Wahlen in Frankreich: Ablehnung des Establishments

Massiver Zugewinn für Melenchon zeigt Potential für Linke
von Clare Doyle, „Committe for a Workers´ International“ // „Komitee für eine Arbeiterinternationale“ (CWI, dessen Sektion in Österreich die SLP ist)

Das Ergebnis der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen hat gezeigt, wie sehr die etablierten Parteien und das, wofür sie stehen, abgelehnt werden. Die Präsidentschaftswahlen markieren einen Wendepunkt in der Politik Frankreichs. Sie eröffnen neue Möglichkeiten für eine Bewegung von unten, die in der Lage sein kann, eine neue linke und sozialistische Kraft aufzubauen.

In der zweiten Runde, die am 7. Mai zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen ausgetragen wird, werden viele WählerInnen Macron ihre Stimme geben, die ihn bisher nicht gewählt haben. Sie werden dies tun, um eine rechtsextreme Präsidentin zu verhindern. „Gauche Révolutionnaire“, die Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Frankreich, betrachtet eine Bewegung von unten als wichtigstes Mittel, um sich der Reaktion in den Weg zu stellen und gegen die Angriffe vorzugehen, die die herrschende Klasse durchführen will.

Was ist geschehen?

Der Kandidat der regierenden sogenannten „sozialistischen“ Partei (es geht um die Sozialdemokraten, die immer noch unter dem Namen „Parti Socialiste“ antreten) hat nicht mehr als 2,25 Millionen Stimmen bekommen. Das sind 6,3 Prozent aller abgegebenen Stimmen. Der linke Kandidat Melenchon kam demgegenüber auf sieben Millionen Stimmen bzw. 19,6 Prozent. Damit lieferte er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Francois Fillon, dem diskreditierten Vertreter der Konservativen von der Partei „Les Républicains“, der auf 19,9 Prozent kam.

Berichten zufolge waren bis zum letztlichen Wahltag nicht weniger als ein Drittel der Wahlberechtigten unsicher, wen bzw. ob sie überhaupt wählen sollten. Verglichen mit 2012 ist die Wahlbeteiligung zwar zurückgegangen. Sie lag aber dennoch bei über 78 Prozent. Es ist klar, dass viele junge Leute und ArbeitnehmerInnen Veränderungen sehen wollen, was ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen angeht.

Die Illusionen, die noch in die „neue“ Bewegung des letztlich erstplatzierten Kandidaten Emmanuel Macron gesetzt werden, werden schon bald zerplatzen wie Luftblasen. Er kam in der ersten Runde auf 25,9 Prozent und wird in der zweiten Runde aller Voraussicht nach Marine Le Pen vom „Front National“ bezwingen. Bevor er vor einem Jahr zurücktrat, um seine Bewegung/Partei „En Marche!“ („In Bewegung“) zu gründen, hielt er in der verrufenen Regierung unter Präsident Hollande einen Ministerposten inne. Als ehemaliger Bankier und Architekt der verhassten und arbeitnehmerfeindlichen Reform des Arbeitsrechts wird er die öffentlichen Ausgaben weiter senken und Arbeitsplätze reduzieren. Lockern wird er hingegen die Vorgaben für die Geschäfte der Großkonzerne.

Mit ihrer protektionistischen und gegen das Establishment gerichteten Rhetorik hat Marine Le Pen vom „Front National“ wahrscheinlich Millionen von Stimmen von wütenden ArbeiterInnen und jungen Leuten erhalten. Sie hat permanent von sich behauptet, für „das Volk“ zu stehen und einen neuen Ansatz zu vertreten. Zum jetzigen Zeitpunkt geht niemand davon aus, dass sie ihren Stimmanteil im zweiten Wahlgang wesentlich wird vergrößern können. Die Umfragen gehen von Werten von 60 Prozent bis 65 Prozent für Macron und 35 Prozent bis 40 Prozent für Le Pen aus.

Melenchon

Eine der dramatischsten Entwicklungen bei dem „Rennen“ ums Präsidentenamt war der massive Zugewinn für „Das aufständische Frankreich“ des Kandidaten Jean-Luc Melenchon, der gegenüber 2012 mehr als drei Millionen Stimmen hinzugewonnen konnte. Und das mit einem Programm, das eine umfassende Erhöhung bei den öffentlichen Investitionen vorsieht, um Arbeitsplätze zu schaffen, öffentliche Dienstleistungen auszubauen und die Steuern für Super-Reiche drastisch anzuheben. Für die Kandidatin von „Lutte Ouvrière“ (LO; „Arbeiterkampf“) stimmten rund 231.600 Menschen und weitere 392.400 für Philippe Poutou von der „Nouveau Parti Anticapitaliste“/„Neue Antikapitalistische Partei“ (NPA). Beide mussten im Vergleich zu 2012 Einbußen hinnehmen.

Hätte Melenchon die volle Unterstützung der linken Organisationen bekommen und würde man die Stimmen, die LO und NPA bekommen haben, hinzuzählen, dann wäre Melanchon möglicherweise in die zweite Runde gekommen! Damit hätten die ArbeiterInnen und jungen Leute jedenfalls eine eindeutige Wahl im zweiten Wahlgang gehabt: zwischen einem Kandidaten, der den Kapitalismus und die Reaktion verteidigt und einem, der für den Kampf gegen das System und den Wandel im Interesse der Beschäftigten und jungen Leute steht.

Das nun vorliegende Ergebnis steht weder für das Ende der Schlacht, noch steht eine Niederlage für Le Pen für das Ende des Rechtsextremismus in Frankreich. Es ist bereits zu Demonstrationen gegen Le Pen gekommen. Die größte Herausforderung besteht nun allerdings für Melenchon darin, die Kräfte zu mobilisieren, die ihn unterstützt haben und mit ihnen zusammen eine durch und durch sozialistische Bewegung aufzubauen. Er muss jetzt zu Versammlungen einladen bzw. aufrufen, die in den Betrieben und Wohnvierteln im ganzen Land stattfinden müssen, um auf diese Weise eine Bewegung gegen den französischen Kapitalismus zu mobilisieren. Überall müssen seine AnhängerInnen Organisationsarbeit leisten, um eine Partei aufzubauen, die fähig ist, bei den Parlamentswahlen, die im Juni anstehen, einen Wahlkampf für die echte Wahrnehmung von Arbeitnehmerbelangen auf Grundlage eines sozialistischen Programms zu führen.

Hintergrundmaterial des CWI zum Thema findet sich hier. Eine Übersetzung der Erklärung von „Gauche Révolutionnaire“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Frankreich) wird so bald wie möglich veröffentlicht.

Der Artikel wurde zuerst am 24. April 2017 auf www.socialistworld.net veröffentlicht.