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Kann profitorientiertes Kino aufrütteln?

Helga Schröder

Medien berichten über die Auszeichnung des Films fuocoammare ("Feuer auf See") mit dem Goldenen Bären. Gianfranco Rosi hat damit die Berlinale 2016 gewonnen. Das alltägliche Leben der Bevölkerung auf Lampedusa und das Schicksal der hunderttausenden Flüchtlinge mit teils schonungslosen Bildern ist Thema der Dokumentation. Im Mittelpunkt steht Samuele, ein 12jähriger Junge aus einer Fischerfamilie. Die Jury möchte mit dem Preis ein politisches Signal setzen.
Und da ist die Grenze, was Filmkunst in einer profitorientierten Gesellschaft bewirken kann auch schon erreicht: Das „klare politische Signal“ erreicht nämlich nur ein erlesenes Publikum, darunter die Promi-Jury und Gäste der Berlinale. Mit einigem Fleiß lässt sich recherchieren, dass der Kinostart am 18. Februar war. In Österreich allerdings Fehlanzeige. Für die heimischen Kinos ist der Film nicht profitabel genug, beim ORF mag man das heiße Thema wohl nicht aufgreifen. Vielleicht finden ihn vor urheberrechtlichen Unsicherheiten unerschrockene „digital natives“. Menschen, die ins Kino gehen, sich Filme auf DVD kaufen oder gar Älteren oder Armen ohne Computer und Internet (ja, die gibt es auch) wird dieses politische Signal leider verborgen bleiben.

 

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Genug von pseudo-fortschrittlichem-in-Wirklichkeit-reaktionärem Journalismus? Vorwärts abonnieren!

Ihr Fähnchen nach dem Wind haben auch Falter, profil & Co. gerichtet. Früher galten sie als fortschrittliche Medien, heute kommt es zu Pauschalverurteilungen von Moslems, Kriminalisierungsversuchen von AntifaschistInnen und dem Aufwärmen von Uraltem. Kein Wunder, sind es doch beide Zeitungen, die vor allem eines tun sollen: Gewinn machen.

Vorwärts ist eine politische Zeitung, das Medium, das Teil von Protesten und Bewegungen ist. Gewinn wirft Vorwärts keinen ab. Dafür politischen Mehrwert. Vergeude also dein Geld nicht für ein teures Abo der subventionierten und inseratenfinanzierten Mainstream-Medien. Sondern abonniere Vorwärts – die am längsten durchgängig erscheinende sozialistische Zeitung des Landes. 

 

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Vollkoffer des Monats

Yanis Varoufakis, Schauspieler

Yanis Varoufakis hat mit anderen „Links“-Promis wie Slavoj Zizek „DiEM25“ gegründet - eine „Bewegung“ die bis 2025 irgendwas mit Demokratie will. Das Ganze spielt sich intellektuell auf Theaterbühnen ab und hat mit echtem Kampf gegen das EU-Spardiktat nichts zu tun. Der muss nämlich von unten aufgebaut werden!

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Bericht von der SLP-Bundeskonferenz 2016

„Die Wut wird sich ihre Bahn brechen. Jetzt müssen wir uns darauf vorbereiten.“ Michael Gehmacher auf der SLP-Konferenz

Von 11.-13. März fand die Bundeskonferenz der Sozialistischen LinksPartei statt. Über 3 Tage diskutierten AktivistInnen aus ganz Österreich darunter BetriebsrätInnen, SchulsprecherInnen, FlüchtlingsaktivistInnen, internationale BesucherInnen usw. darüber, wie wir Widerstand gegen dieses System aufbauen können. Außerdem wurden zahlreiche Dokumente abgestimmt und beschlossen die die zukünftigen Schwerpunkte der politischen Aktivität der SLP abstecken.

Die Welt im Umbruch...

In den Diskussionen über die internationalen Perspektiven wurde klar, dass wir in unruhigen Zeiten leben, in denen es schnelle und abrupte Veränderungen gibt. Die Weltwirtschaft ist alles andere als stabil und vor allem vor dem Hintergrund des langsamen Wirtschaftswachstum in China droht weitere Instabilität und eine neue Krise.

Diese wird wieder vor allem ArbeiterInnen und Jugendliche auf der ganzen Welt treffen. Aber auf der anderen Seiten ist die Linke in einigen Ländern auf dem Vormarsch. Robert Bechert (Sozialist aus London) berichtete über die Popularität der linken Ideen von Jeremy Corbyn in Britannien und Bernie Sanders in den USA. Christoph Glanninger, der im irischen Wahlkampf aktiv war, berichtete von dem bedeutenden Erfolg, den das sozialistische Bündnis AAA – PBP (Anti Austerity Alliance – People before Profit) bei den vergangenen Wahlen erzielte: die radikale Linke hat jetzt mehr Sitze im Parlament als Labour (die irische Sozialdemokratie).

Außerdem berichtete Eric Byl, Sozialist aus Belgien, vom 24 stündigen Generalstreik in Belgien 2014, der das ganze Land lahmlegte und auf beeindruckende Weise zeigte, welche Macht die ArbeiterInnenklasse noch immer hat.

und Österreich mittendrin

Obwohl die Situation in Österreich noch nicht so weit ist, zeigten auch die Debatten zu den Österreichischen Perspektiven klar, dass die ruhigen Zeiten vorbei sind. In ihrer Einleitung machte Sonja Grusch, Bundessprecherin der SLP, klar, dass sich die österreichische Wirtschaft weiter in der Krise befindet. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch, größere Firmenpleiten (wie z.B. Zielpunkt) häufen sich und der österreichische Bankensektor ist alles andere als stabil.

Die österreichischen Bosse und die Bundesregierung werden auch weiterhin versuchen, die Kosten für die Krise an ArbeiterInnen und Jugendlichen abzuladen. Dementsprechend wird bei Bildung, Gesundheit und Sozialem gekürzt, es gibt Angriffe auf ArbeitnehmerInnenrechte, Pensionen und Arbeitslose. Aber dagegen regt sich auch Widerstand. Pflegeschüler Jan Millonig berichtete über die Proteste von Care Revolution. Andere Beiträge behandelten die Proteste im Sozialbereich und gegen die Kürzung der Mindestsicherung in OÖ. KollegInnen und BetriebsrätInnen erzählten von dem wachsenden Unmut in Betrieben. Auch österreichische ArbeiterInnen werden sich die Politik im Interesse der Banken und Konzerne nicht ewig gefallen lassen.

Dementsprechend ist es auch nicht überraschend, dass Regierung und FPÖ versuchen, Flüchtlinge als Sündenböcke für Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und hohe Mieten darzustellen. Deswegen ist die Arbeit von SozialistInnen in der Flüchtlingssolidarität und im Antirassismus bzw. Antifaschismus so wichtig. Sedef Yavuz berichtete von der Flüchtlingshilfe im Ferry-Dusika-Stadion und über die Versuche, diese Hilfe auch mit politischem Kampf zu verbinden.

Dabei wird es auch in Zukunft wichtig sein, aufzuzeigen, dass die rassistische Politik von FPÖ und Regierung kein besseres Leben für „österreichische“ ArbeiterInnen, Jugendliche und PensionistInnen bringen wird.

Die SLP und der Aubfau einer neuen Linken

Die Linke muss eine sozialistische Alternative zur rechten Hetze anbieten, um der rechten Hetze die Basis abzugraben. Deshalb beschäftigte sich die Konferenz auch intensiv mit der Frage, wie eine neue ArbeiterInnenpartei aufgebaut werden kann, die für und mit allen kämpft, die tagtäglich unter diesem System leiden. Dabei wurde aber auch über die Gefahren und Fehler diskutiert, die bis jetzt von neuen linken Parteien in anderen Ländern gemacht wurden. Wolfram Klein, Sozialist aus Deutschland, brachte Erfahrungen aus der Arbeit in der Linkspartei in Deutschland ein: viele neue linke Parteien konzentrieren sich zu stark auf die parlamentarische Ebene und vernachlässigen dafür soziale Proteste. Diese Orientierung auch auf Koalitionen mit Parteien wie SPD und Grüne lässt linke Parteien als Teil des „Establishments“ erscheinen und verspielt so viel Potential.

Ein Beispiel dafür, wie die Praxis einer neuen Linkspartei aussehen kann, zeigt die SLP tagtäglich in ihrer Praxis. Die diversen Aktionen und Proteste, an denen wir uns beteiligt haben bzw. die wir initiiert haben, zeigen, wie wichtig die Rolle von SozialistInnen in verschiedenen sozialen Bewegung ist. So organisierte beispielsweise Stefan Reifberger, SLP-Schulsprecher in Salzburg, gemeinsam mit anderen letztes Jahr einen Schulstreik gegen Stundenkürzungen mit über 1200 Beteiligten. Peter Hauer, SLP-Aktivist in Gmunden, baute zusammen mit Mitschülerinnen ein Antisexismus-Komitee an der HTL Leonding auf, welches daraufhin massiven Anfeindungen durch LehrerInnen, Direktion und sogar Landesschulrat ausgesetzt war. Die Konferenz zeigte generell das hohe Gewicht der Aktivitäten der SLP außerhalb von Wien. Thomas Hauer aus Niederösterreich berichtete z.B. von Protesten gegen die Identitären in Mistelbach, an denen sich SLP maßgeblich beteiligte.

Darüber hinaus war die SLP Teil zahlreicher sozialer Proteste und Arbeitskämpfe in ganz Österreich. Wir beteiligten uns an den Aktivitäten von Care Revolution in Graz, Salzburg, Linz und Wien, an Protesten im Sozialbereich und gegen die Kürzung der Mindestsicherung in Oberösterreich. Außerdem war die SLP die einzige linke Organisation der es gelungen ist, Proteste gemeinsam mit KollegInnen von Zielpunkt zu organisieren, um gegen das rücksichtslose Vorgehen des Eigentümers zu demonstrieren, der trotz eines riesigen Privatvermögens Tausende KollegInnen in die Arbeitslosigkeit schickte.

Werde mit uns aktiv!

Das Ergebnis des Spendenappells übertraf alle Überwartungen und spiegelte die Begeisterung und Ernsthaftigkeit der AktivistInnen wieder. Nur ein Teil davon wird in Österreich eingesetzt werden, um die politische Arbeit der SLP zu finanzieren – Der Rest geht an unsere Schwesterorganisationen in Tunesien und der Türkei, die unter ungleich schwierigeren Bedingungen arbeiten müssen.

Auch in Zukunft wird die SLP aktiv im Widerstand von unten gegen Rassismus, Sexismus und Kürzungspolitik sein und eine sozialistische Alternative zum Chaos des Kapitalismus aufzeigen. Werde auch du mit uns aktiv und ein Teil im weltweiten Widerstand gegen das kapitalistische Chaos!

Die auf der Konferenz beschlossenen Dokumente werden im Verlauf der kommenden Wochen auf unserer Website zur Verfügung gestellt werden.

 

Leistungssport ist unsportlich

Franz Neuhold

Es ist nicht zu bestreiten, dass sportliche Betätigung Gefahren birgt. Unterm Strich führt Breitensport jedoch eindeutig zu gesundheitlichen Vorteilen. Doch die Häufung schwerwiegender Verletzungen im „Leistungssport“ zeugt vom Wahnsinn, der infolge kapitalistischer Bedingungen die Sportwelt dominiert.

Der Skispringer Lukas Müller muss seine kurze Karriere mit zwei gebrochenen Halswirbeln beenden. Die Leichtathletin Kira Grünberg erleidet im Training eine Querschnittslähmung. Für ihre Rehabilitation muss mittels Spendenhomepage geworben werden. Der wirtschaftliche Druck nimmt auch auf SportlerInnen zu. Offensichtlich fordert der Markt von den AthletInnen die Aufgabe jeglicher Vernunft. Steigen die Einschaltquoten und Werbeeinnahmen, wenn die Chance besteht, möglicherweise tödliche Unfälle mitzuerleben? Bei der Sturzorgie in Kitzbühel waren wir schon dicht dran.

Die kommerzielle Verwertung erzwingt nichts weniger als den generellen Verlust von Sportlichkeit. Dabei wird das postulierte Ziel, dass der/die „Beste“ infolge maximaler Anstrengungen gewinnt, ins Lächerliche gezogen: so gewinnt den Ski-Gesamtweltcup nicht der/die Beste, sondern wer am ehesten Knochen und Sehnen beisammen hält.

 

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Rote Seitenblicke: "El Chapo" als Vorbild für Arme?

Jens Knoll

„Mission erfüllt: Wir haben ihn“ - so die mexikanischen Behörden nach Festnahme von Joaquín „El Chapo“ Guzmán, dem bekanntesten Drogenkartellboss Mexikos. Er selbst stammt aus einer sehr armen Familie. Sein Kartell zählt zu den größten Verbrecherorganisationen der Welt. Seit den 1980ern verdiente er Millionen durch Drogenschmuggel, Schutzgelderpressung, Menschenhandel und ähnlich ekelhafte Geschäfte. Hollywoodreif floh er mehrmals mit Hilfe von korruptem Personal aus Hochsicherheitsgefängnissen.

Die gewaltigen sozialen und wirtschaftlichen Probleme Mexikos sowie die damit verbundene Korruption ermöglichten ihm erst den Aufstieg. Heute kontrollieren sie praktisch Teile im Norden des Landes. Dort herrscht neben dem Gewaltmonopol des Staats auch das der Kartelle - in beiden Fällen werden die Menschen brutal beherrscht und ausgebeutet. Der „Krieg gegen Drogen“, forderte seit 2005 weit über 70.000 zivile Opfer. Die Ärmsten werden von Staat und Kartellen als Söldner verdingt, um sich gegenseitig zu erschießen. Der brutale und menschenverachtende Staat hat den brutalen und menschenverachtenden Kartellboss El Chapo zu einer Art Star werden lassen – eine „vom Tellerwäscher zum Millionär“ Geschichte, bloß mit Kokain und Auftragsmorden. Doch die HeldInnen der mexikanischen Revolution mit ihrem Kampf gegen imperialistische Bevormundung und Großgrundbesitzer und mit den durchgeführten Verstaatlichungen sind die besseren Vorbilder im Kampf gegen schwerreiche Industrielle, korrupte Beamte und Drogenbosse.

 

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Die Linke in Hollywood

Systemkritische Filme aus Hollywood – ist die Filmindustrie nach links gegangen?
Brettos

In den letzten Jahren haben eine ganze Reihe von Linken in Hollywood ihre politischen Einstellungen in ihren Filmen verwirklicht und versucht, ein kritischeres Bild des Kapitalismus, der USA und ihrer Außenpolitik wiederzugeben. Auf der einen Seite gibt es bereits etablierte Linke in Hollywood wie Sean Penn und Susan Sarandon, die sich bereits sehr prominent gegen Kriege und George W. Bush stellten. Nach mehreren erfolgreichen Filmen produzierte Steven Soderbergh 2008 eine Filmbiografie über Ernesto „Che“ Guevara. Und das, obwohl er wusste, dass er damit kein Geld verdienen würde.

In der jüngeren Vergangenheit konnte man einen Trend von Filmen beobachten, die sowohl kritisch als auch finanziell erfolgreich waren. „The Hunger Games“ und andere Filme haben versucht, Klassenunterschiede und die Notwendigkeit die Gesellschaft zu verändern, aufzuzeigen. Einige der besten linken Filme der letzten Jahre sind vom südafrikanischen Regisseur Neil Blomkamp gekommen. Seine Filme wie „District 9“ und „Elysium“ waren kritisch gegenüber der herrschenden Einwanderungspolitik und der Klassengesellschaft.

Dieser Trend reflektiert die wachsende Wut und das politische Bewusstsein rund um Ungleichheit, Rassismus und die Zerstörung der Umwelt. Im Kern ist Hollywood trotzdem eine Profitmaschinerie. Welche Botschaften erlaubt sind wird letztlich von den finanziellen Interessen der Produktionsfirmen vorgegeben. Sogar in der Frage der Repräsentation der DarstellerInnen haben die aktuellen Oscarnominierungen gezeigt, wo Hollywood nach wie vor steht. Viele Menschen protestieren mit dem Hashtag #OscarsSoWhite gegen die Oscars, um aufzuzeigen, dass nun das zweite Jahr in Folge keine farbigen SchauspielerInnen für die Oscars nominiert wurden. Im Kapitalismus wird die Kunst der SchauspielerInnen und RegisseurInnen von der Notwendigkeit Profite zu machen kontrolliert. Erst wenn auch die Kunst sich in einer Gesellschaft ohne Profitorientierung wirklich entfalten kann und demokratisch kontrolliert wird, werden wir wirklich freie Filme ohne künstlerische Einschränkungen sehen.

 

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"Es zahlt sich immer aus, aktiv zu werden"

Rapper Junk war Finalist beim Protestsongcontest 2016 und Aktivist bei Train of Hope. Vorwärts hat ihn interviewt.

 1) Der Song "train of hope" war ja über deine Erfahrungen als Aktivist in der Flüchtlingsbewegung. Warum bist du damals aktiv geworden? 

Ich hab, wie die meisten, mitbekommen was davor in Ungarn los war. Am 5 September (und ich merk mir eigentlich nie ein Datum, aber an diesen Tag werd ich mich immer erinnern...) hab ich dann im Radio gehört, dass die ersten Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof ankommen würden. Ich hab an dem Tag bei einer Veranstaltung gearbeitet, wo hektoliterweise Wasserflaschen übrig geblieben sind, also hab ich mich spontan mit zweidrei KollegInnen organisiert und einige PKW-Ladungen abgezweigt und zum Westbahnhof gebracht. Ich werde nie vergessen, wie ich da zum ersten Mal hingekommen bin... Das war so eine oage Atmosphäre, die gleichzeitig unfassbar traurig, und doch auch von überwältigender Hoffnung durchdrungen war! Wien hat sich in diesen Tagen bei der ersten Bewältigung dieser humanitären Katastrophe von seiner besten Seite gezeigt! Anfang Oktober war ich dann zum ersten Mal am Hauptbahnhof. Der Esprit der Freiwilligen dort war in jeder Hinsicht inspirierend! Also bin ich geblieben.
 2) Was waren für dich die wichtigsten Erfahrungen dabei? 

Was für immer nachwirkt ist der Geist der Mitmenschlichkeit und des guten Willens, mit dem sich alle am Hauptbahnhof begegnet sind! Das war ein absolut überwältigendes Gefühl zwischen einerseits tiefschwarzer Traurigkeit angesichts der tausenden furchtbaren Schicksale der Schutzsuchenden, und andererseits unerschütterlicher Zuversicht und positiver Energie in Anbetracht all der Helfenden, die dort zu jeder Tag- und Nachtzeit daran gearbeitet haben, diese Schicksale zumindest ein bisschen erträglicher zu machen! Und es gab schon einige Situationen, mit denen ich in jedem anderen Kontext vermutlich völlig überfordert gewesen wäre. Aber zu wissen, dass wir auch solche Situationen mit vereinten Kräften meistern können, ist eine Erfahrung, an der ich in vielerlei Hinsicht gewachsen bin.
 3) Was macht für dich einen guten Protestsong aus? Was ist dir wichtig in deiner Musik rüberzubringen?

Ein guter Protestsong sollte sowohl aktuelle Missstände reflektieren, als auch eine zeitlose gesellschaftspolitisch relevante Aussage haben. Und E-Gitarren! Protest muss wachrütteln! Protest muss laut sein!!! Unsere Nummer 'Train of Hope' war auch eigentlich weniger als Protestsong, sondern eher als 'Mutmachersong' gemeint, den ich anfangs eigentlich nur an meine KollegInnen am Hauptbahnhof geschickt hab. Die Teilnahme am Protestsongcontest ist dann eher 'passiert', das wir es mit der Nummer bis ins Finale schaffen würden, hätte ich nie gedacht...
Grundsätzlich geht es mir in meinen Texten immer darum Erlebtes und Erfühltes zu verbalisieren, zu reflektieren, und letztlich für mich zu verarbeiten. Ob dabei am Ende dann eine gehaltvolle Nummer über Politik, Religion und Medien, oder eine dadaistische Nummer über Sex, Drogen und HipHop rauskommt, ist mir eigentlich egal...
Echt muss es sein. Wenn ich es nicht spür, dann lass ich es.
 4) Im Moment rennt viel schief in unserer Gesellschaft. Deine Gedanken dazu?

Ich packs überhaupt nicht, wie unsere Gesellschaft gerade polarisiert und auseinanderdividiert wird! Was da seitens einiger politischer und medialer Meinungsmacher und deren Hintermänner an Zwietracht gesäht wird, ist unerträglich! Dabei wird es uns auch weiterhin nicht weiterbringen, wenn wir alle, die nicht unserer Meinung sind, pauschal wahlweise als 'naive Gutmenschen' oder 'dumme Nazis' abstempeln! Ich will nicht predigen, aber wenn wir alle nur ein bissl bereit wären uns ernsthaft mit den Ursachen all des Hasses auseinanderzusetzen, der unsere Gesellschaft gerade entzweit, dann könnten wir endlich damit beginnen MITeinander statt GEGENeinander über eine Besserung der Situation zu sprechen! Auch wenn es mir selbst oft sehr sehr schwer fällt die teils völlig abstrusen Ängste und das Verlangen nach einem 'starken Mann' in Teilen der Bevölkerung nicht reflexartig niederzuschmettern: wir müssen auf die Leute zugehen, und eine gemeinsame Lösung mit sovielen Menschen wie möglich finden! Ein paar Nazischädeln wirds in Österreich möglicherweise immer geben, wir sollten denen aber nicht auch noch den Gefallen tun, dass wir ihnen jene in die Arme treiben, die wir in ihrer oft einfach gestrickten Verunsicherung nicht ernst nehmen wollen. 5) Angesichts des Frusts ob des Erstarkens der Rechten - zahlt es sich dennoch aus, aktiv zu werden?

Es zahlt sich immer aus, aktiv zu werden! Und angesichts des Erstarkens der Rechten zahlt es sich mehr denn je aus! Und es gibt mir auch einfach ein sehr gutes Gefühl mich da aktiv einzubringen, und nicht nur vom Beckenrand aus herumzusudern... 'Es klingt so banal und ist doch so wichtig: wenn du siehst, dass es falsch läuft, mach es richtig!'.  Bildrechte: Junk

 

Kämpferische Herzen

Laura Rafetseder von der SLP in der Endausscheidung beim Protestsongcontest 2016

SLP-Mitglied Laura Rafetseders beating hearts hat es unter die Top Ten des Protestsongcontests 2016 geschafft. Laura, die seit vielen Jahren aktiv in der SLP ist erklärt zum Hintergrund des Beitrages: "Der Song entstand 2012 aus einem Arbeitskonflikt. Es geht um die Notwendigkeit von Solidarität innerhalb der Belegschaft, Angst vor Arbeitsplatzverlust, steigenden Arbeitsdruck und ein zunehmendes Gefühl der Entfremdung. Wir leben in Zeiten der kapitalistischen Krise, der Kampf ums Überleben wird härter. Mehr denn je merken wir, wie einsam uns der Kapitalismus macht - denn mit unseren Sorgen und Ängsten bleiben wir meist allein, marschieren getrennt. Dabei geht es uns eigentlich allen gleich mit unseren Sorgen und Zukunftsängsten, und wir leiden darunter dass uns Politik und Wirtschaft ständig gegeneinander ausspielen und in Isolierung halten."  Der Song zeigt, dass das Politische privat und das Private politisch ist. Dieser Wunsch nach Einheit ist so universell, dass er bei allen möglichen Themenbereichen immer wieder aufkommt und auch zeigt, dass Menschen eben nicht egoistische Einzelkämpfer sind: Flüchtlingskrise. Sektiererische Gewalt im Nahen Osten. Krieg. Und der Widerstand dagegen. Aber eben auch aufs tägliche Leben hier und jetzt. Der Song fragt auch danach was sein kann - wir könnten so vieles mehr sein, als der Kapitalismus zulässt. Und das können erreichen, wenn wir uns wehren. Denn wir sind viel stärker als wir eigentlich denken - gemeinsam. 

 

Lesetipp: „Fremde von Staats wegen“

Wie mit „Fremden“ kapitalistische Herrschaftspolitik gemacht wird.
Alexander Svojtko

Die derzeitige Debatte um „Obergrenzen“, „Flüchtlinge“ und „WirtschaftsmigrantInnen“ setzt die Frage des staatlichen Umgangs mit „fremden“ Menschen neuerlich auf die Tagesordnung. Das Buch „Fremde von Staats wegen – 50 Jahre `Fremdenpolitik´ in Österreich“ erscheint somit zur genau richtigen Zeit. Das umso mehr, als bisher eine „systematische und umfassende Untersuchung der … `Ausländer_innen´-Politiken … völlig fehlt“, wie die Autorin Lisa Grösel in ihrer Einleitung schreibt.

Diese Lücke schließt die Historikerin nun auf den rund 300 Seiten ihres mit 968 Fußnoten gespickten Bandes. Dabei nutzt sie in erster Linie parlamentarische Sachquellen wie stenografische Sitzungsprotokolle, Ausschussberichte etc., um zu zeigen, wie die österreichische „Fremdenpolitik“ seit jeher in ihrer „Spaltungs-, Disziplinierungs- sowie einer identitätspolitischen Konsensfunktion ein Herrschaftsinstrument bildet, das in erster Linie auf jenen Teil der ausgebeuteten und arbeitenden Klassen gerichtet ist, der als `eigene´ Staatsbürger_innen markiert ist“, schreibt Grösel.

LeserInnen, die eine Darstellung der zahlreichen Protest- und Widerstandsaktivitäten in Solidarität mit den „Fremden“ suchen, oder gar eine praktische Anleitung dazu, werden in diesem Buch allerdings nicht fündig werden, obwohl die Autorin derartige Mobilisierungen von unten für unabdingbar hält: „Offenbar können inklusive und solidarische Gesellschaftsentwürfe nur im Rahmen radikaler … sozialer Bewegungen entwickelt werden.“

 

Lisa Grösel: Fremde von Staats wegen

Mandelbaum, Wien 2016

ISBN: 978-3-85476-646-9

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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