Internationales

Kanada - Organisierte Hotelbeschäftigte gewinnen den Kampf um ihren Lebensunterhalt

von Brendan, Sam, Ray and Mason (Socialist Alternative, ISA in Kanada)

Die Mitglieder von Unite Here Local 40 haben einen wichtigen Sieg errungen. Über 500 entlassene Arbeiter*innen in den Hotels Hyatt, Pinnacle und Westin haben sich endlich das "Recht auf Wiedereinstellung" erkämpft, d.h., sie werden zu ihrem früheren Lohn mit den gleichen erworbenen Leistungen wieder eingestellt.

 

Die Verträge der Arbeiter*innen garantierten bisher, dass vorübergehend entlassene Beschäftigte ihren Arbeitsplatz zurückerhalten, wenn das Geschäft wieder zunimmt, aber nur für bis zu 12 Monate. Natürlich rechnete niemand mit einer Pandemie, die die Branche für mehr als ein Jahr lahmlegen würde. Die Arbeiter*innen haben zu Recht argumentiert, dass diese Wiedereinstellungsrechte unter den gegebenen Umständen verlängert werden sollten, aber die Hotels haben sich geweigert, dies zu tun. Auch die NDP-Regierung war trotz der Appelle der Arbeiter*innen nicht bereit, einzugreifen. Anstatt aufzugeben, organisieren sich die Arbeiter*innen der Hotels in Vancouver und schlagen zurück und haben nun einen wichtigen Sieg im Kampf um die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze errungen.

 

Dieser Sieg ist ein Grund zum Feiern! Mitglieder der Socialist Alternative haben mit Unite Here protestiert, mit ihnen gefastet und zuletzt an der gezielten Boykottkampagne mitgewirkt, die den Zugeständnissen der Hotels vorausging. Wir werden weiterhin für und mit den Arbeiter*innen in den Hotels kämpfen, in denen die Verträge noch nicht durchgesetzt wurden. Ein Sieg für die Beschäftigten ist ein Sieg für alle.

 

 

Hotels nutzen die Pandemie aus, um Arbeiter*innen zu ersetzen.

 

 

Als die Pandemie im letzten Jahr die Tourismusbranche lahmlegte, begannen die Hotels, die Situation auszunutzen, um langjährige Arbeiter*innen zu entlassen und sie durch neue Arbeiter*innen zu niedrigeren Löhnen zu ersetzen. Wie wir im letzten Sommer berichteten, traten Arbeiter*innen der Gewerkschaft Unite Here Local 40 vor dem Parlamentsgebäude in einen Hungerstreik und forderten die NDP-Regierung auf, einzugreifen, um ihre Arbeitsplätze zu schützen. Aber Arbeitsminister Harry Bains weigerte sich mit mehr als symbolischen Gesten darauf zu reagieren.

 

 

Die Hotels weigerten sich, die Wiedereinstellung zu verlängern, während sie gleichzeitig CEWS-Gelder der Bundesregierung ablehnten, die die Arbeiter*innen auf der Lohnliste halten sollten (CEWS-Gelder sind staatliche Lohnzuschüssen, Anm. d. Übers.). Und im Dezember 2020, weniger als eine Woche nachdem "Coast Hotels" Dutzende von langjährigen Arbeiter*innen entlassen hatte, besaß die NDP-Regierung die Frechheit, 105 Millionen Dollar an Hilfsgeldern für den Tourismussektor anzubieten, ohne irgendwelche Vorgaben zum Schutz der Arbeitsplätze! Die angeblich arbeitnehmerfreundliche NDP-Regierung findet es offensichtlich viel einfacher, sich für die Interessen von Eigentümer*innen und Manager*innen einzusetzen, als den Arbeiter*innen zu helfen, deren Lebensunterhalt auf dem Spiel steht.

 

 

Ab Herbst 2020 verlangten die großen Hotels in Vancouver, dass die Arbeiter*innen, mehrere Teile ihres Vertrags dauerhaft aufgeben müssten,

 

um überhaupt über die Ausweitung von Rückkehrrechten zu diskutieren zu können. Dazu gehörten die Streichung ihrer Krankenversicherung und die Abschaffung bestimmter Arbeitsplätze bei gleichzeitiger Zusammenlegung anderer, so dass eine Person die Arbeit von zwei oder drei erledigen müsste! Diese Änderungen wären vor der Pandemie völlig unvertretbar gewesen. Das zeigt, wie hart die Arbeiter*innen kämpfen müssen, um ihre Errungenschaften zu behalten und wie rücksichtslos das Management jede Gelegenheit nutzen wird, um sie zurückzunehmen.

 

Arbeiter*innen wehren sich 

 

 

Im Januar und Februar 2021 organisierten sich die Arbeiter*innen in ihren Gewerkschaften, um sich gegen das Management zu wehren. Unite Here Local 40 reichte eine Sammelklage gegen Pan Pacific wegen rücksichtsloser Massenentlassungen von Langzeitbeschäftigten ein, woraufhin die Arbeiter*innen mit überwältigender Mehrheit für den Beitritt zur Gewerkschaft stimmten. 97 Prozent der Arbeiter*innen im Hilton Vancouver Metrotown stimmten für einen Streik und riefen anschließend die Öffentlichkeit zum Boykott des Hotels auf. Danach stimmten 91 Prozent der Arbeiter*innen im Pacific Gateway Hotel für den Streik.

 

 

Ein wichtiges Element der Strategie der Gewerkschaft und der Arbeiter*innen im Kampf um ihre Rückkehrrechte war die Kund*innenboykottkampagne. Bei dieser Kampagne wurden die wichtigsten Kund*innen der Hotels angerufen, um die Situation zu erklären, ihre Fragen zu beantworten und sie zu bitten, die Hotels zu drängen, die Rückkehrrechte der Arbeiter*innen zu verlängern. Fünfundzwanzig Arbeiter*innen und Freiwillige, darunter auch Mitglieder von Socialist Alternative Canada, waren an dieser Kampagne beteiligt.

 

 

Die Hotels waren durch diese neue Taktik eindeutig verunsichert und verlangten bald, dass die Arbeiter*innen und die Freiwilligen ihre Kunden nicht mehr anriefen. Im Gegenzug würden sie die Rückkehrrechte bis zum Sommer 2022 verlängern, aber nur, wenn die Arbeiter*innen alle Kürzungen des Vertrags akzeptieren, die sie von Anfang an gefordert hatten! Die Gewerkschaft weigerte sich und antwortete, dass das neue Angebot nur akzeptiert würde, wenn die Vertragsänderungen zeitlich begrenzt wären (bis zum Ende der Pandemie).

 

 

Die Arbeiter*innen und Freiwilligen verstärkten die Boykottkampagne, indem sie weiterhin die wichtigsten Kunden der Hotels anriefen und nachhakten. Einige Hotels versuchten, mit rechtlichen Schritten zu drohen, aber die Arbeiter*innen ließen sich nicht abschrecken. Es war nur eine Frage von Tagen, bis die Westin, Hyatt und Pinnacle Hotels den Forderungen der Gewerkschaft nachgaben. Die Rückkehrrechte wurden bis zum Sommer 2022 verlängert und die Kürzungen des Vertrages werden nur so lange gelten, bis die Hotels wieder zu 60 Prozent ausgelastet sind, woraufhin der vorherige Vertrag wieder in Kraft treten wird.

 

 

Die Schlacht gewonnen, nicht den Krieg

 

 

Die Arbeiter*innen mögen einen Sieg errungen haben, aber das bedeutet nicht, dass der Krieg vorbei ist. Es gibt noch weitere Hotels, die der Ausweitung der Rückkehrrechte nicht zugestimmt haben, und viele Arbeiter*innen wurden bereits entlassen. Die Arbeiter*innen im Pan Pacific sind gerade der Gewerkschaft beigetreten, haben aber nun die riesige Aufgabe vor sich, ihren ersten Vertrag zu erstreiten. Mehr Arbeiter*innen und Freiwillige müssen an die Telefone und auf die Straße gehen, um den Druck aufrechtzuerhalten. Andere Gewerkschaften und Gewerkschaftsgruppen müssen sich zu Wort melden und sich mit den Arbeiter*innen der Hotels solidarisieren, bis alle Beschäftigten das Recht haben, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, mit guter Bezahlung und sicheren Arbeitsbedingungen.

 

 

Am 8. März nahmen Arbeiter*innen und Befürworter*innen von Unite Here Local 40 an einer Kundgebung in der Innenstadt von Vancouver teil, bei der die Gewerkschaft ihre "BC's Unequal Women-Kampagne" startete. Im Rahmen der Kundgebung und der Kampagne erzählen Frauen ihre Geschichten, darunter auch Immigrant*innen und alleinerziehende Mütter. Viele sind seit Jahrzehnten in der Hotelbranche tätig, und einige stehen kurz vor der Pensionierung. Das sind die Arbeiter*innen, die die Hotelbranche erfolgreich gemacht haben, und jetzt werden sie vom Management vor die Tür gesetzt und stehen vor dem Nichts.

 

 

Es liegt also noch ein langer Weg vor den Arbeiter*innen im Hotelgewerbe, aber die Bedeutung dieses Sieges darf nicht unterschätzt werden. Der von den Arbeiter*innen der Hotels Westin, Hyatt und Pinnacle errungene Deal wird ein mächtiger Präzedenzfall und eine Hilfe in der Kampagne sein. Socialist Alternative Canada ist stolz darauf, zum Sieg der Arbeiter*innen im Hotelgewerbe beigetragen zu haben und wird sie auch weiterhin im laufenden Kampf unterstützen.

 

 

 

Grenz-Krise in den USA: Auch unter Biden gehen Inhaftierungen, Abschiebungen und Ausbeutung weiter

von Jen Narin (Socialist Alternative, ISA in den USA)

An seinem ersten Tag im Amt unterzeichnete Biden siebzehn Durchführungsverordnungen, darunter eine Handvoll mit Bezug zur Einwanderung. Während viele Aktivist*innen und Bürgerrechtsgruppen diese Initiative und Bidens Behauptungen, dass die Einwanderungsreform oberste Priorität haben würde, zunächst feierten, ist die Fassade inzwischen abgebröckelt. Die Abschiebungen gehen weiter, Kinder sitzen weiterhin an der Grenze fest, getrennt von ihren Familien. Das meiste, was seine Regierung bisher erreicht hat, ist einfach das Rückgängigmachen einiger der immensen Schäden, die Trump angerichtet hat. Es gibt jedoch Komponenten von Trumps Einwanderungspolitik, die Biden stillschweigend fortgesetzt hat, wie seine Berufung auf Titel 42, einen Abschnitt des Gesetzes zur öffentlichen Sicherheit, der es der US-Regierung erlaubt, Nicht-Staatsbürger*innen die Einreise zu verweigern, wenn es im "Interesse der öffentlichen Sicherheit" ist. Er hat einige Ausnahmen davon gemacht, aber die Krise an der Südgrenze besteht weiter.

Sofortiges Handeln ist notwendig, um Trumps Vorstöße zurückzudrängen und das Leid der Immigrant*innen an der Grenze und in den USA zu lindern, und doch hat Biden argumentiert, dass zu schnelles Handeln "das Letzte ist, was wir brauchen." Bidens Herangehensweise an die Welle mittelamerikanischer Immigrant*innen an der südlichen Grenze ist völlig unzureichend und trägt wenig dazu bei, die schlimmen Bedingungen, die die Menschen dazu veranlassen, aus ihrer Heimat zu fliehen, überhaupt erst zu beseitigen.  

Bidens Ansatz zur Immigration

In seinen ersten Wochen im Amt beendete Biden das Einreiseverbot für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern, bewahrte und stärkte das Deferred Action for Childhood Arrivals (DACA)-Programm (ein Programm, dass die Situation minderjähriger, illegalisierter Migrant*innen verbessert, Anm. d. Übers.)), beendete den Bau der Grenzmauer und machte Trumps Exekutivanordnung rückgängig, die Sanctuary Cities entmachtet (gemeint sind Städte, die illegalisiere Migrant*innen unterstützen, Anm. d. Übers.).

Bidens Anordnungen stellen Verbesserungen dar, aber wie sie umgesetzt werden sollen ist nur vage formuliert. Zum Beispiel setzt Bidens Anordnung zur Familienzusammenführung eine Arbeitsgruppe ein, die sich mit dem Thema befassen soll, ohne einen bestimmten Zeitplan zu nennen, und es gibt keine Garantie, dass die Familien bleiben dürfen, was bedeutet, dass sie von sofortiger Abschiebung und erneuter Trennung bedroht sein könnten.

Biden hat auch den U.S. Citizenship Act of 2021 als Versuch einer tiefgreifenderen Änderung des US-Einwanderungssystems eingeführt. Dieses Gesetz würde für schätzungsweise 11 Millionen Immigrant*innen ohne Papiere einen Weg zur Staatsbürgerschaft nach acht Jahren bieten, sofern die Antragsteller*innen Hintergrundprüfungen bestehen, ihre Steuern bezahlt haben und bis zum 1. Januar 2021 in den USA angekommen sind. Der Vorschlag sieht auch einen beschleunigten Weg zur Staatsbürgerschaft für Landarbeiter*innen und DACA-Empfänger*innen vor.

Bidens Vorschlag ist Teil eines langfristigen Projekts, das bis in die frühen 2000er Jahre der Einwanderungsreform zurückreicht. Das aktuelle archaische Einwanderungssystem weist viele Menschen an der Grenze ab. Diejenigen, die doch in die USA einreisen, sind extremer Ausbeutung und ständiger Angst vor Abschiebung ausgesetzt. Dies erlaubt es amerikanischen Unternehmen, die Angst vor der Abschiebung auszunutzen, um extrem niedrige Löhne an Arbeiter*innen zu zahlen, die unter unsicheren Bedingungen harte Arbeit verrichten und keine Rechtsmittel haben. Das treibt die Löhne insgesamt nach unten, was von der herrschenden Klasse strategisch genutzt wird, um Immigrant*innen und in den USA geborene Arbeiter*innen gegeneinander auszuspielen.

Trotzdem sind große Teile des amerikanischen Kapitals für eine Einwanderungsreform. Die US-Handelskammer und große Konzerne unterstützen Reformbestrebungen seit Jahren. Es liegt in ihrem Interesse, zu wissen, wer alle undokumentierten Immigrant*innen im Land sind und deren Status zu regularisieren. Gleichzeitig sperrt der extrem lange Weg zur Staatsbürgerschaft mit vielen Hindernissen die Menschen in einen Status zweiter Klasse ohne wirklichen Schutz, was ihre Überausbeutung durch Konzerne ermöglicht.

Bidens Gesetzgebung zielt darauf ab, die Zahl der eingewanderten Arbeiter*innen zu erhöhen, die Interessen des Großkapitals zu beschwichtigen und die Immigrant*innen auf eine achtjährige Reise mit endlosen Hürden zu schicken, um schließlich die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Das alles ist Teil ihres Projekts, die Löhne zu drücken und gleichzeitig die Solidarität der Arbeiter*innenklasse zu untergraben.

Zum Beispiel beseitigt das Gesetz Quoten für Visa pro Land, was speziell indischen Immigrant*innen helfen wird, die den Löwenanteil der Visa-Inhaber*innen in den USA ausmachen und von denen viele einwandern, um für Tech-Unternehmen zu arbeiten. Genau diese Unternehmen, wie Google und Facebook, haben sich für diese Reform eingesetzt, um einen Zustrom hochqualifizierter, ausbeutbarer Arbeiter*innen zu garantieren.

Bidens Vorschlag erinnert stark an das 1990 von Bush unterzeichnete Einwanderungsgesetz. Das Gesetz erhöhte die Obergrenzen für die Einwanderung und führte fünf beschäftigungsbasierte Stufen ein, die dazu dienten, bestimmten strategischen Gruppen von Arbeiter*innen aus Sicht der US-Wirtschaftsinteressen Priorität einzuräumen und Visa zu erteilen. Wie Bidens Vorschlag half dies Technologieunternehmen, Arbeitsvisa für Immigrant*innen zu beschleunigen, die über "außergewöhnliche" Fähigkeiten verfügten. Indem er einen "Weg zur Staatsbürgerschaft" anbietet, wird Biden einen Drittklassestatus für Millionen von Menschen schaffen und die in Amerika geborene Arbeiter*innenklasse und Immigrant*innen weiter spalten. Bidens Haltung ist klar: eine Einwanderungsreform zu kapitalistischen Bedingungen.

Einwanderung unter dem US-Kapitalismus

Das waren schon immer die Bedingungen des US-amerikanischen Einwanderungssystems. In den späten 1800er und frühen 1900er Jahren nutzten die USA die großen Wellen von Migrant*innen, die ins Land kamen, überwiegend aus Europa, und verordneten eine Politik der "offenen Tür". Die Rockefellers und Carnegies suchten verzweifelt nach ausbeutbaren Arbeitskräften für die aufstrebenden Industrien des Landes. Sie nutzten die Immigrant*innen gerne aus, indem sie ihnen weniger zahlten, sie in überfüllte, baufällige Wohnungen zwangen und eine einwandererfeindliche Stimmung schürten, um sie gegen in den USA geborene Arbeiter*innen auszuspielen.

Die USA beendeten ihre Politik der "offenen Tür", als der Erste Weltkrieg endete und die Zahl der Arbeitslosen und wirtschaftlich Verzweifelten in die Höhe schoss. Der Nativismus in den USA nahm ebenfalls zu, und die herrschende Klasse machte sich dies zunutze, indem sie eine strengere Einwanderungspolitik verordnete und Fremdenfeindlichkeit schürte, um die revolutionäre Linke und die militante Arbeiter*innenbewegung, die zu dieser Zeit wuchs, zu zerschlagen. Dazu gehörte auch die Einführung von Quoten, um bestimmte ethnische Gruppen aus dem Land zu halten.

Eine neue Migrationswelle setzte in den späten 1980er Jahren als Folge der neoliberalen Politik ein, die von Republikanern und Demokraten gleichermaßen vertreten wurde. Diese Politik destabilisierte die lateinamerikanischen Länder wirtschaftlich und zwang Millionen Menschen, Arbeit und bessere Bedingungen in den USA zu suchen. Das 1994 von Bill Clinton unterzeichnete Nordamerikanische Freihandelsabkommen zerstörte den mexikanischen Agrarsektor und war einer der Gründe für den massiven Zustrom von Migrant*innen aus Mexiko in dieser Zeit.

Dadurch entstand neuer Druck, das System zu reformieren und eine größere Kontrolle über die Migrant*innen an der Südgrenze zu ermöglichen. George W. Bush versuchte dies in den frühen 2000er Jahren, wurde aber vom einwanderungsfeindlichen Flügel der Republikanischen Partei blockiert. Dieser Flügel wurde ein sehr wichtiger Teil von Trumps Koalition. Während die langfristigen Auswirkungen des Neoliberalismus Mexiko und Mittelamerika weiterhin heimsuchen, zieht sich die Krise an der Grenze hin, mit unsäglichem Leid unter Migrant*innen und Asylsuchenden durch die Hände des US-Einwanderungssystems.

Das Vermächtnis der Demokraten in Sachen Immigration

Wir müssen die neoliberale Politik beenden, die Menschen dazu zwingt, aus ihrer Heimat zu fliehen, um zu überleben. Dazu gehört auch die kapitalistische Zerstörung, die den Klimawandel vorantreibt, der ein wichtiger Faktor für die Migration aus Guatemala, Honduras und El Salvador ist. Biden hat zwar Lippenbekenntnisse abgegeben und kleine Summen an Hilfe für lateinamerikanische Länder versprochen, aber seine starke Verbundenheit mit Geschäftsinteressen und dem US-Imperialismus bedeutet, dass sich nicht wirklich viel ändern wird.

Die Demokratische Partei hat sich lange für Freihandelsabkommen eingesetzt, die lateinamerikanische Länder verwüstet haben, und hat sich heftig gegen die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien und andere Maßnahmen gewehrt, die arme und arbeitende Menschen aus der Armut befreien könnten. Die USA haben linke Politiker*innen von Honduras und Guatemala bis Argentinien und Nicaragua buchstäblich gestürzt, wann immer sie ihre eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen bedroht sahen, und damit die Region massiv destabilisiert.

Wir können nicht darauf vertrauen, dass die Demokraten unter Biden für die Interessen der Migrant*innen kämpfen werden, so wie sie es unter Obama und in den Jahren davor nicht getan haben. In Obamas acht Jahren gab es über drei Millionen Abschiebungen, was ihm den Titel des "Deporter-in-Chief" einbrachte. Während die Medienberichterstattung über Kinder, die in Käfigen festgehalten werden, unter Trump in die Höhe schnellte, baute Obamas Regierung die Käfige und begann die Praxis. Biden hat diese Tradition mit der Eröffnung einer neuen Haftanstalt fortgesetzt und bereits Hunderte von Migrant*innen abschieben lassen, obwohl die Regierung versprochen hat, dies nicht zu tun.  

Was braucht es, um die Rechte von Migrant*innen zu erringen?

Trumps zahlreiche Angriffe auf Migrant*innen rückgängig zu machen, reicht nicht aus, um die Krise zu lösen, mit der diejenigen konfrontiert sind, die in die USA fliehen und mit Ausbeutung und Armut konfrontiert sind, sobald sie hier sind. Ein achtjähriger Weg zur Staatsbürgerschaft ist zwar ein echter Hoffnungsschimmer für viele Millionen Immigrant*innen und ein echter Fortschritt gegenüber der gegenwärtigen Situation, sperrt die Menschen aber in eine Staatsbürgerschaft zweiter Klasse, während sie durch endlose Reifen springen.

Wir müssen für die sofortige, volle Staatsbürgerschaft für alle im Ausland geborenen Arbeiter*innen kämpfen, die in den USA leben. Wir brauchen ein sofortiges Ende aller Abschiebungen und Inhaftierungen von Migranten. Wir müssen dafür kämpfen, das wegen COVID ausgezahlte Helikoptergeld auf alle Menschen auszuweiten, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Wir müssen ICE-Razzien beenden und die Grenze entmilitarisieren, nicht die Kontrollen verstärken. Wir müssen für ein echtes "Green New Deal"-Jobprogramm kämpfen, das nicht nur einheimischen und immigrierten Arbeiter*innen gleichermaßen Arbeit verschafft, sondern auch damit beginnt, die unabwendbaren Klimakatastrophen anzugehen, die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben.

Wir müssen eine vereinigte Bewegung von Migrant*innen und der amerikanischen Arbeiter*innenklasse aufbauen, um gegen die herrschende Klasse und ihre Versuche, uns zu spalten, zu kämpfen. Wir brauchen eine sozialistische Föderation Amerikas, um die imperialistische Ausbeutung zu beenden und für bessere Löhne und bessere Bedingungen für alle zu kämpfen.

Von 2006 bis 2007 kämpfte eine Massenbewegung von Migrant*innen der Arbeiter*innenklasse gegen den Sensenbrenner-Gesetzentwurf, der zu Massenabschiebungen geführt und illegalisierte Immigrant*innen als Schwerverbrecher eingestuft hätte. Diese Bewegung stoppte nicht nur den Gesetzentwurf, sondern verstärkte auch die Solidarität zwischen Arbeiter*innen ohne Papiere und der breiteren amerikanischen Arbeiter*innenklasse. Allerdings gelang es der Bewegung nicht, die Staatsbürgerschaftsrechte für Immigrant*innen zu erlangen, was zu ihrer Hauptforderung wurde.

Migrant*innen wurden schon immer benutzt, um die Löhne zu drücken, und die herrschende Klasse hat immer Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geschürt und aufgepeitscht, um ausländische und in den USA geborene Arbeiter*innen gegeneinander auszuspielen. Um echte Verbesserungen im Leben der Immigrant*innen zu erreichen, müssen diese Spaltungen überwunden und für die ein besseres Leben für aller Arbeiter*innen gekämpft werden, die von den Bossen ausgebeutet und niedergeschlagen werden.

Biden und Xi eskalieren den USA-China-Konflikt weiter

Über Taiwan, Xinjiang und "demokratische Werte" verhärten sich die Fronten im neuen Kalten Krieg.
von Vincent Kolo, chinaworker.info

Joe Biden hat als Präsident, der noch keine 100 Tage im Amt ist, die antichinesische Politik seines Vorgängers Donald Trump fortgesetzt und verschärft. Der Präsident fasst seine Haltung in dem Schlagwort "extremer Wettbewerb" zusammen. Die Erwartung mancher Kreise - auch von Teilen der chinesischen Führung (KPCh) -, dass sich der neue Kalte Krieg zwischen den Supermächten nach Trumps Abgang aus dem Weißen Haus abschwächen würde, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr geht die Tendenz in Richtung weiterer Eskalationen. Davor hatte die ISA bereits vor der US-Wahl im November letzten Jahres gewarnt.

 

Während Trump einen planlosen und oft sprunghaften Ansatz verfolgte, "erbt Biden die zerstörerischen Ergebnisse seines Vorgängers und systematisiert die China-Eindämmungspolitik", stellte die Global Times, ein einflussreiches KPCh-Blatt, fest.

 

Wie wir vorausgesehen haben, verfolgen die Demokraten unter Biden einen eher "ideologischen" Ansatz und benutzen Themen wie Demokratie und Menschenrechte als Tarnung für das, was in Wirklichkeit ein imperialistischer Machtkampf ist, um zu bestimmen, ob Washington oder Peking die ultimative Herrschaft über die Weltwirtschaft ausüben wird. "Dies ist ein Kampf zwischen der Zweckmäßigkeit von Demokratien im 21. Jahrhundert und Autokratien", sagte Biden im März bei seiner ersten Pressekonferenz als Präsident. In Anlehnung an Trump sagte er, China plane, das mächtigste Land der Welt zu werden, aber "das wird nicht unter meiner Aufsicht passieren". (Trump sagte dasselbe 2019).

 

 

Bidens-Regierung hat alle von Trumps Zöllen beibehalten, die für 66 Prozent der chinesischen Exporte gelten. Ähnlich wie ihr Vorgänger verteidigte Handelsministerin Gina Raimondo die Zölle mit der Aussage, sie werde "alle Werkzeuge aus dem Werkzeugkasten so aggressiv wie möglich einsetzen, um amerikanische Arbeiter*innen und Unternehmen vor unfairen chinesischen Praktiken zu schützen."

 

 

Auch im Bereich der Technologie, einem zunehmend zentralen Schlachtfeld im Kalten Krieg zwischen den USA und China, kündigte die US-Regierung im Februar eine "100-tägige Überprüfung" der Ausfallsicherheit der Lieferketten an. Der Fokus wird darauf liegen, Chinas Zugang zu Spitzentechnologien wie hochentwickelten Halbleitern, die für beide Seiten entscheidend sind, einzuschränken.

 

 

Diejenigen, die erwarten, dass die USA in ihrem Tech-Krieg gegen China zurückstecken, "werden enttäuscht sein", prognostizierte James Crabtree von der Lee Kuan Yew School of Public Policy in Singapur. "Biden wird wahrscheinlich eine immer stärker chinesisch geprägte Industriepolitik vorantreiben", sagte er voraus. Das Ziel sei, "globale Chip-Lieferanten dazu zu bewegen, in die USA zu wechseln und China den Zugang zu den fortschrittlichsten Produkten dieser Industrie zu verweigern" (Nikkei Asia 10. März 2021). Dies widerspricht natürlich "den Prinzipien der Marktwirtschaft", wie der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, betonte.

 

 

Im April setzte Washington in einem weiteren Schritt, der darauf abzielt, die Entwicklung des chinesischen Technologiesektors zu behindern, sieben weitere chinesische Computerfirmen auf die schwarze Liste, die sogenannte "Entity List", die ihnen den Zugang zu US-Komponenten verwehrt, da sie Verbindungen zum chinesischen Militär haben. Dies war die erste Erweiterung der schwarzen Liste seit Trumps Amtsantritt. Trumps Regierung hat mehr als 60 chinesische Tech-Unternehmen auf die "Entity List" gesetzt, am bekanntesten ist der Telekommunikationsriese Huawei, der dadurch schwer getroffen wurde.

 

 

Ebenso enthält Bidens vorgeschlagenes 2,25-Billionen-Dollar-Infrastrukturpaket eine klare Komponente des Kalten Krieges. Bei der Ankündigung des Plans im April erwähnte Biden sechsmal China. Wie das Wall Street Journal (Gerald F. Seib, 5. April) bemerkte: "Das Biden-Team sieht das Vorhaben - und will, dass die Chinesen das Vorhaben so sehen - als ein Signal, dass die USA sich in eine bessere Position bringen wollen, um mit Peking wirtschaftlich zu konkurrieren. So markiert die Infrastruktur nur das jüngste Beispiel dafür, wie das Schreckgespenst eines langen Konkurrenzkampfes mit China beginnt, alle Arten von amerikanischen politischen Maßnahmen zu färben, in beiden Parteien." Wie auch dieses Beispiel zeigt, wird die Rivalität zwischen den USA und China zunehmend von beiden Seiten als Waffe eingesetzt, um interne Widerstände zu überwinden und eine Stimmung der "nationalen Einheit" hinter der Regierungspolitik zu erzeugen.

 

 

In den ersten Monaten des Jahres 2021 sind es jedoch die geopolitischen Konflikte zwischen Peking und Washington, die in den Mittelpunkt gerückt sind. Es gibt Spannungen um Xinjiang, Hongkong, Taiwan und umstrittene Territorien im Südchinesischen Meer. In Xinjiang, wo Millionen von hauptsächlich muslimischen Uiguren und andere Minderheiten schrecklichen Unterdrückungen ausgesetzt sind, hat das US-Außenministerium das chinesische Regime des "Völkermordes" beschuldigt und einen möglichen Boykott der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking angedeutet. In Taiwan entfaltet sich ein gefährliches Pokerspiel, bei dem sowohl Peking als auch Washington die Einsätze mit endlosen Militärmanövern und zunehmender psychologischer Kriegsführung erhöhen.

 

 

Selbst in Myanmar, wo eine heldenhafte revolutionäre Generalstreikbewegung für den Sturz der Militärdiktatur kämpft, wächst die Gefahr, dass die Dynamik des Kalten Krieges in die Situation einfließt, sollte die zunehmend blutrünstige Taktik der Armee das Land an den Rand eines totalen Bürgerkriegs treiben. In einem solchen Szenario könnten China, Russland, die USA und möglicherweise andere auswärtige Mächte aus ihren eigenen geopolitischen Gründen intervenieren, indem sie Stellvertretertruppen finanzieren, die wenig mehr als Krokodilstränen für das Volk Myanmars übrig haben.

 

 

Die Eskalation der Spannungen in der riesigen indo-pazifischen Region zwischen dem US- und dem chinesischen Imperialismus, nicht in Form einer direkten militärischen Konfrontation zum jetzigen Zeitpunkt, sondern als Folge einer Spirale von militärischen Übungen, provokativer Diplomatie, Blockbildung und sogenannter "Grauzonen"-Kriegsführung, stellt ein ernsthaftes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung der Region dar und schafft einen potentiellen Nährboden für giftigen Nationalismus und Rassismus.

 

 

Katastrophe in Alaska

 

 

Das erste hochrangige Treffen zwischen Bidens Team und ihren chinesischen Kollegen am 18. und 19. März in Anchorage begann mit einem außergewöhnlichen Schlagabtausch. Am Vorabend des Treffens sanktionierte das US-Außenministerium weitere 24 chinesische und Hongkong-Beamte als Reaktion auf Chinas Entscheidung, Hongkong ein neues politisches System aufzuerlegen, das Peking die volle Kontrolle gibt. Die US-Sanktionen waren weitgehend symbolisch, im Einklang mit früheren Sanktionen der Trump-Regierung, aber ihr Zeitpunkt steigerte die Spannung vor dem Treffen in Alaska.

 

 

Das Alaska-Treffen war laut dem Ökonomen Stephen Roach "ein Desaster". "Die Situation wird immer schlimmer und das muss nicht sein", klagte er. Diese Ansicht teilte auch Allison Sherlock von der Eurasia Group: "Jeder, der gehofft hat, dass es eine signifikante Deeskalation geben würde - vor allem Leute aus der Wirtschaft - kann sehen, dass das nicht möglich sein wird, zumindest nicht in naher Zukunft."

 

 

Die Vertreter*innen beider Regierungen nutzten das Treffen, um sich vor einem großen Publikum zu profilieren. Es war ein historisches, aber eher bizarres Treffen, bei dem jede Seite versuchte, ihre nationalen Stärken herauszustellen. US-Außenminister Anthony Blinken warnte die Chinesen, "nicht gegen Amerika zu wetten" und brandmarkte Chinas Aktionen als "Bedrohung der globalen Stabilität".

 

 

Yang Jiechi, der Direktor des Büros der Zentralen Kommission für Auswärtige Angelegenheiten und Mitglied des regierenden Politbüros Chinas, startete einen vernichtenden Angriff auf die US-Bilanz bei den Menschenrechten, ihren "langen Arm in der Strafverfolgung und der Unterdrückung" und erklärte, dass "Chinas Entwicklung und Erstarken unaufhaltsam sei".

 

 

In einer sechzehnminütigen Rede ohne Übersetzungspause, die offensichtlich eher für die chinesischen Medien als für seine amerikanischen Gastgeber bestimmt war, forderte Yang die Amerikaner*innen auf, China nicht schlecht zu reden: "Die Vereinigten Staaten haben nicht die Qualifikation zu sagen, dass sie mit China aus einer Position der Stärke sprechen wollen." Innerhalb weniger Tage ging diese Aussage in den sozialen Medien Chinas viral. Sogar T-Shirts wurden mit diesem Slogan bedruckt verkauft.

 

Chinas Schwung

Die Bedeutung von Yangs Äußerungen wurde in China und den USA breit diskutiert. Viele westliche Beobachter*innen waren schockiert. China hat seine chauvinistische "Wolfskrieger" -Politik schon früher gegenüber kleineren Mächten praktiziert - Australien, Kanada, Schweden, sogar dem ehemals China-freundlichen Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus - aber noch nie in der jüngeren Vergangenheit hat es Vertreter*innen der USA auf diese Weise angesprochen. Selbst gegenüber den vielen Provokationen Trumps waren die offiziellen chinesischen Stellungnahmen relativ zurückhaltend.

"Die Biden-Regierung bekommt eine Kostprobe von Chinas 'Wolfskrieger'-Politik", lautete eine Schlagzeile in der Washington Post. Mehrere US-Experten kommen zu dem Schluss, dass Yangs Tirade ein Zeichen für das wachsende Selbstvertrauen des chinesischen Regimes und das Gefühl seiner globalen Macht sei. "Die chinesischen Anführer*innen glauben, dass sie Schwung haben und die Zeit auf ihrer Seite ist", sagte der ehemalige chinesische Diplomat Victor Gao gegenüber der Financial Times.

Auch in China ist die offizielle und am weitesten verbreitete Interpretation, dass Yang Chinas Supermachtstatus als gleichwertige oder sogar überlegene Kraft gegenüber den USA artikulierte. Chinesische Medien berichteten ausführlich über Yangs Rede und zogen Vergleiche mit dem demütigenden "Boxer-Protokoll", das 1901 zwischen dem zerfallenden Qing-Reich und der Acht-Nationen-Allianz der Westmächte plus Japan unterzeichnet wurde und China zur Zahlung lähmender Entschädigungen zwang. Die People's Daily der KPCh veröffentlichte Fotos der Niederlage von 1901 und des Treffens in Alaska nebeneinander, um die Botschaft einzuprügeln, dass dies 120 Jahre später ein anderes China ist.

Sowohl die chinesische als auch die US-amerikanische herrschende Klasse müssen Nationalismus und eine äußere Bedrohung schüren, um soziale Unruhen abzufangen, da ihre jeweiligen kapitalistischen Systeme von Krisen und Zerfall geplagt werden. Bidens "Amerika ist zurück" ist ein Remix von Trumps "MAGA", wenn auch mit einer anderen Betonung auf der Bildung "demokratischer Koalitionen" gegen China. Für die chinesische Diktatur gibt es ein zusätzliches Element: Nationalismus und antiwestliche Rhetorik sind untrennbar mit Xi Jinpings Plan zut Herrschaft auf Lebenszeit und dem Machtkampf innerhalb des KPCh-Staates verbunden. Xi plant, bis 2035 zu regieren, was innerhalb der herrschenden Klasse zunehmend zu einer Spaltung führt.

Aber Pekings geopolitische und wirtschaftliche Diplomatie verstrickt sich, wie das Treffen in Alaska zeigte, in Widersprüche. Offensichtlich sind die Spitzendiplomaten der KPCh mit mehr als nur der Absicht nach Alaska gereist, den USA eine Standpauke zu halten. Während der "Wolfskrieger"-Nationalismus und der chinesische Triumphalismus die Markenzeichen von Xi Jinpings Herrschaft sind, gibt es hinter dieser Fassade eine tiefe Verunsicherung.

Innerhalb des chinesischen Staates wächst der Druck, zu versuchen, die Spannungen zu entschärfen oder zumindest einige "Leitplanken" um die Beziehung zwischen den USA und China zu bauen, um zu verhindern, dass der Konflikt weiter außer Kontrolle gerät. Das alte Sprichwort über das Reiten eines Tigers - dass es nur noch schwer möglich ist, abzusteigen - trifft auf die heutige Regierungsgruppe zu. Xis Nationalismus und sein harter, repressiver Kurs haben sich zu einem Hindernis für den Handlungsspielraum des Staates und seine außenpolitische Flexibilität entwickelt, was wiederum die Risiken für seine exportabhängige Wirtschaft erhöht.

Dieses Dilemma wird in zwei Leitartikeln der notorisch nationalistischen Global Times hervorgehoben. Am 9. April argumentierte sie, dies sei "nicht der richtige Zeitpunkt, um mit Washington zu streiten", während am 15. April dieselbe Leitartikelseite argumentierte: "China sollte sich bemühen, den Rahmen der chinesisch-amerikanischen Beziehungen zu stabilisieren, auch wenn es um einen harten Wettbewerb geht".

Es überrascht daher nicht, dass das Treffen in Alaska eine Reihe von widersprüchlichen Botschaften der chinesischen Regierung hervorbrachte. Chinesische Beamte bezeichneten das Treffen als "strategischen Dialog" und bezogen sich dabei auf die jährlichen Treffen auf höchster Ebene, die während der Präsidentschaften von Bush und Obama stattfanden und die von Trump abgeschafft wurden. Die US-Seite wies dies zurück. "Dies ist kein strategischer Dialog", sagte Blinken. "Es gibt zu diesem Zeitpunkt keine Absicht für eine Reihe von Folgeaktivitäten."

Chinesische Medien berichteten, die beiden Seiten hätten sich darauf geeinigt, während der Gespräche in Alaska eine gemeinsame Arbeitsgruppe zum Klimawandel einzurichten. Aber auch zu diesem Punkt sagten US-Beamte, dass keine solche Vereinbarung getroffen worden sei.

Eine mögliche Interpretation ist, dass Xis Regime größere Hoffnungen in das Treffen gesetzt hatte; dass zumindest einige oberflächliche diplomatische "Knochen" geworfen werden würden, die es Peking erlauben würden, das Treffen als Fortschritt zu präsentieren und den Anschein einer "Stabilisierung" in den Beziehungen zwischen den USA und China zu erwecken. Dass die KPCh, zumindest nach außen hin mehr als die US-Seite, nach einer solchen "Auszeit" sucht, ist ein Hinweis auf den realen Druck, dem sie wirtschaftlich und politisch ausgesetzt ist, während der Konflikt weitergeht.

Pekings zunehmender Rückgriff auf strategische Übertreibungen, seine Tendenz, die eigene Hand zu überreizen, verbirgt ernsthafte Schwächen. Das gilt natürlich für beide Supermächte, die beide verschuldet sind, die beide auf einer explosiven sozialen Ungleichheit aufbauen und die beide in einem globalen kapitalistischen System verwurzelt sind, in dem sie nicht mehr konfliktfrei koexistieren können.

Es gibt große Bedenken, dass Chinas Wirtschaft durch die westliche Abkopplung ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen wird, was sich noch beschleunigen könnte, wenn die "Dynamik der Seitenwahl" des Kalten Krieges zum Tragen kommt. Das ist schließlich der ganze Sinn von Bidens blockbildendem Ansatz, sich mit den US-Verbündeten abzustimmen (und sie stark zu machen). Xis Strategie der "doppelten Zirkulation", die 2020 eingeführt wurde, um sich auf Chinas Binnenkonsum als Schlüssel zur Expansion zu konzentrieren, funktioniert besser als Propaganda denn als realistisches Wirtschaftsmodell.

Chinas Binnenkonsum ist im globalen Vergleich sehr niedrig und die Versuche der letzten zwei Jahrzehnte, dies zu ändern, sind gescheitert. Im Jahr 2001, als China der Welthandelsorganisation beitrat, betrug der Anteil des Haushaltskonsums am BIP 45,5 Prozent. Dieser Anteil sank auf 34,3 Prozent im Jahr 2010 und hat sich laut Weltbank allmählich auf 39 Prozent erholt. Das ist selbst im Vergleich zu anderen sogenannten Entwicklungsländern schlecht, mit Quoten von 65 Prozent in Brasilien, 60 Prozent in Indien und 50 Prozent in Russland.

Tiefgreifende strukturelle Faktoren sind der Grund für Chinas geringe Konsumausgaben; niedrige Löhne und das Fehlen von Sozialleistungen und medizinischer Versorgung, die die Menschen zum Sparen zwingen. Diese Probleme werden nun durch die demografische Zeitbombe einer alternden und bald schrumpfenden Bevölkerung verschärft, was auch eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung bedeutet. Die reale Situation für Chinas Arbeiter*innenklasse und Arme ist meilenweit von der triumphalistischen Propaganda der KPCh entfernt. Offiziell wurde die extreme Armut ausgerottet - unter Xis persönlicher Führung (!) - aber basierend auf den Messungen der Weltbank leben in China immer noch 200 Millionen Menschen in extremer Armut.

Die chinesische Diktatur wurde durch Bidens sofortige Übernahme einer aggressiven Kalter-Krieg-Haltung aufgeschreckt. Peking hatte mit einer längeren Atempause gerechnet, da Washington mit politischen und wirtschaftlichen Krisen und dem katastrophalen Ausmaß der Pandemie beschäftigt ist.

Der Quad

Eine Woche vor dem Treffen in Alaska, am 12. März, leitete Biden das erste Gipfeltreffen des Quadrilateralen Sicherheitsdialogs (Quad) mit Australien, Japan, Indien und den USA. Der Quad, der nach dem Tsunami im Indischen Ozean 2004 ins Leben gerufen wurde, war zuvor kaum mehr als ein Gesprächsforum. Im neuen Kalten Krieg wird er jedoch umgestaltet, um als militärisches und geopolitisches Gegengewicht zu China im Indo-Pazifik zu agieren. "Chinas Alptraumszenario einer 'östlichen NATO' beginnt Gestalt anzunehmen", kommentierte Shi Jiangtao in der South China Morning Post.

Der Zeitpunkt des "historischen" Quad-Treffens als Bidens allererster Gipfel war eine unmissverständliche Warnung an Peking. Die vier Länder hätten "die Quad auf eine neue Ebene gebracht", behauptete Jake Sullivan, Bidens nationaler Sicherheitsberater. Ein entscheidender Wandel hat auch mit Indien stattgefunden, das zuvor sowohl dem Quad als auch einer engeren Bindung an die USA gegenüber zurückhaltend war und sich nun mit mehr Nachdruck in das von den USA geführte Lager bewegt.

Ein wichtiger Faktor hinter diesem Umschwung ist der letztjährige militärische Konflikt zwischen China und Indien an der umstrittenen Grenze im Himalaya, der die ersten militärischen Todesopfer seit 1967 forderte. Dieser Konflikt in der indischen Region Ladahk, die aufgrund ihrer kulturellen und historischen Verbindungen mit dem von China kontrollierten Tibet als "Klein-Tibet" bekannt ist, hatte kaum eine andere Logik als die, die politische Autorität der Regierungen Modi und Xi zu untermauern. China scheint einige kleinere militärische Gewinne aus der Konfrontation gezogen zu haben, allerdings zu erheblichen Kosten in wirtschaftlicher und geopolitischer Hinsicht. Wie an vielen anderen Fronten ist Xis unnachgiebiger "Wolfskrieger"-Ansatz in der Lage, kurzfristige Propagandasiege zu erringen, allerdings um den Preis, neue Krisen zu erzeugen und Chinas Position längerfristig zu unterminieren.

Die US-Waffenverkäufe an Indien stiegen von 6,2 Millionen Dollar im Jahr 2019 auf 3,4 Milliarden Dollar im Jahr 2020, und Modis Regierung unterzeichnete Abkommen, die es amerikanischen und australischen Streitkräften erlauben, auf indischen Stützpunkten aufzutanken. Der US-geführte Versuch, die Quad aufzubauen, geht über die militärische Zusammenarbeit hinaus. Auf dem Gipfel am 12. März wurde vereinbart, dass Japan und die USA die indische Produktion von einer Milliarde zusätzlicher Covid-19-Impfdosen für die Verteilung in Südostasien finanzieren werden.

Der Vorstoß des Quads in die "Impfstoffdiplomatie" ist eindeutig darauf ausgerichtet, sein Profil als Gegenpol zum wachsenden Einfluss Chinas in der Region zu schärfen. Doch die Initiative stieß fast sofort auf Schwierigkeiten. Indien, "die Apotheke der Welt", die 60 Prozent aller Impfstoffe weltweit produziert, kündigte Ende März einen Stopp der Impfstoffexporte an, weil die Zahl der Covid-19-Infektionen im eigenen Land gestiegen war. Die Global Times konnte ihre Schadenfreude über Neu-Delhis Missgeschick nicht verbergen: "Anstatt sich auf die Eindämmung der Epidemie zu konzentrieren, löste Indien durch sein opportunistisches Verhalten eine Reihe von Streitigkeiten mit seinen Nachbarn, einschließlich China, aus."

Bidens Entscheidung, Japans Premierminister Yoshihide Suga Mitte April nach Washington einzuladen, sein erstes persönliches Treffen mit einem führenden Politiker der Welt, spiegelt die gleiche strategische Botschaft wider. Ihre Gespräche konzentrierten sich auf China und insbesondere auf dessen militärische Aktivitäten im Süd- und Ostchinesischen Meer. Die gemeinsame Erklärung, die nach den Gesprächen der beiden Politiker*innen herausgegeben wurde, enthielt den ersten Verweis auf Taiwans Sicherheit seit 1969, eine offensichtliche Provokation in den Augen Pekings.

Sugas Neigung zu einer offeneren konfrontativen Haltung gegenüber China, obwohl es Japans größter Exportmarkt ist, spiegelt eine breitere kämpferische Verschiebung in Japans regierender Liberaldemokratischer Partei wider, wobei Vorschläge kursieren, den USA nachzueifern und einen Verteidigungsvertrag mit Taiwan abzuschließen. Biden und Suga verpflichteten sich auch, in Bereichen wie 5G, künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Genomik und Halbleiter-Lieferketten zu kooperieren - alles klar gegen China gerichtet.

Der US-Regierungschef will außerdem später im Jahr einen "Gipfel für Demokratie" veranstalten, als Teil seines Vorstoßes, eine Allianz hauptsächlich westlicher "demokratischer" Mächte in einer Einheitsfront gegen den "Autoritarismus" wiederzubeleben - ein bequemes Etikett für China, aber auch für Russland, Iran, Nordkorea und andere Regime mit einer anderen Tagesordnung als der des US-Imperialismus.

Wie Marxist*innen und die ISA erklärt haben, unterstützen wir zwar den Massenkampf gegen autoritäre Herrscher*innen wie in Myanmar, Thailand und Hongkong, aber den Kapitalist*innen und Imperialist*innen geht es nur um wirtschaftliche Kontrolle und im heutigen Umfeld des Kalten Krieges darum, auf Kosten der anderen Seite geopolitische Vorteile zu erlangen. Solange diese Interessen bedient werden, sind politische Systeme, ob "demokratisch" oder nicht, für die USA, China und andere Imperialist*innen völlig zweitrangig.

Die US-Regierung unterstützt drei Viertel der Diktaturen auf der Welt militärisch, mehr als China oder Russland. Auf die Frage, wer Autoritarismus und repressive Herrschaft fördert, lautet die Antwort: die Kapitalist*innen und Imperialist*innen in beiden Lagern des Kalten Krieges. Wie Myanmar deutlich gezeigt hat, erfordern demokratische Rechte einen Massenkampf der Arbeiter*innen und der Jugend, und dieser Kampf kann seine Hoffnungen auf keine der konkurrierenden Mächte setzen.

EU-China-Abkommen "jetzt auf Eis"

Trotz der ersten scheinbaren Erfolge wird Bidens Strategie der Blockbildung unweigerlich auf ernsthafte Hindernisse und Rückschläge stoßen. Beide Lager im neuen Kalten Krieg agieren in einem viel fragileren und unbeständigeren Umfeld als der Kalte Krieg des 20. Jahrhunderts. Anders als in den prägenden Jahren dieses Konflikts, nach dem Zweiten Weltkrieg, wird die Weltwirtschaft heute von schweren, hartnäckigen Krisen geplagt.

Das Schicksal von Chinas Investitionsabkommen mit der EU, dem Comprehensive Agreement on Investment (CAI), ist eine nützliche Lektion, wie schnell sich die Dinge ändern und vermeintliche Siege verspielt werden können. Als dieses Abkommen Ende 2020 zwischen Xi Jinping und den Regierungschef*innen der EU, vor allem Merkel (Deutschland) und Macron (Frankreich), unterzeichnet wurde, wurde es als geopolitischer Coup Chinas gefeiert, der möglicherweise einen Keil zwischen Europa und die kommende Biden-Regierung treiben würde.

Wie wir zu der Zeit feststellten:

"China mag den Anschein erwecken, in der letzten Zeit mit RCEP und dem China-EU-Deal sowie der scheinbar unaufhaltsamen Ausweitung der KPCh-Macht in Hongkong beeindruckende diplomatische und wirtschaftliche Siege über die USA errungen zu haben, aber dabei geht es möglicherweise mehr um Symbolik als um Substanz. Mit zunehmenden wirtschaftlichen Widersprüchen und Spannungen in der nächsten Periode könnten diese 'Siege' schnell vergessen sein und durch neue Konflikte ersetzt werden." (US-China Cold War - Will There Be Another World War? Von Peter Chan, basierend auf einer Rede vom 30. Januar 2021).

Als Ende März der Sanktionskonflikt um Xinjiang eskalierte und Peking erstmals mit (ebenso symbolischen) eigenen Sanktionen gegen die USA, Großbritannien, Kanada und die EU zurückschlug, stürzte dies die CAI in eine Krise. Die Entscheidung der EU, sich der von den USA angeführten Sanktionsrunde anzuschließen, hat Xis Regime besonders verärgert und offenbar auch überrascht. Es waren die ersten europäischen Sanktionen gegen China seit 1989. Politische Positionen verhärteten sich daraufhin im Europäischen Parlament - das das Abkommen ratifizieren muss - und in mehreren europäischen Ländern, in denen Politiker*innen, NGOs oder Denkfabriken von Chinas Rache-Sanktionen betroffen waren. Sowohl die EU als auch Xis Regime erhielten eine Lektion in der Tatsache, dass Nationalismus und die Verteidigung der "nationalen Ehre" eine wechselseitige Sache sein können.

"Die Ratifizierung dieses Paktes durch das Europäische Parlament liegt jetzt auf Eis und ist möglicherweise im Permafrost begraben, als Ergebnis von Chinas Sanktionen gegen mehrere Euro-Gesetzgeber", erklärte The Economist. Der offensichtliche Mangel an Finesse der KPCh, wenn es darum geht, Wahlpolitik zu verstehen, ist eine mögliche Erklärung dafür, warum sie sich dafür entschieden hat, Politiker*innen aus dem gesamten Parteienspektrum zu sanktionieren, anstatt einen eher "taktischen" Ansatz zu wählen, um die Gegenreaktion zu begrenzen.

Dass ein Deal, der von Kapitalist*innen und großen Unternehmen sowohl in Europa als auch in China favorisiert wird, nun in der Schwebe hängt, zeigt erneut, wie der Kapitalismus in die Ära der "Geoökonomie" übergegangen ist, was ein anderer Begriff für einen zwischenimperialistischen Konflikt ist. "Wir haben sieben Jahre lang über den Deal verhandelt", sagte Jörg Wuttke, Chef der Europäischen Handelskammer in China, gegenüber der Financial Times. "Jetzt sieht es so aus, als würde es weitere sieben Jahre dauern."

Das Sanktionsspiel von allen Seiten ist zynisch und heuchlerisch. Nach dem Vorbild des “Magnitsky-Gesetzes" sind diese Sanktionen das diplomatische Äquivalent von Mückenstichen, die auf Einzelpersonen, Regierungsbeamte oder Institutionen abzielen, mit Reise- und Finanzbeschränkungen, aber nur symbolischen Schaden anrichten. Einige Teile der Demokratiebewegung in Hongkong zum Beispiel und auch einige uigurische Exilgruppen glauben, dass diese Sanktionen etwas bewirken. Aber es gibt kein einziges Beispiel, in dem dies die nationale Politik, ob repressiv oder nicht, verändert hätte. Vielmehr erlauben sie den Regierungen, sich zur Verteidigung von "Prinzipien" zu positionieren und gleichzeitig den Nationalismus zu schüren. Das erschwert die Entwicklung von Massenkämpfen, die der einzige Weg sind, um Gleichheit, demokratische Rechte und ein Ende der repressiven Herrschaft zu erreichen, anstatt sie zu unterstützen.

In Großbritannien ist unter mehreren Tory-Politiker*innen, die von Chinas Sanktionen betroffen sind, Iain Duncan Smith, ein ehemaliger Vorsitzender der rechtsgerichteten Konservativen Partei, der in letzter Zeit zu einem Kritiker der Menschenrechtsverletzungen in China und Hongkong geworden ist. Offensichtlich genießt Duncan Smith seinen plötzlichen Heldenstatus und sagte, er würde die chinesischen Sanktionen wie ein "Ehrenabzeichen" tragen.

Aber das ist derselbe Duncan Smith, der Minister in der Regierung von David Cameron war, die 2015 eine "goldene Ära" in den Beziehungen zwischen Großbritannien und China ausrief und behauptete, Chinas "bester Partner im Westen" zu sein. Dementsprechend wurde Großbritannien im selben Jahr das erste westliche Land, das sich als Gründungsmitglied von Xi Jinpings Asiatischer Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB), dem finanziellen Arm der Gürtel- und Straßeninitiative (BRI) in Asien, anmeldete. Dies zog eine scharfe Rüge der Obama-Regierung über "einen Trend zur ständigen Anpassung an China" durch Camerons Regierung nach sich.

Als die liberalen pro-demokratischen Persönlichkeiten Anson Chan Fang On-sang und Martin Lee Chu-ming aus Hongkong 2014 London besuchten, um Unterstützung für demokratische Reformen aufzubauen, weigerte sich Cameron, sie zu treffen. Lee sagte später: "Ich glaube, ich kann die Außenpolitik der britischen Regierung in drei Worten zusammenfassen: mehr China-Handel". Zu dieser Zeit wurde Hongkong von Massenprotesten heimgesucht, die als Regenschirmrevolution bekannt wurden und sich gegen die Weigerung der KPCh richteten, Wahlen nach dem Prinzip "eine Person - eine Stimme" zuzulassen, um den Regierungschef des Gebiets zu wählen. Die britische Regierung, in der der nun sanktionierte Duncan Smith diente, stellte sich erneut auf die Seite der KPCh und sagte den Hongkongern, dass Pekings Angebot "besser als nichts" sei (Huge Swire, Staatsminister im Außenministerium, vor einem Parlamentsausschuss, Januar 2015).

Xinjiang-Baumwolle

Ebenfalls Ende März brach ein weiterer Streit aus, über Xinjiang-Baumwolle - bei dem es um glaubwürdige Behauptungen über Zwangsarbeit ging - als die Kommunistische Jugendliga, ein Arm des KPCh-Staates, den schwedischen Einzelhändler*innen H&M ins Visier nahm, um eine Online-Boykottkampagne zu starten, die sich auf weitere ausländische Marken wie Nike, Adidas und Zara ausweitete.

Diese Kampagne war kein spontaner Protest des Volkes gegen die westlichen Marken, sondern wurde vom Staat orchestriert. In Bezug auf das Erreichen der Massen scheint die Kampagne auf eine sehr lethargische Resonanz gestoßen zu sein. H&M wurde jedoch plötzlich aus dem Internet in China gelöscht, seine Geschäfte verschwanden aus Online-Karten (abgesehen von Google Maps, das in China blockiert ist) und Ride-Hailing-Apps, und seine Produkte wurden nicht mehr bei den E-Commerce-Giganten Alibaba und JD.com angezeigt.

Die Erklärung von H&M, keine Baumwolle mehr aus Xinjiang zu beziehen, wurde im Oktober letzten Jahres herausgegeben und schlummerte, bis sich die Liga im März entschloss, dies zum Thema zu machen. Der Zeitpunkt - nur wenige Tage nach dem Aufflammen des Sanktionsstreits mit der EU - war kaum zufällig und sollte Druck auf die europäischen Regierungen ausüben, ihr "falsches Handeln" bei der Verhängung von Sanktionen gegen China zu korrigieren.

Frühere nationalistische Boykottkampagnen, zum Beispiel gegen die südkoreanische Supermarktkette Lotte (wegen der Installation von THAAD-Raketen durch das Land) und die NBA (wegen eines Pro-Hongkong-Tweets des Geschäftsführers des Basketballteams Houston Rockets) sind im Allgemeinen mit der Zeit verblasst. Aber im heutigen, zunehmend polarisierten Umfeld des Kalten Krieges steigt die Wahrscheinlichkeit, dass politischer Druck dem Abkopplungsprozess zusätzliches Gewicht verleiht. "Ich erwarte nicht, dass das nachlässt", sagte Surya Deva, ein außerordentlicher Professor an der City University of Hong Kong, der New York Times. "Dies ist eine andere Flugbahn und eine andere Ära."

Das Thema eines Olympia-Boykotts 2022 wird wahrscheinlich wachsen, obwohl die Biden-Regierung, basierend auf ihren bisherigen Aussagen, dagegen ist. Die sich verändernde globale Landschaft stellt zusätzliche Anforderungen und erhöht den Druck auf Sozialist*innen und Aktivist*innen der Arbeiter*innenklasse, sich nicht ablenken oder dazu verleiten zu lassen, das eine oder andere kriegerische imperialistische Lager zu unterstützen. Solche Fehler sind bereits in einigen Teilen der Linken, aber auch in aufkommenden antiautoritären Kämpfen zu beobachten - entweder lehnen sie sich an das US-Lager an, in dem Irrglauben, dass dessen "demokratische" Ansprüche tatsächlich etwas zählen, oder sie unterstützen die prokapitalistische Diktatur von Xi in dem Irrglauben, sie betreibe "Antiimperialismus".

Die Aufgabe der ISA ist es, mit harten Fakten und klaren Analysen beide Lager des Kalten Krieges zu entlarven. Wir erklären, dass nur die Arbeiter*innenklasse, nicht irgendeine der kapitalistischen Regierungen, einen Weg aus der Krise der Menschheit weisen kann, und dies erfordert, dass die Arbeiter*innenbewegung ihre politische Unabhängigkeit bewahrt, ihre Organisationen aufbaut und sich über nationale Grenzen hinweg um das Programm des internationalen Sozialismus herum vereint.

Irland: #CancelTheLC

Moritz Bauer

Mit Online-Protest konnten irische Schüler*innen während Covid die Abschlussprüfungen stoppen.
Bereits 2020 gab es Proteste gegen Abschlussprüfungen: Gegen Deutschlands Abitur-Durchführung oder einen Algorithmus zur Berechnung der Noten in Großbritannien, der Schüler*innen massiv benachteiligte. In Irland wollte das Bildungsministerium bis Anfang Mai 61.000 Schüler*innen zur Prüfung antreten lassen.
Dies traf wegen Corona und ohnehin hoher Belastung auf große Wut. Knapp 25.000 Schüler*innen nahmen an einer Online-Abstimmung der Schüler*innengewerkschaft ISSU teil, 79% forderten die Absage. Als Mick Barry, Parlamentarier der Socialist Party (SP, ISA Irland) und die Socialist Students (eine Kampagne der SP) für 6. Mai zur Online-Kundgebung aufriefen, beteiligten sich rund 2.500 Schüler*innen, diskutierten nächste Schritte und 1.500 wollten weiter aktiv werden. Am nächsten Tag konfrontierte Mick Barry im Parlament und Tausende in sozialen Medien die Politiker*innen mit ihrer Ablehnung und brachten #CancelTheLeavingCert und #CancelTheLC in die Twitter-Trends. Das Ministerium sagte daraufhin die Prüfungen ab, stattdessen wurden die Noten aus bisherigen Beurteilungen und Leistungen errechnet. 2021 gehen die Schüler*innen, unterstützt von der SP, einen Schritt weiter und fordern, allen Schüler*innen die Hochschulberechtigung zu geben, um Ungleichheit und Leistungsdruck zu vermindern und allen gute Bildung zu ermöglichen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die Arbeiter*innenklasse ist zurück!

Lukas Kastner

Die Arbeiter*innenklasse ist der entscheidende Faktor im Kampf für demokratische und soziale Rechte.
Der von der South African Federation of Trade Unions organisierte Generalstreik am 24. Februar war bereits der zweite innerhalb eines halben Jahres. Schon am 7. Oktober 2020 beteiligten sich erstmals nach Ende der Apartheid alle Gewerkschaften am Streik gegen die Regierung. Neben Lohnkürzungen und schlechtem Covid Management wurden auch Sexismus, Umweltzerstörung und die ANC Regierung insgesamt angeprangert. 
Immer öfter betreten Arbeiter*innen die politische Bühne als Klasse und kämpfen gegen die verschiedensten kapitalistischen Missstände und Unterdrückungen. In Myanmar stellten sich – ausgehend vom Gesundheitsbereich - Arbeiter*innen von Beginn an gegen den Putsch des Militärs. Am 22. Februar nahmen Hunderttausende am Generalstreik teil. Auch die Protestwelle 2020 gegen Diktator Lukaschenko in Belarus wurde von Beschäftigten durch Demos und Streiks getragen. 
Hinzu kommen weltweite Proteste gerade im Gesundheits- und Bildungswesen. Dies zeigt den Anfang einer Entwicklung: War nach der Krise 2007/08 noch die „Zivilgesellschaft“ in aller Munde, ist zunehmend der „Streik“ - DAS Kampfmittel der Arbeiter*innenbewegung – das Mittel zum Protest. Widerstand wird kollektiver und gerade die „Systemerhalter*innen“ sehen zunehmend, dass sie und nicht Politiker*innen oder Chefs die Gesellschaft aufrechterhalten. Das Verständnis für die eigene Bedeutung und die damit verbundene Macht wächst. Die Proteste von heute können die Vorboten von großen Umwälzungen sein!  

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Russland: Unabhängige Bewegung nötig

Ein Milliardär ist keine Alternative: Jugendliche kämpfen für Demokratie und soziale Veränderungen!
Franz Neuhold

Unter Slogans wie „Freiheit für alle politischen Gefangenen“, „Putin ist ein Dieb“ und „Nieder mit dem Zaren - Für ein neues 1917“ zogen am 23. Jänner Menschen durch mehr als 100 Städte. Auch wenn der Protest in Moskau in Zahlen wahrscheinlich kleiner war als die Bolotny-Proteste 2012, waren sie dynamischer und jugendlicher. Das wesentliche Merkmal ist, dass trotz enormer Einschüchterungsversuche und staatlicher Gewalt die Bewegung vom fernsten Osten bis zur Schwarzmeerküste reicht. Vor allem reicht der Protest weit über die Person Nawalny und seine bürgerlichen Ansichten hinaus.
Zu dem Protest aufgerufen hatte der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der allem Anschein nach von Agenten des Kreml mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok vergiftet worden war. Ihm droht eine langjährige Gefängnisstrafe. Seine Veröffentlichung eines langen Films führte zig Millionen die Korruption des Putin-Clans vor Augen, inklusive Luxus-Palast!
Keineswegs darf man Nawalnys eigene Laufbahn als extrem rechter Geschäftsmann und Wirtschaftsliberaler vergessen. Er nahm 2012 am rechtsextremen „Russischen Marsch“ gegen die Bolotny-Proteste 2012 teil. Mittlerweile vollzog er jedoch eine Wende weg von rassistischen Positionen hin zum Thema Korruption der herrschenden Eliten. Das spiegelt verändertes Bewusstsein in weiten Teilen der Bevölkerung wider, v.a. bei Arbeiter*innen und Jugendlichen: Man hat die Nase voll von hohen Bildungskosten, prekären Löhnen und der allgemeinen stagnierenden und reaktionären politischen Haltung des Putin-Regimes und ihrer „System-Parteien“ (inkl. der „Kommunistischen Partei“). Nawalnys populistische Unterstützungserklärung des linken US-Politikers Bernie Sanders schockte sogar sein eigenes Milieu der sogenannten liberalen Opposition.
Es fällt auf, dass gerade diese liberalen pro-kapitalistischen Gruppen bei den Protesten keine bedeutende Rolle spielen. Ebenso gibt es jedoch noch keine ausreichend starke sozialistische Kraft, die in der Lage wäre, der Bewegung eine radikale Führung zu geben.
Unsere russische Schwesterorganisation (Sotsialisticheskaya Alternativa) schreibt: „Obwohl viele bewusst protestieren und die Freilassung von Alexej Nawalny und anderen politischen Gefangenen fordern, und es eindeutig eine Stimmung gegen das gegenwärtige Regime und die Korruption gibt, zeigen die Proteste bisher eine immer stärkere Stimmung für den Wunsch nach Veränderungen, ohne ein Verständnis dafür zu zeigen, welche Veränderungen genau notwendig sind. … Auch wenn Nawalny sich 'nach links' entwickelt hat, bleibt er ein liberaler, im Wesentlichen pro-kapitalistischer Politiker. Er hat kein wirkliches Programm zur Lösung der Probleme der russischen Gesellschaft anzubieten. Einen 'ehrlichen Kapitalismus' vorzuschlagen, wird die Probleme des Autoritarismus und der Korruption nicht lösen, da sie vom Kapitalismus selbst verursacht werden. Es ist die klare Verantwortung der Linken, eine klare Alternative dazu anzubieten.“
Die Illusion unter so manchen Linken im Westen, dass Putin irgendeine fortschrittliche Rolle spielen würde, ist absurd und gefährlich. Putin ist einer der energischsten Vertreter des Kapitalismus in einer besonders autoritären bis hin zu militärischen Form.
„Nur ein Kampf gegen den Kapitalismus kann einen Weg nach vorne bieten. Deshalb ist es notwendig, dass die Sozialist*innen mit einem klaren Programm energisch in diese Bewegung eingreifen. … Wir argumentieren, dass wir zunächst eine feste Basis für diese Bewegung schaffen müssen, indem wir Aktionskomitees gründen, die über die Strategie und die Forderungen der Bewegung entscheiden können. Obwohl die Hauptunterstützung für diese Bewegung derzeit von Schüler*innen und Jugendlichen an den Universitäten und in prekären Arbeitsverhältnissen kommt, ist es notwendig, eine feste Verbindung mit der breiteren Arbeiterklasse herzustellen - unsere Forderung nach 300 Rubel pro Stunde und nach kostenloser Gesundheitsversorgung und Bildung wird hier von entscheidender Bedeutung sein - und natürlich treten wir für eine konstituierende Versammlung ein, in der alle Schichten der Arbeiter*innenklasse vertreten sind, damit wir die vollständige Demontage des Putin-Regimes und seine Ersetzung durch eine wirklich freie und demokratische sozialistische Gesellschaft sicherstellen können.“
UPDATE: Bei einem Protest in Kazan (Wolga) wurden Aktivist*innen verhaftet, nachdem den bürgerlich-liberalen Organisatoren unser Transparent nicht gefiel, auf dem "Gegen das Regime, die Unterdrückung und die Armut" stand und zu einem zweistündigen Streik anlässlich des Internationalen Frauentags aufgerufen wurde. Es wird berichtet: „Aufgrund ihrer Beschwerden wurden unsere Unterstützer*innen beim Verlassen der Veranstaltung von der Polizei angegriffen und neun von ihnen verhaftet. Sechs wurden später ohne Anklage freigelassen, zwei wurden zu einer Geldstrafe verurteilt und Dzhavid wurde für sieben Tage ins Gefängnis gesteckt.“ Landesweit lag die Zahl der Gefangenen zum Redaktionsschluss bei über 2600.

Sozialistische Alternative in Russland: www.socialist.news – FB/socaltrus/ - instagram.com/socialist.news/

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Die Blockade des Suezkanal zeigt die Macht der Logistarbeiter*innen

Von Dan O'Rourke

Die jüngste Blockade des Suezkanals durch die "Ever Given" weist auf die Schwachstellen des profitorientierten globalen Logistiksystems hin. Es ist wahrscheinlich, dass dies der erste von vielen "Choke points" (Flaschenhälsen) ist, die den Welthandel in der kommenden Zeit aufhalten werden - weitere werden von Analyst*innen unter anderem in den Schwarzmeerhäfen, im Panamakanal und in der Straße von Malakka gesehen. Da sich die Wetterbedingungen im Zuge des Klimawandels verschlechtern, werden übergroße Schiffe wieder für Schlagzeilen sorgen, da sie den Welthandel zum Erliegen bringen.

 

Mit anderen Augen betrachtet, zeigt der Vorfall auch das Potenzial der Arbeiter*innen auf der ganzen Welt, die heute mehr denn je miteinander vernetzt sind, diese Schwachstellen zu ihrem Vorteil zu nutzen und ihre Interessen zu verteidigen und zu erkämpfen, wenn es nötig ist. Dabei sollten wir aus dem Beispiel früherer Logistikstreiks lernen, bei denen die Arbeiter*innen etwas erreicht haben.

 

Was hat die Blockade verursacht?

 

Der Zwang zur Kostensenkung führt dazu, dass Konstruktionsfehler in die kritische Infrastruktur der meisten profitorientierten Firmen eingebaut werden. Der Suez-Kanal ist da keine Ausnahme.

 

Als die Ever Given (so der Name des Schiffes der taiwanesischen Reederei Evergreen) den Kanal passierte, erfasste starker Wind die Seiten des massiven Schiffes und drückte es gegen das Ufer. Der Kapitän war gezwungen, die Geschwindigkeit zu erhöhen, um den Druck des Windes auszugleichen, der das Schiff auf Grund zu setzen drohte. Die Höchstgeschwindigkeit im Kanal liegt zwischen 7,6 und 8,6 Knoten. Die Ever Given war gezwungen, mit 13,5 Knoten zu fahren, um die Korrekturen vorzunehmen. Das ist fast das Doppelte des Tempolimits. Das Schiff hatte auch keine Schleppereskorte, die den beispiellosen Unfall hätte verhindern können.

 

Die enorme Größe des Schiffes, die Enge des Kanals, das Fehlen einer Schleppereskorte, der starke Wind und die erhöhte Geschwindigkeit trugen dazu bei, dass das Schiff auf Grund lief.

 

In den letzten zehn Jahren hat sich die Größe der Schiffe verdoppelt, von 10k auf 20k Container. In dieser Zeit hat die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) keine Anpassungen der Besatzungsstärke oder der Technologie vorgeschrieben. Im Zuge des Klimawandels werden diese riesigen Schiffe, die größer als jeder Flugzeugträger sind, weiterhin für Schlagzeilen sorgen, da sie aufgrund ihrer unhandlichen Größe, des Mangels an moderner Technologie und der geringen Besatzungsstärke nur schwer gegen die sich verschlechternden Wetterbedingungen ankämpfen können.  

 

Potenzial für Arbeiter*innen

Die Logistik ist entscheidend für das Funktionieren des kapitalistischen Systems und dafür, dass die Produkte von der Fabrik oder dem Bauernhof zu anderen Fabriken, Einzelhändler*innen und schließlich zu den Verbraucher*innen gelangen. Das bedeutet, dass Arbeiter*innen in der Logistik und im Einzelhandel das Potenzial haben, die Mechanik des globalen Profitsystems durcheinander zu bringen, ganz gleich, ob es sich um die Arbeiter*innen auf einem riesigen Schiff handelt oder um die Hand, die das Endprodukt über den Barcode scannt.

 

Seit der Erfindung des Schiffscontainers nach dem 2. Weltkrieg hat sich die Logistikbranche zunehmend konzentriert und monopolisiert. Die Arbeiter*innen in der Logistik sind in weniger Unternehmen und an kleineren geografischen Standorten konzentriert. Dadurch haben sie ein besseres Potenzial, sich zu organisieren und solidarische Beziehungen aufzubauen. Der Versuch der gewerkschaftlichen Organisierung der Arbeiter*innen im Amazon-Werk in Bessemer ist ein solches Beispiel.

 

Heute sind Walmart und Amazon, zwei der größten Arbeitgeber*innen der Welt, im Wesentlichen Logistikunternehmen. Ihr Hauptexport ist Kapital und sie importieren physische Güter. Sie fungieren als wichtige Verteilungszentren für Konsumgüter für die Weltwirtschaft und sind auf schlecht bezahlte Arbeiter*innen angewiesen, um ihre schmalen Gewinnspannen zu halten. Die globale Liefer- und Produktionskette ist weitläufiger als je zuvor, wobei einige Materialien mehrfach um die Welt verschifft werden, bevor sie schließlich zusammengebaut und verkauft werden. Die moderne Produktion basiert auch auf "Just-in-Time"-Prozessen, was bedeutet, dass es nur sehr wenig Raum für Verzögerungen bei der Lieferung von Teilen und Materialien gibt. All dies schafft ein Logistiksystem, das extrem brüchig ist. Ein relativ kleiner, aber organisierter Streik könnte die Illusion eines reibungslosen Betriebs zerstören.

 

Im Folgenden schauen wir uns verschiedene Fälle an, in denen Arbeiter*innen der Logistik ihre Macht nutzten, um das kapitalistische System zum Stillstand zu bringen, um sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu wehren. Einige sind bedeutender als andere, aber jeder einzelne stellt eine wichtige Lektion in Sachen Streik-Taktik dar:

 

Streik der Flugbegleiter*innen von EVA Air

Im Juli 2019 beendeten mehr als 2.300, zumeist weibliche, Flugbegleiter*innen der taiwanesischen EVA Air einen Streik, nachdem sie höhere Gehälter und weitere Zugeständnisse von den Eigentümer*innen der Fluggesellschaft errungen hatten. Durch den Streik wurden 1.200 Flüge gestoppt und 300.000 einzelne Flugreisen behindert. Ungezählte Mengen an Luftfracht wurden ebenfalls aufgehalten und umgeleitet. Auslöser für den Streik waren die Forderung nach mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen und die schlechte Behandlung der Arbeiter*innen durch das überwiegend männliche Management.

Hongkonger Hafenarbeiter*innenstreik

Im Mai 2013 beendeten 500 Arbeiter*innen in Hongkong einen 40-tägigen Streik. Der Gewerkschaftsverband Hong Kong Confederation of Trade Unions (HKCTU), der die streikenden Arbeiter*innen vertrat, erzielte eine Vereinbarung über eine Lohnerhöhung von fast 10 %. Es war der längste Arbeitskampf in Hongkong seit dem Seemannsstreik von 1922, der 55 Tage andauerte.

Panamakanal

Der Panamakanal, das lateinamerikanische Pendant zum Suezkanal, der den Pazifik mit dem Atlantik verbindet, ist eine weitere von Menschenhand geschaffene Verkehrsader, die für die internationale Schifffahrt und den Handel lebenswichtig ist. Im Januar 2012 errangen die Arbeiter*innen des Erweiterungsprojekts des Panamakanals deutliche Lohnerhöhungen, nachdem sie nur sieben Tage lang gestreikt hatten. Die Geschäftsleitung stimmte einer Überprüfung der Überstundenzahlungen, des Urlaubsausgleichs und der Arbeitszeiten zu, sowie der Wiedereinstellung eines Arbeiters, der wegen eines Streits mit einem Vorgesetzten entlassen wurde.

Streik am Suez-Kanal

Die Arbeiter*innen am Suez-Kanal wissen um ihre Macht und haben sie bei zahlreichen Gelegenheiten wirksam eingesetzt. Nicht zuletzt während des "Arabischen Frühlings" in Ägypten, als sie sich 2011 am Generalstreik beteiligten. Der Streik war ein Schlüsselfaktor für das Ende der Herrschaft von Hosni Mubarak.

Streik der Chilenische Lkw-Fahrer*innen

Im September 2020 errangen die Fahrer*innen in Chile nach einem einwöchigen Streik wichtige Verbesserungen bei der Sicherheit. Der Milliardär-Präsident Sebastian Pinera gab den Forderungen nur widerwillig nach, verurteilte aber gleichzeitig die Taktik der Fahrer*innen. Der einwöchige Ausstand führte zu einem erheblichen Rückstau in den Häfen, wobei ein Hafenbeamter sagte, dass fast keine Exportsendungen wie geplant abfuhren.

Hafenstreik am Roten Meer während der sudanesischen Revolution

Während der sudanesischen Revolution 2019 riefen Arbeiter*innen im Hafen am Roten Meer, der nicht weit vom Suez entfernt liegt, zu einem Streik auf, um die Forderungen nach mehr Demokratie zu unterstützen. Port Sudan gehörte zu den ersten, die sich an der Revolution beteiligten, und hatte eine große und inspirierende Rolle bei der Ausbreitung des Aufstands auf den Rest des Landes. Der Hafenstreik wurde im Mai ausgerufen, und im Juni schlossen sich Millionen sudanesischer Arbeiter*innen einem Generalstreik an.

Streik der Arbeiter*innen von UPS 1997

Der Streik bei United Parcel Service von 1997, angeführt von der Gewerkschaft Teamsters, begann im August 1997 und betraf über 185.000 Angestellte. Der Streik legte den Betrieb von UPS für 16 Tage lahm und kostete UPS 600 Millionen Dollar. Der Streik war ein Sieg für die Arbeiter*innen, denn er führte zu einem neuen Vertrag, der ihre Löhne erhöhte, ihre bestehenden Leistungen sicherte und mehr Arbeitsplatzsicherheit bot. Der Streik war der größte, den das Land je gesehen hatte. Darüber hinaus stimmte UPS zu, dass das Unternehmen nun verpflichtet ist, künftige Erhöhungen der Gewichtsgrenzen für Pakete mit den Teamstern zu besprechen. UPS erklärte sich bereit, die Vergabe von Unteraufträgen mit Ausnahme von Spitzenzeiten einzustellen und aus Teilzeitstellen 10.000 Vollzeitstellen zu schaffen.

Mit Entschlossenheit vorwärts gehen

Mit dem Abklingen der Pandemie wird auch die finanzielle Nothilfe der unwilligen neoliberalen Staaten nachlassen. Ein sogenannter "K-förmiger" Aufschwung wird bedeuten, dass die Arbeiter*innen mit ähnlichen Bedingungen konfrontiert sein werden wie die oben erwähnten Arbeiter*innen. In der Zwischenzeit wird der Reichtum weiter in den Händen der ohnehin schon Wohlhabenden erstarren. Die Arbeiter*innen in der Logistik werden in den Kämpfen der kommenden Periode zweifellos wieder eine entscheidende Rolle spielen. Der Aufbau und die Stärkung der Organisation und der Solidaritätsverbindungen zwischen Logistikarbeitern*innen international ist eine dringende Aufgabe.

Myanmar - Seid immer beharrlich, seid immer rebellisch

Die terroristische Tatmadaw massakriert Hunderte in Myanmar
von Rob Jones (ISA)

Die International Socialist Alternative (ISA), mit Arbeiter*innen und Jugendlichen auf der ganzen Welt, drückt ihre Abscheu und Wut über die schrecklichen Ereignisse des letzten Wochenendes in Myanmar aus.

Am Samstag, während der Chef der Militärjunta, Min Aung Hlaing, in weißer Galauniform und Fliege ein Bankett zur Feier des „Tages der Streitkräfte“ gab, richteten seine Soldaten ein Blutbad auf den Straßen an, bei dem 114 friedliche Demonstrant*innen starben. Zu allem Übel eröffneten die Truppen am Sonntag auch noch das Feuer auf Trauernde, die an einer Beerdigung teilnahmen, um die Toten zu begraben. Es scheint, dass das Militär bereit ist, alles zu tun, um seine Herrschaft zu verteidigen, während die Bevölkerung Myanmars ihren heldenhaften Kampf fortsetzt, um sich von der Diktatur zu befreien. Wie viele sagen, unterscheidet sich die Tatmadaw jetzt kaum noch von einer „terroristischen Organisation“, und sie sollte aufgelöst werden.

Ein besonderes Merkmal des Kampfes in Myanmar in den vergangenen Wochen war die Einigkeit der verschiedenen nationalen Gruppen im Kampf, während das Militär weiterhin versucht, sie zu spalten. Seit Jahrzehnten kämpfen die vielen verschiedenen ethnischen Gruppen, auch bewaffnet, und fordern eine größere Autonomie. Aung San Suu Kyi wurde nahezu überall verurteilt, als sie 2017 die Angriffe des Militärs auf das Volk der Rohingya rechtfertigte. Obwohl es in Teilen des Landes Waffenstillstände gab, hat die Armee erneut Völker im Norden und Osten angegriffen. Am Wochenende wurden in zwei aufeinanderfolgenden Nächten Dörfer, die vom Volk der Karen bewohnt wurden, Ziel von Luftangriffen.

Nationale Gruppen vereint im Gedenken an ihre Märtyrer*innen

 

Jetzt verstärkt das „General Strike Committee of Nationalities“ („Generalstreikkomitee der Nationalitäten“) die Unterstützung für die Streikwelle unter den Forderungen:

#အာဏာရှင်စနစ်ဖျက်သိမ်းရေး  –  Abschaffung der Diktatur

#မတရားဖမ်းဆီးခံရသူများလွတ်မြောက်ရေး  –  Freilassung politischer Gefangenen

#ဖက်ဒရယ်ဒီမိုကရေစီပြည်ထောင်စုပေါ်ပေါက်ရေး  –  Aufbau einer föderalen demokratischen Union

#၂၀၀၈ဖွဲ့စည်းပုံအခြေခံဥပဒေဖျက်သိမ်းရေး –  Abschaffung der Verfassung von 2008

In einem offenen Brief an alle Milizen ethnischer Gruppen, einschließlich der Karen National Army, der Chin National Front, der Arakan Army, dem Revolutionären Rat des Shan-Staates und dem National Socialist Council of Nagaland-Khaplang, sagt das Streikkomitee: „Es ist notwendig, dass die bewaffneten ethnischen Organisationen gemeinsam die Menschen schützen“. Viele interpretieren dies als einen Versuch, eine neue Bundesarmee zu schaffen, um die Tatmadaw zu besiegen.

Ein vereinter Kampf der verschiedenen Völker gegen das Militärregime wäre ein enormer Schritt nach vorn und würde in Verbindung mit dem Aufruf, „den Streik wieder aufzunehmen“, bedeuten, dass das Epizentrum dessen, was vorher ein Kampf mit Schwerpunkt in den ländlichen Regionen gewesen wäre, nun in den Städten läge. Aber es gibt eine Gefahr – wenn einer neue, wenn auch vereinigte Armee nur einer militärischen Strategie folgt, besteht die Gefahr, dass Myanmar einfach zu einem Kriegsgebiet wird, ähnlich wie es in Syrien nach dem Arabischen Frühling passierte.

Sollte jedoch eine echte multiethnische Selbstverteidigung aufgebaut und von demokratisch gewählten Komitees kontrolliert werden, die sich auf die Arbeitsplätze und Nachbarschaften stützen, und mit einem Generalstreik im ganzen Land kombiniert werden, gäbe es sehr gute Chancen, den Putsch zu besiegen.

Ärzt*innen streiken im Morgengrauen – 26. März

 

Es sind die Arbeiter*innenklasse und die unterdrückten Völker Myanmars, die im Zentrum des Widerstandes gegen dieses blutige Regime stehen. Im Morgengrauen am Freitagmorgen begannen zum Beispiel Ärzt*innen in Mandalay einen Streik gegen die Militärjunta. Wie unser Korrespondent aus Myanmar kommentierte: „Der Streik im Morgengrauen war sehr effektiv. Er zeigt, dass sie den Putsch in keiner Weise unterstützen, dass wir immer beharrlich sein sollten, immer rebellisch.“

Die Arbeiter*innen im medizinischen Bereich stehen an der Spitze dieser Streiks, aber in den letzten Wochen haben sich ihnen Streiks im Transport-, Banken-, Bildungs- und Textilsektor angeschlossen. Am Mittwoch erklärten große Geschäfte im ganzen Land, darunter City Mart, Sein Gay Har, Capital Hypermarket und Orange, in denen Arbeiter*innen sich bereits geweigert hatten, Waren aus Fabriken des Militärs zu verkaufen, einen stillen Streik. Über Nacht wurden hundert dieser wichtigen Beschäftigten in Yangon verhaftet und zum Verhör gebracht.

Diese folgen auf größere Streiks in der Textilbranche Anfang des Monats.

Textilarbeiter*innen bereiten sich auf den Streik vor

 

Die Situation in der Textilbranche ist besonders schwierig. Die Industrie ist in den letzten zwei Jahrzehnten als alternative, billigere Bezugsquelle zu anderen asiatischen Ländern, einschließlich China, gewachsen. Obwohl die Hauptabnehmer*innen westliche multinationale Unternehmen wie H&M, TopShop und Gap sind, befinden sich fast alle Unternehmen entweder im Besitz der mit dem Militär verbundenen Myanmar Economic Holdings Public Company Ltd (MEHL) und Myanmar Economic Corporation Ltd (MEC), oder sind Joint Ventures, hauptsächlich mit Unternehmen aus Hongkong.

Seit mehreren Jahren plädieren Menschenrechtsgruppen für Sanktionen gegen das Militär in Myanmar, insbesondere seit dem Massaker an den Rohingya. Westliche Regierungen und Unternehmen haben sich geweigert. Erst jetzt, aufgrund der weltweiten Wut über das Massaker, wurden begrenzte Sanktionen gegen MEHL und MEC beschlossen. Begrenzt, weil die Interessen westlicher Ölkonzerne wie Chevron, die ein gemeinsames Unternehmen mit der Regierung Myanmars haben, nicht angetastet werden.

Auch die Versuche, ein Embargo für den Verkauf von Waffen an das Militär zu verhängen, hatten wenig Erfolg. China, Russland, Indien und Israel haben weiterhin Schiffe, gepanzerte Fahrzeuge, Kampfflugzeuge und Raketen geliefert. Es sind russische und chinesische Kampfflugzeuge, die am Wochenende bei Luftangriffen gegen Menschen, hauptsächlich der Karen-Minderheit, im Grenzgebiet zu Thailand eingesetzt wurden.

Karen-Dorfbewohner*innen verstecken sich vor Luftangriffen

 

Alexander Fomin, Russlands stellvertretender Verteidigungsminister, nahm am Samstag an den Feierlichkeiten des Militärs teil und erklärte die Unterstützung des Kremls für das Militär in einem Schritt, der als Versuch der Tatmadaw interpretiert wurde, ein Gegengewicht zum Einfluss Chinas zu schaffen. Es ist durchaus verständlich und richtig, dass die Massen Myanmars diese beiden autoritären Regime hassen, da sie sie als Mitschuldige an der brutalen Vorgehensweise sehen.

Dies hat zu einer Welle von Angriffen auf Fabriken in chinesischem Besitz geführt. Über dreißig Fabriken, die Teil globaler Lieferketten sind, wurden Ziele von Brandanschlägen. Die Angriffe auf chinesische Unternehmen gingen auf Kosten der Arbeiter*innen. In mindestens einem Fall starben über dreißig Arbeiter*innen bei dem Feuer, das ihren Arbeitsplatz zerstörte. Während die Tatmadaw die Schuld schnell den Protestierenden in die Schuhe schiebt, sind die Umstände unklar. Chinesische Kapitalist*innen sind bei den Arbeiter*innen besonders verhasst, weil sie mit den Militärbehörden kollaboriert haben, um die Streikbewegung zu brechen. Sie haben Anführer*innen des Streiks bespitzelt, Streikende entlassen und in einem Fall 1.000 Arbeiter*innen in der Fabrik eingesperrt, um sie daran zu hindern, sich den Protesten anzuschließen. Bis jetzt haben die Arbeiter*innen der Textilindustrie eine Schlüsselrolle im Kampf gespielt, und im Allgemeinen ist die Stimmung eine der Menschen, die gegen das Militär vereint sind. Es kann nicht einmal ausgeschlossen werden, dass das Militär selbst hinter einigen der Angriffe steckt, um die Verhängung des Kriegsrechts in den Industriezonen zu rechtfertigen und um zu versuchen, China zu einer offeneren Unterstützung zu drängen. Das chinesische Regime sagt, die Brandanschläge seien vom Westen inspiriert, aber alle diese Regierungen sind schuldig, die Arbeiter*innen in Myanmar durch rohe Ausbeutung und Unterstützung der Unterdrückung zu misshandeln.

Fabriken in chinesischem Besitz brennen nieder

 

Führende Marken wie H&M, Zara, Primark, Tesco, Tchibo und Next haben gemeinsam mit der globalen Gewerkschaft IndustriALL eine Erklärung unterzeichnet, in der sie ihre Besorgnis über die Situation in Myanmar zum Ausdruck bringen. „Als Unternehmen“, so sagen sie, „verpflichten wir uns, die Menschen- und Arbeitsrechte in unseren Betrieben und Lieferketten vollständig zu respektieren, insbesondere das Recht auf friedliche Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.“

Die Realität und Heuchelei hinter solchen Aussagen zeigen jedoch die Aktionen von Unternehmen wie H&M, die vorübergehend die Vergabe neuer Aufträge pausiert haben. Der Grund dafür sind, so heißt es, „praktische Schwierigkeiten und eine unvorhersehbare Situation, die unsere Fähigkeit einschränken, in dem Land zu operieren, einschließlich Herausforderungen im Zusammenhang mit der Produktion und der Infrastruktur, dem Import von Rohstoffen und dem Transport von Fertigwaren.“

Im Jahr 2017 standen Fabriken, die für H&M produzierten, im Zentrum heftiger Arbeitskämpfe, zunächst wegen unbezahlter Überstunden und der Gesundheitsversorgung. Diese Auseinandersetzungen offenbarten auch den arbeiter*innenfeindlichen Charakter der Regierung von Aung San Suu Kyi. H&M hat seitdem argumentiert, dass es nicht „einseitig“ die Löhne seiner Zulieferer erhöhen kann, da es die Produktionsanlagen mit anderen Marken teilt – aber sein ganzes Geschäftsmodell basiert auf der Ausbeutung der Arbeiter*innen in Myanmar, die einen Mindestlohn von ca. 72 Euro im Monat haben und in der Regel eine Sechs-Tage-Woche arbeiten.

Der Ansatz von Gewerkschaften wie IndustriALL, faktisch mit jenen Unternehmen zu kollaborieren, die große Profite aus ihrer Zusammenarbeit mit den chinesischen Unternehmen ziehen, die Arbeiter*innen in Myanmar ausbeuten, wird nicht nur keine langfristigen Vorteile bringen, sondern steht im krassen Gegensatz zu dem, was internationale Klassensolidarität eigentlich bedeutet. Das einzige wirksame Mittel, um Druck auf solche Regime auszuüben, ist der gewerkschaftliche Boykott von Firmen, die mit dem Militär Myanmars Handel treiben – die Blockade einer Waffenlieferung für den Krieg im Jemen durch die Arbeiter*innen des Hafens in Genua vor einem Jahr ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Ebenso wie die Burma Federation of Trade Unions den Arbeiter*innen des Amazon-Lagers, das im Zentrum einer Gewerkschaftskampagne in Bessemer Alabama in den USA stand, solidarische Unterstützung geschickt hat, haben im Gegenzug gewerkschaftliche Aktivist*innen in Alabama ihre Unterstützung an Arbeiter*innen in Myanmar geschickt.

Amazon-Lagerarbeiter*innen senden Solidarität an die Arbeiter*innen in Myanmar

Der Kampf hat mit den brutalen Angriffen des Militärs am vergangenen Wochenende einen Wendepunkt erreicht. Aber wenn die Auseinandersetzung intensiviert werden soll, darf es kein Zurück zur alten Ordnung geben. Wie viele fordern, sollte die Verfassung von 2008 abgeschafft werden. Dies sollte auch bedeuten, die Irreführung durch ASSK (Aung San Suu Kyi) und die NLD abzulehnen, die es nicht geschafft haben, das Land zu transformieren und deren einzige Alternative die Unterwerfung unter westliche multinationale Konzerne ist. Notwendig ist die Einberufung einer revolutionären Versammlung zur Bildung einer Regierung der Arbeiter*innen und armen Menschen aller Ethnien als Teil einer wirklich demokratischen und freiwilligen Föderation von Myanmar und Südostasien.

Es sollte keine Kompromisse mit dem Militär geben – als erster Schritt sollten die Ressourcen und das Eigentum der MEHL und der MEC in gesellschaftliches Eigentum überführt und von demokratischen Arbeiter*innen-Komitees geleitet werden. Gleichzeitig sollten auch die natürlichen Ressourcen des Landes in öffentliches Eigentum überführt und ein demokratischer Plan zur Beendigung von Armut und Not für alle, einschließlich aller ethnischen Gruppen, aufgestellt werden. Nur so wird es möglich sein, eine echte Föderation zu errichten, in der alle ethnischen Gruppen das Recht auf Selbstbestimmung haben.

Die ISA sendet ihre Grüße an den heldenhaften Kampf der Menschen in Myanmar. Wir sind der Ansicht, dass der Weg voran über die folgenden Forderungen führt: 

  • Keine Rückkehr zu einem Kompromiss mit Militär oder Kapital. Freilassung aller politischen Gefangenen

  • Ablehnung der Verfassung von 2008. Für eine freiwillige Föderation und das Recht auf Selbstbestimmung der ethnischen Minderheiten.

  • Auflösung der Tatmadaw. Generäle vor Gerichte stellen. Für eine demokratisch kontrollierte Volksverteidigungsarmee.

  • Für einen demokratisch organisierten Kampf und Selbstverteidigung auf der Basis der streikenden Arbeiter*innen, der Jugend und der unterdrückten Minderheiten.

  • Für ein Ende der Ausbeutung durch das Militär und die multinationalen Konzerne. Für öffentliches Eigentum an der Industrie und den natürlichen Ressourcen. Für eine demokratische Planung zur Beendigung von Armut und Not.

  • Für eine revolutionäre Versammlung zur Bildung einer Regierung der Arbeiter*innen und armen Menschen aller Ethnien als Teil einer wirklich demokratischen und freiwilligen Föderation von Myanmar und Südostasien.

Ninjastrikers, CC BY-SA 4.0  , via Wikimedia Commons

Suezkanal-Blockade: Die (humanitäre) Krise in der Schifffahrtsindustrie

von Anne Engelhardt, Kassel

In den sozialen Medien haben Memes und Witze mit dem Bild der blockierenden „Ever Given“ im Suezkanal und des winzigen Baggers daneben dominiert – eine Metapher für den Kapitalismus, dem es an echten Lösungen für die immer größer werdenden Krisen fehlt, die er geschaffen hat.

 

Bis zum vergangenen Montag (29.03) blockierte die Ever Given, eines der größten Containerschiffe der Welt, den Suezkanal. Nachdem es in einen Sandsturm hineingefahren war, drehte es sich zur Seite und blieb im flachen Wasser des Ostufers des Kanals stecken, was eine massive Störung des globalen Kapitalverkehrs verursachte.

Während die Massenmedien die Unterbrechung des Welthandels beklagten, wurde den schwerwiegenden Auswirkungen auf die Hunderte von Seeleuten, die auf der Ever Given und den 450 anderen von der Blockade betroffenen Containerschiffen und anderen Seefahrzeugen festsitzen, kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Der Vorfall, bei dem Tausende mehr als sechs Tage lang festsaßen, hat ein Schlaglicht auf die erschütternde Ausbeutung und Ineffizienz globaler Lieferketten geworfen – ein historischer Konfliktherd sowohl für imperialistische Konflikte als auch für den Kampf der Arbeiter*innen, der Jahrhunderte zurückreicht.

Der Kanal

Der Suezkanal ist einer der drei wichtigsten Seewege für den globalen Handel und macht 12 % des Gütertransports aus. Heute ist er einer der 14 empfindlichsten Engpässe für die Lebensmittelsicherheit, was bedeutet, dass seine Blockade die Lebensmittelversorgung in vielen Regionen gefährden kann, bis hin zu Hungersnöten in ohnehin armen Ländern. Blockaden dieser Art hat es zwar schon gegeben (allein in den letzten zehn Jahren saßen 25 Schiffe vorübergehend im Kanal fest), aber keine davon hat sechs ganze Tage gedauert.

Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Indischen Ozean und stellt damit einen der kürzesten Wege zwischen Europa und Asien dar. Bereits in der Antike wurde die Passage, die den asiatisch-europäischen Kontinent mit Afrika verbindet, regelmäßig überflutet und als Wasserstraße genutzt. Mehrere Versuche, den Kanal ab 700 v. Chr. durch ägyptische und später persische Kaiser zu bauen, führten zum Tod von hunderttausenden Arbeiter*innen. Die arabischen und osmanischen Reiche behielten die Kontrolle über die Passage, während spanische und portugiesische sowie später niederländische und britische Flotten das Kap der Guten Hoffnung umfahren mussten, um Zugang zu den asiatischen Märkten zu erhalten.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts stellten die französischen und britischen Kolonialreiche den Kanal fertig. Beim Bau des Kanals wurden etwa eine Million ägyptische Bauern und Bäuerinnen zu sklavenähnlicher Arbeit gezwungen, von denen etwa zehntausend an Arbeitsunfällen und Krankheiten wie der Cholera starben. Der Kanal wurde schließlich 1869 eingeweiht und diente vor allem dem leichteren (militärischen und wirtschaftlichen) Zugang zu den afrikanischen und asiatischen Kolonien. Karl Marx schreibt im ersten Band des Kapitals, dass der Suezkanal den europäischen Kapitalist*innen einen vollständigen Zugang zu den ostasiatischen und australischen Märkten per Dampfschiff ermöglichen würde. Die Zirkulation des Kapitals, die vor der Eröffnung des Kanals und der Erfindung des Dampfschiffs zwölf Monate dauerte, „ist jetzt auf etwa dieselbe Anzahl von Wochen reduziert worden.“

Im Kontext der antikolonialen Kämpfe, die in ganz Afrika und dem Rest der Welt stattfanden, wurde der Kanal 1956 von Ägypten verstaatlicht, was militärische Interventionen von Frankreich, Großbritannien und Israel provozierte. Acht Jahre später, im Krieg von 1967, wurde der Kanal noch einmal für mehrere Monate blockiert. Beide militärischen Zwischenfälle verunsicherten die globalen Schifffahrtsunternehmen, die sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gerade erholt und ihre Umsätze massiv gesteigert hatten.

Doch nicht nur militärische Konflikte führten zu Blockaden des Kanals, sondern auch Arbeitskämpfe, bei denen Aktivist*innen das Nadelöhr als Mittel zum Kampf gegen das korrupte ägyptische Regime nutzten. Vor zehn Jahren, während des Arabischen Frühlings im Februar 2011, organisierten etwa sechstausend Arbeiter*innen einen Streik in Port Said und Ismailia, den Städten entlang des Suezkanals. Außerdem, so schreibt die Autorin Deb Cowen in ihrem Buch The Deadly Life of Logistics: „Hafenarbeiter*innen legten die Arbeit im Zentralhafen Ain Al Sokhna nieder und unterbrachen damit Ägyptens lebenswichtige Seeverbindungen in den Fernen Osten [...]. Unnötig zu sagen, dass dies eine entscheidende Aktion in der Massenbewegung für den Regimewechsel wurde.“

Das Schiff

Das Containerschiff Ever Given ist 400 Meter lang und kann rund 224.000 Tonnen Waren transportieren. Ironischerweise, so schreibt Laleh Khalili in der Washington Post, wurden Containerschiffe dieser Größe von der globalen Schifffahrtsindustrie gebaut und eingesetzt, um den Suezkanal umgehen zu können. Wegen der Schließung des Kanals in den 1950er Jahren und während des Krieges 1967 waren die Reedereien gezwungen, das Kap der Guten Hoffnung zu umfahren. Als die Ölkrise 1973 einen Preisschock auslöste, musste die Geschwindigkeit der Schiffe reduziert werden, da eine bestimmte Geschwindigkeit zu viel Treibstoff verbrauchte. Daher investierten die Reedereien in die Vergrößerung der Schiffe, um größere Mengen an Ladung transportieren zu können. Infolgedessen dominieren sogenannte „very large crude carriers (VLCCs)“ und „ultra-large crude carriers (ULCCs)“ die Weltmeere und zwangen die Häfen weltweit, ihre Liegeplätze zu erweitern oder sich aus den Hafenstädten wegzubewegen, um ihre Kapazitäten zu vergrößern. Dies führte zu einer Ökonomie neuer Größenmaßstäbe und einem massiven Anstieg der containerisierten Fracht.

Obwohl diese Schiffe gebaut wurden, um Fracht und Stückgut langsamer, aber in größerem Umfang zu transportieren, ist Geschwindigkeit ein wichtiger Kostenfaktor in der globalen Wirtschaft. Aus diesem Grund nutzen große Schiffe wie die Ever Given den Suezkanal als Abkürzung, um die Transportkosten zu senken (in diesem Fall von China in die Niederlande). Ungeachtet der Größe des Schiffes und des ständigen Risikos, stecken zu bleiben, nutzen sie ihn weiterhin. In den letzten zehn Jahren haben sich China und Ostasien zum Motor der Weltwirtschaft entwickelt. Mit einem Containerumschlag (ein Maß für die Aktivität des Containerhandels) von mehr als 60 % rangieren sie an erster Stelle, weit vor Europa mit 15 %. Damit ist die Verbindung zwischen den beiden Wirtschaftsräumen neu belebt worden. Die aktuelle Wirtschaftskrise und die teilweise Unterbrechung der weltweiten Warenzirkulation durch die Pandemie führten zu einem globalen Ungleichgewicht in der Verteilung der Container, die größtenteils in China festsitzen. Dies hatte bereits zu einer Verknappung der Transportkapazitäten geführt, von der auch andere Teile der Weltwirtschaft betroffen waren. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass die Ever Given, wie andere Containerschiffe auch, „überladen“ wurde und damit zu schwer war, um ordnungsgemäß durch den Kanal zu fahren.

Die Ever Given blockierte nicht nur andere Containerschiffe (was zu Turbulenzen in der europäischen Just-in-Time-Produktion führte), sondern auch etwa 20 Rohöltanker, was zu einem vorübergehenden Anstieg der Ölpreise führte. Die Suez Canal Authority (SCA) und der ägyptische Staat, die von jedem Schiff zwischen 250.000 und 500.000 Dollar für die Durchfahrt durch den Kanal verlangen, verloren diese Einnahmen sowie die Gebühren, die von den Schiffen eingenommen worden wären, die sich für eine andere Route entschieden, um den Stau zu umgehen.

Neben dem ägyptischen Staat wurden auch die Versicherungsgesellschaften durch den Vorfall alarmiert. Die Versicherungen werden für die entgangenen Einnahmen zur Kasse gebeten, zum Beispiel von der SCA, aber auch von anderen Unternehmen, die mit zeitsensiblen Gütern wie verderblichen Waren und Komponenten für die Just-in-Time-Produktion handeln, die immer noch überwiegend in Asien produziert werden.

Die Besatzung

Die Blockade hat nicht nur den weltweiten Handel unterbrochen. Sie hat auch das Leben von hunderten von Seeleuten aus der Bahn geworfen, die (wieder einmal) an Bord festsaßen. Der ganze Vorfall zeigt einmal mehr, wie wenig die Schifffahrtsmonopole reguliert sind, vor allem in Bezug auf die Arbeitsbedingungen.

Die Ever Given läuft, wie die große Mehrheit der Seeschiffe, unter einer Billigflagge (Flag of Convenience, FOC) und operiert unter einem komplexen globalen Eigentumssystem. Sie gehört einem japanischen Unternehmen, ist aber von der in Taiwan ansässigen Reederei Evergreen Maritime gechartert. Eine in Dubai ansässige Firma betreibt das Be- und Entladen in den verschiedenen Häfen, an denen das Schiff anlegt. Und das Schiff selbst fährt unter der Flagge Panamas, was den Eigentümer*innen erlaubt, Steuern zu vermeiden und niedrige Löhne bei niedrigen Arbeitsstandards zu zahlen.

Global gesehen teilen sich die Schiffsbesatzungen auf Container- und Breakbulk-Schiffen in zwei Gruppen auf. Die Offizier*innen werden überwiegend aus den ost- und mitteleuropäischen Staaten wie der Ukraine und Russland rekrutiert und ihr maximales Einkommen liegt bei 3.000 Dollar im Monat. Die zweite Gruppe sind die Seeleute, die mehrheitlich aus dem globalen Süden stammen: Fast 15 % kommen aus China, 13 % von den Philippinen und ein weiterer großer Anteil kommt aus Indonesien, Indien und Malaysia. Die Seeleute arbeiten zwischen zehn und zwölf Stunden auf dem Schiff, sieben Tage die Woche mit einem Monatseinkommen zwischen 700 und max. 1.400 Dollar. Zum Zeitpunkt der Blockade hatte die Ever Given eine Crew von 25 indischen Arbeiter*innen an Bord. Diesen droht nun die Festsetzung durch ägyptische Beamte als Sündenböcke für die Blockade, obwohl auch zwei Lotsen der Hafenbehörde des Suezkanals an Bord waren. Generell wird die Ausbeutung der Arbeiter*innen aus dem Globalen Süden auf ein Extrem ausgeweitet: Während die Arbeiter*innen Verträge mit einer Länge von bereits 11 Monaten unterschreiben, werden ihre Schichten häufig auf vierzehn oder mehr Monate ausgedehnt. Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) muss die Reedereien oft zwingen, die Überstunden zu bezahlen. Jedes Jahr müssen zwischen 30 und 50 Millionen Dollar an unterschlagenen Löhnen an die Arbeiter*innen herausgegeben werden.

Es gibt auch Berichte über Frachtschiffe, die von bankrotten Reedern in den Häfen zurückgelassen wurden, einschließlich ihrer unbezahlten Besatzung. Im Jahr 2016 ließ die südkoreanische Reederei Hanjin ihre 50 Containerschiffe rund um die Welt mit einem geschätzten Warenwert von 14 Milliarden Dollar im Stich und ließ die Besatzungen ohne Wasser und Nahrung zurück, während die örtlichen Hafenbehörden ihnen den Zugang zu Land verwehrten, um nach Hause zu fliegen. Überall auf der Welt gibt es mehrere verwahrloste Schiffe mit Besatzungen, die nicht in der Lage sind, dieses schwimmende Gefängnis zu verlassen. Die schlimmste Folge einer solchen Verwahrlosung war die Aufgabe eines Schiffes im Hafen von Beirut im Jahr 2013 mit 2.750 Kilogramm Aluminiumnitrat an Bord. Erst nach monatelangen Verhandlungsprozessen durfte die Besatzung das Schiff verlassen und erhielt ein Visum, um nach Hause zu fliegen. Die Ladung des explosiven Aluminiumnitrats wurde jedoch in einem verlassenen Warenhaus in der Nähe des Hafens gelagert und vom ursprünglichen Kunden in Mosambik einfach nicht abgeholt. Als im Jahr 2020 ein Feuer in der Nähe ausbrach, detonierte das Material und riss mehr als 150 Menschen in den Tod. Der Hafen und Teile der Innenstadt von Beirut wurden zerstört.

Im selben Jahr führte COVID-19 zur sogenannten „Crew Change Crisis“, die etwa 400.000 Seeleute dazu zwang, an Bord zu bleiben, während die gleiche Anzahl zu Hause festsaß und ihre Schicht nicht antreten konnte. Da die Grenzen geschlossen wurden, wurde den Seeleuten das Visum verweigert oder sie saßen in den Städten fest und konnten nicht nach Hause fliegen. Etwa 58.000 Frachtschiffe waren von der Krise betroffen. Auch heute ist die Situation noch nicht gelöst. In normalen Zeiten wechseln weltweit 100.000 Seeleute jeden Monat vom Schiff auf das Land und umgekehrt. Diese Zahl hat sich dramatisch reduziert. Zwischen 150.000 und 250.000 Seeleute waren bis zu 18 Monate lang auf See gefangen. Es mangelt an Nahrung und sauberem Wasser, die Bedingungen wirken sich auf die psychische Gesundheit aus und es gab zahlreiche Berichte über Selbstmord.

Als Folge davon wurde in vielen Berichten und Artikeln vor möglichen Unfällen gewarnt – Schiffe, die in Häfen kollidieren – oder an sensiblen Stellen festsitzen. Es ist nicht klar (aber wahrscheinlich), ob Teile der Crew der Ever Given selbst von der Crew Change Crisis und ihren physischen und psychischen Auswirkungen betroffen waren. Es grenzt jedoch an ein Wunder, dass sich vor dem Hintergrund der maritimen humanitären Krise bisher noch keine schlimmeren Unfälle ereignet haben.

Und die Krise ist noch nicht vorbei. Da die Mehrheit der rund 1,7 Millionen Seeleute aus dem Globalen Süden stammt, wo Impfstoffe möglicherweise erst ab 2024 für alle verfügbar sind, könnten die Besatzungen das Virus weiterhin entlang der globalen Lieferkette tragen und Hafenarbeiter*innen und andere Transportarbeiter*innen gefährden. Solange die Patente für Impfstoff nicht vergesellschaftet und geöffnet werden, wird sich die humanitäre Krise auf See verlängern. Zusätzlich könnte die Blockade des Suezkanals auch den Transport von Impfstoffen aus Indien, einem der größten pharmazeutischen Produzent*innen der Welt, verzögert haben.

Der Kapitalismus basiert auf der physischen und psychischen Ausbeutung der Arbeiter*innen und der Natur. Die Krise am Suezkanal hat seine sich vertiefenden Widersprüche und seine Schwachstellen wieder einmal voll zur Schau gestellt.

 

Bild: kees torn, CC BY-SA 2.0  , via Wikimedia Commons

Die Angst des Kremls zeigt seine Schwäche – Solidarität ist unsere Stärke!

von ISA-Mitgliedern in Russland

Schon wieder, gerade als er seine Gefängniszelle in Moskau verlassen wollte, wurde Matvey Alexandrov, Unterstützer von „Sotsialisticheskaya Alternativa“, erneut verhaftet. Er hat bereits zwei Haftstrafen abgesessen: Eine von 25 Tagen, nachdem er beim Verteilen von Flugblättern für den Internationalen Frauentag erwischt wurde, und dann 15 Tage, weil er an einer der Anti-Korruptions-Proteste im Januar teilgenommen hatte.

Auf den Fotos von oben nach unten, von links nach rechts: Mahnwachen in Wien, London, Dublin, New York, Krakau, Brüssel, Kapstadt, Berlin.

Das Regime zeigt alle Anzeichen von Schwäche. Im Jahr 2020 ist das Bruttoinlandsprodukt um 3% gefallen. Weil das russische Regime nur begrenzte Lockdown-Maßnahmen verhängt hat ist die Wirtschafts zwar nicht so stark eingebrochen wie in vielen anderen Ländern, aber die Inflation ist hoch und die Realeinkommen sinken weiter. Nach Angaben der staatlichen Statistikbehörde beträgt die Übersterblichkeit im Vergleich zu einem durchschnittlichen Jahr seit Beginn der Pandemie 422.000 – mit zusätzlichen 30.000 allein im Februar. Das ist mindestens das Dreifache der offiziell vom Gesundheitsministerium zugegebenen Zahl der Corona-Toten. Die dritte Welle breitet sich rasch über Europa aus, und der Kreml befürchtet, dass dies, zusätzlich zur Wirtschaftskrise, den russischen Arbeiter*innen und der Jugend zu viel sein wird. Die anhaltenden Proteste in Belarus im letzten Jahr sind nur ein blasses Abbild dessen, was passieren würde, wenn sich Proteste dieser Art über Russland ausbreiten würden.

Es ist nun klar, dass das nächste „Verbrechen“, das man Matvey vorwerfen wird, die Teilnahme an einer weiteren Demonstration im Januar ist. Ihm drohen mindestens weitere 30 Tage Gefängnis. Sie tun das nur aus einem Grund – um zu versuchen, Aktivist*innen einzuschüchtern. Aber Sozialist*innen werden sich nicht davon einschüchtern lassen.

Insbesondere werden wir durch die internationale Solidarität mit Matvey ermutigt, die uns erreicht hat. Mahnwachen wurden vor den russischen Botschaften in Brüssel, Wien, London, New York, Dublin, Kapstadt und Berlin abgehalten. Der Abgeordnete Mick Barry brachte das Thema im irischen Parlament zur Sprache. In Krakau organisierten unsere polnischen Genoss*innen eine Mahnwache und wurden selbst von bewaffneter Polizei angegangen. Viele Unterstützungsbriefe und Solidaritätsfotos von Gewerkschaften, Aktivist*innen und Sozialist*innen sind eingegangen.

 

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