Internationales

Venezuela: Gescheitert ist nicht der Sozialismus, sondern der Reformismus

Sonja Grusch

Sebastian Kurz ist nur einer von vielen rechten Politiker*innen, die sich auf die Seite von Guaidó stellen. Sie alle rufen laut „Freiheit“ und meinen die Freiheit des Kapitals. Ihnen geht es nicht um Demokratie oder Menschenrechte, und auch nicht um die Verbesserungen der sozialen Lage der Menschen in Venezuela.

Denn Guaidó Unterstützer*innen sind oder waren selbst Diktatoren, arbeiten mit diesen bestens zusammen, stehen für neoliberale Reformen und Demokratieabbau. Tatsächlich wird das Argument „Demokratie“ benützt, um eine Legitimation für die Intervention und die Unterstützung reaktionärer Kräfte zu erzeugen.

Als Sozialist*innen geht es uns aber auch nicht um die Unterstützung von Maduro und der chavistischen Bürokratie. Für die Entwicklung der letzten 20 Jahre seit dem Wahlsieg von Chavez Ende 1998 verweisen wir auf unsere Broschüre „Venezuela: Der Kampf um eine sozialistische Zukunft“ aus dem Jahr 2005. https://www.slp.at/sites/default/files/brochure_fulltext_pdf/Venezuela_W...

Darin weisen wir bereits auf die potentielle Probleme der Dominanz des Erdölsektors, des Verharrens im Kapitalismus und der bürokratischen Entwicklungen hin. Unsere schwärzesten Perspektiven haben sich leider bestätigt. Eben weil Chavez und die Chavististas nicht weiter in Richtung Sozialismus gegangen sind stehen sie heute vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik. Und das Land möglicherweise vor einer Machtübernahme rechter, neoliberaler Kräfte. Es droht sich Marx‘ Analyse der 1848er Revolution in Deutschland zu wiederholen, als er schrieb, dass einer „halben Revolution mit einer ganzen Kontrerevolution“ geantwortet wird.

Die USA wetzen die Messer

Venezuela liegt im „Hinterhof“ der USA und steht in einem Bündnis mit Kuba. Schon deshalb ist das Regime den Herrschenden in den USA ein Dorn im Auge. Dass seit der Jahrtausendwende diverse linke Regierungen in Lateinamerika (neben Kuba auch Venezuela, Bolivien, Argentinien, Brasilien etc.) in Opposition zu den USA standen und zumindest für eine Zeit aufgrund des Exportbooms auch den wirtschaftlichen Polster für eine gewisse Reformpolitik hatte, gefiel Washington nicht.

Dass insbesondere Chavez auch noch die Idee eines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ in die Welt hinaus rief kam der herrschenden Klasse angesichts eines wachsenden antikapitalistischen Bewusstseins, das sich in Bewegungen wie Occupy Wall Street und ähnlichem Ausdrückte alles andere als gelegen. Hier wurden, wenn auch verzerrt und unvollständig, Antworten auf die Frage nach der Alternative zum Kapitalismus gesucht. Da war es dann auch kein Wunder, wenn Obama zum Mittel der Sanktionen gegen Venezuela griff.

Es geht aber auch um die Vormachtstellung in der Region selbst. Venezuela ist nicht nur eines der wichtigsten Ölförderländer, sondern sitzt auf den größten Erdölreserven der Welt (bis 2010 galt Saudi Arabien als das Land mit den meisten Reserven, doch Venezuela ist von Platz 5 an die Spitze aufgerückt). Öl ist nach wie vor der wichtigste Rohstoff der Welt, der Zugriff darauf ist im Wettkampf der imperialistischen Mächte von zentraler Bedeutung.

Die enge Kooperation von Venezuela mit Russland sowie mit China - einem der Hauptgläubiger, der das Öl zur Befeuerung der eigenen Wirtschaft braucht - ist den USA ebenfalls ein Dorn im Auge. Denn die Konkurrenz verstärkt ihren Einfluss damit quasi vor der Haustür der USA selbst.

Wenn Trump Guaidó also unmittelbar nach dessen Selbstausrufung zum Präsidenten als solchen anerkennt dann hat das handfeste wirtschaftliche und strategische Gründe. Dass Washington mit Elliot Abrams einen Mann verantwortlich machte, der schon seit Jahrzehnten für die brutale Kooperation der USA mit Diktaturen in Lateinamerika (Nicaragua, El Salvador, Guatemala etc.) bekannt war, zeigt, dass es niemals um Fragen von „Demokratie“ ging. Dass Guaidó noch im Dezember offensichtlich zur Vorbereitung bzw. um sich der Unterstützung durch das Trump-Regime zu versichern in den USA war, rundet das Bild ab. Weil Trump weiß, dass für eine offene militärische Intervention die Unterstützung fehlt, hat er diesen Weg gewählt, der auf internationaler Ebene, u.a. durch die Nicht-Anerkennung der Wahl Maduros 2018 durch eine Reihe von Staaten, vorbereitet wurde.

Ein Potpourri an neoliberalen Reformen sichert Guaidó die Unterstützung von Trump & Co.: Privatisierungen (v.a. natürlich im lukrativen Erdölsektor der seit 1976 staatlich ist), Abbau von öffentlich Bediensteten (ein wichtiger Teil der sozialen Basis der Chavistas), den Zugang zum Öl für ausländische Investoren, einer „Reform“ des Arbeitsrechtes etc.

Druck auf allen Seiten

Trump versucht, den Druck auf das Maduro-Regime zu erhöhen und es international zu isolieren. Erstens durch die Genehmigung eines Pakets harter Sanktionen gegen die staatliche Ölgesellschaft Petróleos de Venezuela (PDVSA). Dieses bedeutet das Einfrieren von Geldern des Unternehmens in den USA in der Höhe von 7 Milliarden Dollar und Verluste bei Exporten für weitere 11 Milliarden Dollar bis 2020 - die USA sind der größte Käufer von venezolanischem Öl. Zweitens durch die Forderung nach Anerkennung von Guaidó als "legitimer Präsident", eine Entscheidung, die bereits von mehr als 60 Ländern getroffen wurde.

Die andere Front seiner Bewegungen ist Venezuela selbst. Im Gegensatz zu den gewalttätigen Guarimbas, die von der rechten Opposition und faschistischen Banden in den vergangenen Jahren ins Leben gerufen wurden und scheiterten, ist die Strategie von Trump und seinen venezolanischen Lakaien, sich auf den Zusammenbruch der Wirtschaft zu verlassen - den sie auch durch Sabotage und Wirtschaftsblockade gefördert haben -, um zu versuchen, ihre Massenbasis in populäre Viertel und Gebiete der Chavista-Tradition zu erweitern. Gleichzeitig, und das ist sehr wichtig, haben sie Militärs eine "Amnestie" zugesichert, wenn sie nun mit dem Putsch zusammenarbeiten. In Wirklichkeit ist eine Garantie für die militärische Führung, dass sie ihr Millionärsgeschäft fortsetzen können, wenn sie den neuen Herren gehorchen.

Wie konnte es soweit kommen?

Als Chavez 1998 an die Macht kam, konnte er sich auf Massenunterstützung verlassen. Es waren eben jene Massen die beim Putschversuch 2002, als Chavez selbst schon fast aufgegeben hatte, den Putsch binnen weniger Tage beendeten. Die vielen Versuche der rechten Opposition in den letzten 20 Jahren, einen „Regime Change“ zu erreichen, scheiterten an dieser Massenunterstützung.

Die Unterstützung wurzelte im sozialen Programm von Chavez, welches eine Alphabetisierungskampagne, den Kampf gegen Armut und echte Verbesserungen für große Teile der Bevölkerung beinhaltete. Doch schon Chavez blieb auf dem Boden des Kapitalismus und seiner Logik. Was er „bolivarische Revolution“ oder auch „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ nannte, war immer im Wesentlichen eine von oben, durch die Organe des nach wie vor bürgerlichen Staates, betriebene Umverteilung von oben nach unten. Marxist*innen verteidigten diese teilweise recht weitreichenden Reformen. Doch Revolution und Sozialismus bedeuten nicht, dass ein Staat den Arbeiter*innen etwas mehr von dem Kuchen gibt, den sie selbst backen. Sie definieren sich genau durch die Selbstaktivität der Massen, durch die Machtübernahme der Arbeiter*innenklasse durch ihre eigenen in revolutionären Bewegungen aufgebauten Strukturen wie Räten und revolutionären Parteien – und durch die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats. Schon Chavez hatte mit all dem nichts am Hut. Er förderte höchstens genossenschaftliche Eigentumsformen, in welchen die Arbeiter*innen zu Eigentümer*innen von Unternehmen wurden, und diese dann selbst am kapitalistischen Markt konkurrieren mussten. Seine „sozialistische“ Partei PSUV gründete er erst, nachdem er an die Macht gekommen war, in einem bürokratischen Vereinigungsakt von oben. Der „Geburtsfehler“ der bolivarischen Revolution liegt somit darin, dass von Anfang an die revolutionäre Selbstaktivität der Arbeiter*innenklasse umgeleitet wurde in ein im Rahmen des Kapitalismus bleibendes staatliches Projekt. Marxist*innen betonen jedoch, dass die Befreiung der Arbeiter*innenklasse nur ihr eigenes Werk sein kann – oder, wie Marx und Engels es formulierten, „dass also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende Klasse auf keine andre Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden.“

Das wahre Potential der Selbstaktivität der venezuelanischen Arbeiter*innenklasse leuchtete unter Chavez nur in dem Moment auf, in dem sie spontan 2002 den Putsch der Reaktion zurückschlug und Chavez verteidigte – der infolge der Ereignisse, und mit dem revolutionären Atem der Arbeiter*innen im Nacken, nach links rückte. Das war die Periode, in der man revolutionären Prozessen sprechen konnte. Doch sie wurden nicht von Chavez angestoßen, sondern von der Arbeiter*innenklasse.

Doch es gelang nicht, den reformistischen Charakter des Regimes zu überwinden. Und dafür begann Venezuela, den Preis zu bezahlen. Seit Jahren geht es mit der Wirtschaft bergab, die Inflation galoppiert und die Verschuldung explodiert. Die soziale Lage verschlechtert sich seit Jahren dramatisch. Der Lebensstandard ist in den letzten 4 Jahren um mindestens 50% gefallen. Unterernährung, steigende Kindersterblichkeit, Mangel an Medikamenten und Grundnahrungsmitteln stehen auf der Tagesordnung.

Ein wesentlicher Grund für die katastrophale Lage ist der Rückgang des Ölpreises sowie die sinkenden Fördermengen wegen fehlender Investitionen. Von 2012 auf 2016 hat sich der Ölpreis etwa halbiert, und auch seither fehlen dem Land Milliarden an Einnahmen. Doch man ist völlig abhängig vom Öl, das die dominante Einnahmequelle ist.

Die wirtschaftliche Misere – Importiert und Hausgemacht

Es stimmt, dass die wirtschaftliche Misere auch von außen befeuert wird. Sanktionen durch die USA und die EU haben wirtschaftliche Folgen. Kontosperren, Wirtschaftsblockade und Sabotage haben die Versorgungslage verschlechtert. Doch im Wesentlichen sind die Probleme „hausgemacht“. Anstatt eine eigenständige Wirtschaft aufzubauen erhöhte sich die Abhängigkeit vom Öl. Der Anteil der Industrie am BIP sank von 18% im Jahr 1998 auf 14% 2012. 

Auch Kuba blieb in der Abhängigkeit vom Zucker stecken und brauchte die Sowjetunion als subventionierender Partner. Mit dem Zusammenbruch letzterer schlitterte das Land in eine tiefe Krise. Ähnlich abhängig ist Venezuela von den Schwankungen des Ölpreises. Doch weil in Kuba die Wirtschaft in wesentlichen Teilen vom Staat kontrolliert war und noch immer stark ist, konnte zentral staatlich gegengesteuert werden. In Kuba herrscht(e) eine bürokratisch geplante Wirtschaftsform, in der der Kapitalismus abgeschafft war (mehr zu unserer Analyse und Kritik an Kuba auf www.slp.at).

Doch in Venezuela wurden die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse nie in Frage gestellt. Enteignet wurde nur, wo Firmen ohnehin Pleite gingen. Handel und Vertrieb von Konsumgütern wurde in weiten Teilen der Privatwirtschaft überlassen. Zwar versuchte man, durch eine quasi zweite Ebene von staatlichen Märkten gegen zu steuern, doch weil die Kapitalist*innen nicht enteignet wurden, konnten sie ganz gezielt Mangel erzeugen. Schwarzmarkt, gehortete Waren des täglichen Bedarfs, die den Menschen vorenthalten werden – all das sind Maßnahmen die das Kapital setzt, um seine politischen Ziele durchzusetzen. Das Regime soll destabilisiert werden, dazu wird soziales und wirtschaftliches Chaos nicht nur in Kauf genommen, sondern auch bewusst erzeugt.

Alle Versuche des Regimes auf das Kapital zuzugehen, um es zu befrieden haben versagt. Um August 2018 verabschiedete Maduro einen Plan zur Ankurbelung der Wirtschaft. Die Währung wurde um 95% abgewertet in der Hoffnung, die galoppierende Inflation in den Griff zu bekommen. Für die Unternehmen kam es zu Steuerbefreiungen, Öffnung des Rohstoffsektors für ausländische Firmen und einem Absenken von Kapitalkontrollen (die eingeführt worden waren um Kapitalflucht zu verhindern).

Für die Arbeiter*innenklasse wurde die Umsatzsteuer erhöht und die Subventionen auf Treibstoff reduziert – Maßnahmen, wie sie IWF und Weltbank klassischerweise fordern. Anstatt den Ölreichtum für den Kampf gegen die Armut zu verwenden bediente man weiterhin die Schulden und zahlte Zinsen und Kredite retour. Die Bankenwelt freut sich. Während die Bürgerlichen medienwirksam über die Armut in Venezuela Krokodilstränen vergossen, empörten sie sich über die Erhöhung des Mindestlohnes – die ohnehin viel zu gering war, um der grassierenden Armut entgegen zu wirken. Die Einführung von CLAPS - Paketen mit dem Nötigsten an Nahrung, die vom Staat verteilt werden - heizte die Korruption weiter an: wo Mangel ist, da führt die Verteilung des Mangels zu Korruption, wenn es nicht weitgehende demokratische Strukturen der Arbeiter*innenklasse gibt. Geschätzte 10% der Bevölkerung haben das Land verlassen. Der Versuch, auf die Wünsche des Kapitals einzugehen, um dieses milde zu stimmen hatte schon in den 1970er Jahren in Chile nicht funktioniert. Das Ergebnis war der blutige Putsch 1973.

Maduros Versuch, zwischen den Bedürfnissen der Arbeiter*innenklasse und der Armen und den Wünschen des Kapitals zu balancieren, ist gescheitert. Der Versuch, die Opposition mit formalen Mitteln zu beschränken (Verfassungsgebende Versammlung vs. Parlament) haben bestenfalls vorübergehend funktioniert. Aktuell findet die Propagandaschlacht darüber statt, wer „demokratisch legitimiert“ ist. Auch Konzepte, sich scheinbar besonders „schlau“ kapitalistischer Möglichkeiten zu bedienen (wie bei der Schaffung der eigenen Kryptowährung Petro) scheiterten daran, dass Venezuela nicht auf „Augenhöhe“ agieren kann.

Das Kapital ist nicht zufrieden und die Armut wächst weiter. Damit verlor Maduro aber auch zunehmend die Basis in der Bevölkerung. Während bei den Protesten 2018 noch vor allem Menschen aus der Mittelschicht auf der Straße waren, nehmen aktuell auch Arbeiter*innen und Arme teil. Ein Symbol dafür ist, wenn Maduro seine Position bei einer Pressekonferenz verbreitet, während Guaidó auf der Straße zu Demonstrant*innen spricht.

Noch kann sich das Regime auf das Militär und einen Teil des Staatsapparates stützen. Diese Unterstützung hat man sich teuer erkauft. Gerade das Militär hat nicht nur Zugriff auf Lebensmittel und andere notwendige Güter, sondern kontrolliert auch Teile der Wirtschaft. Es hat also (noch) ein Interesse am Bestand des Regimes. Ein solcher militärischer Apparat kann sich aber auch mit anderen Machthabern arrangieren, wenn seine wirtschaftlichen Interessen gewahrt bleiben, wie dies etwa in Ägypten passiert ist.

Wie weiter?

Es ist nicht der erste Versuch, das Regime zu stürzen - aber der gefährlichste bisher, weil die Massenunterstützung schwindet. Ob den wirtschaftlichen Sanktionen der USA, die etwa Geld für gekauftes Öl einfach nicht überweisen, auch militärische folgen werden, ist noch offen.

Dass alle nun vom gescheiterten „Sozialismus“ in Venezuela sprechen, dient der Abschreckung für künftige Bewegungen gegen den kapitalistischen Wahnsinn. Und wegen der Fehler des Regimes, eben nicht weiter in Richtung Sozialismus zu gehen, ist es auch nötig, diese Fehler aufzuzeigen und zu erklären, wie echte sozialistische Politik aussehen würde.

Nun besteht die dringendste Aufgabe der Arbeiter*innenklasse und der bewussten und kämpferischen Bevölkerung Venezuelas darin, den Widerstand gegen den institutionellen Putsch zu organisieren. Wir müssen zunächst die wirklichen Ziele von Guaidó, dem rechten Flügel und dem Imperialismus, anprangern. In jedem Unternehmen und Arbeitsplatz, in Schulen, Unis und Stadtteilen müssen Versammlungen organisiert werden, um zu besprechen, was unsere Bedürfnisse und Forderungen sind und was für eine tödliche Gefahr die Wirtschaftspläne und Politik der Rechten darstellen. Es braucht Aktionskomitees zur Verteidigung der Rechte der Arbeiter*innen und der Menschen in jedem Betrieb und jedem Stadtviertel, die ein wirklich sozialistisches Programm vertreten dass die Interessen der Arbeiter*innenklasse ins Zentrum stellt. Es ist notwendig, massive Mobilisierungen und die legitime Selbstverteidigung der Menschen gegen die Gewalt der Rechten zu organisieren.

Ein solches Programm beinhaltet die Enteignung der großen Privatmonopole und der Banken, um Hyperinflation und Korruption zu beenden. Statt Schulden bei Banken und Staaten zu bedienen muss der Reichtum des Landes für die Menschen verwendet werden! Zentral ist auch, die Privilegien der Bürokratie abzuschaffen und die Macht tatsächlich in die Hände der Arbeiter*innenklasse und der Unterdrückten zu legen. Der aktuelle Mangel an Lebensmitteln, Medizin etc. muss durch demokratische Kontrolle und Verwaltung der Arbeiter*innenklasse und durch Enteignungen der privaten Unternehmen in diesem Bereich bekämpft werden. Lagerbestände müssen demokratisch verteilt werden. Internationale Hilfe aus der Arbeiter*innenbewegung (und nicht durch das US-Regime) können akut Abhilfe schaffen.

Marxist*innen der Revolutionären Linken, der venezuelanischen Sektion des CWI in Venezuela, schreiben: „Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass man nicht das geringste Vertrauen in die Regierung Maduro, die Bürokratie oder die Armeeoffiziere haben darf, wenn man den Sieg der Reaktion verhindern will. Es waren Maduros Politik, seine Bürokratie und Korruption, die den Weg nach rechts und zum institutionellen Putsch geöffnet haben. Der einzige Weg, der Arbeiter*innenklasse und der venezolanischen Bevölkerung ein tragisches Ergebnis dieser Krise zu ersparen, besteht darin, eine Einheitsfront der Linken zu bilden, völlig unabhängig von denjenigen, die diese Katastrophe verursacht haben, die offen um die Machteroberung kämpft, um eine Regierung der Arbeiter*innen und Ausgebeuteten auf der Grundlage der direkten Demokratie in allen Fragen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens aufzubauen. Die einen Wirtschaftsplan basierend auf der Enteignung der Kapitalist*innen und des Managements unter der demokratischer Kontrolle der Arbeiter*innen durchführt, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Produktion wiederherzustellen und die sozialen Errungenschaften auszubauen. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Einer Massenmobilisierung von unten muss Massenwiderstand gegen den institutionellen Putsch der Reaktion und des Imperialismus leisten und ein revolutionäres sozialistisches und internationalistisches Programm hervorbringen. Die Völker und die Arbeiter*innenklasse der ganzen Welt, angefangen in Lateinamerika, haben die Pflicht, das Blutbad abzuwehren, das von den rechten Putschisten und ihren internationalen Mentor*innen vorbereitet wird: Nur die Arbeiter*innenklasse kann die Bevölkerung retten!“

Aktuell sieht es nach einer Patt-Situation aus. Die Hoffnung der USA und ihrer Unterstützer*innen international auf einen schnellen Fall des Regimes hat sich nicht bestätigt. Zu groß ist die Unterstützung für die Errungenschaften des Chavismus, oder die Erinnerung an diese, noch. Es ist daher offen, wie lange der Machtkampf dauern wird – und wie er ausgeht. Und selbst wenn Guaidó erfolgreich ist und das Regime zusammenbricht ist völlig ungewiss, wie stabil das bürgerliche Lager dann ist. Aktuell wird es vom Wunsch nach dem Sturz des Regimes zusammengehalten – aber ist das einmal erreicht, werden die inneren Bruchlinien an die Oberfläche treten. Da die großen sozialen Probleme auf kapitalistischer Basis nicht gelöst werden können - auch wenn der Imperialismus eine Marionettenregierung wohl auch vorübergehend mit Hilfsmitteln unterstützen würde um sie zu stabilisieren - würden die neuen Machthaber wohl nicht sehr stabil im Sattel sitzen. In einem Land, in dem große Teile der Bevölkerung Waffen haben und enorme soziale Not herrscht, sind in einem solchen Szenario bürgerkriegsähnliche Entwicklungen nicht ausgeschlossen.

Internationale Solidarität ist mehr als ein Demospruch. Das bedeutet, die Entwicklungen zu diskutieren und Aktionen der Arbeiter*innen in Venezuela gegen den institutionellen Putsch sowie alle Schritte für ein echtes, sozialistisches Venezuela zu unterstützen. Das Committee for a Workers International (CWI), dessen österreichische Sektion die SLP ist, kämpft in Venezuela gegen den Putsch und für den Aufbau einer revolutionären Partei der Arbeiter*innenklasse. Eine erfolgreiche Bewegung in Venezuela gegen den Vorstoß der Rechten und für echten Sozialismus hätte auch in anderen Ländern Lateinamerikas, insbesondere in jenen, in denen Rechte an die Macht gekommen sind, wie in Brasilien, Argentinien etc., enorme Signalwirkung.

 

Mehr zum Thema: 

Fridays for Future

Proteste von Schüler*innen setzen Kohlekommission unter Druck
Conny Dahmen

„Es bringt nichts für eine Zukunft zu lernen, die es nicht gibt.“ Unter diesem Motto gehen jede Woche immer mehr Jugendliche auf die Straße, um gegen den Klimawandel zu kämpfen. Am 18. Januar streikten bundesweit über 30 000 Schüler*innen in über 50 Städten, letzten Freitag waren 10 000 davon nach Berlin gefahren, um Druck auf die Kohlekommission auszuüben, die am Wochenende ihr Verhandlungsergebnis präsentierte. Aber auch in der Schweiz und Belgien fanden in den letzten Wochen große Demonstrationen statt: so streikten in der Schweiz am 18. Januar 22 000 Schüler*innen; am Donnerstag, 24. Januar, zogen 35.000 junge Demonstrant*innen durch Brüssel – und bildeten damit den größten Jugendprotest seit vielen Jahren – ,, zwei Tage später protestierten dort nochmals 70 000 Menschen in Solidarität mit den Schüler*innen.

Seit Wochen wächst die Bewegung rasant. Nach dem Vorbild der Schulstreikaktionen in Schweden haben sich mittlerweile in über 100 deutschen Städten Ortsgruppen von „Fridays for Future“ gebildet, die auch in kleineren Städten wie Gießen (1200) oder Mainz (1600 am 18.1.) Tausende auf die Straßen bringen, die sich nicht vor Strafen wie negativen Zeugnisvermerken oder Verweisen fürchten. Viele derjenigen, die jetzt die Bewegung aufbauen, sind das erste Mal politisch aktiv.

Die Wut ist groß, nachdem die Politiker*innen bei der UN-Klimakonferenz in Katovice im Dezember wiedermal nichts als Luft erhitzt hatten. Dort hatte allein die schwedische Schülerin Greta Thunberg Klartext geredet, die im heißen Dürresommer 2018 mit ihren wöchentlichen Schulstreikaktionen eine neue Jugendbewegung angestoßen hatte, und warf dem Publikum vor, nicht „reif genug“ zu sein, um „zu sagen, wie es ist“: „Unsere Zivilisation wird geopfert, damit eine sehr kleine Anzahl von Menschen weiterhin eine enorme Menge Geld verdienen kann.“ Sie fordert eine andere Klima- und Energiepolitik und die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens (Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad), wozu nach Einschätzung des Weltklimarates IPCC im November die weltweiten Emissionen im Vergleich zu heute etwa halbiert werden müssten.

Nach den Zahlen des Umweltbundesamtes werden hierzulande jährlich rund 900 Millionen Tonnen Kohlendioxid und andere Treibhausgase emittiert, rund 35 Prozent davon kommen aus Kohlekraftwerken. Industriebetrieb sind für 21 Prozent, der Verkehr für 19 Prozent der Emissionen verantwortlich, die in beiden Sektoren zuletzt wieder gestiegen sind.

Diese Wut auf die verantwortungslos agierenden etablierten Politiker war am 25. Januar auf den Demonstrationen in vielen treffenden und witzigen Slogans auf bunt gemalten Schilder und bei lauten Demosprüchen zu spüren ( z.B. „Es ist unsere Zukunft, ihr Arschlöcher!“). Viele forderten einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Kohleenergie, eine Forderung, die nach Umfragen des zdf-Politbarometer 73 Prozent der Menschen in Deutschland unterstützen.

Kohlekommission: Kein Druck für schnellen Ausstieg

Anlass der zentralen Aktion in Berlin war die Tagung der Kohlekommission. Der offizielle Name der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, die über die Umstellung der Energiegewinnung diskutierte und eine Empfehlung an die Bundesregierung abgeben soll, lässt schon die Dominanz von Wirtschaftslobbyist*innen vermuten. Tatsächlich sind von 28 stimmberechtigten Mitgliedern sieben direkte Vertreter*innen von Industrie und Wirtschaft – darunter die Chefs der Arbeitgeberverbände BDA und BDI Kampeter (CDU) und Kempf -, fünf aus der Wissenschaft, drei Vertrer*innen von Umweltverbänden und drei der Gewerkschaften, fünf sind „Vertreter*innen der Braunkohle-Regionen“, hinzu kommen drei Vorsitzende von CDU und SPD, der Rest Parteilose.

Die „Empfehlung“ dieser Leute ist wenig hilfreich: im Abschlusspapier sollen bis 2022 Braun- und Steinkohlekraftwerke mit einer Kapazität von rund 12,5 Gigawatt vom Netz gehen, wobei gerade im Westen viele davon sowieso marode sind. Der letzte Kohlemeiler könnte noch bis 2038 (!) laufen, womit selbst die offiziellen Klimaziele verfehlt würden. Weder der Hambacher Forst noch die von Umsiedlung bedrohten Orte in den Braunkohlerevieren in der Lausitz und im Rheinland sind außer Gefahr, die Kommission hält den Erhalt des Hambacher Forstes lediglich „für wünschenswert“ und „bittet … die Landesregierungen“ um einen „Dialog um die Umsiedlungen“ mit den Betroffenen, „um soziale und wirtschaftliche Härten zu vermeiden.“

Im Herbst 2018 war der Hambacher Forst, ein kleines Waldstück beim Braunkohletagebau Hambach, das nach jahrelangem Kampf und Besetzung gewaltsam von der Polizei geräumt und wieder besetzt wurde, zum Symbol der Bewegung gegen Kohleverstromung geworden. Im September und Oktober hatten dort mehrfach zehntausende Menschen protestiert, Aktivist*innen hatten Bagger und Bäume besetzt. Unter dem so entstandenen öffentlichen Druck konnte die Rodung vorerst gestoppt werden.

Bezahlt werden soll der Ausstieg natürlich von der breiten Masse: die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen sollen laut Kommission in den kommenden 20 Jahren 40 Milliarden Euro an Strukturhilfen bekommen, auch Energiekonzerne wie RWE sollen für das vorzeitige Abschalten der Kraftwerke mit öffentlichen Geldern entschädigt werden. Dennoch kündigte er Energiekonzern RWE bereits an, möglicherweise Wald trotzdem zu roden, und beeilte sich auch, bei den beschäftigten Panik durch Ankündigung massiven Stellenabbaus bis 2023 zu schüren.

Welche Forderungen und Strukturen für die Bewegung?

Während die Grünen, Greenpeace und BUND den Abschlussbericht offiziell begrüßten, kritisierten Sprecher*innen der Fridays for Future ihn als inakzeptabel. Konkrete Forderungen oder Vorstellungen einer alternativen Energiepolitik finden sich allerdings weder in Reden, Pressestatements noch auf der Hompepage der Bewegung. Auch FFFs „Offener Brief“ an die Kommission mit Betreff „Jugend fordert schnellstmöglichen Kohleausstieg und echte Zukunftspolitik“, bleibt schwammig und appelliert eher an die bürgerliche Politik.

In der Klimabewegung dominieren immer noch die in Jahrzehnten vor allem von den Grünen geprägte Idee, mit individuellem Konsumverhalten den Planeten retten zu können. Einige lokale FFF-Gruppen wie in Mainz diskutieren und äußern jedoch auch weitgehendere Forderungen wie Nulltarif bei öffentlichen Verkehrsmitteln.

Die Außendarstellung wird von Mitgliedern der Grünen Jugend wie Luisa Neubauer übernommen. BUND-Jugend und Greenpeace-Jugend bringen sich in die Strukturen ein. Weil die Strukturen der Bewegung noch sehr locker sind und die Aktivist*innen sich hauptsächlich über Messenger-Gruppen koordinieren, ist programmatisch wenig festgelegt. Deswegen muss die Bewegung weiter aufgebaut und mit einem starken Programm bewaffnet werden, das Schüler*innen, Studierende und Beschäftigte in einem Kampf zusammenbringt. Dazu gehören auch Kommunikations- und Organisationsstrukturen, mit denen man sich bundesweit auszutauschen, vernetzen und gemeinsame, klare Forderungen erarbeiten kann, um noch viel mehr Menschen zu erreichen und Lösungen für die Probleme anbieten zu können.

Beteiligte Organisationen sollten offen und transparent auftreten und ihre Meinung darstellen können. Beim Protest in Berlin wurden Mitglieder der linksjugend [‘solid] von Ordner*innen aufgefordert ihre Fahnen einzurollen und während der ersten drei Stunden keine Flugblätter zu verteilen, dem sie mit Verweis auf Meinungsfreiheit nicht nachgekommen sind. In einer Hamburger Whatsapp Gruppe schrieb eine Organisatorin, es wäre gut „wenn ihr euch alle dran haltet, dass es hier NUR UM KLIMASCHUTZ geht und nicht um antikapitalismus, antisexismus oder was anderes!! Die Reden dürfen nicht attackierend oder provozieren wirken und erst recht nicht aggressiv!! […] Gebt das an alle weiter die kommen und da sind und die Ordner sind nicht die Einzigen die für Ruhe und Ordnung sorgen können falls sich wer daneben benimmt…“

Solche Maßnahmen führen nicht zu weniger Vereinnahmung sondern Dominanz von kleineren Zirkeln der Organisator*innen sowie Großorganisationen, die sich auf anderen Wegen Gehör verschaffen können. Alle Organisationen, die gegen Klimawandel kämpfen und nicht rassistisch sind, sollten die Möglichkeit haben, sich frei zu äußern. Falls die Gefahr von Vereinnahmung besteht, kann zum Beispiel helfen, bei Abstimmungen in Gruppen, nur Schüler*innen entscheiden zu lassen.

Schüler*innen und Beschäftigte gemeinsam gegen Klimawandel

Am 1. Februar wird es einen weiteren internationalen Aktionstag von ‚FridaysForFuture‘ geben, der nächste wichtige Protesttag ist der weltweite Schüler*innenstreik am 15. März. Mitglieder der SAV beteiligen sich vor Ort an den Aktionen und den Diskussionen in der Bewegung und unterstützen die Methode von Streiks von Schüler*innen und Studierenden, um auch Druck auf die Arbeiter*innenbewegung auszuüben. Zu einem zentralen Streik-und Aktionstag sollten auch Umweltorganisationen, die LINKE und die Gewerkschaften breit mobilisieren – vor allem die Gewerkschaften, deren Führung Schluss machen muss mit der veralteten Umwelt-gegen-Arbeitsplätze-Propaganda, die RWE-Beschäftigte gegen Hambi-Aktivst*innen ausspielt, um gemeinsam für den Ausbau des erneuerbaren Energiesektors und Erhalt aller Arbeitsplätze zu kämpfen.

Die SAV tritt für den sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle und die vollständige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien ein. Gleichzeitig fordern wir die gleichwertige garantierte Weiterbeschäftigung aller zur Zeit in der Kohleindustrie Beschäftigten in klimaneutralen Energiezweigen. Nicht der Staat, sondern die Konzerne, die an der Umweltzerstörung verdient und den Planeten mit beschädigt haben, sollen dafür zahlen. Die größten Energiekonzerne müssen in Gemeineigentum überführt werden, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch gewählte Vertreter*innen aus den Reihen der Beschäftigten, der arbeitenden Bevölkerung und Verbraucher- und Umweltschutz-Organisationen. Um im Verkehrssektor umzusteuern, brauchen wir keine Erhöhung von Benzin- und Kerosinsteuern, sondern vor allem kostenlosen öffentlicher Personennahverkehr, den massiven Ausbau von Schienenstrecken und eine Erhöhung der Taktzeiten.

„Das System selbst verändern“

„Solange ihr euch nicht darauf konzentriert, was notwendig ist, sondern nur darauf, was politisch möglich ist, gibt es keine Hoffnung. (…) Wir müssen die fossilen Brennstoffe im Boden lassen und wir müssen uns auf Gerechtigkeit konzentrieren. Und wenn Lösungen innerhalb des Systems unmöglich zu finden sind, dann müssen wir vielleicht das System selbst verändern“ hat Greta Thunberg in ihrer Rede vor der UN-Klimakonferenz in Katovice gesagt. Und in der Tat: im kapitalistischen Wirtschaftssystem ist nur „politisch möglich“, was im Interesse der Banken und Großunternehmen ist, also Profit bringt. Billige Produktionsverfahren, Wegwerfprodukte, Privatisierung usw. sind nicht vereinbar mit einem wirklichen Programm zur Klimarettung. Nicht „wir“ und „unser Egoismus“ sind die Ursache aller Probleme, sondern der Kapitalismus „Wir“, also die arbeitenden Menschen, Jugendlichen, können vielmehr die Lösung sein, wenn wir die Gesellschaft selbst in die Hand nehmen und die Kontrolle der Wirtschaft und der Großunternehmen in die Hände der Bevölkerung gelangen, damit die erforderlichen Investitionen getätigt und Wirtschaft und Gesellschaft demokratisch nach den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt geplant werden. Diese Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft ist notwendig, wenn die Menschheit eine Zukunft haben soll.

Frankreich im Aufruhr

Die Gelbwesten-Revolte verändert alles
Leïla Messaoudi, Gauche Révolutionnaire (Revolutionäre Linke, CWI in Frankreich)

Im Zuge der Bewegung der „Gelbwesten“ haben sich in Frankreich hunderttausende Menschen landesweit an Demonstrationen, Blockaden von Kreisverkehren, Hauptstraßen und Mautstellen beteiligt, in Großstädten sowie auf dem Land. Nach dem Start Mitte November hat die Bewegung noch nicht einmal während der Weihnachtszeit pausiert und ist alles andere als vorbei.

Offiziell, so die Regierung, waren am 12. Januar 2019 85.000 Menschen auf der Straße – doppelt so viele wie am vergangenen Samstag.

Für die folgenden Samstage werden lokale Mobilisierungen, Demos oder Aktionen von Gelbwesten-Gruppen im ganzen Land und sonntags spezifische Demonstrationen von Gelbwesten für Frauen geplant! Eine soziale und politische Krise hat sich eröffnet. Die ursprünglichen Gründe, warum die Menschen die ersten Aktionen durchgeführt haben, sind überhaupt nicht vom Tisch. Und Macron steht unter sehr starkem Druck von unten.

Die Bewegung der gelben Westen ist eine soziale Revolte gegen Macron und das, was er repräsentiert. Im Mittelpunkt stehen prekäre Arbeiter*innen, Teilzeitbeschäftigte, Kleinbäuer*innen und Arbeitslose. Sie sind die gestiegenen Preise für Öl, Strom, Lebensmittel leid und revoltieren gegen die Geschenke für die Reichen der Gesellschaft, während für den Rest der Bevölkerung nichts übrig bleibt. Sie sind angewidert von der Korruption der Regierung, dem Mangel an Demokratie und nicht bereit, den Kampf aufzugeben.

Dies vor allem, weil Macron und seine Regierung Tag für Tag ihre unglaubliche Arroganz gegenüber „denen da unten“ zur Schau stellen. Kurz vor der Samstagsdemonstration am 12. Januar beschwerte sich Macron über „jene Franzosen, die nicht versuchen, sich anzustrengen“. Trotz den Versuchen der meisten Medien, die Gelbwestenbewegung als gewalttätige, ungebildete und wilde Bewegung darzustellen, zeigen Umfragen jede Woche große Unterstützung (55 Prozent) in der Bevölkerung für die „gelbe“ Welle.

Die Art der Bewegung

Die Schichten der an der Gelbwestenbewegung beteiligten Menschen sind in eine Art Aufstand gegen Macron und die Gesellschaft getreten. In den Kreisverkehren, in den Demos und Aktionen stellen sie alle ihre persönlichen Ressourcen zur Verfügung. Einige haben sich von ihren Jobs zurückgezogen, andere demonstrieren samstags, sonntags und beteiligen sich an allen Aktivitäten und Protesten… Ihre Energie war der Treibstoff der Bewegung. Aber nach zwei Monaten ist all dies nicht ausreichend und die Bewegung wächst nicht weiter.

Die Schwierigkeiten bei der Koordination und kollektiven Entscheidungsfindung haben es nicht erlaubt, innerhalb der Bewegung politische Klarheit über das Programm zu schaffen. Davon ausgenommen sind einige Regionen, in denen im ersten Monat Generalversammlungen etabliert wurden. In einigen Bereichen wurden gemeinsame Aktionen mit Gewerkschaften oder Beschäftigten vor ihren Betrieben durchgeführt. Aber auf nationaler Ebene ist das Fehlen der organisierten Arbeiterbewegung in Form der Gewerkschaften ein entscheidendes Manko in der Fähigkeit der Bewegung, klare Ziele und ein Programm für die Arbeiter*innenklasse zu entwickeln.

Die Gelbwesten haben ein klares Bewusstsein dafür, gegen Macron und die Reichen zu sein, aber sie sind sich nicht klar bewusst, dass sie Teil einer Klasse sind – der Arbeiter*innenklasse -, die als einzige in der Lage ist, Macron und seine Politik zu stürzen.

Streiks und Massenbewegungen wurden im Kampf gegen Macron noch nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Die Tatsache, dass es jetzt keine wirklich neuen Schichten und Gewerkschaften gibt, die sich auf nationaler Ebene bewusst anschließen, begrenzt die Bewegung. Auch die große Repression und die gewalttätigen Zusammenstöße während der Demonstrationen halten viele Menschen davon ab, sich einer großen Bewegung gegen Macron anzuschließen.

Die Gelbwesten erfahren heftige Repression. Tausende wurden verletzt, einige von ihnen verloren ein Auge oder eine Hand nach dem Sondereinsatzkräfte „Flashballs“ (Gummigeschosse) oder „defensive“ Granaten verschossen. Vor den Demonstrationen finden so genannte „präventive Verhaftungen“ statt, um zu vermeiden, dass einige der protestierenden Gelbwesten zu den Veranstaltungen kommen. Offizielle Zahlen zeigen, dass seit dem 17. November letzten Jahres 6.475 Menschen verhaftet und 5.339 in Polizeigewahrsam genommen wurden. Nicht weniger als zehn Menschen sind bei den Blockaden durch Autounfälle oder durch Polizeiaktionen ums Leben gekommen – eine traurige Bilanz, die die Angst der herrschenden Klasse und der Regierung unterstreicht. Viele Aktivist*innen – mehr als 150 bis Mitte Februar – sind zu mehreren Monaten oder sogar einem Jahr Gefängnis verurteilt worden, weil sie sich gegen die Polizei verteidigt haben.

Macron versucht, die Kontrolle zurückzuerlangen

Macron hat versucht, die bestehende politische Verwirrung zu nutzen. Er war in der Anfangsphase gezwungen, bei einigen sehr unpopulären Maßnahmen – bei den Benzinpreisen und Renten – sich für eine Weile zurückzuziehen. Aber jetzt versucht er, Boden gut zu machen. Er hat „die große nationale Debatte“ ins Leben gerufen, die von Bürgermeister*innen vor Ort organisiert werden soll. Am Montag, den 14. Januar, erhielt jede*r Französ*in einen Brief von Macron, in dem er erklärte, was er diskutieren wollte. Sicherlich traut die überwiegende Mehrheit der Gelbwesten keinem Wort von Macron. Aber er hofft, dass er seine Wähler*innen zurückgewinnen kann, oder zumindest eine größere Schicht ansprechen kann, die nicht an der Bewegung beteiligt ist, die eine friedlichere Situation haben möchte und beeinflusst werden kann. Es ist keineswegs sicher, dass es ihm gelingen wird.

Im Moment will Macron vier Monate vor den Europawahlen jeden Wahlschaden vermeiden, denn diese Wahlen können zu einer Art Referendum gegen ihn werden. Die politische Situation ist besonders instabil, weil Macron eine kapitalistische Agenda verfolgt, die in den kommenden Monaten weitere „Reformen“ der Renten und der Sozialfürsorge bedeutet. Der Kampf hat begonnen und das ist nur der Anfang!

Es wird ein „Vor“ und ein „Nach“ der Gelbwestenbewegung geben, denn in großem Umfang wurde von der Bewegung zwei Monate lang alles erschüttert, ohne dass die Regierung oder eine Partei sie beenden konnte. Der Hass gegen Macron ist in breiten Schichten der Gesellschaft sehr groß. Er muss sich im Elysée-Palast in Paris verstecken und seine Reisepläne absagen, weil es für ihn zu riskant scheint, einen öffentlichen Auftritt zu wagen.

Es bringt andere Schichten im Land dazu, Maßnahmen ergreifen zu wollen, um auch ihr eigenes Leben zu verändern. Zu Beginn dieses neuen Jahres wurden einige Bewegungen nach dem gleichen Modell wie die „Gelbwesten“ im Internet oder auf der Straße gestartet – unzufriedene Anwält*innen, die „Rotstift“-Bewegung im Bildungssektor und die „Rosa-Westen“ der Erzieher*innen… Ein großer Teil der Bevölkerung nimmt die Situation sehr ernst. Die zweite Runde im Jahr 2019 ist möglich!

Bei den Jugendlichen, insbesondere bei den Schülerinnen und Schülern, ist die Sympathie für die Gelbwesten groß und die Bereitschaft zur Revolte potenziell hoch. Die Bewegung der Gelbwesten wird sich wahrscheinlich nicht als eine einheitliche Bewegung von Streiks und Protesten entwickeln, aber es ist eindeutig ein Bruchpunkt, der eine viel größere Beteiligung der Arbeiter*innenklasse und der Jugend am Kampf gegen Macron eröffnet. Im Moment steht die industrielle Arbeiter*innenklasse nicht im Kampf mit den Gelbwesten, zumal die Gewerkschaftsführungen für die Bewegung nicht offen waren. Die Agenda von Macron und den Bossen ist ein Weckruf, sich dringend gemeinsam mit Jugendlichen und Rentner*innen zu organisieren und die breite Öffentlichkeit anzusprechen.

Ein offener Bruchpunkt

Es ist klar, dass die Gewerkschaftsführungen nichts getan haben, um sich ernsthaft mit den Gelbwesten zu verbinden. Aber ein großer Teil der Gewerkschafts- und linken Aktivist*innen weiß nicht, was sie in der Situation tun sollen, und ist entmutigt. Sie waren nicht einmal sicher, ob sie in eine solche Bewegung eingreifen sollten, in der es, wie sie befürchten, politische Verwirrung und einige reaktionäre Ideen gibt. In Wirklichkeit sind viele der sehr guten Aktivist*innen auch verwirrt und haben keine Vorstellung, wie sie die breiteren Schichten ansprechen sollen.

Es ist notwendig, ein Programm vorzuschlagen, das konkrete Forderungen, die den Arbeiter*innen und Jugendlichen Selbstvertrauen geben können, mit der politischen Perspektive verknüpfen kann, Macron und die Kapitalist*innen mit ihm zu stürzen. Dieses Vakuum ist Ausdruck des Fehlens einer neuen sozialistischen Arbeiterpartei. Mélenchon und France Insoumise (FI) stehen zwischen allen Stühlen. Viele FI-Aktivist*innen sind an der Bewegung beteiligt, viel mehr als andere linke Organisationen. Aber ein Mitglied der FI zu sein, reicht nicht aus; die Organisation hilft ihren Mitgliedern nicht, einzugreifen und die Bewegung aufzubauen. Das ist eine historische Verantwortung für die Linke.

In der gegenwärtigen Situation argumentiert Gauche Révolutionnaire, dass es besonders wichtig ist, unsere Übergangsforderungen in den Gewerkschaften, in unseren sozialen und politischen Organisationen und in der Linken breit zu diskutieren. Das bedeutet, sich für den Kampf für Lohnerhöhungen, Preisbindungen und auch für öffentliche Dienstleistungen einzusetzen, sowie die Notwendigkeit, für Wiederverstaatlichung unter der Kontrolle und Verwaltung der Arbeiter*innen und der Bevölkerung zu kämpfen. Die politische Krise wird sich weiter entwickeln. Es ist an der Zeit, die Gelegenheit zu ergreifen und die Kräfte für einen revolutionären sozialistischen Wandel aufzubauen.

Ungarn: Massenproteste gegen das „Sklavengesetz“

Till Ruster, Wien

„Eine ungeschickte, elende, dreckige kleine Proletin!“, so beschimpfte der gute Freund des ungarischen Regierungschefs Orbàn und Inhaber der Fidesz-Mitgliedsnummer 5, Zsolt Bayer, eine 18-jährige Schülerin im staatstreuen TV. Blanka Nagy hatte auf einer der Großdemos gegen das im Dezember beschlossene neue Überstundengesetz eine kämpferische Rede gehalten. Die Regierung ist auf vollem Konfrontationskurs mit der Bewegung, die sich aus Anlass der Erhöhung der maximal zulässigen, jährlichen Überstunden von 250 auf 400 gebildet hat. Arbeiter*innen müssen die Überstundenregelung ganz alleine mit ihren Chefs ausmachen: Kein Betriebsrat und keine Gewerkschaft soll sich einmischen. Für diese „freiwilligen Vereinbarungen“ gäbe es jetzt lediglich „mehr Flexibilität“, argumentiert die Regierung. Deshalb ist auch von dem „Sklavengesetz“ die Rede, weil alle wissen, dass solche Vereinbarungen kein bisschen freiwillig sind, wenn die Alternative Arbeitslosigkeit ist. Geht man von der bisherigen wöchentlichen Normalhöchstarbeitszeit von 48h aus, ist in Ungarn jetzt quasi das 14 Monats-Jahr oder, realistischer, die 6-Tage-Woche eingeführt worden.
Auf den ersten Blick fährt die Regierung scheinbar einen widersprüchlichen Kurs. Seit 2015 steigert sich zB der Mindestlohn von Jahr zu Jahr immer drastischer, oft stärker als von den Gewerkschaften gefordert. Aber Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverlängerungen sind zwei Reaktionen auf das gleiche Problem: Den massiven Arbeitskräftemangel.
In Folge der hausgemachten Austeritätspolitik nach der Wirtschaftskrise von 2008, die Ungarn ähnlich hart getroffen hat wie zB Griechenland, sind ca. 800.000 Personen ausgewandert, also knapp 10% der Bevölkerung. Das betrifft vor allem jüngere, gut ausgebildete Personen, die sich anderswo eine bessere Zukunft erwarten. Es bleiben die älteren Arbeiter*innen, die zB durch eine Familie oder ein Haus mehr gebunden sind und weniger leicht auswandern können.
Nicht zuletzt deutsche Konzerne, von denen laut Bundesbank über 730 in Ungarn produzieren und die direkt alleine 174.000 Menschen beschäftigen (dazu kommen zahlreiche Beschäftigte in ausgelagerten Zulieferbetrieben), sehen durch fehlende Fachkräfte ihr Geschäftsmodell bedroht. Seit den 90ern hatten sie verstärkt in Ungarn investiert, weil es dort billige Arbeitskräfte gab, die noch vor der Wende gut ausgebildet worden waren.
Das neue Überstundengesetz wird in Ungarn deshalb nicht nur als „Sklavengesetz“, sondern auch als „Lex Audi“, „BMW“ oder „Daimler“ bezeichnet. Deshalb brauchen die Kolleg*innen auch die internationale Solidarität, inklusive der Gewerkschaften in Deutschland oder Österreich. Der Kampf gegen die Abwärtsspirale bei Löhnen und Arbeitsbedingungen muss gemeinsam geführt werden, anstatt sich auf die Standortlogik der Herrschenden einzulassen.

Rolle der Gewerkschaften

Auch im Namen dieser internationalen Konzerne hat die Regierung Orbàn, seit 2010 im Amt, den Kampf gegen Gewerkschaften und Arbeiter*innenrechte geführt. Schnell wurden Gewerkschaften, zunächst im öffentlichen Dienst, ausgehebelt. Als nächstes ging es dem Streikrecht an den Kragen: vor jedem Streik müssen sich Gewerkschaft und Unternehmer*innenseite über die Gewährleistung einer „ausreichenden Versorgung“ verständigen - also darüber, dass der Streik möglichst wenig Schaden anrichtet. Gelingt das (wie in jedem bisherigen Fall) nicht, entscheidet das Arbeitsgericht praktisch immer gegen den Streik. Gegen Regierungsmaßnahmen streiken ist grundsätzlich verboten.
Abgesehen von Pressekonferenzen und Wahlaufrufen für die Opposition hatten sich die Gewerkschaften nicht dagegen gewehrt. Dazu sind die Gewerkschaften schon seit der Wende traditionell zerstritten. Wenn inzwischen aus ursprünglich 6 Gewerkschaftsbünden durch Fusion 4 geworden sind, liegt das wohl weniger an dem Wunsch der Führungen nach Klasseneinheit als an schwindenden Mitgliederzahlen und sinkenden Beiträgen. István Gaskó, bis 2015 Vorsitzender des Gewerkschaftsbundes „LIGA“, sprach selber davon, dass „die Gewerkschaftsbewegung heute eine der letzten auf der Sympathieliste der Gesellschaft ist“. Das liegt wohl auch an ihrer Nähe zu den oft verhassten Sozialdemokrat*innen und der sichtbaren Korruption der Führung, aber vor allem daran, dass sie die notwendigen Kämpfe nicht geführt und dadurch verloren hat. Um das „Sklavengesetz“ zu kippen, kommt es aber auf den Widerstand aus den Betrieben an. Dafür sollten Streik- und Aktionskomitees aufgebaut werden, um den Widerstand effektiv auszuweiten, sowie um sich demokratisch auf Forderungen und die nächsten Kampfschritte zu einigen. Nur indem die Gewerkschaften die Kämpfe führen, können sie ihre Krise überwinden.

Klasseneinheit statt Rassismus

So waren es auch nicht die Gewerkschaften, die den Widerstand gegen das „Sklavengesetz“ begannen. Was am Anfang eher einen spontanen, selbstorganisierten Charakter hatte, wurde schnell von der neofaschistischen „Jobbik“ aufgegriffen. Ihre eigene sowie nationalistische Fahnen sind auf den Demonstrationen deutlich präsenter als die der linksliberalen Opposition oder die der Gewerkschaften. Jobbiks Gewicht ist so groß, dass die liberale Opposition sich auf ein Bündnis mit ihr eingelassen hat. Das heißt natürlich nicht, dass es eine faschistische Bewegung ist. Wie auch schon bei anderen Protesten, wie zB dem gegen massenhafte Zwangsräumungen, ist Jobbik aber die einzige Kraft die wirklich landesweit und mit einem politischen Programm in Bewegungen intervenieren kann. Wo „die Linke“ durch frühere Regierungen oder ihrer Nähe zur unter Arbeiter*innen unbeliebten EU unglaubwürdig geworden ist, setzt Jobbik auf kapitalismuskritische, wortradikale Parolen. Dass sie diese mit Rassismus und Antisemitismus verknüpft, trägt solche Ideen immer tiefer auch in die Arbeiter*innenklasse und erschwert echten, erfolgversprechenden Widerstand. Der Kampf gegen Orbàn, seine Clique aus ungarischen Kapitalist*innen und internationalem Kapital braucht die Klasseneinheit und zwar über Herkunftsgrenzen hinweg. Eine weitere Reaktion auf den Arbeitskräftemangel ist nämlich auch das gezielte Anwerben von Arbeiter*innen aus Rumänien, der Ukraine, der Slowakei, Serbien und anderen Ländern mit noch schlechteren Löhnen und Arbeitsbedingungen. Wer hier auf Nationalismus setzt, spielt nur der Teile-und-Herrsche-Politik der Regierung in die Hände.

Wie gewinnen?

Die Bewegung hat klare Stärken: Sie zeigt seit Wochen Ausdauer, ist landesweit präsent und vor allem, anders als bisherige Anti-Regierungs-Proteste, hat sie die Gewerkschaften teilweise so unter Druck gesetzt, dass diese für den 19.01. zum Streik aufrufen mussten. Dass dieser Streik an einem Samstag stattfand und dafür schlecht mobilisiert wurde, drückt deren zögerliche Haltung aus. Der entschlossene Protest auf der Straße kann die Gewerkschaftsführungen aber weiter vor sich hertreiben. Eine starke landesweite Streikbewegung könnte nicht nur das Gesetz zu Fall bringen, sondern gleichzeitig die an sich schwache Regierung. Was der Bewegung fehlt, ist eine organisierte, marxistische Kraft. Die Bewegung muss mit einem klaren sozialistischen Programm und Strategien für den Sturz der Regierung ausgestattet werden. Dafür ist es notwendig, über den Kapitalismus hinaus zu denken und ihm eine sozialistische Alternative entgegen zu stellen!
 

Venezuela: Bekämpft den Staatsstreich der Rechten und Imperialisten

Für Massenmobilisierungen der Arbeiter*innen, um wirklichen Sozialismus aufzubauen und der korrupten Bürokratie ein Ende zu setzen!
Izquierda Revolucionaria ( CWI in Venezuela ), Exekutivkomittee

Die Situation in Venezuela hat in den letzten Stunden einen kritischen Punkt erreicht. Der neue Führer der venezolanischen Rechten und der extremen Rechten, Juan Guaidó (kürzlich zum Präsidenten der konterrevolutionären Nationalversammlung gewählt), hat sich selbst zum Präsidenten erklärt und seine Anhänger*innen aufgefordert, auf die Straße zu gehen, um den Sturz der Regierung von Nicolás Maduro zu erzwingen. Sofort haben die reaktionärsten Regierungen Lateinamerikas und der Welt, mit dem ultrarechten Jair Bolsonaro (Brasilien) und Donald Trump (USA) an vorderster Front, Guaidó als „einzigen legitimen Präsidenten“ Venezuelas anerkannt.

Ein Staatsstreich, vom Imperialismus und der venezolanischen und internationalen Rechten geplant

Der Außenminister (und ehemalige CIA-Direktor) Mike Pompeo hat unter allen möglichen Drohungen den sofortigen Rücktritt der Regierung Maduro gefordert. „Wir haben alle Optionen auf dem Tisch“, sagte Trump. Der venezolanische rechtsextreme Führer María Corina Machado kündigte auch im Fernsehen an, dass „wir dem Moment, für den wir seit Jahren kämpfen, sehr nahe sind“ und forderte Maduro auf, zurückzutreten, „wenn er sein Leben retten will“. Die lateinamerikanischen Regierungen, die sich durch ihre reaktionäre und unsoziale Politik und ihre Unterwürfigkeit gegenüber Washington auszeichnen, unterstützen den Putsch enthusiastisch und rufen zynisch „nach Demokratie“. Man braucht sich nur diejenigen anzusehen, die diese „Heilige Allianz“ leiten, um zu verstehen, worum es geht: den kolumbianischen Duque (der mit dem Narco-Paramilitarismus Uribes in Verbindung steht), den ecuadorianischen Moreno (Judas der ecuadorianischen Linken), Macri (verantwortlich für die grausamen Kürzungen, die das argentinische Volk auf die Straßen getrieben haben) oder den Honduraner Juan Orlando Hernández (Organisator eines Wahlbetrugs mit Unterstützung des Weißen Hauses im vergangenen Jahr und verantwortlich für die Repression und Ermordung Dutzender Demonstrant*innen). Und natürlich mit dem begeisterten Applaus von der anderen Seite des Atlantiks, der europäischen Rechten und extremen Rechten in Spanien, mit Pablo Casado (PP), Albert Rivera (Ciudanos) und den faschistischen Elementen bei Vox an vorderster Front.

Guaidó und die venezolanische Rechte wollen die Verzweiflung und Empörung des venezolanischen Volkes angesichts des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruchs des Landes (das Bruttoinlandsprodukt und der Lebensstandard sind in den letzten vier Jahren um 50 Prozent gesunken) und die Verschärfung dieser Situation durch Preiserhöhungen von bis zu 1000 Prozent seit Anfang dieses Jahres ausnutzen.

Während wir diese Zeilen schreiben, haben Zehntausende von Menschen in verschiedenen Teilen Venezuelas auf Guaidós Aufruf reagiert, die Straßen nicht zu verlassen, bis Maduro zurücktritt oder das Militär ihn absetzt und damit das Skript des Staatsstreichs vom April 2002 kopiert. Andererseits wurden Regierungsanhänger*innen, die sich auf Caracas‘ Plaza O’Leary und andere zentralen Punkten der Großstädte versammelt hatten, von Diosdado Cabello, dem Führer der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV), aufgefordert, wie 2002 zum Miraflores-Palast zu ziehen, um dort Wache zu halten und Maduro vor einem möglichen Angriff der Opposition zu schützen.

Die Abkommen der Regierung mit den Kapitalist*innen ebnen der Reaktion den Weg

Der Hauptunterschied zwischen diesem Putsch und dem Putsch gegen Chávez im Jahr 2002 besteht darin, dass es der parasitären, korrupten und reaktionären venezolanischen Rechten gelingt, nicht nur Student*innen, Fachleute und kleine Selbstständige aus dem Mittelstand zu mobilisieren, wie es bereits während der gewaltsamen Guarimba geschah, die zwischen März und Juli 2017 mehr als 100 Todesopfer forderte. Diesmal werden bedeutende Teile der Jugend, Arbeitslose und sogar Arbeiter*innen aus den armen Stadtvierteln, die wegen der brutalen Preiserhöhungen verzweifeln, von den Rechten und der extremen Rechten auf die Straßen gerufen.

Seit August 2018, als die Regierung Maduros den so genannten Wirtschaftsreaktivierungsplan umsetzte und den Bolivar durch die Einführung einer neuen Währung abwertete, den Sovereign Bolívar (60 BS = 1 Dollar), hat die bereits außer Kontrolle geratene Hyperinflation ein exorbitantes Niveau erreicht. Vor Beginn dieser jüngsten Krise kostete ein Dollar 3.000 Bolivares, und es gibt Analyst*innen, die für dieses Jahr eine sechs- oder siebenstellige Inflation prognostizieren.

Eine einfache Beratung in einer Privatklinik, zu der nicht nur der Mittelstand, sondern auch viele Arbeiter*innen angesichts des Zusammenbruchs des öffentlichen Gesundheitssystems gezwungen sind, ist in wenigen Tagen von 2.000 auf 15.000 BS gestiegen. Das staatliche Mobilfunkunternehmen Movilnet hat seine günstigsten Tarife von 169 auf 1.300 Bs angehoben. Während sie diese Erhöhungen akzeptiert oder sogar auf Dienstleistungen und Produkte aufgeschlagen haben, die von öffentlichen Unternehmen abhängig sind, reagiert die Regierung nur triumphalistisch darauf, nämlich mit einer neuen Gehaltserhöhung von 400 Prozent (von 4.500 BS auf 18.000 Bs pro Monat). Aber das sind nur 6 Dollar, völlig unzureichend, um mit den steigenden Preisen fertig zu werden.

Versprochene Lohnerhöhungen, die die Hyperinflation vor ihrem Inkraftreten auffrisst, der triumphierende und sogar verächtliche Ton der PSUV-Führer und der Bürokratie gegenüber denjenigen, die protestieren, die Repression gegen viele Arbeiter*innen, die in den letzten Monaten zu Abwehrstreiks geführt haben, und der Fakt, dass die meisten Bürokrate*innen in rotem Flanell mit allen möglichen Privilegien und unter materiellen Bedingungen leben, die denen der kapitalistischen Klasse ähneln, steigern die Wut noch. Auf dieser objektiven Grundlage hat die Rechte die Initiative zu diesem neuen Angriff auf die Macht ergreifen können.

Aber der Angriff der Reaktion wird die Probleme der arbeitenden Bevölkerung nicht lösen – ganz im Gegenteil! Das Ziel der Imperialisten, die hinter Guaidó die Fäden ziehen, ist es, eine Intervention hoher Offiziere im Militär oder zumindest eines bedeutenden Teils davon zu erzwingen, die Maduro stürzt und der Rechten zur Macht verhilft. Seit Jahren versucht Maduro, an der Regierung zu bleiben, indem er der militärischen Führung immer mehr Zugeständnisse, wirtschaftliche Macht und Gewicht in der Regierung gibt. Dies hat zu mehr Korruption geführt und Unzufriedenheit unter den Arbeiter*innen und der Bevölkerung ausgelöst, garantiert aber nicht die Loyalität der Bolivarischen Nationalarmee (FANB).

Während ihrer früheren Offensive zur Machtergreifung im Jahr 2017 ist es der venezolanischen Rechten bereits gelungen, mit er Unterstützung von Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz und dem Rücktritt einiger rangdhoher Offiziere eine Bresche in den Staatsapparat zu schlagen. Aber damals war ein Schlüsselfaktor für die militärische Führung, dass die Oppositionsstrategie der Rechten nicht gelang, die erhofften Mobilisierungen zu erreichen, da sie nicht von der urbanen Mittelklasse auf die Arbeiterklasse und armen Stadtviertel übersprangen. Darüber hinaus überzeugten die terroristischen Aktionen der faschistischen Banden Hunderttausende von Arbeiter*innen, die mit der Politik der Regierung sehr unzufrieden waren, der PSUV und ihrer National Constituent Assembly (ANC) eine letzte Chance zu geben. Aber die Situation hat eine qualitative Veränderung durchlaufen.

Die PSUV-Bürokratie verteidigt nicht den Sozialismus

Die bürgerlichen und reaktionären Medien weltweit präsentieren die Ereignisse in Venezuela als Scheitern des Sozialismus. In Venezuela selbst nutzt die Rechte, mit der unschätzbaren Hilfe der bürokratischen Führer*innen der PSUV – die diese Katastrophe und ihre Politik der Abkommen mit Unternehmer*innen als „Übergang zum Sozialismus“ bezeichnen – den wirtschaftlichen Zusammenbruch, um Verwirrung unter den Massen zu stiften, ihre Moral zu untergraben und Ideen wie Sozialismus, Arbeiter*innenkontrolle und im Allgemeinen alles, was nach links oder Revolution riecht, zu diskreditieren.

In Wirklichkeit ist das von Maduro und den Führer*innen der PSUV durchgeführte Programm Lichtjahre vom Sozialismus und dem, was Millionen von Menschen 2013 erwartet haben, entfernt, als sie für die Beibehaltung der von Chávez durchgeführten Sozialpläne und Reformen stimmten, die den Bedürfnissen der Arbeiter*innenklasse und der am stärksten unterdrückten Bevölkerungsgruppen entsprechen sollten.

Seitdem haben Maduro und seine Mitarbeiter*innen, auch inspiriert von der chinesischen Regierung und einer ganzen Reihe stalinistischen „Reisegefährten“, versucht, die venezolanische und internationale herrschende Klasse davon zu überzeugen, dass sie die schwerste Krise in der Geschichte des venezolanischen Kapitalismus mit weniger sozialen Auseinandersetzungen als die Rechte bewältigen könnten. In den letzten Monaten haben sie sehr harte Sozial- und Lohnkürzungen sowie Entlassungen von Tausenden von Beschäftigten in öffentlichen Unternehmen beschlossen, und versuchen, dies mit einer schwachen und betrügerischen „revolutionären Mystik“ zu überdecken. Dabei ist es ihnen nur gelungen, die massive soziale Unterstützung für die PSUV in Rekordzeit zu untergraben. Jetzt arbeiten dieselben Bürgerlichen und Unternehmer*innen, die von ihrer Hilfe profitiert und Abkommen mit der Regierung unterzeichnet haben, mit dem Imperialismus zusammen mit dem Ziel, die direkte Kontrolle über die Macht zurückzugewinnen. Dies ist das Ergebnis des Modells des bürokratischen „Sozialismus“ einer Kaste demoralisierter und korrupter Beamter, Militärs und Politiker*innen, die sich von den Lebensbedingungen der Menschen entfernt haben und um ihre Privilegien kämpfen. Ihre Politik hat die Errungenschaften der bolivarischen Revolution untergraben und die Reaktion voranschreiten lassen.

Organisiert Aktionskomitees in jedem Stadtteil und jeder Fabrik. Baut eine Einheitsfront der Linken auf, um den Putsch zu besiegen und dem Kapitalismus und der Bürokratie ein Ende zu setzen.

Guaidó ist ein Wolf im Schafpelz, spricht von einer Regierung für alle und Versöhnung, aber wenn dieser rechte Reaktionär und die Kräfte, die ihn unterstützen, an die Regierung kommen, wird das Ergebnis ein Alptraum für Millionen von Arbeiter*innen und Bäuer*innen sein, die gerade noch stärker unter der Sozial- und Wirtschaftskrise leiden. Ihre politische und wirtschaftliche Agenda kann nur mit noch massiveren Entlassungen, brutalen Kürzungen der Sozialausgaben und der Unterdrückung von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und linken Aktivist*innen umgesetzt werden, und zwar in einem noch brutaleren und blutigeren Ausmaß als bei ihren Unterstützern Duque, Bolsonaro oder Macri in ihren Ländern.

Die erste Aufgabe der Arbeiter*inneklasse und der bewussten und kämpferischen Bevölkerung Venezuelas besteht darin, den Widerstand gegen den Putsch zu organisieren. Wir müssen zunächst die wirklichen Ziele von Guaidó, dem rechten Flügel und dem Imperialismus, anprangern. In jedem Unternehmen und Arbeitsplatz müssen Versammlungen organisiert werden, um zu besprechen, was unsere Bedürfnisse und Forderungen sind und was für eine tödliche Gefahr die Wirtschaftspläne und Politik der Rechten darstellen. Es ist dringend geboten, Aktionskomitees zur Verteidigung der Rechte der Arbeiter*innen und der Menschen in jedem Betrieb und jedem Stadtviertel zu bilden, die ein wirklich sozialistisches Klassenprogramm vertreten. Welches die Enteignung der großen Privatmonopole und der Banken vorschlägt, um Hyperinflation und Korruption zu beenden und die Privilegien der Bürokratie abzuschaffen und außerdem dafür eintritt, die Macht tatsächlich in die Hände der Arbeiterklasse und der Unterdrückten zu legen. Es ist notwendig, massive Mobilisierungen und die legitime Selbstverteidigung der Menschen gegen die Gewalt der Rechten zu organisieren.

Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass man nicht das geringste Vertrauen in die Regierung Maduro, die Bürokratie oder die Armeeoffiziere haben darf, wenn man den Sieg der Reaktion verhindern will. Es waren Maduros Politik, seine Bürokratie und Korruption, die den Weg nach rechts und zum Putsch geöffnet haben. Der einzige Weg, der Arbeiter*innenklasse und der venezolanischen Bevölkerung ein tragisches Ergebnis dieser Krise zu ersparen, besteht darin, eine Einheitsfront der Linken zu bilden, völlig unabhängig von denjenigen, die diese Katastrophe verursacht haben, die offen um die Machteroberung kämpft, um eine Regierung der Arbeiter*innen und Ausgebeuteten auf der Grundlage der direkten Demokratie in allen Fragen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens aufzubauen. Die einen Wirtschaftsplan basierend auf der Enteignung der Kapitalist*innen und des Managements unter der demokratischer Kontrolle der Arbeiter*innen durchführt, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Produktion wiederherzustellen und die sozialen Errungenschaften auszubauen.

Wir dürfen keine Zeit verlieren. Einer Massenmobilisierung von unten muss Massenwiderstand gegen den Putsch der Reaktion und des Imperialismus leisten und ein revolutionäres sozialistisches und internationalistisches Programm hervorbringen. Die Völker und die Arbeiter*innenklasse der ganzen Welt, angefangen in Lateinamerika, haben die Pflicht, das Blutbad abzuwehren, das von den rechten Putschisten und ihren internationalen Mentor*innen vorbereitet wird: Nur die Arbeiter*innenklasse kann die Bevölkerung retten!

Streiks an deutschen Flughäfen

Zwanzig Euro für alle!
Angelika Teweleit

Zwanzig Euro pro Stunde, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, das sind absolut berechtigte Forderungen der Gewerkschaft ver.di im Tarifkampf der etwa 23.000 Beschäftigten der Sicherheitsdienste an den Flughäfen. Es ist empörend, dass die privaten Sicherheitsfirmen momentan völlig unzureichende Löhne zahlen, und dazu noch ganz unterschiedlich, nämlich zwischen elf und 17 Euro.

Der Aufruf zu den Warnstreiks im Januar wurde mit großer Kampfbereitschaft befolgt und hat gezeigt, welche ökonomische Macht die unterbezahlten Sicherheitskräfte entfalten können. Denn ohne Sicherheitscheck können die Flieger nicht starten. Die Zahl der Flugausfälle war hoch und hatte großen Effekt.

„Maßhalten“?

Aus Sicht der Arbeitgeber*innen und des Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) ist schon ein Warnstreik „völlig überzogen“ und natürlich predigen sie, die selbst Jahr um Jahr neue Rekordgewinne einfahren, den Beschäftigten Wasser zu trinken..

Lohndrückerei und Prekarisierung ist eine Folge des weit verbreiteten Arbeitgeber-Instruments des Outsourcing – auch an den Flughäfen. Es ist gut, wenn ver.di nun der Zersplitterung der Beschäftigten entgegenwirkt, indem sie eine einheitliche Bezahlung und deutliche Anhebung mit einer Festgeldforderung von zwanzig Euro fordert. Dabei geht es nicht nur ums Geld. Auch die Belastung der einzelnen Mitarbeiter*innen nimmt stetig zu – wie in so vielen anderen Berufen.

Outsourcing und Privatisierungen

Lohndrückerei und Arbeitshetze für die Beschäftigten ist auch eine Folge der Privatisierung. Das bedeutet in der Folge auch weniger Sicherheit für die Passagiere – egal ob bei den Sicherheitskontrollen, bei der Flugsicherheit oder auch bei den Fluglinien selbst. Profitorientierung bedeutet Sparen bei Personal und Sicherheit. Es ist ganz einfach: wenn bei der Sicherheitskontrolle schlecht motivierte, übermüdete und zu wenige Kolleg*innen sind, dann leidet die Qualität. Daher ist es wichtig, auch über die unmittelbaren Forderungen hinaus zu diskutieren, zum Beispiel über die Forderung nach (Re-)Verstaatlichung dieser Bereiche unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung von Beschäftigten, Gewerkschaften und Staat.

Urabstimmung und demokratische Streikführung

Wenn – wie zu erwarten ist – die Arbeitgeber*innen nicht einlenken – sollte ver.di die Mitglieder zur Urabstimmung für einen unbefristeten Streik aufrufen. Jegliche Einschüchterungen von Seiten der Arbeitgeber müssen von allen Gewerkschaften zurück gewiesen werden.

Die Streikenden müssen selbst das Heft in der Hand halten. Über alle Verhandlungen zwischen ver.di und der Arbeitgeberseite sollte es volle Transparenz geben. Vorschläge der Streikleitungen sollten auf Streikversammlungen demokratisch diskutiert und beschlossen werden. Auf lokaler Ebene sollten die Streikleitungen aus dem Kreis der Kolleg*innen gewählt werden und zu einer bundesweiten Streikdelegiertenkonferenz zusammen kommen, um dort wiederum demokratisch das weitere Vorgehen zu entscheiden. Es sollte vereinbart werden, dass die Verhandlungskommission nichts annimmt, ohne dass das Ergebnis in einem solchen Verfahren – über Streikversammlungen und eine bundesweite Streikdelegiertenkonferenz diskutiert und angenommen wurde. Der Streik sollte erst dann beendet werden, wenn eine Urabstimmung darüber stattgefunden hat.

Streikrecht

Wirtschaftsverbände rufen nach einer Einschränkung des Streikrechts. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arbeitgeber BDA, Steffen Kampeter, greift ver.di, und damit die Streikenden an den Flughäfen an: „Die Streikmaßnahmen von ver.di zielen ja nicht auf einen einzelnen Betrieb, sondern sie wollen das Luftverkehrssystem insgesamt treffen. Damit sind die Auswirkungen unverhältnismäßig und treffen die gesamte Volkswirtschaft. Das hat mit der Parität, die dem Streikrecht zugrunde liegt, überhaupt gar nichts mehr zu tun und geht weit über das eigentliche Maß und Mitte-Verhältnis hinaus.“ Diese Äußerungen von Kampeter, bis 2015 parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesfinanzminister, müssen von ver.di und dem gesamten DGB klar zurück gewiesen werden.

Kräfteverhältnisse und Solidarität

Die Aussagen des BDA-Chefs Kampeter machen deutlich, dass die Arbeitgeber tatsächlich Angst vor der potentiellen Stärke der Beschäftigten haben: „In der arbeitsteiligen und verflochtenen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft Deutschland sind die Streiks des 21. Jahrhunderts sehr viel wirkmächtiger als die Streiks des 20. Jahrhunderts. Und da muss man eben schauen, dass der Gesetzgeber nicht mal guckt, ob der Gesetzgeber insgesamt in relevanten Bereichen die Waffengleichheit wieder herstellt. Das ist ein Preis der Globalisierung, die die Tarifautonomie hier nicht allein lösen kann.“ Mit anderen Worten: die Losung „wenn dein starker Arm es will, stehen alle Räder still“ gilt heute ungebrochen – nach Meinung der Arbeitgeber sogar noch mehr als früher.

Das zeigt, wie stark die Waffe des Streiks auch und gerade in heutigen Zeiten in der Hand von Beschäftigten tatsächlich sein kann – wenn sie konsequent geführt werden. Es macht auch deutlich, dass die Kolleg*innen diesen Kampf gewinnen können, vorausgesetzt, dass eine konsequente und kämpferische Linie gefahren wird.

Die Äußerungen des BDA-Chefs zielen darauf ab, dass die Streiks gesetzlich eingeschränkt werden sollen. Die Gewerkschaft ver.di und mit ihr der gesamte Gewerkschaftsdachverband DGB müssten klar darauf antworten: jeder Schritt hin zu einer weiteren Einschränkung des Streikrechts würde mit der massiven Solidarität und Gegenwehr der Gewerkschaften beantwortet – bis hin zu Solidaritätsstreiks!

Großbritannien: Brexit-Chaos

Theresa May erleidet historische Niederlage bei Parlamentsabstimmung
Christian Bunke (der Artikel erschien vormals in der Zeitschrift LUNAPARK21)

Vorgestern hat das britische Unterhaus den Brexit-Deal zwischen der Regierung von Theresa May und der EU mit überwältigender Mehrheit abgelehnt und damit ein neues Kapitel im Brexit-Chaos eröffnet. Der Labour-Vorsitzende hat einen Misstrauensantrag gegen die Premierministerin May angekündigt und die zukunft der Tory-Regierung hängt an einem seidenen Faden.

Die Socialist Party (Schwesterorganisation der SLP in England und Wales) fordert Neuwahlen und ruft Jeremy Corbyn auf, den Kampf für eine Labour-Regierung mit sozialistischem Programm aufzunehmen. Ein aktueller Artikel in englischer Sprache dazu findet sich hier.

Darin heißt es unter anderem: „Corbyns ‚rote Linie‘ für einen Brexit sollte Opposition gegen alle neoliberalen, pro-kapitalistischen Regeln sein. Er sollte fordern, dass verhandlungen wieder aufgenommen werden auf der Basis von Opposition gegen alle Regeln eines Binnenmarktes und einer Zollunion, die sich gegen die Interessen der Arbeiterklasse richten – wie diejenigen zu Staatshilfen, ‚Marktliberalisierungen oder die vorgesehene Arbeitnehmerrichtlinie.“

Die Socialist Party fordert:

* Nein zum Brexit-Deal von Mays Tories

* Schluss mit Austerität – Tories raus, labour rein!

* Für eine sozialistische Alternative zur EU der Bosse

* Schmeißt die (rechten, A.d.Ü.) Blairite Saboteure (aus labour, A.d.Ü.) raus

* Verstaatlicht die Banken und großen Monopole

* Für eine neue Zusammenarbeit der Völker Europas auf sozialistischer Grundlage

 

Der Brexit: Ein Symptom des wachsenden kapitalistischen Chaos.

„We‘re in the Brex-shit“ titelte das britische Boulevardblatt „Sun“ als der Entwurf des zwischen EU und Großbritannien ausgehandelten Austrittsvertrages endlich auf dem Tisch lag. Diese durch und durch reaktionäre Zeitung hat in ihrer Geschichte immer ein besonderes Talent gehabt: Nämlich mit Überschriften Stimmungslagen zusammenzufassen.

Und die obige Überschrift trifft auf viele der am Brexit-Drama beteiligten Fraktionen zu. Der Brexit entblößt gleich mehrfache miteinander verschränkte Krisenprozesse. Da sind zum einen die zunehmenden Schwierigkeiten der EU selbst. Wo man hinschaut, es hakt einfach überall. Die Interessen der Großmächte Deutschland und Frankreich sind immer schwerer unter einen Hut zu bringen. Politische Instabilität im Inneren hat längst beide Länder erreicht. In Frankreich waren die Proteste der Gelbwesten der jüngste Ausdruck, in Deutschland kann man dass an den andauernden Unstimmigkeiten innerhalb der großen Koalition festmachen. Hinzu kommt, dass budgetpolitische Gründungsdogmen der EU unter Druck stehen. Italien möchte die Staatsausgaben erhöhen und Frankreich musste den Gelbwesten Zugeständnisse machen.

Der Kapitalismus zeigt sich auf weltpolitischer Ebene in brennenden Fragen zunehmend handlungsunfähig. Das trifft auf die Klimakrise zu, und wird auch auf die kommende Weltwirtschaftskrise zutreffen deren erste Anzeichen gerade überall sichtbar werden. Phänomene wie der Brexit sind auch Ergebnisse der Wirtschaftskrise von 2007/8. Eine neue Wirtschaftskrise wird noch stärkere Fliehkräfte dieser Art entfalten.

Brexit als Krisenprotest

Hauptursache des Entschlusses einer knappen Mehrheit der britischen Bevölkerung für den Brexit zu stimmen waren die durch Wirtschaftskrise und Jahrzehnte neoliberaler Politik verursachten sozialen Verwerfungen. Großbritannien ist heute ein Land, in dem zehntausende Kinder hungrig zu Schule gehen weil die Eltern nicht genug Geld haben um ihnen ein Frühstück auf den Tisch zu stellen. Ein Land, dessen Sozialpolitik von einem im Herbst erschienenen UN-Bericht als „bewusst unmenschlich“ gebrandmarkt worden ist. Ein Land, in dem 120.000 Kinder obdachlos sind und 80.000 Haushalte nicht wissen, ob sie mittelfristig ein Dach über den Kopf haben werden.

Das Brexit-Votum war vor allem ein Protest gegen diese Zustände. Ein Ergebnis dieses Votums war, dass die politische Klasse nun selbst in einer Krise steckt aus welcher es kein Zurück gibt. Selbst Versuche, die Lage irgendwie zu kitten führen zu neuen Verwerfungen. Das lässt sich beispielhaft am Entwurf des EU-Austrittsvertrages festmachen. Seine Intention ist es, Großbritannien in den kommenden Jahren so nahe an der EU wie möglich zu halten. Doch gerade diese Intention hat alle möglichen Spannungen erzeugt, welche sowohl die regierende Konservative Partei als auch das Vereinigte Königreich selbst in ihrer Existenz bedrohen. Und auch für die EU beinhaltet der Vertrag Fallstricke.

Diese Fallstricke sind von Geoffrey Cox, dem Generalanwalt der britischen Regierung präzise herausgearbeitet worden. Im Auftrag von Premierministerin Theresa May hat er den Vertragsentwurf analysiert. Die Sprengkraft dieser Analyse war derart, dass die britische Regierung nichts unversucht ließ um eine Veröffentlichung dieser Analyse zu verhindern. Es brauchte eine Revolte des britischen Unterhauses um die Veröffentlichung zu bewirken. Erstmals in der britischen Nachkriegsgeschichte hat ein Parlamentsbeschluss die amtierende Regierung der „Verachtung gegenüber dem Parlament“ beschuldigt. Das ist nur ein Aspekt der vielschichtigen, sich entwickelnden britischen Staatskrise.

Austrittsvertrag mit Fallstricken

Cox widmete sich insbesondere den Auswirkungen des Austrittsvertrages auf Nordirland. Zuerst betrachtete er diese aus britischer Perspektive um danach auf Probleme aus der Sicht der EU hinzuweisen. Insgesamt entsteht ein Bild eines Vertrages welcher versucht die Quadratur des Kreises herzustellen: Großbritannien soll sich EU-Regeln und Gesetzen unterwerfen, gleichzeitig aber als Drittstaat behandelt werden.

Hier nun einige der von Geoffrey Cox herausgearbeiteten Punkte: Großbritannien als ganzes (einschließlich Nordirland) soll für eine Übergangsperiode eine Zollunion mit der EU bilden. Diese Zollunion wird aber für Nordirland und den Rest Großbritanniens jeweils unterschiedlich gehandhabt. Demnach bleibt Nordirland für die Dauer der Übergangszeit in der derzeit bestehenden Zollunion mit der EU. Die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof haben somit Gerichtsbarkeit über Nordirland. So sollen Güter zwischen Nordirland und der Republik Irland transportiert werden können, ohne dass eine EU-Außengrenze nötig wird. Gleichzeitig kann Nordirland während der Übergangsperiode Güter via der Republik Irland in die EU exportieren, ohne sich Kontrollen oder Zöllen zu unterwerfen wie sie normalerweise für Drittstaaten gelten würden.

Für den Rest Großbritanniens gilt dies in dieser Form nicht. Zwar soll zwischen der britischen Hauptinsel und Nordirland Zollfreiheit herrschen, in allen anderen Belangen werden die außerhalb Nordirland liegenden Teile Großbritanniens aber als ein Drittstaat behandelt. Somit stehen England, Wales und Schottland ab dem 29. März 2019, dem offiziellen Austrittsdatum, zwar nicht mehr unter der direkten Aufsicht der EU-Kommission und des Europäischen Gerichtshofes. Wollen diese Landesteile aber nach Nordirland exportieren, müssen sie sich dennoch an EU-Regularien und Einfuhrbedingungen halten. Das bedeutet, dass es für von der britischen Hauptinsel nach Nordirland exportierte Güter Inspektionen und Kontrollen durch Zollbeamte geben wird.

Würde der Austrittsvertrag so implementiert wie Cox dies hier beschreibt, würde dies eine Annäherung Nordirlands an die Republik Irland und im Umkehrschluss eine schleichende Entfremdung Nordirlands vom Rest Großbritanniens bedeuten. Gleichzeitig erhält Nordirland hier Privilegien wie sie Schottland nicht zugestanden werden. Während der Austrittsvertrag also Gift für nordirische Unionisten ist, ist er gleichzeitig für auf den europäischen Exportmarkt schielende Industrielle in Schottland problematisch. Deshalb sind sowohl nordirische unionistische Parteien als auch die schottische Unabhängigkeitspartei SNP gegen den Vertragstext.

Bollwerk gegen linke Politik

Cox wendet sich nun der Frage staatlicher Beihilfen zu. Hier geht es darum, ob der Austrittsvertrag beispielsweise die Stützung der britischen Stahlindustrie oder die Verstaatlichung von öffentlichen Dienstleistungen erlauben würde. Cox ist ein Tory. Weder er noch Premierministerin May würden dergleichen tun wollen. Doch die Brexit-Verwerfungen könnten einen Jeremy Corbyn an die Macht spülen, dessen Wahlprogramm sehr wohl Verstaatlichungen vorsieht.

Der Generalanwalt macht in seinen Einschätzungen deutlich, dass eine Regierung mit Corbynscher Programmatik Probleme mit der EU bekommen würde. Denn der Austrittsvertrag sieht die Schaffung „unabhängiger Institutionen“ vor welche von Vertretern der EU und Großbritanniens besetzt werden sollen. Diese „Institutionen“ haben die Autorität, EU-Recht gemeinsam mit britischen Gerichten und der EU-Kommission in Großbritannien für die Dauer des Austrittsvertrages durchzusetzen. EU-rechtswidrige staatliche Beihilfen würden, so Cox, zu „Aktionen“ der EU-Kommission in diesem Sinne führen. Hier sind ähnliche Szenarien wie in Griechenland unter der Syriza-Regierung angelegt. Die EU könnte selbst nach einem formalen Austritt Großbritanniens zu einem Instrument werden um einen linken Politikwechsel zu verhindern.

Cox spricht in seiner Analyse davon, dass das Austrittsabkommen eine „potentiell unendliche Gültigkeitsdauer“ hat. Zwar geht der Vertragstext von der Notwendigkeit der Aushandlung von Folgeabkommen aus. Allerdings warnt Cox davor, dass im Austrittsabkommen bereits Vorbedingungen für ein erfolgreiches Folgeabkommen festgelegt sind. Dazu gehören offene Grenzen zwischen Nordirland und der Republik Irland. Offene Grenzen zwischen der EU und Drittstaaten sind aber eigentlich nicht vorgesehen, wie man am Umgang mit Flüchtlingen im Mittelmeer gut erkennen kann. Die Irlandfrage bleibt also ungelöst.

Dies führt Cox zu einer weiteren Schlussfolgerung. Er analysiert, dass die oben beschriebenen Grenzregelungen für Nordirland laut Austrittsvertrag so lange bestehen bleiben bis ein neuer Vertrag beschlossen wird. Kommt es aufgrund der komplexen Lage zu keinem neuen Vertrag, behält der Austrittsvertrag seine Gültigkeit. Cox verweist darauf, dass ein Ausstieg aus dem Vertrag nach seiner Ratifizierung nur „durch gemeinsamen Konsens“ möglich ist. Man braucht sich nur den bisherigen Verhandlungsverlauf anzuschauen um zu sehen, wie unwahrscheinlich ein solcher Konsens ist. Cox stellt außerdem fest: „Der derzeitige Vertragsentwurf bietet Großbritannien keine legale Möglichkeit um einseitig aus der Zollunion mit der EU auszutreten.“

Unzufriedene Kapitalfraktionen

Das hat im Herbst 2018 der US-amerikanische Präsident Donald Trump ähnlich analysiert. Er erklärte den Vertragsentwurf via Twitter zu einem „sehr guten Deal für die EU“. Damit brachte er den Unmut amerikanischer Kapitalinteressen zum Ausdruck, die sich durch den Brexit eine Öffnung des britischen Marktes für landwirtschaftliche und chemische Produkte sowie Zugang zum Gesundheitsmarkt erhoffen. Befürworter eines harten Brexits innerhalb der Konservativen Partei Großbritanniens lehnen den Vertragsentwurf auch deshalb ab: Sie wollen von zukünftigen Handelsverträgen mit den USA profitieren und sehen diese Pläne nun gefährdet.

In der Brexit-Debatte wie sie im politischen Mainstream und den meisten Medien geführt wird ist vor allem von den Risiken eines „harten“ Brexit die Rede. Ende des Jahres 2018 wurden diese Risiken auch vom britischen Finanz- und Großkapital noch einmal mit einem am 19. Dezember veröffentlichten offenen Brief aller großen Unternehmerverbände ins Feld geführt. Britische Unternehmen seien über den Zustand der Politik „verzweifelt“, ein harter Brexit würde zu „massiven“ Verlusten führen, so der Tenor. Gleichzeitig erhöhte die britische Regierung den Panikfaktor mit Ankündigungen, im Fall eines harten Brexit das Militär im Landesinneren mobilisieren zu wollen.

Tatsächlich bedeutet ein harter Brexit Disruption. Die Disruptionen durch einen „soften“ Brexit wie er zwischen britischer Regierung und der EU im Austrittsvertrag ausgehandelt wurde werden jedoch kaum thematisiert. Das gleiche gilt für die sozialen Ursachen des Brexit. Als sich Theresa May im Dezember 2018 einem Misstrauensantrag aus ihrer eigenen Fraktion stellen musste, sagte Oppositionsführer Jeremy Corbyn: „Der Ausgang dieser Abstimmung ist für die Menschen in unserem Land völlig irrelevant“. Das stimmt. Während die Eliten streiten hungern die Kinder. Auf kapitalistischer Grundlage wird weder der „harte“ noch der „softe“ Brexit daran etwas ändern.

40.000 Lehrkräfte demonstrieren in Los Angeles

Gewerkschaft ruft zu Streiks am 10. Januar auf
Christopher Carroll, „Socialist Alternative“ (Sympathisant*innen des CWI in den USA)

Nach der Demonstration mit anschließender Kundgebung, an der am Samstag, dem 15. Dezember, 40.000 Lehrerinnen und Lehrer teilgenommen haben, hat die Gewerkschaft „United Teachers of Los Angeles“ (UTLA) für den 10. Januar einen Streik angekündigt! Sollte die UTLA den angekündigten Streik tatsächlich durchziehen, dann wäre das ein starkes Signal für Arbeiter*innen in den gesamten Vereinigten Staaten, weil die Lehrer*innen damit die Schulen im zweitgrößten Schulbezirk der USA lahmlegen würden. Das würde die Lehrer*innen im ganzen Land dazu animieren, für kleinere Klassen, eine bessere finanzielle Ausstattung und Mindestlöhne zu kämpfen. Die Kampagne #RedForEd (sinngemäß: „rote T-Shirts für die Bildung“) würde somit in eine neue Phase eintreten.

Die Stimmung bei der Großkundgebung war geladen. Ein viel verwendeter Slogan war: „We don’t want to strike, but we will if we have to“ (dt.: „Wir wollen nicht streiken, aber wenn wir müssen, dann werden wir es tun!“). Damit versuchen die Lehrkrägte der Propaganda der Bosse über „gierige Leher*innen“ entgegenzuwirken. Denn bei diesem Kampf geht es um so viel mehr als „nur“ um höhere Löhne.

Zu den Forderungen der UTLA gehört auch, dass das System der „charter schools“ in Frage gestellt wird. Allein im Schulbezirk von Los Angeles werden dem öffentlichen Schulsystem so jährlich 600 Millionen Dollar entzogen. Im Endeffekt handelt es sich um öffentliche Gelder die Privaten geschenkt werden. Mit dieser Forderung wird der Kampf um den Erhalt für die öffentliche Bildung eingeläutet. Es ist ein Kampf der organisierten Arbeiter*innenbewegung gegen Privatisierungen, Neoliberalismus und die Klasse der Milliardär*innen.

Um einen solchen Kampf zu gewinnen, wird die Gewerkschaft UTLA über die Lehrer*innenschaft hinausgehen und die allgemeine Arbeiter*innenklasse des gesamten Bezirks aktiv einbeziehen müssen. Die UTLA hat dies getan, indem sie die Forderung nach Einrichtung eines Fonds für Migranten-Familien („Immigrant Family Defense Fund“) im Umfang von einer Million Dollar gefordert hat. Damit sollen Schüler*innen und ihre Familien unterstützt werden, die von Maßnahmen der Bundesausländerbehörde „Immigration and Customs Enforcement“ (ICE) und anderen staatlichen Einrichtungen betroffen sind.

Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Dennoch brauchen die arbeitenden Menschen mehr. Es müssen Bezüge zu sozialen Initiativen hergestellt werden, die für bezahlbaren Wohnraum und eine allgemeine Gesundheitsversorgung kämpfen, kombiniert mit der Forderung die Reichen zu besteuern könnte das einen enorm großen Effekt haben. Los Angeles ist ein wichtiges Wirtschaftszentrum mit bedeutenden Einrichtungen von der Seefracht bis hin zur Unterhaltungsindustrie, die enorme Profite machen. Eine Steuer für die reichsten drei Prozent der Konzerne im County Los Angeles würde zu Einnahmen führen, mit denen die Forderungen der Arbeiter*innenklasse finanziert werden könnten.

„Socialist Alternative“ wird vor Ort sein und am 10. Januar an den Streikposten teilnehmen, um sich solidarisch zu zeigen. Lasst uns eine kämpferische Arbeiter*innenbewegung wiederaufbauen, mit der wir echte Erfolge für die Beschäftigten erreichen und es schaffen können, die Dominanz der Konzerneliten in Frage zu stellen. „Nein zur Stadt der Gier – Ja zur Stadt des Wir!“ (original: „No to the City of Greed; Yes to the City We Need“!

Europa: Politische und soziale Polarisierung, Massenbewusstsein und die "Neue Linke"

Thesen des Internationalen Sekretariats des CWI vom 14. Dezember 2018

Wir veröffentlichen im Folgenden die Thesen zu Europa des Internationalen Sekretariats des CWI, die Ende November beschlossen wurden. [Anmerkung: Diese Arbeit wurde vor dem Ausbruch der Massenproteste der Gelben Weste in Frankreich abgeschlossen, die an anderer Stelle auf socialistworld.net berichtet und analysiert werden.]

Der Kapitalismus in Europa ist gekennzeichnet durch eine wachsende Klassen-, politische und soziale Polarisierung. Es besteht die Möglichkeit, dass überall Massenbewegungen ausbrechen. Dies spiegelt sich im Allgemeinen im Aufruhr und Untergang der traditionellen Parteien des Kapitalismus und der ehemaligen Arbeiter*innenparteien wider. Ausnahmen bilden die britische Labour Party, die Sozialistische Partei in Portugal sowie in einigen anderen Ländern. Generell entfaltet sich in ganz Europa eine neue Ära politischer Instabilität und Umbrüche. Wie wir bereits in früheren Artikeln und Dokumenten kommentiert haben, enthält dies Elemente von Revolution und auch der Konterrevolution.

Trotz des Fehlens einer verallgemeinerten Bewegung der Arbeiter*innenklasse in letzter Zeit bleibt die Situation, in der sich der Kapitalismus befindet, politisch und sozial verkrampft. In Belgien, Frankreich und Österreich haben dennoch bedeutende Gewerkschaftsproteste stattgefunden. In einigen Ländern haben wir sehr wichtige soziale Bewegungen erlebt, wie das erfolgreiche Repeal-Referendum in Irland, in welchem unsere irischen Genoss*innen eine zentrale Rolle gespielt haben, sowie die Streiks der weiblichen und männlichen Jugendlichen gegen sexuelle Gewalt und Belästigung im spanischen Staat, zu denen von "Sindicato de Estudiantes" aufgerufen wurden.

Die EU steht vor wachsenden inneren Konflikten und Spannungen sowohl wirtschaftlicher als auch geopolitischer Natur. Trotz des anhaltenden Wachstums der deutschen Wirtschaft ist die Wachstumsrate der Eurozone insgesamt auf den niedrigsten Stand seit vier Jahren gefallen. Frankreich, die zweitgrößte Wirtschaft der Eurozone, verzeichnete ein Absinken der jährlichen Wachstumsrate von 1,7% auf 1,5%. Selbst in jenen Ländern, die wirtschaftliches Wachstum verzeichneten, hat dies für die große Mehrheit weder zu einer Verringerung der Armut noch zu einem Anstieg des Lebensstandards geführt. In Deutschland, der stärksten Volkswirtschaft der EU, ist ein Zuwachs an „Mini-Jobs“ - einer geringfügigen Beschäftigung mit weniger als 450 € pro Monat - zusätzlich zur regulären Beschäftigung zu verzeichnen. Auch bei prekären Beschäftigungsverhältnissen gibt es anhaltendes Wachstum.

Behauptungen der herrschenden Klasse im spanischen Staat bezüglich einer wirtschaftlichen Erholung stellen sich angesichts der verschlechternden sozialen Situation als Lüge heraus. Nach EU-Berichten liegt die Jugendarbeitslosigkeit weiterhin bei 33,8%. In Wirklichkeit ist sie wahrscheinlich noch höher.

In ganz Europa gibt es eine verheerende Kluft zwischen Arm und Reich. Sparmaßnahmen und Kürzungen hatten in den meisten Ländern katastrophale Auswirkungen auf große Bevölkerungsschichten, während die Superreichen noch reicher wurden. In allen großen Städten Europas herrscht eine allgemeine Wohnungskrise, die besonders für junge Menschen verheerende Auswirkungen hat. Selbst in Deutschland ist trotz des wirtschaftlichen „Wachstums“ heute fast jede*r Fünfte der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. In Südeuropa sowie Großbritannien ist die Situation noch schlimmer; gekennzeichnet von Hunger, Obdachlosigkeit und Stagnation der Lebenserwartung mit der Aussicht auf sogar einen zukünftigen Rückgang dieser.

Die Kluft zwischen dem "reichen Norden" und dem "armen Süden" in der Eurozone hat sich vertieft und verschärft Spannungen und Konflikte. In der EU ist die Kluft zwischen Westen und Osten bei weitem noch nicht geschlossen. Die Idee, dass "alle Boote gemeinsam angehoben werden" und Gleichheit herstellen, ist zerstört worden. Nach Angaben des IWF stieg das Pro-Kopf-BIP in Deutschland zwischen 2010 und 2016 um 19%. In Frankreich und den Niederlanden stieg es um 14%. Doch in Südeuropa wuchs es viel langsamer: in Italien um 6%, in Portugal um 10%. In Griechenland sank es um 7%.

Brexit

Die EU und die Eurozone sehen sich wachsenden Spannungen und Krisen ausgesetzt. Der Brexit hat dies am schärfsten gezeigt. Doch wie ein kapitalistischer Kommentator argumentierte: „Der Brexit ist nur ein Nebenschauplatz einer EU, die in einer Krise steckt“ (Daniel Boffey, Observer, 4/11/18). Der Ausgang des Brexit ist nach wie vor unklar.

Es ist nicht im Interesse der entscheidenden Teile der britischen herrschenden Klasse oder der EU, dass Großbritannien ausfällt. Es bleibt am wahrscheinlichsten, dass eine Einigung über einen „weichen Brexit“ erzielt wird. Dies ist jedoch keine Gewissheit. Der Brexit ist allerdings nicht die einzige Krise, mit der die herrschenden Klassen Europas konfrontiert sind. Der Konflikt zwischen Italien und der EU gefährdet nun den Fortbestand des Euro, wie wir in der Vergangenheit schon gewarnt haben. Italien befindet sich laut oben zitiertem Artikel „in einer Kernschmelze“. Mit Kreditaufnahmen von 131% des BIP (an zweiter Stelle nach Griechenland) und der Wirtschaft mit Nullwachstum, hat die rechtspopulistisch geführte Regierung ein Budget vorgelegt, das die EU-Ausgabengrenzen durchbricht. Das bringt sie in direkten Konflikt mit der EU, die nun ein reduziertes Budget fordert.

Die Heuchelei der beiden dominierenden EU-Mächte Deutschland und Frankreich wurde erneut offenbart. Sie haben zuvor diese Regeln - aufgrund ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht -  ohne folgende Sanktionen verletzt. Die Krise in Italien hat das Potenzial, eine noch größere Krise in der EU und der Eurozone hervorzurufen als das griechische Drama. Der Ernst der Lage wurde von Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire unterstrichen, der davor warnte, dass die Zukunft des Euro nun auf dem Spiel stehe. Es ist möglich, dass die italienische Regierung versuchen wird, einen Kompromiss zu erzielen, obwohl dies alles andere als sicher ist.

Wie bereits erwähnt, werden auch andere wichtige Aspekte von Konflikten zwischen den EU-Mächten durchgenommen. Die Vorschläge von Emmanuel Macron für eine beschleunigte politische und finanzielle Integration der Eurozone wurden von Angela Merkel und dem deutschen Imperialismus vereitelt. Sogar Macrons Vorschläge für ein Bankrettungsabkommen wurden durch den vorsichtigeren Ansatz Deutschlands durchkreuzt - gegen eine "Rettung des restlichen Europas" im Falle einer neuen Krise.

Gleichzeitig ist die EU mit zunehmenden Konflikten und Zusammenstößen im Osten konfrontiert, mit Polen und Ungarn bzw. den rechtspopulistischen Regierungen, die dort herrschen, sowie wachsenden Spannungen mit Russland. In vielen Ländern Osteuropas gibt es große Veränderungen. Es ist jetzt fast 30 Jahre her, dass die ehemaligen stalinistischen Regimes zusammengebrochen sind. In Ungarn, Polen und einigen anderen Ländern sind nach der Wirtschaftskrise 2007/08 rechtsextreme populistische, autoritäre Regierungen an die Macht gekommen. Obwohl wir auf einer sehr niedrigen politischen Ebene anfangen, haben wir auch bedeutende Bewegungen gegen Korruption, kapitalistische Gangsterregime und Klassenkämpfe erlebt, die beispielsweise auf dem Balkan sowie in der Tschechischen Republik geführt wurden. Im Januar erschütterte ein Massenprotest Rumänien, der zum Sturz des dritten Premierminister innerhalb eines Jahres führte. Ebenso wurde im März der slowakische Premierminister durch Massenproteste aus dem Amt gejagt. Litauen hat Massenproteste erlebt; wie auch andere Länder. Obwohl sich das politische Bewusstsein noch in einem frühen Stadium befindet, sind diese Bewegungen äußerst bedeutsam. Sie spiegeln sich in der Entstehung kleiner, aber möglicherweise bedeutender neuer linker Gruppen wie "Razem" in Polen und "Radnicka Fronta" in Kroatien wider.

Zu diesen Krisen kommt die Gefahr des Ausbruchs von Handels-Konflikten mit den USA hinzu. Alle diese Belastungen und Zusammenstöße zeigen, wie wahrscheinlich es ist, dass die Eurozone und möglicherweise die EU selbst, zu einem späteren Zeitpunkt auseinanderbrechen oder neu aufgestellt werden.

Wie das CWI vorausgesehen hat, haben diese Entwicklungen gezeigt, dass der Kapitalismus trotz des Globalisierungs- und Integrationsprozesses der Weltwirtschaft und des Integrationsgrades der kapitalistischen Staaten in EU und Eurozone, die Grenzen des Nationalstaates nicht vollständig überwinden konnte. In der gegenwärtigen Ära der erneuten kapitalistischen Krise haben starke Zentrifugaltrends die Integrationstendenzen, die unmittelbar nach dem Zusammenbruch der früheren stalinistischen Regime stattfanden, teilweise umgekehrt.

Die rechtsextremen und populistischen Parteien, die in letzter Zeit in Europa an Schwung und Unterstützung gewonnen haben, konnten diese Krisen in der EU nutzen, um Nationalismus und Rassismus zu verstärken. Es ist wichtig, dass das CWI dies politisch konfrontiert, indem es sich gegen die kapitalistische EU stellt, aber betont, dass die arbeitenden Bevölkerungen Europas zusammenkommen müssen und als Alternative für eine sozialistische Konföderation Europas auf demokratischer und freiwilliger Basis kämpfen müssen.

Historische Aushöhlung der Unterstützung der kapitalistischen Parteien

Seit der letzten Sitzung des Internationalen Exekutivkomitees des CWI im Winter 2017 hat sich die europäische politische Krise verschärft. Dies spiegelt sich in einer historischen Aushöhlung der Unterstützung der traditionellen kapitalistischen Parteien wider. Die Krise der konservativen Partei in Britannien, die CDU/CSU in Deutschland und das, was sich in Italien entwickelt hat, gehören zu den heftigsten Beispielen dafür. Der Zusammenbruch der ehemaligen traditionellen kapitalistischen Parteien in Frankreich brachte die herrschende Klasse dazu, eine neue kapitalistische Kraft in Form der "La République en Marche" von Macron (LREM - Republik in Bewegung) wiederzubeleben.

Das verblüffendes Merkmal gegenwärtig ist die "Krise der 3 Ms": Macron, May und Merkel. Bei den deutschen Parlamentswahlen im September 2017 erlitt Merkel eine ziemliche Abfuhr. Ähnlich Theresa May bei den britischen Parlamentswahlen. Seitdem hat sich der Verfall Mays fortgesetzt. Bei jüngsten Umfragen erhielt die CDU/CSU nur 26% Unterstützung. Nach einem Zusammenbruch der Unterstützung bei den jüngsten Wahlen in Bayern und Hessen war Merkel gezwungen, in der konservativen CDU zurückzutreten. Sie kündigte an, dass sie 2021 keine Wiederwahl anstreben wird. Dies führte zu einer politischen Debatte innerhalb der CDU über ihren Nachfolger, mit zwei Kandidaten vom rechten Flügel, die die von Merkel verteidigte politische Position anfechten. Es ist wahrscheinlich, dass ihre Regierung vor dem Ende der Amtszeit fallen wird. Diese Entwicklungen bedeuten eine große Veränderung der politischen und sozialen Situation in Deutschland.

In ähnlicher Weise musste Macron dfen Fall der Unterstützung für LREM auf magere 19% mitansehen, während seine eigene Zustimmungsrate auf 28% gefallen ist. Während es bundesweit wichtige Kämpfe der Eisenbahner*innen gab, hat die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie dafür gesorgt, dass sich diese Bewegung nicht zu einem verallgemeinerten Kampf gegen die Regierung entwickelt hat. Die Regierung konnte einen Teilsieg erzielen, allerdings mit einem hohen Preis für Macron. Seine Unterstützung fiel unter die des früheren "sozialistischen" Präsidenten François Hollande in derselben Phase seiner Präsidentschaft. Während Streiks von Arbeiter*innen anderer Sektoren aufgenommen wurden, blieben diese isoliert und - zu diesem Zeitpunkt - zersplittert.

Die verhasste Regierung von May ist von Krise zu Krise gestolpert. In früheren Zeiten wäre ihre Regierung durch jede einzelne davon zusammengebrochen. Sie konnte sich mit letzter Kraft an die Macht klammern, weil befürchtet wurde, dass rechtsgerichtete Tories eine Wahl auslösen könnten, die die Tories verlieren könnten, was dazu führen würde, dass eine von Corbyn geführte Regierung an die Macht käme.

Gleichzeitig hat ihr Jeremy Corbyns Schwäche, keine ernsthafte Massenkampagne zur Erzwingung von Neuwahlen zu starten, zusätzlich ermöglicht, sich festzuklammern. Die Situation ist jedoch so explosiv, dass sie aus dem Amt gedrängt werden und jederzeit Wahlen ausgerufen werden könnten.

Die Untergrabung der sozialen Basis der traditionellen Parteien der herrschenden Klasse war ein wesentliches Merkmal dieser Zeit. Dies ist mittelfristig für die herrschende Klasse äußerst gefährlich. Dies spiegelt sich in einem noch verheerenderen Zusammenbruch der Unterstützung für die ehemaligen Arbeiter*innen-Parteien wider, mit Ausnahme der Labour Party in Großbritannien, der Sozialistischen Partei in Portugal und einiger anderer Länder. Es gibt einen historischen und möglicherweise endgültigen Niedergang dieser Parteien. Er zeigt, wie weit sie sich nach rechts bewegt und die neoliberale Politik und den Kapitalismus akzeptiert haben. Dem Gemetzel der griechischen Pasok bei den Wahlen folgte die verheerende Niederlage von Hollande und der "Sozialistischen Partei" in Frankreich 2016.

Dieser Prozess wiederholt sich in ganz Europa. In Deutschland liegt die Unterstützung der SPD bei nur 14%. In einem verzweifelten Versuch, die schwindende Basis zu halten, besteht der Druck, aus der Koalition mit der CDU/CSU wegzubrechen. Dies würde die Regierung weiter schwächen und möglicherweise Neuwahlen auslösen.

In Schweden hatten die Sozialdemokraten das schlechteste Wahlergebnis seit 1908. Sie erzielten nur 28,3% der Stimmen. Die schwedische herrschende Klasse konnte bislang immer noch keine Regierung bilden. Die Schwierigkeit, nach Wahlen Regierungskoalitionen zu formen, ist zu einem gemeinsamen Merkmal geworden, was die bestehende politische Instabilität widerspiegelt. Es gibt und es wird eine Tendenz hin zu verstärkten parlamentarischen bonapartistischen Herrschaftsmethoden geben.

Eine kämpferische sozialistische Alternative anbieten?

Infolge des Niedergangs der traditionellen Parteien hat sich in einigen Ländern ein massives Vakuum entwickelt. In vielen Fällen konnten rechtspopulistische und nationalistische Parteien eingreifen. Das Anwachsen dieser Kräfte ist - potentiell - eine sehr gefährliche Entwicklung, da diese Parteien instabil und keine verlässlichen Vertreter der Interessen der herrschenden Klasse sind. Das Wachstum dieser Parteien ist zum Teil auf die Schwäche und das Versagen der neuen linken Formationen, eine Alternative zu bieten, zurückzuführen.

In einigen Ländern sind neue linke Kräfte entstanden, die anfänglich eine große Unterstützungsbasis gewinnen konnten. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Massenbewegung und der Aufstand der griechischen Arbeiter*innen und Jugendlichen gegen die Sparpolitik und der Verrat der Pasok den Weg für Syriza bereiteten, bei Wahlen - zeitweise - Massenunterstützung zu erhalten. Es war der Verrat durch Alexis Tsipras und die Syriza-Regierung, der dann zum Zusammenbruch der Unterstützung für Syriza geführt hat. Nun besteht sogar die Möglichkeit, dass die rechtsgerichtete Partei "Neue Demokratie" - derzeit in den Umfragen voran - wieder an die Macht kommt.

In Spanien führten der Aufstand der "Indignados" und die Massenbewegung gegen die Sparpolitik zur Entstehung von Podemos. In Portugal hat der Linksblock eine Reihe von Auf und Abs durchlaufen. In Britannien drückte sich dies in der Wahl Corbyns zum Labour-Vorsitzenden und einem beträchtlichen Wachstum an Labour-Mitgliedern aus.

Wie auch immer; alle diese Formationen haben auf unterschiedliche Weise gezeigt, dass sie nicht in der Lage sind, eine sozialistische Kampfalternative anzubieten. Mit der Verschärfung der Krise bei den verschiedenen Sachlagen haben sich alle diese Formationen als keine Alternative erwiesen und wurden kompromittiert. Dies spiegelt das äußerst begrenzte Programm dieser Organisationen und ihrer Führungen wider, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal mit dem linken Reformismus und Zentrismus der 70er und 80er Jahre vergleichbar sind. Sie verteidigen häufig ein Programm, das formal sogar rechts der ehemaligen bürgerlichen Arbeiter*innenparteien sowie den alten linken Reformist*innen steht. In gewisser Hinsicht ist die "neue Linke" die "alte Rechte"!

Sogar die alten rechten ReformistInn*en verwiesen auf eine sozialistische Gesellschaft in dunkler und ferner Zukunft. Die meisten "neuen Linken" tun nicht einmal dies. "Die Linke" ist in Deutschland auf dem Papier formal nach links gerückt und steht formal für 'demokratischen Sozialismus'. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass unsere deutschen Genoss*innen öffentliches Eigentum im Bereich der "Kommandohöhen der Wirtschaft" sowie die Enteignung beispielsweise der großen Wohnungsunternehmen gefordert haben. Die Partei "Die Linke" hat sich jedoch nicht konsequent für diesen Aspekt ihres Programms eingesetzt.

Für die neue Generation wirkte die von der neuen Linken befürwortete Politik jedoch äußerst radikal, mitunter "revolutionär". Dies ist ein Maß für das relativ geringe politische Bewusstsein im Vergleich zu den 70er und 80er Jahren; und das in vielen Ländern.

Der Verrat von Podemos während der revolutionären Ereignisse in Katalonien spiegelte deutlich die Schwäche dieser Kräfte wider. Nun ist Podemos einen Schritt weiter gegangen und hat mit der neuen pro-kapitalistischen PSOE-Regierung eine Vereinbarung gesucht. Gleiches gilt für die Führung des Linksblocks in Portugal, die sich immer mehr dazu bewogen hat, die Regierung der "Sozialistischen Partei" auf einer faulen Basis zu unterstützen. Dies ist eine Warnung für eine von Corbyn geführte Regierung in Britannien.

Beschwichtigung gegenüber dem Blairismus

In Britannien ist die "Revolution" in der Labour Party in eine Sackgasse geraten, als die Corbynistas weiterhin mit den Blairistinn*en und Rechten nach Frieden streben und sich weigern, gegen sie vorzugehen, indem sie ein obligatorisches System der automatischen Neuwahl der Labour-Abgeordneten einführen. Die "Revolution" ist im Sumpf der Beschwichtigung der kapitalistischen Rechten in der Partei festgefahren. Infolgedessen beherrscht der rechte Flügel immer noch die parlamentarische Labour Party. Jener Block, der möglicherweise sogar den Schritt machen wird, May zu unterstützen, um ein Abkommen über den Brexit zu erzielen. Ein Flügel der herrschenden Klasse fordert die Blairistinn*en auf, in der Labour Party zu bleiben und Corbyn zu sabotieren, falls er eine Wahl gewinnen sollte. Gleichzeitig zeigt sich die politische Schwäche der Corbynistas in allen großen Städten, da sie Labour-Abgeordnete verteidigen, die brutale Kürzungen umsetzen, weil sie „keine Alternative haben“ und keine haushaltspolitische Strategie ohne Kürzungen annehmen. Wir sind ständig gezwungen gegen sie vorzugehen. Auf lokaler Ebene werden wir uns in einigen Bereichen gegen rechte Labour-Politiker*innen stellen, die üble Kürzungen vornehmen.

Das Programm der neuen linken Formationen läuft auf Vorschläge für einen "reformierten" "humaneren" Kapitalismus hinaus. Es ist eine relativ moderate und zentrisitisch keynesianische utopische Politik, die Europa in die "goldene Ära" des Kapitalismus nach 1945 zurückbringen will. Trotzdem fürchtet die herrschende Klasse, dass eine von Corbyn geführte Regierung oder weitere linke Formationen andernorts an die Macht kommen. In einigen Ländern, in denen die neuen linken Verbände ihre Verlässlichkeit für den Kapitalismus unter Beweis gestellt haben, werden Teile der herrschenden Klasse offener dafür, sie in die Regierung zu lassen und die Interessen ihres Systems zu verteidigen.

Der Kapitalismus ist so prekär, dass nach 30 Jahren Neoliberalismus selbst ein relativ begrenztes Programm, das sich lediglich dem Neoliberalismus widersetzt, aber im Kapitalismus verbleibt, äußerst radikal erscheint. Die herrschende Klasse wendet sich sogar gegen das eingeschränkte Reformprogramm der "neuen Linken". Es befürchtet auch, dass diese Parteien und Führer*innen kein verlässliches Beiwerk für den Kapitalismus sein werden. Unter dem starken Druck sozialer Massenbewegungen und der Umbrüche fürchtet die herrschende Klasse, dass diese Parteien in eine radikalere Richtung gedrängt werden könnten und gezwungen werden, Schläge gegen die Interessen des Kapitalismus zu auszuführen.

Wie bereits erwähnt spiegelt der begrenzte Charakter der neuen linken Parteien zum Teil den kleinbürgerlichen und gemischten Klassencharakter der meisten an ihnen beteiligten Kräfte wider. Während einige, wie Podemos, eine Schicht von Arbeiter*innen anzog (v.a. bei Wahlen), haben sie in der Regel eine radikalisierte Schicht von Teilen des Kleinbürgertums eingebunden, die von der Krise 2007/08 betroffen waren und begonnen haben, Methoden der Arbeiter*innenklasse im Kampf anzunehmen. Diese neuen linken Kräfte gründeten nicht direkt auf starken Bewegungen in ihren Reihen der Arbeiter*innenklasse. Sie spiegeln auch das nach wie vor relativ geringe politische Bewusstsein im Vergleich zu den 70er und 80er Jahren wider und zeigen, wie weit die Erwartungen - vorübergehend - gesunken sind.

Trotz der politischen und sozialen Krise in Deutschland und einer Reihe von Massenmobilisierungen gegen Rechtspopulismus und Klimawandel sowie zunehmende Proteste gegen die Immobilienkrise und Streiks in Krankenhäusern, hat "Die Linke" davon nicht ernsthaft profitieren können. Jüngsten Umfragen zufolge liegt sie landesweit zwischen neun und 11%. Bezeichnenderweise hat die Partei jedoch im Westen des Landes in begrenztem Umfang Stimmen gewonnen, wo sie radikaler und aktivistischer auftritt, aber im Osten verloren, wo sie weitgehend als Teil des Establishments gesehen wird.

Die Reaktion gegen das Wachstum der rechtspopulistischen AfD und gegen die Politik der SPD führt weitgehend zur Stärkung der Grünen bei Wahlen, welche in Umfragen bei 23% liegen. Trotz mehr als 10.000 neuer Mitglieder seit Anfang 2017 zeigt dies, dass die Führung von "Die Linke" die Chancen nicht genutzt hat, eine glaubwürdige Alternative anzubieten und und Wurzeln in der Arbeiter*innenklasse zu schlagen. Die zunehmende Unterstützung der Grünen ergibt sich aus kleinbürgerlichen und jugendlichen Schichten sowie Teilen der besser verdienenden Arbeiter*innenklasse. Sie sehen die Grünen in ihrem Umfeld als glaubwürdiger an und stehen gegen Rassismus.

Der Zusammenbruch der französischen "Sozialistischen Partei" steht dem Aufstieg von France Insoumise (FI) von Jean-Luc Mélenchon gegenüber. FI hat viele Merkmale einer „Bewegung“ und nicht einer politischen Partei, was ein gemeinsames Merkmal vieler der neuen linken Formationen ist.

"Die Linke" war eine der Ausnahmen im Hinblick auf solch eine Parteistruktur, ihre relativ demokratische Gliederung sowie die Beteiligungsmöglichkeiten der Mitglieder. Jedoch rückte die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, die in der Vergangenheit Hauptfigur des linken Flügels der Partei war, bezüglich Migrationspolitik massiv nach rechts. Sie hat eine neue Bewegung namens "aufstehen" ins Leben gerufen, die sich politisch rechts von der Partei befindet und das Ziel hat, Teile von Die Linke, der SPD und der Grünen zusammenzubringen. Es ist zunehmend wahrscheinlich, dass dies zu einer Spaltung in Die Linke und der Entstehung einer radikalen linken Formation führen wird, die bei Wahlen mit einigen Merkmalen von PODEMOS in Spanien antreten könnte. Unsere Genoss*innen in Deutschland haben sich zu Recht gegen die Bildung von "aufstehen" ausgesprochen, verteidigen Die Linke und kämpfen gleichzeitig für eine stärkere sozialistische Ausrichtung, die von der Partei übernommen werden soll.

In Belgien hat die PTB/PVDA weiterhin einige Fortschritte bei Wahlen erzielt, jedoch mit einem begrenzten reformistischen Programm und ohne für andere Kräfte und demokratische Debatten offen zu sein. Die Parteiführung wollte die Kontrolle behalten. Auf lokaler Ebene gelangte die PTB/PVDA, nachdem sie in einigen Gemeinden im wallonischen Raum und in Brüssel zu keiner Einigung gelangte, schließlich zu einer Mehrheit in Flandern, ohne jedoch die in der Kommunalverwaltung vorhandene budgetäre Zwangsjacke in Haushaltsfragen in Frage zu stellen.

Trotz der politischen Schwäche des FI haben Macron und die herrschende Klasse Schritte unternommen, um einen Schlag auszuführen, indem sie Razzien in den Parteibüros auslösten, die angeblich einen Missbrauch von Parteigeldern aus EU-Kassen zum Grund haben. Sie fürchten eindeutig das Potenzial des FI, weitere Gewinne zu erzielen, da die Unterstützung für Macron nachlässt.

Sozialistisches Bewusstsein

In Europa kam es infolge der Krise von 2007/08 zu einer Radikalisierung der Linken und zu einem Anstieg von Kämpfen. Es hat jedoch nicht zur Entstehung eines starken sozialistischen Bewusstseins geführt. Dies war auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen, vor allem auf die anhaltenden Auswirkungen des Zusammenbruchs der stalinistischen Regimes und die ideologische Offensive gegen die Idee einer Planwirtschaft und "Sozialismus". Ebenso wichtig ist die politische Schwäche der neuen Linken, die als Bremse wirkte und der neuen Generation, die in Kämpfe eintrat, nur wenig weiter half, um weiterreichende sozialistische Schlussfolgerungen zu ziehen. Diese Bewegungen stießen auf die Realität des Kapitalismus und die Entschlossenheit der herrschenden Klasse, ihre Interessen zu verteidigen und die Arbeiter*innen- und Mittelschichten anzugreifen.

Die nationale Frage ist in vielen Teilen Europas ein wichtiges Thema, einschließlich in Katalonien, Schottland, Irland, Zypern, Mazedonien/Griechenland und anderswo. Es kommt als Problem wieder an die Oberfläche zwischen Österreich und Italien, zwischen Ungarn und seinen Nachbarn sowie in einigen anderen Ländern. Wie wir bereits in anderen Artikeln erläutert haben, steht das CWI für die demokratischen Rechte aller Bevölkerungsgruppen, einschließlich des Rechts auf Unabhängigkeit, falls sie dies fordern sollten. Wo es angebracht ist, die Forderung nach nationaler Unabhängigkeit zu erheben, tun wir dies auf sozialistischer Grundlage. Wir erklären die Notwendigkeit der Einheit aller Werktätigen und die Notwendigkeit, den Kampf für die Unabhängigkeit mit der Überwindung des Kapitalismus und der Errichtung einer sozialistischen Konföderation der betreffenden Staaten zu verknüpfen. Auf kapitalistischer Basis gibt es in der modernen Welt keine Lösung der Nationalen Frage. Das Versagen der neuen linken Kräfte, dazu ein entsprechendes Programm vorzulegen, ist eine ihrer Hauptschwächen.

Der Verrat durch Podemos während der Massenbewegung in Katalonien ebnete den Weg für die PSOE-Regierung, jetzt mehr repressive Maßnahmen gegen die Anführer*innen der Unabhängigkeitsbewegung anzukündigen. Dies geschah trotz der massiven Demonstrationen für Unabhängigkeit bzw. zur Unterstützung politischer Gefangener, die im September in Barcelona am Diada (Unabhängigkeitstag von Katalonien) stattfand. Dies zeigt, dass die Nationale Frage in Katalonien und anderswo im spanischen Staat ungelöst bleibt, wie dies auf kapitalistischer Grundlage unvermeidlich ist.

Die neuen linken Kräfte haben im Allgemeinen eine völlig falsche Einstellung zur Nationalen Frage. Corbyns Weigerung, das Recht auf ein weiteres Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands zu unterstützen, kann dazu führen, dass Labour die nächsten Parlamentswahlen in Britannien verliert.

Das entstandene Vakuum und das Versagen der "neuen Linken", diese mit einer echten Alternative zu füllen, hat dazu geführt das rechtsradikale populistische Kräfte dieses Vakuum füllen können. Sie spielen mit den vorhandenen Ängsten der Arbeiter*innenklasse, Teilen der Mittelklasse und einigen der am meisten heruntergekommenen Schichten. Die extreme Rechte hat den Rassismus auf populistische Weise aufgepeitscht, um Unterstützung zu gewinnen, zusammen mit dem Nationalismus und einer vorgetäuschten Opposition gegen die "Eliten". In Deutschland liegt die AfD in den Umfragen bei rund 16%. In Frankreich haben wir die RN (Rassemblement National) gesehen, die die Nachfolge des FN antrat und Macrons LREM bei den Wahlabsichten für die EU-Wahlen im Mai 2019 überholte. Auch in Italien hat die Lega ihre Unterstützung verstärken können, und die FPÖ in Österreich hat ihre Position bislang beibehalten. In Schweden erhielten die rassistischen "Schwedendemokraten" mit über 17% ihren höchste Stimmenanteil bei den Parlamentswahlen. Dies fand in anderen nordischen und skandinavischen Ländern Widerhall. Selbst bei den jüngsten irischen Präsidentschaftswahlen konnte der Rechtspopulist Peter Casey 20% gewinnen.

In Osteuropa wurde das Thema Migration von den Rechtsextremen genutzt. In vielen Ländern wurde der Zustrom von Migrant*innen aus der Ukraine hergenommen, um Spaltung zu säen. Zwischen 2002-17 wanderten schätzungsweise 6,3 Millionen Ukrainer*innen „ohne Rückkehrpläne“ aus. Viele gingen in Länder wie Polen und die Tschechische Republik. Wo sie auf ihrem Weg nach Westeuropa die Länder Osteuropas durchquert haben, hat dies die Rechtsextremen angefacht; beispielsweise in Ungarn.

Die rassistische Propaganda der rechtsextremen Parteien wurde auch von einigen Rechtsaußen der traditionellen kapitalistischen Parteien aufgegriffen, wie in der deutschen CDU/CSU oder den britischen Tories.

Dies ist ein brennendes Problem für das CWI und die Arbeiter*innenklasse. Wir müssen Forderungen stellen, Rassismus bekämpfen und die Rechte von Migrant*innen verteidigen. Aber wir müssen Antworten geben: mit konkreten Forderungen in Bezug auf soziale Fragen, Wohnraum, Bildung, Einkommensgerechtigkeit, Gewerkschaftsrechte usw., um den echten Ängste der Arbeiter*innen zu begegnen und die Idee der Einheit der Arbeiter*innenklasse zu verteidigen. Die von den Rechtsextremen ausgehende Bedrohung darf nicht unterschätzt werden. Es ist jedoch wichtig, dass wir auch sehen, wie sie als "Peitsche der Konterrevolution" fungieren und von anderen Schichten der Gesellschaft eine Gegenreaktion hervorrufen können. Die enorme Demonstration von bis zu 250.000 in Berlin gegen die Rechte, bei der unsere Genoss*innen wirksam interveniert haben, ist dafür ein Beispiel.

Diese Entwicklungen in Europa, zusammen mit Donald Trump in den USA und jetzt dem Sieg von Jair Bolsonaro in Brasilien, haben dazu geführt, dass eine Schicht von AktivistInnen und Jugendliche zu dem Schluss kommen, dass in der anstehenden Periode "faschistische" Regimes an die Macht kommen werden. Es wäre ein Fehler für uns, diese Befürchtungen zu ignorieren, insbesondere bei unerfahrenen Jugendlichen. Jedoch ist die soziale Basis für faschistische Massenkräfte, die das Ziel verfolgen, die Organisationen und demokratischen Rechte der Arbeiter*innenklasse vollständig zu zerschlagen, in der modernen Ära nicht vorhanden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass, wenn rechtsextreme Parteien an die Macht kommen, in einigen Ländern nicht versucht wird, extrem repressive Maßnahmen zu ergreifen. Wie wir gesehen haben können faschistische Kräfte und Gruppen in gewissem Maße existieren und wachsen, jedoch als Hilfskraft der Herrschenden. In Ungarn gibt es zu diesem Zeitpunkt ein solches Element. In Deutschland sind einige der kleineren faschistischen Gruppen ermutigt worden. Aber noch wichtiger ist, dass die rechtspopulistische AfD nach rechts geschwungen ist, wobei der rechte Flügel offener rassistischer und sogar faschistischer wird. Die antirassistischen und antifaschistischen Kämpfe müssen weiterhin eines der Hauptaugenmerke der Arbeit des CWI in vielen europäischen Sektionen, insbesondere der Jugendarbeit, bleiben.

Das Wachstum der Rechtsextremen spiegelt eine gewisse Sackgasse im Klassenkampf und das Versagen der neuen Linken wider, eine solide Basis innerhalb der Arbeiter*innenklasse aufzubauen. In einigen Ländern beruht sie auf der verzweifelten Situation, mit der Teile der Arbeiter*innenklasse konfrontiert sind, und der Angst vor den Auswirkungen auf die sozialen Bedingungen, die sich aus der Migrations-Krise ergeben können.

Die wachsende Unterstützung rechtsextremer Parteien wird jedoch zu eigenen Widersprüchen führen und diese zunehmend offen legen. Spaltungen öffnen und werden sich in diesen öffnen. Wenn sie auf lokaler oder nationaler Ebene an der Macht sind, wird ihre tatsächliche Wirtschafts- und Sozialpolitik getestet und offensichtlich. Die Einführung eines gesetzlichen 12-Stunden-Tages durch ÖVP/FPÖ in Österreich, der einen Massenprotest von Arbeitnehmer*innen hervorgerufen hat, zeigt dies auf. Die Gewerkschaftsführung lehnte es ab, zu diesem Thema einen Streik einzuleiten, obwohl Umfragen solch einen Schritt eindeutig unterstützten.

Die massive soziale und politische Polarisierung, die sich in ganz Europa und weltweit entwickelt, wird jedoch nicht einfach dahinschwinden. Es könnte ein semi-permanenter Aspekt der Situation werden, der die objektive Realität des heutigen Kapitalismus widerspiegelt. Die rechtsextremen Parteien und rassistischen Stimmungen in mancher Schicht werden zwangsläufig abebben und anschwellen. Sie werden ein Faktor bleiben, bis die Arbeiter*innenklasse mächtige neue Massenparteien aufbaut, die die Situation entscheidend prägen und eine sozialistische Alternative bieten können.

Ein entscheidendes Element in unseren Perspektiven wird die Auswirkung sein, die die nächste Rezession oder Krise auf die politischen Perspektiven der Arbeiter*innenklasse und der Jugend haben wird. 2007/8 führte zu einer Radikalisierung in der Stimmung eines Teils der Jugend- und Arbeiter*innenklasse. Sie begannen, den Kapitalismus in Frage zu stellen. Dies führte jedoch nicht zur Entwicklung eines breiten sozialistischen Bewusstseins.

Trotz der Widersprüche und Komplikationen, die sich in der gegenwärtigen Situation entwickelt haben, wäre es ein großer Fehler, wenn wir zu dem Schluss kommen, dass eine erneute Wirtschaftskrise einfach die gleichen Auswirkungen auf die politischen Aussichten haben wird. Nach den Erfahrungen des letzten Jahrzehnts kann eine neue Krise, begleitet von großen sozialen und politischen Umwälzungen, mithilfe unserer Intervention zu einer noch stärkeren Radikalisierung als zuvor und zur Kristallisation eines breiteren sozialistischen Bewusstseins führen. Das CWI kann in vielen Ländern eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung dieses Prozesses spielen.

In allen Ländern hat die Gewerkschaftsbürokratie im Wesentlichen als massive Bremse gewirkt, die die Arbeiter*innenbewegungen zurückhält. Dies war in der letzten Zeit ein wesentlicher Faktor, der dazu beigetragen hat, dass es in Europa keine machtvolle Bewegung der Arbeiter*innenklasse gab. Trotz der Schwächung der traditionellen Sektoren der Arbeiter*innenklasse in Produktion und Industrie besteht diese Schicht immer noch. Kräftige Sektoren der Arbeiter*innen konzentrieren sich auf Transport, Logistik und - in einigen Ländern - auch weiterhin auf das produzierende Gewerbe. Wenn diese Schichten in Kämpfe geraten, werden sie einen entscheidenden Effekt haben. Darüber hinaus haben wir neue Schichten der Arbeiter*innenklasse im Prozess der Entstehung gesehen. Ebenso greifen Teile der ehemaligen Mittelklasse Methoden von Arbeitskämpfen auf.

Die kleinen embryonalen aber sehr bedeutenden Anfangsbewegungen haben zu "McStrike" sowie Streiks und Aktionen prekär Beschäftigte bei Deliveroo, Wetherspoons und TGI Friday in Britannien, Lloyds Chemists in Irland, Foodora, Deliveroo und Just East in Italien, Hyatt rue de la Paix in Frankreich und anderen und auch in Deutschland geführt. Dies sind Vorboten dafür, wie sich diese Schichten in der nächsten Periode bewegen werden. In jüngster Zeit war der weltweite Streik gegen sexuelle Belästigung und Rassismus durch Google-Techniker*innen in den USA, Britannien, Irland, den Niederlanden, Spanien und anderen Ländern von größter Bedeutung. Dies ist die erste Bewegung der „neuen qualifizierten Arbeiter*innenklasse“, die potenziell eine immense wirtschaftliche Macht hat. Nach diesem Streik begannen die ersten vorsichtigen Schritte zur Gründung oder Reform von Gewerkschaften, wie dies schon in der Luftfahrtindustrie der Fall ist.

Gewerkschaften

Die konkrete Situation in den Gewerkschaften ist in jedem Land sehr unterschiedlich. Unsere genaue Taktik und Orientierung muss dies berücksichtigen. Während im Privatsektor in vielen Ländern der gewerkschaftliche Organisierungsgrad zurückgegangen ist, bleibt sie im öffentlichen Sektor deutlich stärker. Es ist äußerst wichtig, dass wir die wichtige Rolle der Gewerkschaften für Marxist*innen und die Arbeiter*innenklasse als Ganzes anerkennen, selbst in Sektoren mit derzeit geringem Organisationsgrad. Ohne die offiziellen Strukturen wie einen Fetisch zu behandeln, ist es wichtig, dass wir einen ultra-linken oder sektiererischen Ansatz vermeiden bezüglich wie wir uns engagieren und unsere Forderungen stellen. Gleichzeitig sollten wir, dort wo nötig, bereit sein, direkt zu den Arbeitsplätzen zu gehen, und uns gegebenenfalls für inoffizielle ad-hoc-Gruppen und -Kampagnen gegen die Gewerkschaftsbürokratie einzusetzen, während wir weiterhin die offiziellen Gewerkschaften dazu auffordern, Maßnahmen zu ergreifen. Dieser Punkt der Arbeit ist von entscheidender Bedeutung für den Aufbau einer festen und soliden Basis in der Arbeiter*innenklasse.

Die herrschenden Klassen Europas sind sich des Ausblicks sozialer Massenexplosionen der Arbeiter*innenklasse in der kommenden Zeit bewusst. Ein Merkmal der jüngsten Periode ist die Tendenz zu verstärkter Repression und zu autoritären Methoden bei Polizeiarbeit und Herrschaftsausübung. Dies wird sicherlich zunehmen. Die Frage der Verteidigung der demokratischen Grundrechte auf Organisation, Protest und Streik müssen wir in unserer Propaganda und unseren Forderungen berücksichtigen. Darüber hinaus werden die wachsenden Umwelt-Krisen, in einigen Ländern ausgedrückt durch Hitzewellen und darauffolgende Dürren, zunehmend zu Angelegenheiten werden, die riesige Bewegungen hervorrufen können.

CWI

Die allgemeine Schlussfolgerung, die wir aus dieser Analyse ziehen müssen, lautet, dass Klassenunterschiede größer werden und soziale und politische Polarisierungen stattfinden. Dies geht einher mit einem Niedergang oder gar dem Zusammenbruch der traditionellen Parteien und Herrschaftsinstrumente der kapitalistischen Klasse.

Das CWI muss sich auf weitere abrupte Änderungen vorbereiten. Neue Möglichkeiten und Perspektiven für den Aufbau unserer Parteien werden sich ergeben. Wir müssen auf große Kämpfe der Arbeiter*innenklasse und anderer Schichten der Gesellschaft vorbereitet sein; insbesondere der Jugend, die aufgrund des Kapitalismus in eine katastrophale Situation gerät. Um die Möglichkeiten zu ergreifen, müssen wir bereit sein, mutige und rasche Veränderungen in unseren Taktiken und Interventionen vorzunehmen und für unser prinzipienfestes sozialistisches Programm zu kämpfen, mit dem Ziel, unsere Basis und Unterstützung in allen Sektoren der Arbeiter*innenklasse, der Jugend und aller vom Kapitalismus Ausgebeuteten aufzubauen und zu stärken.

Kämpfer*innen des Monats: Tunesische Sozialist*innen

Generalstreik des öffentlichen Dienstes am 22.11., allgemeiner Generalstreik am 17.1. - Tunesien kocht. Es geht gegen die Kürzungspolitik der Regierung im Auftrag des IWF. In der ersten Reihe dabei: Die Mitglieder des CWI, die unter den dortigen schwierigen Bedingungen eine revolutionäre Organisation aufbauen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Seiten