Di 17.01.2023
In der Diskussion um soziale Gleichheit wird oft bessere Bildung als Schlüssel präsentiert. Das ist nachvollziehbar, jedoch nicht die Lösung, die soziale Ungleichheit aufzuheben. Das Bildungssystem ist nämlich selbst Teil und Ausdruck dieser Gesellschaft. Das beginnt damit, dass in Österreich Bildungschancen besonders stark vererbt werden: Nur 7% von Arbeiter*innenkindern beginnen ein Masterstudium – bei Akademiker*innenkindern sind es 25%. Das liegt daran, dass das Schulsystem Kinder bereits mit 10 Jahren (sozial) selektiert. Wer es trotzdem an höhere Bildungseinrichtungen schafft, muss oft neben Schule oder Universität arbeiten und hat so weniger Zeit zum Lernen. Außerdem können sich arme Familien weniger zusätzlichen Unterricht leisten. Das bedeutet, dass von Armut betroffene junge Menschen weniger ihren Talenten und Interessen nachgehen können.
Daran ändert auch die fortschrittlich klingende Kompetenzorientierung nichts, die in allen Bildungsinstitutionen angekommen ist: Schüler*innen sollen möglichst viele verschiedene Kompetenzen erlernen, um am Arbeitsmarkt möglichst flexibel einsetzbar zu sein. Schließlich sind die Zeiten vorbei, wo man in einer Branche bis zur Pension gearbeitet hat. Das liegt am technologischen Fortschritt, aber auch an den zunehmenden Krisen des Kapitalismus. Kompetenzorientierung ist also nur ein schöner Name für Anpassung an aktuelle Profitinteressen.
Aber auch echte Errungenschaften im Bildungssystem, die die Arbeiter*innenbewegung in der Vergangenheit erkämpft hat, werden innerhalb eines profitorientierten Systems früher oder später wieder zurückgenommen, wenn wieder Profiten zuliebe bei Bildung gekürzt werden muss. So wurde z.B. kürzlich die Anzahl der Kinder in Volksschulklassen wieder erhöht. Und selbst das fortschrittlichste Bildungssystem, wie früher in Schweden, änderte nichts an der systemischen Ungleichheit dort. Das widerlegt die reformistische Illusion der Sozialdemokratie, durch Bildungspolitik auch die Klassengesellschaft aufzuheben: Wir müssen diese überwinden, um uns gute Bildung zu erkämpfen.
Bildung erkämpfen heißt Kapitalismus abschaffen
Wir brauchen eine Gesamtschule, wo alle Schüler*innen individuell gefördert werden. Dazu braucht es mehr Lehrer*innen, Sonderpädagog*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen etc. Nur so kann auch richtige Inklusion gelingen, wo Schüler*innen mit und ohne besondere Bedürfnisse zusammen lernen. Auch sollten sich Lehrpläne nicht nach den Bedürfnissen von Firmen richten, sondern einerseits Lebenspraktisches und andererseits die individuellen Interessen fördern. Das bedeutet auch, die Trennung zwischen Kopf- und Handarbeit aufzuheben, indem Jugendliche sich berufliche Kenntnisse aneignen, jedoch gleichzeitig z.B. Sprachen erlernen, sich mit Literatur auseinandersetzen können etc. Des Weiteren bedeutet es, die Studienbeihilfe soweit zu erhöhen, dass Studierende sorgenfrei studieren können. Dasselbe gilt auch für Schüler*innen, da auch unter ihnen schon manche nebenbei arbeiten. Um all das jedoch durchzusetzen, braucht es gemeinsame Kämpfe von Lernenden und Lehrenden. Deswegen sind die aktuellen Streikaktionen in der Freizeitpädagogik und Streikdrohungen in der Elementarpädagogik wichtige Ansatzpunkte. Die Kämpfe für ein komplett anderes Bildungssystem müssen jedoch Teil des Kampfes gegen den Kapitalismus an sich sein, denn nur dessen Abschaffung kann soziale Gleichstellung und freie Bildung garantieren.
Info:
Das Bildungssystem ist eine Institution im kapitalistischen Herrschaftssystem - eine „ideologiefreie Schule“ gibt es deswegen nicht: So startete die EU etwa 2016 eine Initiative zur “Erziehung zu Unternehmerischem Denken und Handeln an den Schulen in Europa“, womit der Profitwahn des Kapitalismus ideologisch verschleiert als „Entrepreneurship Education“ in den Lehrplänen verankert wird.