um Betriebsvereinbarungen geht oder unsere Rolle bei Kollektivvertragsverhandlungen. Aber wie gut auch immer die Einbindung der Belegschaft funktionert: Wir unterschreiben als Betriebsrat keine Betriebsvereinbarung ohne sie den KollegInnen zur Abstimmung vorzulegen. Und auch wenn die Beteiligung einmal nicht hoch ist, es gibt den KollegInnen eine große Sicherheit, weil sie die Arbeit die wir für sie machen kontrollieren und im Ernstfall korrigieren können.

Viele KollegInnen schätzen auch unser hohes Engagement und unsere Arbeitsgrundsätze. Wir sind eine sehr aktive und engagierte Betriebsratsliste. Wir nehmen unser Betriebsratsmandat sehr ernst und gehen auch Konflikten nicht aus dem Weg wenn es nicht anders geht. Betriebsratsarbeit ist sehr umfassend und betrifft nicht nur Arbeitsbedingungen im engen Sinn. Klar gehört es dazu darauf zu achten, dass alle ArbeitnehmerInnenrechte gewahrt bleiben und Schutzbestimmungen eingehalten werden. Gleichzeitig können Betriebsvereinbarungen verhandelt werden, die die Arbeitsbedingungen weiter verbessern. Neben der Wahrung kollektiver Belegschaftsinteressen gibt es auch sehr viele individuelle Beratungen und wir arbeiten dabei immer absolut vertraulich und sagen auch ehrlich wo und wie wir unterstützen können. Aber auch die Organisierung von gesundheitsbezogenen Angeboten (Sehtests, Impfungen, günstige Apothekenbestellungen) oder Kultur- und Sportförderungen aus dem Betriebsratsfonds oder von Gemeinschaftsaktivitäten wie Betriebsausflügen und Weihnachtsfeiern gehören dazu.

Ihr habt viele Frauen im Betriebsratsteam und greift auch immer wieder nicht rein betriebliche Themen auf. Erkläre uns bitte wie und warum.

Ja, unsere Liste besteht aktuell aus über 80% Frauen (10 von 12) bei ungefähr 2/3 Frauenanteil im Unternehmen. Allgemeine politische und innerbetriebliche Themen sind oft nicht von einander zu treffen, denn sie wirken sich direkt auf die Arbeits- und Lebensbedingungen von uns allen aus. Wenn die Regierung den 12h Tag beschließt wird das Auswirkungen auf uns haben, den Druck erhöhen. In welcher Form auch immer. Auch die Streiks im Sozialbereich für Arbeitszeitverkürzung auf 35h bei vollem Lohn- und Pesonalausgleich, betreffen uns mehrfach. Erstens arbeiten wir im öffentlichen bzw. sozialen Bereich, zweitens ist Arbeitszeitverkürzung auch für uns ein notwendiger nächster Schritt den es braucht um langfristig gesund zu bleiben und ein gutes Leben zu haben, und drittens stellt sich auch für uns die Frage wie das durchzusetzen ist. Wenn die KollegInnen im Sozialbereich streiken sammeln sie dabei wichtige Erfahrungen auf die auch wir zukünftig zurückgreifen können. Hier sehe ich auch die Stärke unserer Liste. Wir stellen nicht nur Forderungen auf. Wir sagen auch dazu was es unserer Meinung nach dazu braucht und setzen Schritte in diese Richtung. In dem Fall gilt es für uns demokratische und kämpferische Gewerkrschaften aufzubauen, Solidarität zu organisieren um stärker zu werden um bei konkreten Kämpfen den notwenigen Druck aufbauen zu können. Nach gut sieben Jahren be-wsw Betriebsarbeit ist es für die meisten unserer KollegInnen selbstverständlich, dass sie über alles informiert werden und sie in Form von Mehrheitsentscheidungen selbst bestimmen was in ihrem Namen passiert. Das Selbe erwarten sie sich auch von der Gewerkschaft. Die paternalistische und defensive Haltung der Gewerkschaft macht es uns auch oft schwer KollegInnen davon zu überzeugen Gewerkschaftsmitlieder zu werden. Umso wichtiger ist es aus meiner Sicht den KollegInnen anzubieten gemeinsam mit uns innerhalb der Gewerkschaft für demokratische und kämpferische Strukturen zu kämpfen.

Danke für das Gespräch

 

Worauf wartet der ÖGB noch?

Was können GewerkschafterInnen tun, die nicht auf die ÖGB–Spitze warten wollen?
Michael Gehmacher, Flüchtlingsbetreuer, seit 26 Jahren ÖGB-Mitglied

Information im Betrieb. Über 60.000 BetriebsrätInnen gibt es, fast alle sind im ÖGB. Dieser ist gefordert. In Betriebsversammlungen können KollegInnen über die unmittelbaren Auswirkungen der Regierungspläne auf sie selbst informiert werden. Auch aktive Gewerkschaftsmitglieder können (unterstützt von Gewerkschaftssekretären) diese BVs organisieren.

Aktiv im Betrieb. Die Betriebsversammlungen müssen offen beraten und über Widerstandsaktionen entscheiden. Der große Erfolg der Demonstration am 13.1. zeigt: Viele KollegInnen wollen etwas tun, sie können sich in Aktionskomitees organisieren. Vom Transparent aus dem Bürofenster bis zur öffentlichen Kundgebung: Es gibt viele Aktionsmöglichkeiten. Auch Erwerbsarbeitslose und PensionistInnen gehören gleichberechtigt einbezogen. Die entstandenen Komitees können sich zusammenschließen und einen bundesweiten Aktionstag auf die Beine stellen.

Mit Streiks die Angriffe zurückschlagen! Schwarzblau erfüllt die Wünsche der Unternehmen, der Widerstand muss also dort ansetzen. Mit öffentlichen Betriebsversammlungen, die die Arbeit unterbrechen und so wirtschaftlichen Druck ausüben, könnte der Widerstand verstärkt werden. Das könnte der Auftakt für bundesweite Streiks sein. Der kommende ÖGB-Kongress muss im Zeichen der Vorbereitung so einer Streikbewegung stehen.

Nicht auf die ÖGB-Spitze warten! Eine organisierte Gewerkschaftslinke gibt es kaum. Der Wunsch, etwas zu tun ist aber viel größer als das reale linke Angebot in Betrieb und Gewerkschaften. Es gibt einzelne Basisinitiativen (wie CARE-Revolution, KNAST, sozialabernichtblöd...). Wenn sich diese mit linken Gewerkschaftsgruppen und widerständigen BetriebsrätInnen zusammentun, kann daraus eine kämpferische Gewerkschaftslinke entstehen. So können wir die Angriffe konkret bekämpfen und eine sichtbare Alternative zur Ruhighaltepolitik der ÖGB-Spitze aufzeigen. Diese Alternative brauchen wir: gegen schwarz-blau, in der Arbeit und im ÖGB.

 

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Sozialarbeit: Gemeinsam gibt’s mehr Geld

Ein Caritas-Obdachlosenbetreuer

Bundesweit arbeiten mehr als 160.000 Beschäftigte im privaten Sozialbereich. Doch statt eines Kollektivvertrags gibt es fünf verschiedene: SWÖ-, Caritas-, Diakonie-, Diakonie de la Tour- und SOS-Kinderdorf-KV. Jeder wird separat ausgehandelt, was zu unterschiedlichen Bedingungen führt.

Für uns Beschäftigte stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Verhandlungen spürbare Lohn- und Gehaltserhöhungen, Verbesserung der Zuschläge, Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn und eine generelle Höherstufung der Pflegeberufe. Gemeinsam wäre das erfolgreicher als getrennt - daher braucht es einen einheitlichen KV, der die besten Elemente jedes KV als Basis hat.

Die Caritas-Betriebsräte haben solidarisch zur Demo für einen besseren SWÖ-KV am 24.1. aufgerufen. Ein guter erster Schritt, aber es darf nicht beim Säbelrasseln bleiben. Organisierung an der Basis, KV-übergreifend ist notwendig. Gemeinsam können wir mehr Geld vom Staat, aber auch der katholischen Kirche, die Steuerprivilegien hat und auf Milliarden sitzt, erkämpfen. Kämpferische Initiativen wie "Sozial, aber nicht blöd", bringen Beschäftigte aus verschiedenen KVs zusammen, um für die gemeinsamen Ziele und einen einheitlichen KV zu kämpfen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Frisch gekämpft: Rheinhausenstreik

Peter Hauer

 1987 gab der deutsche Stahlriese Krupp bekannt, das Hüttenwerk in Rheinhausen zu schließen. Die Antwort der ArbeiterInnen ging als „Rheinhausenstreik“ und als denkwürdiges Ereignis in die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung ein. StahlkocherInnen besetzten das Werk und die Produktion lief unter der Kontrolle der ArbeiterInnen weiter. Immer wieder wurde die Arbeit als Protest niedergelegt. Um Informationen zu verbreiten, war das Betriebsratsbüro teilweise 24 Stunden besetzt. Ein eigener Fernsehsender wurde aufgebaut. Auch die Bevölkerung wurde in den Streik eingebunden. Bei der ersten Betriebsversammlung (BV) nahmen 10.000 Personen teil, 4.000 davon waren keine WerksarbeiterInnen. Alle BVs waren als öffentliche Protestveranstaltung gestaltet. Auch Brücken und Straßen wurden von der Bevölkerung als Zeichen der Solidarität gesperrt. Am 10. Dezember 1987 fand im Ruhrgebiet ein regionaler Generalstreik statt. Der Hafen und Bundesstraßen wurden von ArbeiterInnen aus verschiedensten Fabriken gesperrt und spontane Protestkundgebungen wurden veranstaltet. 173 Tage dauerte der Kampf. Er endet mit Erfolgen und Teilerfolgen. Die Schließung des Kruppwerks konnte zwar nur fünf Jahre hinausgezögert werden, aber mit den besten Sozialverträgen der Nachkriegsgeschichte. Erfolge gab es auch im Bergbau und bei Opel, wo weitreichende Verbesserungen und Zugeständnisse der Unternehmen durch die Streiks erkämpft wurden.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Sozialbereich: Kein Abschluss ohne uns!

Forderungen der Basisinitiative Sozial aber nicht blöd für die SWÖ-Verhandlungen

Heute findet die nächste Runde in den Verhandlungen im SWÖ-KV zwischen den Gewerkschaften GPA-djp und Vida und den ArbeitgeberInnen statt. Durch unsere Warnstreiks letzte Woche haben wir klargemacht, dass wir bereit sind für einen ordentlichen Abschluss zu kämpfen. Wir wollen uns nicht wieder mit einem miesen Kompromiss abspeisen lassen, sondern brauchen dieses mal spürbare Verbesserungen.

 

Wir von Sozial aber nicht blöd wollen:

  • Kein Abschluss unter 3%: Der Durchschnitt im SWÖ liegt deutlich unter dem österreichischen Durchschnittsgehalt. Gerade KollegInnen die kaum Nacht- und Wochenenddienste machen können, brauchen dringend eine ordentliche Erhöhung des Grundgehaltes. Deshalb fordern wir auch einen Abschluss über dem der MetallerInnen

  • Kein Abschluss ohne Aufwertung und mindestens 150 € mehr für alle in der Pflege: Durch die GuKG Novelle sollen Standards nach unten gesetzt und noch mehr Menschen in den Niedriglohnjobs (Pflegeassistenz) gedrückt werden. Deshalb fordern wir eine deutliche Anhebung aller Gehälter in der Pflege um mindestens 150 € um einen Schritt aus der Armutsfalle Heimhilfe (Pflegeassistenz) zu machen.

  • Kein Abschluss ohne 35-Stundenwoche bei vollem Lohn und Personalausgleich: Viel zu viele Personen im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich arbeiten sich Krank oder ins Burn Out oder werden durch Teilzeitjobs in die Armutsfalle gedrängt. Deshalb brauchen wir unbedingt eine Einigung über die Einführung der 35-Stundenwoche bei vollem Lohn und Personalausgleich. Ob einer Einigung oder einem Fahrplan zugestimmt werden soll, müssen wir als Beschäftigte demokratisch diskutieren und entscheiden.

  • Kein Abschluss ohne Urabstimmung: In den letzten Wochen haben viele KollegInnen enorm viel geleistet um den Streik möglich zu machen. Haben in ihren Betrieben mobilisiert, PatientInnen und KlientInnen informiert und Aktionen organisiert. Zehntausende haben sich österreichweit beteiligt. Deshalb wollen auch wir selber darüber diskutieren und entscheiden ob wir mit einem Verhandlungsergebnis zufrieden sind, ob wir zustimmen oder weiterkämpfen wollen.

 

Uns ist klar: Die Warnstreiks alleine werden dafür nicht reichen. Für die Umsetzung der so dringend notwendigen Verbesserungen müssen wir unsere Bewegung ausweiten und vertiefen. Dafür wird es nicht nur notwendig sein, dass die Gewerkschaft einen Gang zulegt und sich KollegInnen im SWÖ-Kollektivvertrag österreichweit noch besser rund um ihre Streikkomitees organisieren., wir brauchen auch eine Ausweitung der Bewegung. Vor allem die an den SWÖ angelehnte Bereiche (Caritas, Diakonie usw.) müssen sich an einem gemeinsamen Kampf beteiligen. Aber es ist auch Aufgabe des gesamten ÖGB und aller Fachgewerkschaften die Streiks im SWÖ-KV aktiv zu unterstützen.

Denn alle ArbeitnehmerInnen profitieren von guten Arbeitsbedingungen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich.

 

Warnstreiks im Sozialbereich

BehindertenbetreuerInnen, PädagogInnen, FlüchtlingsbetreuerInnen, HeimpflegerInnen und viele andere streiken für mehr Geld und eine 35-Stundenwoche
Christoph Glanninger, aktiv bei Sozial aber nicht blöd und der Sozialistischen LinksPartei

Streik bei der Wiener

Kinder und Jugendbetreuung

Streik beim ASBÖ

Streik beim ASBÖ

Streik beim ÖHTB

SANB-Kundgebung am Yppenplatz

Caritas KollegInnen

zeigen sich solidarisch

Solidarität von 

LehrerInnen und Eltern

Worum geht’s eigentlich?

Zum ersten mal seit 2012 fanden im Februar bundesweite Streikaktionen statt. Diesen wichtigen und mutigen Schritt setzten aber nicht die klassisch gewerkschaftlich gut organisierten Bereiche mit einer hohen Kampfkraft, wie EisenbahnerInnen oder MetallerInnen, sondern die Beschäftigten im Sozialbereich. HeimpflegerInnen, BerhindertenbetreuerInnen, PädagogInnen, FlüchltingsbetreuerInnen an über hundert Standorten in ganz Österreich beteiligten sich über zwei Tage verteilt an 3-stündigen Warnstreikaktionen.

Tausende KollegInnen lassen sich nicht mehr länger von dem Argument „ihr könnt nicht streiken, das schadet PatientInnen und KlientInnen“ einschüchtern und stehen für ihre Forderungen auf. Gefordert wird neben einer ordentlichen Lohn- und Gehaltserhöhung und einer Aufwertung der Pflege auch eine 35-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich.

Hintergrund der Auseinandersetzung sind die Kollektivvertragsverhandlungen der 110.000 Beschäftigten im SWÖ-KV (Sozialwirtschaft Österreich). Die ArbeitgeberInnen weigern sich auch nach 5 Verhandlungsrunden, auf die Forderungen einzugehen.

 

2 Streiktage mit vielfältigen und kreativen Aktionen

Obwohl in verschiedenen Einrichtungen Probleme durch mangelnde Streikerfahrung und schlechte Vorbereitung der Gewerkschaft auftraten, fiel der Streik vor allem durch Kreativität und die Initiativen der KollegInnen an der Basis auf.

Die Beschäftigten des Sameriterbundes schmückten nicht nur eine Einrichtung mit Transparenten mit der Aufschrift „Wir streiken für bessere Löhne im Sozialbereich, gegen Abschiebungen“. Außerdem wurde eine öffentliche Kundgebung vor der Sameriterbund-Zentrale organisiert. KollegInnen berichteten über eine Anlage darüber warum sie streiken und diskutierten wie es weitergehen kann. Außerdem war die Kundgebung geprägt von vielen selbstgebastelten Schildern und Transparenten. Besonders wichtig auch Slogans wie „Wir sind nicht alle, es fehlen die Gekündigten“, um sich solidarisch mit den vielen KollegInnen zu zeigen, die in den letzten Monaten ihren Arbeitsplatz verloren haben.

KollegInnen der Wiener Kinder- und Jugendbetreuung organisierten eine Streikversammlung im Bildungszentrum der Arbeiterkammer Wien, um dort über die nächsten Schritte zu diskutieren. Auch in Oberösterreich organisierten Beschäftigte von Exit Sozial öffentliche Aktionen.

Am zweiten Tag streikten in Wien unter anderem Beschäftigte der verschiedenen Behindertenvereine. Viele KollegInnen nutzten den Streik, um ihre Standorte zu dekorieren, um auch der Nachbarschaft zu zeigen, dass hier gestreikt wird.

Nicht nur bereits im Sozialbereich Beschäftigte beteiligten sich an dem Streik, z.B. organisierten Studierende und Vortragende des Studiengangs soziale Arbeit an der FH Wien ebenfalls Streikaktionen. Den ganzen Tag wurden Diskussionen und Vorträge abgehalten, um sich auszutauschen und zu informieren.

Leider beteiligten sich die an den SWÖ orientierten Bereiche wie Caritas, Diakonie usw. nicht an den Streikaktionen. Aber viele KollegInnen in den Einrichtungen wären bereit gewesen, Teil der Streikbewegung zu werden. Z.B. organisierten KollegInnen im Caritas Winterpaket Solidaritätsaktionen und Statements mit den Streikenden SWÖ-KollegInnen.

 

Mehr wäre möglich gewesen! Die Gewerkschaftsführung muss in die Gänge kommen!

Streiken im Sozialbereich ist alles andere als leicht und braucht intensive Vorbereitung. Beschäftigte müssen sich kollektiv in ihren Einrichtungen überlegen, wie es möglich ist, durch Streiks Druck auf die ArbeitgeberInnen auszuüben und trotzdem die PatientInnen und KlientInnen nicht zu gefährden. Z.B. muss in Pensionistenwohnheimen nicht nur geplant werden, wie Notfälle versorgt werden müssen, sondern auch, wie mit der Essensversorgung umgegangen wird usw. Die wenigsten KollegInnen und BetriebsrätInnen verfügen schon über Streikerfahrung und wissen, was genau hier notwendig ist.

Hier wäre es Aufgabe der Gewerkschaft gewesen, intensiv vorzubereiten, zu informieren und allgemein viele finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Möglichkeiten dafür hätte es viele gegeben. Z.B. hätten KollegInnen aus anderen Ländern mit mehr Streikerfahrung eingebunden werden können um bei der Information über die Streiks zu helfen. Z.B. KollegInnen von der deutschen Verdi, die 2015 einen bundesweiten Streik der Sozial- und Erziehungsdienste organisierten. Aber auch bei Pro Mente in Oberösterreich gibt es z.B. schon Streikerfahrung. Gemeinsam mit Gewerkschaftssekretären hätten in allen Betrieben rechtzeitig Betriebsversammlungen stattfinden müssen, um einen detaillierten Streikplan zu entwickeln, über den auch alle KollegInnen informiert sind.

Außerdem wäre es unbedingt notwendig gewesen, öffentliche Aktionen zu organisieren. Streiks im Sozialbereich können nur schwer einen so starken wirtschaftlichen Druck ausüben wie z.B. Streiks bei den EisenbahnerInnen oder MetallerInnen. Umso wichtiger sind deshalb gemeinsame öffentliche Aktionen, um so den Druck zu erhöhen. Dadurch kann nicht nur die Öffentlichkeit über den Streik informiert werden, solidarische KlientInnen und UnterstützerInnen haben die Möglichkeit ihre Solidarität zu zeigen und KollegInnen merken, dass sie nicht isoliert sind, sondern gemeinsam mit Tausenden anderen für ihre Rechte kämpfen.

Diese Lehren müssen für kommende Streikaktionen unbedingt gezogen werden. Wenn die Gewerkschaftsführung es weiter verabsäumt, KollegInnen ordentlich zu informieren und vorzubereiten bzw. gemeinsame Aktionen zu organisieren, wird die Vernetzung von KollegInnen und kämpferischen BetriebsrätInnen umso wichtiger, um hier aktiv zu werden.

 

Sozial aber nicht blöd – die aktive Basisinitiative im Streik!

Genau diese Vernetzung zwischen streikenden Beschäftigten, kämpferischen BetriebsrätInnen und solidarischen UnterstützerInnen versuchten AktivistInnen von Sozial aber nicht blöd während des Streiks zu organisieren. Sozial aber nicht blöd (SANB) ist eine Basisinitiative im Sozialbereich, in der auch AktivistInnen der Sozialistischen LinksPartei eine wichtige Rolle spielen.

AktivistInnen von Sozial aber nicht blöd spielten eine zentrale Rolle als Teil der Streikleitung beim Samariterbund und bei der Wiener Kinder- und Jugendbetreuung. Außerdem organisierten SANB-AktivistInnen die Solidaritätsaktionen bei der Caritas und besuchten zwei Tage lang verschiedene streikende Einrichtungen, um sich mit den KollegInnen zu vernetzen und nächste Schritte zu planen. Bei diesen Besuchen berichtete auch eine Aktivistin der deutschen Schwesterorganisation der SLP über Erfahrungen aus dem großen Krankenhausstreik an der Berliner Charité 2015. Zusätzlich wurden Solidaritätsbotschaften von Betroffenen, Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen organisiert.

Gemeinsam mit anderen streikenden AktivistInnen plante SANB am Freitag Vormittag eine Kundgebung am Yppenplatz in Ottakring. Trotz der frühen Uhrzeit, Kälte und Schnee beteiligten sich über 30 Menschen an der Kundgebung, darunter mehrere BetriebsrätInnen aus verschiedenen Einrichtungen, Arbeiterkammerräte, streikende KollegInnen, aber auch solidarische AnwohnerInnen.

Auch in Oberösterreich besuchten AktivistInnen Einrichtungen in Linz und Vöcklabruck und organisierten auch in beiden Städten Solidaritätskundgebungen.

Da die etablierten Medien kaum über den Streik berichteten und auch über die Gewerkschaft nur wenige Informationen über die Streiks verbreitet wurden, versuchte Sozial aber nicht blöd über Internet und Social Media möglichst viele Details über den Streik zu verbreiten.

 

Wie weiter? Kein Abschluss unter 3%!

Am 23. Februar findet die nächste Verhandlungsrunde statt. Sollte auch die scheitern, sind für den 26.-28.2. wieder Streiks geplant.

Ein Abschluss unter 3%, einer deutlichen und spürbaren Aufwertung der Pflege und einer 35-Stundenwoche ist nicht zumutbar. Zu hoch ist der Leidensdruck unter vielen KollegInnen. Aber unabhängig von der Höhe des Ergebnisses braucht es eine Urabstimmung unter allen Beschäftigten über die Zustimmung zum Ergebnis.

Für die nächste Runde der Streiks sollten wir versuchen, aus den Problemen vom ersten Mal zu lernen, um es beim nächsten mal noch besser zu machen. Wir müssen von den zuständigen Gewerkschaften verlangen, mehr zu tun, um streikende KollegInnen zu unterstützen und zu vernetzen und öffentliche Aktionen zu organisieren. Unabhängig davon werden aber AktivistInnen von Sozial aber nicht blöd und der SLP in den nächsten Wochen versuchen, sich gemeinsam mit anderen auf die nächsten Auseinandersetzungen vorzubereiten und öffentliche Aktionen zu organisieren.

Ganz egal wie es mit der Auseinandersetzung weitergeht, die Beschäftigten haben schon jetzt mit dem ersten bundesweiten Streik im österreichischen Sozialbereich Geschichte geschrieben. Auf diesen Streikerfahrungen werden wir in den kommenden Jahren aufbauen können. Denn unter der Schwarz-Blauen Bundesregierung droht ein noch härterer Sozialkahlschlag als unter den letzten Regierungen, der mit Widerstand von unten beantwortet werden sollte.

Dabei müssen wir auch darauf aufmerksam machen, dass es massive Investitionen in den Gesundheits- und Sozialbereich braucht. Denn schon jetzt nutzen die ArbeitgeberInnen die mangelnde staatliche Finanzierung als Ausrede, bieten aber gleichzeitig Leistungen weiter immer billiger an und tun auch sonst wenig um den Zustand der Unterfinanzierung zu ändern. Deshalb wird es auch die Aufgabe von Beschäftigten und Gewerkschaft sein klarzumachen, dass in Österreich genug Geld für eine Ausfinanzierung des Sozialbereich vorhanden ist (allein das reichste Prozent besitzt ein Vermögen von über 500 Milliarden).

Deshalb: nutzen wir die jetzige Auseinandersetzung, um die Kampfkraft von Beschäftigten im Sozialbereich zu erhöhen, um endlich die Arbeitsbedingungen zu erkämpfen, die Beschäftigte, KlientInnen und PatientInnen sich verdient haben.

 

15&16.2. Streik für bessere Bezahlung und kürzere Arbeitszeiten!

Flugblatt von "Wir sind sozial aber nicht blöd" für die bevorstehenden Streiks im Sozialbereich

Wenn am 12.2. die Verhandlungen endgültig scheitern, werden wir PflegerInnen, SozialarbeiterIn­nen, BehindertenbetreuerInnen und alle anderen, die nach dem Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ -KV) bezahlt werden, gemeinsam einen möglichst wirksamen Streik organisieren.

 

Wir von „Sozial, aber nicht blöd“ werden immer wieder gefragt, was man als als ArbeitnehmerIn jetzt tun kann, und wie ein Streik ausschauen könnte. Dazu ein paar Anregungen:

Du kannst jetzt Infos ein holen und mit Kol­legInnen über einen Streik sprechen.

Infos gibts auf den Homepages der Gewerk­schaften oder bei „sozial, aber nicht bloed“. Sprich mit möglichst vielen KollegInnen. Sprecht Euch ab „Wie seit ihr betroffen?“, „Wie könnte ein Streik ausschauen?“ Welche Infos braucht ihr dafür? Nutzt dafür Teamsitzungen und Super­visionen. Kontaktiert, alleine oder gemeinsam Euren Betriebsrat, trefft Euch, ladet jemanden vom Betriebsrat ein und fordert eine (Teil-)Be­triebsversammlung ein. Ein Streik sollte so aktiv und so sichtbar wie möglich sein. Daher sollte er von unten nach oben organisiert werden. Es ist wichtig alle offen Fragen und Ängste zu be­sprechen. Wenn es in Eurer Firma keine Betrieb­srat gibt organisiert ein Treffen mit einem/einer zuständigen GewerkschaftssekretärIn. Auch wir von „Sozial, aber nicht blöd“kommen gerne in Deiner Dienststelle vorbei.

Für kämpferische und demokratische Be­triebsversammlungen.

Die oben genannten Fragen müssen gut be­sprochen werden. Die Betriebsversammlung sol­lte ein klares Zeichen setzten. Die Arbeit sollte - so weit möglich - unterbrochen werden. Unsere Anliegen sind so wichtig, dass wir dafür auch für eine notwendige Betriebsversammlung die Arbe­it sein lassen müssen. Eine „0815-Betriebsver­sammlung“ – wo ein paar KollegInnen kommen und der Rest arbeitet normal weiter- wird keinen Eindruck machen und kann vor allem keinen demokratische Diskussion mit Einbindung aller MitarbeiterInnen erbringen.

Du kannst Dich aktiv einbringen und Vorschläge machen.

Auf den Betriebsversammlungen muss es demokratische Debatten und Streik-Beschlüsse geben. Wichtig ist genau zu überlegen wie der Streik ablaufen soll. Welche Arbeit ist nötig? Wie viel Betreuung? Was sind Notfälle? usw. Darüber entscheidet die Belegschaft und nicht die Geschäftsleitung. Aktive KollegInnen und BetriebsrätInne, sollten alle KollegInnen, die et­was tun wollen, in Streik- und Aktionskomitees zusammenschließen. Diese Komitees sollten sich offen treffen und möglichst viele KollegInnen einbinden. Eine Streikleitung (sowohl im Betrieb aber auch österreichweit) sollte demokratisch gewählt werden. Sie bestimmt wann ein Streik begonnen oder unterbrochen wird. Sie sollte möglichst viele KollegInnen aus unterschiedli­chsten Standorten und Bereichen umfassen. Aus den betrieblichen Streikleitungen sollte eine bundesweite Streikleitung bestimmt werden. Bei einem Streik wird einiges riskiert. Es ist unser Risiko, unsere Bezahlung und unser Kollektiv­vertrag. Daher muss über ein endgültiges Ver­handlungsergebnis und ein Ende des Streiks in einer Urabstimmung aller betroffen KollegInnen entschieden werden!

Du kannst KlientInnen und Angehörige direkt ansprechen, informieren und vielleicht ein­binden.

Entweder mit Infomaterial von der Gewerkschaft oder mit selbst gemachten Infomaterial. Wir ar­beiten mit Menschen, daher sind Streiks nicht leicht. Aber Beispiele wie bei pro mente OÖ und den Ordensspitälern in Oberösterreich, oder im Krankenhaus “Charite´” in Berlin zeigen, dass Streiks möglich sind. Die allermeisten Betroff­enen unterstützen uns, weil sie wissen, wie hart wir arbeiten und wie schlecht wir bezahlt werden! KlientInnen, Angehörige, SachwalterInnen usw. können bei Kampfmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen. Etwa in dem sie sich an Aktionen wie Kundgebungen usw. aktiv beteiligen und ihre Solidarität zum Ausdruck bringen.

Du kannst mithelfen, den Streik möglichst öffentlich zu machen.

Du kannst mit Deinen ArbeitskollegInnen die Di­enststelle “schmücken“, mit Plakaten, Transpar­enten, sei es an der Türe oder aus den Fenstern. Gut sind auch Kundgebungen vor der Diensts­telle, das Verteilen von Informationsmaterial vor dem Betrieb usw. Wichtig ist auch, gemeinsam mit KollegInnen aus anderen Firmen nach außen zu gehen, etwa mit gegenseitigen Besuchen oder Kundgebungen.

Für einen bundesweiten Streik- und Aktions-tag Mitte Februar! Wir werden die Solidarität aus anderen Branchen brauchen!

Unsere zuständigen Gewerkschaften GPA-djp und vida sollten gemeinsame Demonstrationen in den Landeshauptstädten organisieren. Ein Aktionstag kann zeigen wer uns aller unterstützt. Viele können mitmachen: KollegInnen aus an­deren Branchen, solidarische Menschen oder KollegInnen aus betroffenen Firmen, wo ein Streik noch nicht klappt.

Streikbewegung ausweiten!

Aktuell sind „nur“ ca. 110.000 SWÖ- KollegInnen betroffen. Aber auch die KollegInnen von Cari­tas, Diakonie, Rotes Kreuz,... haben ähnliche Probleme und Forderungen Daher wäre eine Ausweitung der Streiks auf den gesamten Sozi­al-und Pflegebereich wichtig.

Wir machen Aktionen – mach mit!

Viele KollegInnen wollen etwas tun und sich informieren. Wir von „Sozial, aber nicht blöd“ wollen jetzt die Chance nutzten, um Verbesse­rungen zu erreichen. Es geht um bessere Arbe­itsbedingungen und eine andere Politik. In Ös­terreich besitzen wenige Superreiche hunderte Milliarden. Mit einer aktiven Umverteilungspolitik könnte das notwendige Geld für den Sozialbere­ich aufgestellt werden. In den nächsten Tagen werden wie eine Reihe von Aktionen starten - wenn Du mit uns reden willst um Dich zu inform­ieren – wenn Du bei Aktionen dabei sein magst oder in Deinem Betrieb etwas tun willst - Melde Dich bei uns!

 

Zwei wichtige Termine:

▶️ Kundgebung zur Unterstützung der Streiks im Sozialbereich
9.2. | 15:00 | U-Bahn Station Ottakring (Ausgang Thaliastraße) 
https://www.facebook.com/events/340766876437872/

▶️ Workshop: Streiks im Sozialbereich – Was tun?
9.2. | 18:00 | Amerlinghaus | Stiftgasse 8 
https://www.facebook.com/events/149454419003694/

 

 

Tarifrunden 2018: Durch Streik zum Erfolg

Keine Kompensationen – volle Durchsetzung der Forderungen
von Angelika Teweleit, Berlin

2018 werden für zehn Millionen Beschäftigte neue Tarifverträge ausgehandelt. Die größten Bereiche sind die Metall- und Elektroindustrie mit 3,5 Millionen Beschäftigten sowie die 2,5 Millionen Beschäftigten in Bund und Kommunen. Dazu kommen Bereiche wie die Post, bei der 2015 mehrere Wochen gestreikt wurde, die Telekom, VW, sowie das Bauhauptgewerbe und andere.  Neben den Forderungen nach einem höheren Anteil an erwirtschafteten Gewinnen und Überschüssen geht es auch um die Frage der Arbeitszeiten.

Die Forderungshöhe liegt bei allen ähnlich – um die sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt. Angesichts der allgemeinen Entwicklung von Löhnen und Gehältern im Vergleich mit Gewinnen und Vermögen, ist dies noch eine bescheidene Forderung. Dazu kommt, dass im letzten Jahr die Inflation gestiegen ist, nämlich auf 1,8 Prozent. Auf der anderen Seite gibt es sowohl Überschüsse in den öffentlichen Kassen, als auch erneut Rekordgewinne von deutschen Konzernen. Es ist also eigentlich genug Geld da – es geht um die Frage der Verteilung. Angesichts dessen sollte in den aktuellen Tarifrunden mehr denn je die volle Durchsetzung der Forderungen zum Ziel gesetzt werden, anstatt routinemäßig bei knapp der Hälfte des Geforderten abzuschließen.

Angriff auf Arbeitszeiten

Die Frage der Arbeitszeit ist wieder auf der Tagesordnung. Zum einen durch die Arbeitgeber: Sie streben eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten und eine Ausweitung der Höchstarbeitszeiten an. Stichworte wie „Digitalisierung“ werden als Argumente angeführt. Im Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD steht: „Wir werden über eine Tariföffnungsklausel im Arbeitszeitgesetz Experimentierräume für tarifgebundene Unternehmen schaffen, um eine Öffnung für mehr selbstbestimmte Arbeitszeit der Arbeitnehmer und mehr betriebliche Flexibilität in der zunehmend digitalen Arbeitswelt zu erproben. Auf Grundlage von Betriebsvereinbarungen kann insbesondere die Höchstarbeitszeit wöchentlich flexibel geregelt werden.“

In der Konsequenz bedeutet das einen weitreichenden Angriff auf ArbeitnehmerInnen. Dennoch werben die Gewerkschaftsführungen für die Fortsetzung der GroKo, ohne dieses Vorhaben zum Thema zu machen. Vermutlich sind sie zufrieden, weil sie der Meinung sind, dass in dieser Formulierung ihre Rolle als Tarifpartner anerkannt wird und dass die Gesetzesänderungen mit ihnen abgestimmt werden sollen. Doch das wird höchstens bedeuten, dass die Verschlechterungen stückchenweise eingeführt werden. In der Praxis wird es höhere durchschnittliche Arbeitszeiten bedeuten sowie noch mehr Flexibilisierung – in den meisten Fällen im Sinne der Arbeitgeber.

Auf der anderen Seite steht das wachsende Bedürfnis von vielen Beschäftigten, dem massiv angewachsenen Arbeitsdruck zu entfliehen. Ein Hebel dafür ist Arbeitszeitverkürzung. Einige flüchten sich schon in Teilzeit, doch viele können sich das nicht leisten. Deshalb ist es wichtig, dass die Gewerkschaften den Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich aufnehmen.

IG Metall und Kampf um Arbeitszeit

Die IG Metall hat mit ihren Forderungen zum ersten Mal seit langem das Thema Arbeitszeitverkürzung auf die Tagesordnung gesetzt. Das ist positiv und ist bei vielen KollegInnen auf Widerhall gestoßen. Allerdings wurde die Forderung in verschiedener Hinsicht begrenzt: es soll sich nur um einen Anspruch für bestimmte Gruppen von KollegInnen handeln, ihre Arbeitszeit für den begrenzten Zeitraum von zwei Jahren auf 28 Stunden zu reduzieren, und das auch nicht bei vollem Lohnausgleich, sondern einem Teillohnausgleich. Es ist schade, dass gerade die kampfstarke IG Metall bescheiden an die Frage der Arbeitszeitverkürzung heran geht.

Das nutzen auch die Arbeitgeber, um die Auseinandersetzung in ihre Richtung zu lenken. Entsprechend haben die Verhandlungsführer der Metallarbeitgeber ins Spiel gebracht, kompromissbereit zu sein, wenn die IG Metall auch eine flexible Verlängerung der Arbeitszeiten auf 40 Stunden pro Woche tarifvertraglich möglich macht.

Ein Kompromiss, der eine weitere Flexibilisierung nach oben zulässt, wäre fatal. Das, was mit der 35-Stunden-Woche Mitte der 80iger Jahre erkämpft wurde, würde weiter ausgehöhlt. Schon jetzt liegen die realen Arbeitszeiten durch die Aufweichung der Flächentarifverträge, wie es durch das so genannte Pforzheimer Abkommen von 2004 verabredet wurde, höher. Dazu kommt, dass in Ostdeutschland nach wie vor längere Arbeitszeiten gelten und dass einige Betriebe zusätzlich nicht an die Tarife gebunden sind. Hier ist es nur im Bezirk Berlin-Brandenburg gelungen, die Forderung nach der 35-Stunden-Woche auch für Ostdeutschland innerhalb der IG Metall durchzusetzen. Im Durchschnitt werden laut IG Metall 40,6 Stunden pro Woche in der Metall- und Elektroindustrie gearbeitet.

Es darf keine Kompensationen geben. Deshalb ist wichtig, dass Druck auf die IG Metallführung und Verhandlungskommissionen gemacht wird, um nicht in die Defensive zu geraten.

Volle Durchsetzung der Forderungen möglich?

Die Ausgangsposition für Streik ist extrem gut für die Beschäftigten! Die Durchsetzung der Forderungen ist möglich – ohne Kompromiss. In den ersten Wochen des Jahres waren 920.000 den Aufrufen der IG Metall gefolgt. Die Stimmung war kämpferisch und selbstbewusst. Das wurde dadurch verstärkt, dass die IG Metall auf ihrem Gewerkschaftstag beschlossen hatte, zu 24-Stunden-Warnstreiks aufzurufen, anstatt nur, wie bisher, für wenige Stunden. Allein damit könnte angesichts der Auftragslage und der Just-in-Time-Produktion ein sehr großer Druck erzeugt werden. Das gilt umso mehr, wenn zu Urabstimmung und Streik aufgerufen würde.

Wenn die Arbeitgeber mauern, sollte in der IG Metall die Diskussion aufgemacht werden, ob man stattdessen die Forderung noch ausweitet. Es ist ein Skandal, dass die Arbeitgeber, die keine Probleme haben, KollegInnen durch Fremdvergabe und Leiharbeit zu unterschiedlichen Löhnen für die gleiche Arbeit nebeneinander arbeiten zu lassen, jetzt bei der Forderung nach dem Anrecht auf Arbeitszeitverkürzung meinen, das sei unzulässig, weil Ungleichheit geschaffen würde. Dennoch – wenn sie darauf bestehen, könnte man auch das Argument umdrehen und sagen – dann fordern wir die Arbeitszeitverkürzung für alle – bei vollem Lohn- und Personalausgleich – zum Beispiel auf 30 Stunden für alle und unbefristet. Das wäre völlig gerechtfertigt, angesichts des Produktivitätszuwachses seit der letzten Arbeitszeitverkürzung, die vor 35 Jahren vereinbart wurde. Und es wäre eine klare Forderung, die mobilisierend auf alle Kolleginnen und Kollegen wirken würde. Das Argument, dass es einigen nichts bringt oder Ungleichheit hervorruft, könnte so aus der Welt geschafft werden. Und die höhere Wirkung von Streiks aufgrund der wirtschaftlichen Auslastung sollte unbedingt genutzt werden, um in die Offensive zu kommen.

Öffentlicher Dienst

Auch im öffentlichen Dienst haben KollegInnen immer wieder ihre Streikbereitschaft gezeigt. Auch hier spielt nicht nur die Lohnhöhe eine große Rolle. Viele fühlen sich überlastet und möchten mehr Personal und mehr Freizeit. Deshalb ist es gut, dass auch in ver.di inzwischen begonnen wurde, über eine Kampagne für Arbeitszeitverkürzung nachzudenken. Schon in der jetzigen Tarifrunde, die wahrscheinlich vor allem um höhere Löhne geht, sollten Versammlungen von Streikenden auch genutzt werden, um eine Kampagne für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich für die nächste Runde vorzubereiten.

Personalmangel

Es ist dringend nötig, die Bezahlung im öffentlichen Dienst zu verbessern, insbesondere in den unteren und mittleren Gehaltsgruppen. Denn sonst wird das Problem des Personal- und Fachkräftemangels, wie er zur Zeit von den Krankenhäusern über die Kitas zu den Schulen, beklagt wird, nicht zu lösen sein. In deutschen Krankenhäusern besteht laut ver.di ein Bedarf an 162.000 zusätzlichen Beschäftigten. Auch in den meisten Ämtern gibt es große Probleme. Das hat massive Folgen für die Beschäftigten, die unter der Last der anfallenden Arbeit teilweise zusammenbrechen. Viele können sich nicht vorstellen, ihren Beruf bis zur Rente durchzuhalten. Gleichzeitig wird die Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge enorm verschlechtert. Um eine deutliche Aufwertung der Berufe im öffentlichen Dienst zu erreichen, wäre nötig, mindestens einen Sockelbetrag wie in den letzten Tarifrunden, wenn nicht gar eine tabellenwirksame Festgeldforderung aufzustellen, um so besonders die unteren und mittleren Gehaltsgruppen stärker anzuheben.

Egal, wie die Forderung ausfällt: Natürlich werden die Arbeitgeber ihre alte Leier wiederholen, es sei alles nicht finanzierbar. Dem muss selbstbewusst begegnet werden. Das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ argumentiert:

„Uns interessiert die Lage der Beschäftigten – und die der NutzerInnen. Geld ist in der Gesellschaft in ausreichendem Maße vorhanden. Es ist nur in den falschen Händen und wird falsch eingesetzt. Denken wir allein an die Enthüllungen der Paradise Papers: insgesamt wurden weltweit 7,9 Billionen (!) Euro in Steueroasen gehortet. Etwa 1000 Milliardäre, Reiche, Spekulanten, Unternehmer, Politiker, verurteilte Betrüger aus Deutschland sind daran beteiligt. So mancher Einkommensmillionär oder Großkonzern hat weniger Steuern gezahlt als ein Krankenpfleger oder eine Ingenieurin im Bauamt. Unmengen an Geld wurden beiseite geschafft, mit denen massive Investitionen in öffentliche Daseinsvorsorge – Krankenhäuser, Kitas, Schulen, Unis – und anständige Löhne und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten getätigt werden könnten.

Die stetige Anhäufung von Reichtum von einigen Wenigen könnte gestoppt werden. Allein durch den Wegfall der Vermögenssteuer fehlen der öffentlichen Hand jedes Jahr 20 Milliarden Euro. Allein bei einer bescheidenen Anhebung der Vermögenssteuer auf fünf Prozent ab einer Million Euro (Forderung der LINKEN) kämen 85 Milliarden Euro jährlich mehr in die Kasse – alles im Interesse des Allgemeinwohls anstatt im Interesse einer kleinen reichen Minderheit. Deshalb ist klar – es muss Druck aufgebaut werden – durch Streikmaßnahmen, Demonstrationen, Solidarität in der Bevölkerung aufgebaut werden.“

Streiktaktik

Äußerungen von Teilen des Gewerkschaftsapparats bezüglich der Streiktaktik sind angesichts der Herausforderungen besorgniserregend: Während die IG Metall inzwischen mit 24-stündigen Warnstreiks droht, geht die ver.di-Führung scheinbar einen Schritt zurück. So gab es Äußerungen, dass die Warnstreiks in dieser Runde auf 4 Stunden begrenzt werden sollen.

ver.di-Chef Frank Bsirske sprach davon, dass man in der diesjährigen Tarifrunde ein höheres Ergebnis brauche, als beim letzten Mal. Das lässt sich aber sicher nicht erreichen, wenn man mit der Handbremse in die Tarifauseinandersetzung geht. Stattdessen sollte auch ver.di sehr schnell mit einem Paukenschlag möglichst viele KollegInnen auf die Straße bringen. Es ist Zeit, Tarifrunden nicht mehr als Routine zu betrachten, wo man die KollegInnen für ein paar Stunden zu Warnstreiks aufruft, und am Ende wieder bei weniger als der Hälfte des Geforderten stehen zu bleiben.

Gemeinsame Mobilisierungen mit KollegInnen von KollegInnen in der Metall-und Elektroindustrie, dem öffentlichen Dienst, Post, Telekom und anderen könnten organisiert werden, um gemeinsam Stärke zu zeigen und den Druck ökonomisch und politisch zu erhöhen. So könnten die Streiks ausgeweitet und zu einer gesellschaftspolitischen Bewegung für eine längst überfällige Umverteilung von oben nach unten gemacht werden.

So wäre es möglich, wieder in die Offensive zu kommen. Das wäre auch das beste Mittel, um endlich den Rückgang der Mitgliederzahlen bei ver.di und IG Metall aufzuhalten.

Angelika Teweleit ist betriebs- und gewerkschaftspolitische Sprecherin der SAV. Auf den Sozialismustagen diskutiertiert sie mit Winfried Wolf zur Lage der Autoindustrie

 

Unbefristeter Streik: Solidarität mit den KollegInnen der Schweizer SDA!

Streik kann Vorbildfunktion für den gesamten Medienbereich in der Schweiz wie auch international haben - Solidarität mit den KollegInnen!
Eine Mitarbeiterin im Medienbereich, Wien.

Die Schweizer Presseagentur SDA ist seit 30.1. im unbefristeten Streik – eine in der Medienbranche höchst seltene Kampfmaßnahme. Es ist der erste Streik der Geschichte der SDA. Es geht um massiven Personalabbau - 36 der 150 MitarbeiterInnen sollen entlassen werden. Auf Twitter berichten die MitarbeiterInnen über "inside_sda" laufend darüber. Bereits vor einer Woche hatte es einen dreistündigen Warnstreik gegeben. Es gab an beiden Streiktagen Demonstrationen - lautstark, mit Pfeifen und dem Demoslogan «SDA nicht für Gewinne da». Der Geschäftsführer sagte diesbezüglich der «NZZ am Sonntag»: «Die SDA ist nur ihren Aktionären etwas schuldig. Jede andere Anspruchshaltung verstehen wir nicht.» Ein Abbruch des Streiks wurde am Abend des 30.1. einstimmig und unter tosendem Applaus abgelehnt, da die Geschäftsführung kein Einlenken zeigt.

 

Die streikenden SDA-MitarbeiterInnen wenden sich mit folgendem an die Medien: «Liebe KollegInnen auf den Online-, Radio- und Zeitungsredaktionen. Es tut uns leid, wenn wir Euch Zusatzarbeit bescheren. In den letzten Tagen haben viele betont, wie nützlich unsere Arbeit sei. Unverzichtbar gar. Wir kämpfen dafür, weiterhin Nützliches anbieten zu können.» 

Der Streik findet vor dem Hintergrund einer massiven Medienkrise in der Schweiz statt. Einige der Printmedien fusionieren aufgrund der ökonomischen Probleme bzw. "bündeln Ressourcen", was wiederum weniger Einnahmen für die SDA bedeutet. In der gesamten Branchen werden Stellen abgebaut. Auch die SDA steht vor einer Fusionierung. Die Medienkrise wiederum ein Symptom der allgemeinen wirtschaftlichen Krise ist. Die Schweizer Wirtschaft ist in den letzten drei Jahren nur um 0,8 (2015 und 2016) bzw. 1,0%  (2017) gewachsen.

Auch die Privatisierung des Rundfunks ist ein Symptom der Medienkrise und der Begehrlichkeiten der privaten Printmedien. In der Schweiz findet demnächst eine Abstimmung über die Abschaffung der Rundfunkgebühren statt, die den Weg in Richtung Privatisierung ebnen soll. Die FPÖ beobachtet diese Abstimmung sehr genau - sie hatte ja in Bezug auf den ORF ähnliche Ideen und schielt immer wieder zu den Initiativen der rechtspopulistischen SVP, die seit 2015 stimmenstärkste Partei in der Schweiz ist. Die dänischen Rechtspopulisten wollen die Gebühren ebenfalls abschaffen, auch in Deutschland gibt es eine Gebührendebatte bzw eine Debatte über die Privatisierung des ARD.

Der erste Streiktag hat seine Wirkung nicht verfehlt. Er wird medial diskutiert und die Reaktionen sind sehr positiv. Gleichzeitig wächst der Druck auf die Eigentümerverlage. Durch den Streik war der Druck auf die Politik so groß, dass sogar die Regierung Verständnis zeigt.

 

 

 

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