"Es zahlt sich immer aus, aktiv zu werden"

Rapper Junk war Finalist beim Protestsongcontest 2016 und Aktivist bei Train of Hope. Vorwärts hat ihn interviewt.

 1) Der Song "train of hope" war ja über deine Erfahrungen als Aktivist in der Flüchtlingsbewegung. Warum bist du damals aktiv geworden? 

Ich hab, wie die meisten, mitbekommen was davor in Ungarn los war. Am 5 September (und ich merk mir eigentlich nie ein Datum, aber an diesen Tag werd ich mich immer erinnern...) hab ich dann im Radio gehört, dass die ersten Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof ankommen würden. Ich hab an dem Tag bei einer Veranstaltung gearbeitet, wo hektoliterweise Wasserflaschen übrig geblieben sind, also hab ich mich spontan mit zweidrei KollegInnen organisiert und einige PKW-Ladungen abgezweigt und zum Westbahnhof gebracht. Ich werde nie vergessen, wie ich da zum ersten Mal hingekommen bin... Das war so eine oage Atmosphäre, die gleichzeitig unfassbar traurig, und doch auch von überwältigender Hoffnung durchdrungen war! Wien hat sich in diesen Tagen bei der ersten Bewältigung dieser humanitären Katastrophe von seiner besten Seite gezeigt! Anfang Oktober war ich dann zum ersten Mal am Hauptbahnhof. Der Esprit der Freiwilligen dort war in jeder Hinsicht inspirierend! Also bin ich geblieben.
 2) Was waren für dich die wichtigsten Erfahrungen dabei? 

Was für immer nachwirkt ist der Geist der Mitmenschlichkeit und des guten Willens, mit dem sich alle am Hauptbahnhof begegnet sind! Das war ein absolut überwältigendes Gefühl zwischen einerseits tiefschwarzer Traurigkeit angesichts der tausenden furchtbaren Schicksale der Schutzsuchenden, und andererseits unerschütterlicher Zuversicht und positiver Energie in Anbetracht all der Helfenden, die dort zu jeder Tag- und Nachtzeit daran gearbeitet haben, diese Schicksale zumindest ein bisschen erträglicher zu machen! Und es gab schon einige Situationen, mit denen ich in jedem anderen Kontext vermutlich völlig überfordert gewesen wäre. Aber zu wissen, dass wir auch solche Situationen mit vereinten Kräften meistern können, ist eine Erfahrung, an der ich in vielerlei Hinsicht gewachsen bin.
 3) Was macht für dich einen guten Protestsong aus? Was ist dir wichtig in deiner Musik rüberzubringen?

Ein guter Protestsong sollte sowohl aktuelle Missstände reflektieren, als auch eine zeitlose gesellschaftspolitisch relevante Aussage haben. Und E-Gitarren! Protest muss wachrütteln! Protest muss laut sein!!! Unsere Nummer 'Train of Hope' war auch eigentlich weniger als Protestsong, sondern eher als 'Mutmachersong' gemeint, den ich anfangs eigentlich nur an meine KollegInnen am Hauptbahnhof geschickt hab. Die Teilnahme am Protestsongcontest ist dann eher 'passiert', das wir es mit der Nummer bis ins Finale schaffen würden, hätte ich nie gedacht...
Grundsätzlich geht es mir in meinen Texten immer darum Erlebtes und Erfühltes zu verbalisieren, zu reflektieren, und letztlich für mich zu verarbeiten. Ob dabei am Ende dann eine gehaltvolle Nummer über Politik, Religion und Medien, oder eine dadaistische Nummer über Sex, Drogen und HipHop rauskommt, ist mir eigentlich egal...
Echt muss es sein. Wenn ich es nicht spür, dann lass ich es.
 4) Im Moment rennt viel schief in unserer Gesellschaft. Deine Gedanken dazu?

Ich packs überhaupt nicht, wie unsere Gesellschaft gerade polarisiert und auseinanderdividiert wird! Was da seitens einiger politischer und medialer Meinungsmacher und deren Hintermänner an Zwietracht gesäht wird, ist unerträglich! Dabei wird es uns auch weiterhin nicht weiterbringen, wenn wir alle, die nicht unserer Meinung sind, pauschal wahlweise als 'naive Gutmenschen' oder 'dumme Nazis' abstempeln! Ich will nicht predigen, aber wenn wir alle nur ein bissl bereit wären uns ernsthaft mit den Ursachen all des Hasses auseinanderzusetzen, der unsere Gesellschaft gerade entzweit, dann könnten wir endlich damit beginnen MITeinander statt GEGENeinander über eine Besserung der Situation zu sprechen! Auch wenn es mir selbst oft sehr sehr schwer fällt die teils völlig abstrusen Ängste und das Verlangen nach einem 'starken Mann' in Teilen der Bevölkerung nicht reflexartig niederzuschmettern: wir müssen auf die Leute zugehen, und eine gemeinsame Lösung mit sovielen Menschen wie möglich finden! Ein paar Nazischädeln wirds in Österreich möglicherweise immer geben, wir sollten denen aber nicht auch noch den Gefallen tun, dass wir ihnen jene in die Arme treiben, die wir in ihrer oft einfach gestrickten Verunsicherung nicht ernst nehmen wollen. 5) Angesichts des Frusts ob des Erstarkens der Rechten - zahlt es sich dennoch aus, aktiv zu werden?

Es zahlt sich immer aus, aktiv zu werden! Und angesichts des Erstarkens der Rechten zahlt es sich mehr denn je aus! Und es gibt mir auch einfach ein sehr gutes Gefühl mich da aktiv einzubringen, und nicht nur vom Beckenrand aus herumzusudern... 'Es klingt so banal und ist doch so wichtig: wenn du siehst, dass es falsch läuft, mach es richtig!'.  Bildrechte: Junk