Internationales

Irland: Sozialistischer Feminismus bei Wahlen und auf der Straße!

von Christoph Glanninger

Gleichzeitig mit den Europawahlen haben in Irland auch Regionalwahlen stattgefunden, bei der unsere Schwesterorganisation Socialist Party 3 Stadtrats-Mandate gewinnen konnte. Insgesamt waren die Wahlen geprägt von einer schlechten Performance der etablierten Parteien, aber vor allem die links-nationalistische Sinn Fein blieb mit einem angepassten Kurs deutlich unter den Erwartungen. Dafür konnten sich - ähnlich wie bei den EU-Wahlen - eine Reihe von rechten Kandidat*innen durchsetzen. Umso wichtiger ist der Aufbau der tatsächlich kämpferischen sozialistischen Alternative bei den bevorstehenden Parlamentswahlen und auf der Straße. Die Socialist Party schreibt zu den Wahlen “Es ist entscheidend, dass wir Sozialist*innen und Marxist*nnen in den nächsten Dáil (Irisches Parlament) wählen, um in dieser Zeit der kapitalistischen Mehrfachkrisen einen Weg nach vorne zu weisen und dabei zu helfen, eine echte linke und sozialistische politische Kampfansage und Alternative zum Status quo aufzubauen, die in den Kämpfen von Arbeiter*innen, Nachbarschaften, Frauen und queeren Menschen, behinderten Menschen sowie migrantisierten Menschen im Widerstand gegen Rassismus wurzelt.”

Unmittelbar nach den Wahlen zeigten ROSA Irland, die Socialist Party und Ruth Coppinger - eine der gewählten Socialist Party-Stadträt*innen und ROSA-Aktivistin - wie genau das gelingen kann: Sie spielten eine zentrale Rolle bei der Organisation von landesweiten Protesten gegen geschlechterspezifische Gewalt. Ein irisches Gericht hatte einen Soldaten mit lediglich einer Bewährungsstrafe entlassen, nachdem dieser eine junge Frau auf der Straße bewusstlos geprügelt hatte, weil sie ihn dazu aufgefordert hatte, homophobe Beschimpfungen zu unterlassen. Als Antwort auf dieses Urteil gingen landesweit Tausende in Protest gegen das sexistische Justizsystem und die Armee auf die Straße. Schon jetzt haben die Proteste Regierung und Armee zu ersten Zugeständnissen gezwungen. Aktivist*innen von ROSA und der Socialist Party organisieren weitere Proteste und betonen, dass es eine Bewegung gegen das gesamte sexistische und ungleiche System braucht, um geschlechterspezifische Gewalt tatsächlich zu bekämpfen. 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

EU-Wahlen: Widerstand von unten als beste Antwort auf den Rechtsruck

Stellungnahme zu den EU-Wahlen

Proteste in Frankreich

EU-Wahlen: Widerstand von unten als beste Antwort auf den Rechtsruck

Jetzt in Schulen, Unis und Betrieben aktiv werden!

Die Ergebnisse der EU-Wahlen waren für viele Menschen europaweit ein Schock. In mehreren Ländern konnten rechtsextreme Parteien Durchbrüche feiern. Sie profitieren am stärksten von dem berechtigten Unmut gegenüber der vielen Krisen des Systems und dem unsozialen, arbeiter*innenfeindlichen, undemokratischen, militaristischen Charakter der EU und dem Versagen der etablierten Parteien. In Frankreich erhält die Rassemblement National doppelt so viele Stimmen wie die zweitstärkste Partei, in Deutschland wird die AfD (die sogar den anderen rechtsextremen Parteien in Europa zu rechts ist) zweitstärkste Kraft und kommt in ostdeutschen Bundesländern auf den ersten Platz und auch in Österreich kommt die FPÖ zum ersten Mal in einer bundesweiten Wahl auf Platz 1. Bedrohliche Vorzeichen auf die Nationalratswahlen in Österreich, Landtagswahlen in Ostdeutschland im Herbst oder die angekündigten Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Schon vor der Wahl geht das gesamte politische Establishment nach rechts: z.B. mit dem neuen menschenfeindlichen Asylpaket der EU oder Macrons Migrationsreform. Nach der Wahl beschleunigt sich das weiter - schon jetzt hört man z.B. aus der SPÖ (von Dornauer aber auch Babler) Stimmen für eine “klarere Kante” gegen Migration. Die etablierten Parteien versuchen weiter die Rechtsextremen rechts zu überholen. Dieses Einknicken vor den Rechten und fehlender linker Widerstand gegen Rechtsruck, Rassismus und Kapitalismus stärken rechte Kräfte weiter. Uns allen muss klar sein: dieser Rechtsruck ist eine direkte Bedrohung für die Leben gerade von Migrant*innen, Geflüchteten, trans Personen und Frauen - alle Arbeiter*innen sind durch ihre unsoziale und spaltende Politik bedroht. Dagegen müssen wir jetzt aktiv werden!

Die Basis des Rechtsrucks

Der Kapitalismus befindet sich weltweit und auch besonders in Europa in einer tiefen Krise. Der Lebensstandard breiter Schichten der Bevölkerung und dazu kommen immer neue Krisen (von der Finanzkrise, über Corona bis hin zur Teuerung). Die etablierte Politik lädt sämtliche dieser Krisen auf der Bevölkerung ab und erzeugt dadurch massiven Unmut. Die Rechten geben wiederum reaktionäre Antworten auf dieses Versagen des Establishments und profitieren von der weit verbreiteten Anti-Systemstimmung. In ihrer verqueren Darstellung ist der woke Globalismus - damit gemeint Migration, Feminismus, Queere Rechte - die Grundlage für die Krisen unserer Gesellschaften und nicht die chaotische profitorientierte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Ihre Alternative ist die “gute alte Zeit” (die natürlich [nicht nur] für Frauen, Queers und Migrant*innen alles andere als gut war) und ein nach unten statt nach oben treten. Diese Hetze kann aber nur erfolgreich sein, weil linke Kräfte nicht entschlossen gegen Unterdrückung kämpfen, Selbstorganisierung und Widerstand von unten aufbauen und dadurch echte Verbesserungen erkämpfen und klarmachen, dass nur eine Sozialistische Alternative eine Lösung für die tiefen Krisen des Kapitalismus darstellen kann. 

Warum profitieren Rechtsextreme und nicht die politische Linke?

Die Kräfte links der Sozialdemokratie, die sich gegen die etablierte Politik stellen haben äußerst durchwachsene Ergebnisse eingefahren. La France insoumise des Linkspolitikers Mélenchon war bei den letzten Wahlen noch gleichauf mit Le Pen und kommt bei den EU Wahlen nur auf 9,89% (17% 2022). Die deutsche Linke stürzt auf 2,7% ab (5% 2019). In einigen skandinavischen Ländern - in denen sich rechte Parteien teilweise schon in der Regierung befinden - gibt es auch Erfolge für Linke Parteien. Aber trotzdem zeigt sich insgesamt ein düsteres Bild. Die Frage, warum die politische Linke nicht von dem massiven Unmut profitieren kann, ist zentral. Insgesamt schwimmen alle linken Kräfte - auch angepasste - gegen den Strom. Rechtspopulist*innen, Konservative, Liberale und Sozialdemokrat*innen gehen - trotz großer Unterschiede in die gleiche Richtung - sie unterscheiden sich vor allem darin, wie schnell und radikal eine rassistische, autoritäre und unsoziale Politik umgesetzt werden soll. Von der Rechtspopulistin Meloni, über den konservativen Nehammer, den liberalen Macron bis hin zum Sozialdemokraten Scholz führen sie neue rassistische Gesetze ein, verschärfen Repression gegenüber sozialen Bewegungen und Protesten, rudern beim Klimaschutz zurück, greifen soziale Errungenschaften an und akzeptieren die Ermordung von Tausenden Geflüchteten im Mittelmeer. Die Linke stößt mit ihren noch so begrenzten Forderungen an die Grenzen des Kapitalismus in der Krise. Dementsprechend reicht es auch nicht, gute Forderungen aufzustellen. Es braucht den Aufbau von Gegenmacht (d.h. Organisierung in Nachbarschaften, Betrieben usw.) und Widerstand von unten, der tatsächlich dazu in der Lage ist, solche Forderungen umzusetzen und die Rechte herauszufordern - leider scheitert die Wahlorientierung der meisten linken Parteien gerade daran. 

Eine weitere Schwäche ist die unklare Positionierung zu Fragen von Flucht, Sexismus, Transphobie oder das genozidale Massaker in Gaza. Es gibt einen Trend von linken Parteien, sich auf “soziale Fragen” zu konzentrieren und diese schwierigeren Themen auszulassen. Am präsentesten ist das beim Bündnis Sahra Wagenknecht in Deutschland, das sogar selbst rassistische und queerfeindliche Positionen verbreitet. Aber auch die KPÖ in Österreich beantwortet die Hetze von Rechts nicht offensiv, sondern versucht sie vor allem durch bessere Sozialpolitik auszustechen. Auch wenn man dadurch manchmal kurzfristige Wahlerfolge einfahren kann, verändert man nichts an der grundlegenden politischen Situation oder baut den notwendigen Widerstand gegen die extreme Rechte auf. Es muss für die Linke genau darum gehen, klare Kante gegen jeden Angriff auf unterdrückte Schichten der Klasse zu zeigen und dagegen zu mobilisieren, und das mit dem Kampf um soziale Verbesserungen und eine sozialistische Alternative zu verbinden. 

Das Ergebnis der KPÖ zeigt gleichzeitig Potenzial und Herausforderungen. Einerseits zeigt die Vervierfachung des Ergebnisses und vor allem 10% der unter 29-jährigen die wachsende Dynamik rund um die KPÖ, andererseits aber auch, dass es noch nicht gelungen ist, die KPÖ tatsächlich als Alternative zu sinkenden Lebensstandards, Rechtsruck und der Krise des Kapitalismus zu entwickeln. Es ist auch kaum gelungen Nichtwähler*innen zu mobilisieren. Bei den Nationalratswahlen wird das durch einen größeren Druck das “kleinere Übel” zu wählen und größere Konkurrenz durch die Bierpartei und andere noch schwieriger. Bis zu den Nationalratswahlen wird es für die KPÖ notwendig sein, sich stärker mit unterschiedlichen sozialen Protesten - gegen Klimawandel, Unterdrückung, das Massaker in Gaza oder den Notstand im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich - zu verbinden und den Wahlkampf auch tatsächlich dafür zu nützen um Gegenmacht von unten aufzubauen. Ein erster Schritt dafür wäre eine große Aktivist*innenkonferenz noch vor den Wahlen, um Aktive aus Betrieben, der antirassistischen, feministischen und Klimabewegung und alle anderen zusammenzubringen. 

Unsere Antwort: Selbstorganisierung und Widerstand!

Als Antwort auf den rechten Wahlerfolg in Frankreich sind schon in den letzten Tagen - nach Aufrufen von Jugendorganisationen und Gewerkschaften - Tausende in mehreren französischen Städten auf die Straße gegangen. In Deutschland haben in den letzten Monaten mehr als eine Million Menschen gegen die AfD demonstriert und auch in Österreich gab es große Proteste. Dazu kommt eine feministische Bewegung inklusive feministischer Streiks, eine noch immer existierende Klimabewegung und eine Zunahme von Streiks in ganz Europa und Massenproteste gegen das Massaker in ganz Europa. Das alles zeigt Politisierung nach lnks und das Potenzial von Widerstand von unten. Tatsächlich hat sich diese Politisierung kaum mangels Angebot kaum bei den Wahlen ausgedrückt. Die rechten Wahlerfolge sind deshalb eine Seite der Medaille und zeigen kein vollständiges Bild - die Wahlbeteiligung in Österreich lag nur bei 56% und dazu kommt, dass z.B. in Wien fast die Hälfte der Bevölkerung nicht wahlberechtigt ist. Tatsächlich hat nur eine kleine Minderheit der österreichischen Bevölkerung für die FPÖ gestimmt. Unser Ziel muss es sein, die vielen kämpferischen Proteste, Streiks und auch linke Parteien und Initiativen zusammenzubringen um gemeinsam Widerstand von unten und auch eine echte politische Alternative aufzubauen - das ist die wirksamste Antwort auf den politischen Rechtsruck. 

Als ISA wollen wir in den nächsten Monaten genau das machen. Wir rufen trotz Kritik zur Wahl der KPÖ auf, weil ihr Einzug ins Parlament die Ausgangsbedingungen für Widerstand und linke Ideen verbessern würde, aber fordern gleichzeitig, dass der Wahlkampf für den Aufbau einer Bewegung von unten genutzt wird. Darauf werden wir unsere Aktivitäten in den nächsten Monaten auch konzentrieren. Wir werden gemeinsam mit der sozialistisch-feministischen Initiative ROSA Widerstand gegen jeden jeden Angriff auf die Leben von Migrant*innen, trans Personen und Frauen aufbauen und gleichzeitig aufzeigen, dass die FPÖ und Co. für unsoziale Politik und Angriffe auf alle Beschäftigten stehen. Wir werden als Teil der Basisinitiative “Sozial aber nicht blöd” Streiks und Proteste im Gesundheits- und Sozialbereich  für tatsächliche Verbesserungen unterstützen. Der Aufbau so einer Bewegung ist auch die beste Grundlage für Widerstand gegen den Aufstieg der Rechten, eine mögliche FPÖVP-Regierung nach den Wahlen und Unterdrückung, Ausbeutung und Kapitalismus insgesamt. 

Wenn du in genug von rechter Hetze hast und in den nächsten Wochen nicht am Wahlkampf, sondern am Aufbau einer Bewegung von unten beteiligen willst, melde dich bei uns und werde aktiv!

 

 

 

UK: Lohnplus in Sonderschule erkämpft

von Katja Straka

In der staatlich finanzierten Sonderschule “Ash Field” haben die Assistenzbeschäftigten einen Arbeitskampf für höhere Löhne im November gewonnen. Die Löhne wurden sogar über ein Jahr rückwirkend erhöht. Laut Schätzungen bekamen die am schlechtesten bezahlten Kolleg*innen 18-25% mehr.

Aktivist*innen der britischen Sektion der ISA, die dort arbeiten, haben ein Streikkomitee von 12-15 Mitglieder aufgestellt, das sich regelmäßig traf. Die Aufgaben dieses Streikkomitees waren, Entscheidungen zu treffen, Informationen an die Kolleg*innen zu verbreiten und Falschinformationen entgegen zu wirken, aber auch die Kolleg*innen durch rauere Zeiten dieses langen Streiks zu tragen und gemeinsam aus ihren Fehlern zu lernen. Außerdem hatten sie die Aufgabe der Vernetzung mit weiteren Bereichen. So kamen viele lokale und nationale Gewerkschafter*innen, um die Streikposten zu unterstützen. Dies half unter anderem auch, die Vereinzelung der einzelnen Standorte zu durchbrechen.

Es wurde eine Demo angesetzt, an der die gesamte Linke bei der Mobilisierung mithalf. Aber viel entscheidender war noch, dass sie zu einem Streik für den gesamten November aufgerufen hatten. Dies brachte den endgültigen Durchbruch bei den Verhandlungen mit sich, der eine signifikante und spürbare Verbesserung für die Kolleg*innen, die überwiegend Frauen mit Migrationshintergrund sind, darstellt.

Website der ISA in England, Wales und Schottland: www.socialistalternative.info

 

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USA: Amazons Union-Busting

von Celina Brandstötter

Amazon ist für seine extreme und systematische Ausbeutung von Arbeitskräften bei geringstem Lohn bekannt. Unter diesen Arbeitsbedingungen kamen sogar schon Arbeiter*innen des Konzerns um ihr Leben. Derzeit versuchen nun Amazon-Arbeiter*innen im US-Bundesstaat Kentucky sich für verbesserte Arbeitsbedingungen gewerkschaftlich zu organisieren. In einem zentralen Luftversandzentrum rufen Arbeiter*innen seit letztem Jahr zum Gewerkschaftsbeitritt auf und organisierten einen Arbeitskampf. Angesichts des letzten Amazon-Quartalsgewinns von 10 Mrd. Dollar sind immer weniger Arbeiter*innen bereit, Amazons Ausbeutung weiterhin zu akzeptieren.

Die bei der Amazon Labor Union (ALU) organisierten Amazon-Arbeiter*innen fordern daher unter anderem eine Stundenlohnerhöhung auf 30 Dollar, kostenlose Kinderbetreuung am Arbeitsplatz, verstärkte Sicherheitsvorkehrungen und Überstundenvergütungen. Ende letzten Jahres reagierte Amazon nun, da diese gewerkschaftliche Organisierung an Fahrt gewinnt, plötzlich panisch und startete eine systematische Antigewerkschaftskampagne, um möglichst viele Arbeiter*innen von der gewerkschaftlichen Organisierung abzuhalten und führende Aktivist*innen einzuschüchtern.

,Union-Busting‘ ist ein zentrales Mittel von Großkonzernen, Konzerngewinne möglichst hoch zu halten, indem Gewerkschaftsformierungen und Gewerkschaftsaktivitäten sabotiert werden. Insbesondere in den USA sind Arbeitsrechte abseits gewerkschaftlicher Strukturen stark geschwächt. 

Neben der Organisierung der Arbeiter*innen in Kentucky solidarisierte sich die Kampagne Workers Strike Back mit den bei Amazon stattfindenden Kämpfen. Sie wurde von unserer Schwesterorganisation in den USA (Socialist Alternative) gegründet, um Gewerkschafts- und Arbeitskämpfe unterstützen. Ihre landesweite Solidaritätskampagne konnte mehrere tausend Dollar für ihre politische Arbeit sammeln und dient dazu, weitere Strategien für diverse Gewerkschaftsbewegungen zu erarbeiten. Für uns steht außer Frage, dass sich auch Amazon und Co. mittelfristig gegen die Stärke solcher Bewegungen nicht wehren können!

 

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Stoppt den genozidalen Angriff auf Gaza – Proteste und Aktionen der Arbeiter*innenklasse können die Kriegsmaschinerie stoppen!

von einem Mitglied der Leitung der "Socialist Alternative" (ISA in England, Wales und Schottland)

ISA in Israel/Palästina auf einem multiethnischen Protest gegen den Krieg in Gaza und das Besatzungsregime

Dieser Artikel (Titel leicht verändert) erschien zuerst am 25. März 2024 auf der Website der "Socialist Alternative" (ISA in England, Wales und Schottland) in englischer Sprache.

 

Vier Monate nach Beginn des genozidalen Angriffs auf den Gazastreifen wurden nach offiziellen Angaben mehr als 29.000 Menschen massakriert, darunter über 12.000 Kinder. Mehr als 90% der Bevölkerung sind vertrieben. Nach Angaben von Oxfam werden in Gaza täglich mehr Menschen getötet als bei jedem anderen militärischen Angriff im 21. Jahrhundert.

Das Ausmaß der Gräueltaten umfasst massenhafter Hunger, die Verwehrung des Zugangs zu Wasser und Medikamenten, systematische Angriffe auf Krankenhäuser und die Ausbreitung von Krankheiten. Das Ausmaß der Zerstörung ist verheerend. Nach Angaben der UNO würde es bei sofortiger Beendigung der Kämpfe bis 2092 dauern, bis das BIP in Gaza wieder das Niveau von 2022 erreicht hat! Das BIP war nach fast zwei Jahrzehnten brutaler Belagerung schon vorher extrem niedrig.

Der Krieg im Gazastreifen birgt auch die gefährliche Perspektive eines umfassenderen Konflikts im Nahen Osten, mit besorgniserregenden Entwicklungen im Libanon, Syrien, Jemen, Irak und anderen Ländern.

Während Labour und Tories [sozialdemokratische bzw. konservative Partei in England, Wales und Schottland, Anm. der Übers.] sich weigern, einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern, obwohl mehr als 70 % der Bevölkerung in Großbritannien dafür sind, weigern sich Millionen, zu schweigen. Es hat historische Solidaritätsproteste gegen den genozidalen Krieg in Gaza gegeben. Dazu gehören bedeutende Demonstrationen im Nahen Osten, im besetzten Westjordanland und Aktionen von Arbeiter*innen im Transportsektor, um die israelische Kriegsmaschinerie zu blockieren. Auch in der israelisch-jüdischen Bevölkerung wächst die Unzufriedenheit mit Netanjahu und seiner Regierung, die die Frage der Geiseln trotz der wachsenden Proteste dazu als zweitrangig behandelt.

Die Bodeninvasion in Rafah

Alle Augen richten sich nun auf Rafah, eine Stadt an der Grenze des Gazastreifens zu Ägypten. Vor dem 7. Oktober hatte sie etwas mehr als 200.000 Einwohner auf einer Fläche von 64 km2 (so groß wie Woking [Stadt in England, Anm. der Übers.]) - jetzt, vor der erwarteten vollständigen Bodeninvasion, befinden sich dort mindestens 1,4 Millionen Vertriebene. Dies ist eine weitere grausame Etappe im genozidalen Krieg in Gaza. Er kann die Ausweitung des Krieges im Nahen Osten beschleunigen, aber auch die internationale Solidaritätsbewegung anspornen.

Die Menschen im Gazastreifen sind nirgendwo sicher. Das Gebiet, das die israelische Armee für die Menschen in Rafah vorsieht, ist Al-Mawasi - ein Küstengebiet von etwa 16 km2. Das ist unmöglich. Selbst wenn 'nur' eine Million Palästinenser*innen in diesem Gebiet Zuflucht suchen würden, das bereits voller vertriebener Menschen ist, würde das bedeuten, dass die Bevölkerungsdichte dann bei 62.500 Menschen pro km2 liegen würde (verglichen mit einer Bevölkerungsdichte von 434 Menschen pro km2 in England).

Eine weitere 'Nakba'?

Das bedeutet, dass Massen von Gaza-Bewohner*innen an die Rafah-Grenze von Gaza zu Ägypten gedrängt werden könnten, wodurch eine zweite Nakba droht. Die Nakba ('Katastrophe') war die Massenvertreibung der Palästinenser*innen im Jahr 1948, bei der mindestens 750.000 Palästinenser*innen aus ihren Häusern vertrieben wurden. Diese Schrecken wurden vom kapitalistischen und rassistischen israelischen Regime nie anerkannt, ebenso wenig wie ihr Recht auf Rückkehr. Der Gazastreifen ist eine Enklave, die als Folge der Nakba entstanden ist. Viele von ihnen sind selbst Geflüchtete von 1948, was bedeutet, dass dieses nationale kollektive Trauma immer noch sehr lebendig ist.

Der ägyptische Präsident Al-Sisi sagt zwar, Ägypten werde sich nicht an einer zweiten Nakba beteiligen, aber er kümmert sich nicht wirklich um die Palästinenser*innen, sondern nur um seine eigenen Interessen. Die Regierung von Al-Sisi arbeitet seit Jahren aktiv mit dem israelischen Staat zusammen, um die brutale Belagerung des Gazastreifens durchzusetzen. Bisher hat sein Regime noch nicht einmal ernsthaft damit gedroht, die Friedensabkommen mit Israel von 1979 aufzukündigen. Andere Vereinbarungen zwischen den beiden Staaten könnten jedoch gebrochen werden, wenn die israelische Armee Netanjahus Pläne zur Übernahme des Philadelphi-Korridors/der Saladin-Achse weiterverfolgt - einer Grenzroute, die von ägyptischen Grenzsoldaten kontrolliert wird.

Es ist jedoch klar, dass sich die Solidaritätsdemonstrationen in Ägypten mit den Menschen im Gazastreifen vor dem Hintergrund der Invasion in Rafah gegen Al-Sisi wenden könnten, insbesondere wenn er als aktiver Helfer der israelischen Aggression wahrgenommen wird. Ein solches Szenario kann Al-Sisi dazu bringen, viel weiter zu gehen, als er eigentlich beabsichtigt, da er befürchten muss, dass solche Proteste einen erneuten Massenaufstand entfachen könnten.

'Friedensprozesse' auf kapitalistischer Grundlage

Dies entlarvt die Grundlage für Absprachen zwischen den herrschenden Eliten im Nahen Osten. Die Diktatoren in der Region und die imperialistischen Mächte vertreten Interessen, die den Interessen der Massen widersprechen. Ihr Interesse ist die Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft und des kapitalistischen Systems, das auf der Ausbeutung und Unterdrückung der Massen beruht.

Eine palästinensische Revolution zur Erreichung echter nationaler und sozialer Befreiung und eines wirklich unabhängigen palästinensischen Staates wird wahrscheinlich andere revolutionäre Aufstände in der Region entfachen. Dies wäre nicht nur eine Bedrohung für die Diktaturen im Nahen Osten, sondern auch für die Interessen des US-Imperialismus, der dominierenden Macht in der Region. Außerdem wäre es eine Bedrohung für die anderen imperialistischen Mächte, einschließlich des zunehmend involvierten China und Russland.

Die Frage der Geiseln

In der israelisch-jüdischen Bevölkerung wächst die Sorge um die Geiseln, die bei dem brutalen und wahllosen Angriff der Hamas am 7. Oktober entführt wurden. Trotz der Proteste und sogar eines 100-minütigen Generalstreiks (anlässlich des 100. Tages seit der Entführung) hat Netanjahu bewiesen, dass seinem Regime nicht nur die höllischen Bedingungen, die es den Palästinenser*innen aufzwingt, völlig egal sind, sondern dass es sich auch nicht wirklich um die israelischen Geiseln kümmert. Die ISA-Mitglieder in Israel und Palästina fordern einen sofortigen Austausch " Alle gegen Alle“ - alle Geiseln gegen alle palästinensischen Gefangenen, einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand und einen Kampf gegen die Besatzung - der Ursache dieser Katastrophe.

Der Weg nach vorn

Eine wirkliche Lösung erfordert eine grundlegende Veränderung der Machtverhältnisse zwischen den palästinensischen Massen und der israelischen Kapitalist*innen-Elite, die die blutige Besatzung, die Belagerung, die Armut und die extreme nationale Unterdrückung durchsetzt. Eine solche Veränderung erfordert einen Massenkampf für die Befreiung der Palästinenser*innen und den Sturz des israelischen Kapitalismus und Imperialismus im Nahen Osten.

Ein Massenkampf stellt eine große Gefahr für das israelische Besatzungsregime dar. Es ist an einem Punkt angelangt, an dem es den brutalen genozidalen Krieg als Existenzberechtigung braucht, um Rassismus und reaktionären Patriotismus zu schüren und sich an der Macht zu halten. Ein Massenkampf der Palästinenser*innen, wie ihn die erste Intifada gezeigt hat, würde jedoch zu Rissen zwischen dem reaktionären kapitalistischen Staat Israel und der potenziell mächtigen israelisch-jüdischen Arbeiter*innenklasse führen. Unter der Wucht der Massenkämpfe besteht trotz der nationalistischen Welle immer noch das Potenzial, diese Risse zu vertiefen. Das zeigen die öffentliche Debatte über die Geiseln sowie die sehr schlechten Umfrageergebnisse von Netanjahu und seinen rechtsextremen Koalitionspartnern.

Der Kampf für ein Ende der Herrschaft des israelischen Kapitalismus und der imperialistischen Kriege erfordert eine sozialistische Alternative, bei der der Reichtum und die Ressourcen in der Region vollständig von der Arbeiter*innenklasse kontrolliert und verwaltet werden - statt im Interesse von Kriegstreibern und Kapitalist*innen. Dadurch würde ein angemessener Lebensstandard für alle Menschen der Region und die Planung des dringend notwendigen Wiederaufbaus des Gazastreifens ermöglicht, wo grundlegende Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen schon lange vor dem 7. Oktober erheblich beschädigt und unzureichend waren. 

Ein echter Frieden in der Region auf der Grundlage einer sozialistischen Transformation der Gesellschaft beinhaltet die Gewährleistung gleicher Rechte, echter Gleichheit und des Rechts auf Selbstbestimmung für alle nationalen und ethnischen Bevölkerungsgruppen in der Region im Rahmen von Vereinbarungen zwischen der Arbeiter*innenklasse dieser und dem Recht auf Rückkehr der palästinensischen Geflüchteten seit 1948.

Deutschland: #15vor12 - Streik gegen Rechtsruck

von Angela Bankert, Sozialistische Alternative - SAV (ISA in Deutschland) in Köln

Seit den großen Kundgebungen gegen die AfD fragen sich viele, wie es weitergehen soll. Es ist klar, dass Demonstrationen nicht ausreichen und ein organisiertes und politisches Vorgehen gegen Rassismus und Faschismus nötig ist. Ein vorwärts weisender Vorschlag kommt vom Bündnis „Köln stellt sich quer “ (KSSQ), das am 21. Januar eine Demonstration mit 70.000 Teilnehmenden organisiert hatte und dort zu einem 15minütigen Generalstreik am internationalen Tag gegen Rassismus am 21. März aufrief.

Im Aufruf heißt es u.a.: “Wir wollen, dass an Arbeits- und Ausbildungsplätzen eine Viertelstunde über Rassismus und die menschenverachtenden Deportationspläne der AfD diskutiert wird, dass überlegt wird, wie gemeinsames Eintreten für Menschenrechte und Menschenwürde tatsächlich aussehen kann – gegen Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Homophobie und Transfeindlichkeit.”

Im Bündnis „Köln stellt sich quer“ arbeiten Vertreter*innen verschiedener Parteien und Organisationen zusammen, unter anderem SPD, Grüne, Linke, Kirchen, und auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Köln, dessen Vorsitzender Witich Roßmann diesen Aufruf explizit unterstützt und erklärt, man werde “den Aktionsvorschlag jetzt in alle Gruppen einbringen”. Aus den Reihen der Kölner Gewerkschaften “gibt es schon sehr positive Resonanz darauf. Mitmachen kann jeder, von der Schülervertretung bis zu den Arbeitern in der Ford-Produktionshalle“, so Witich Roßmann.“ (Kölnische Rundschau 22.1.24). Die Kampagne #15vor12 verdient bundesweite Verbreitung und Ausweitung durch gewerkschaftlich Aktive und Antifaschist*innen.

Mit Tarifrunden [KV-Verhandlungen] verbinden

Wichtig ist, dass die Einzelgewerkschaften mitziehen. Besonders jene, die gerade in Tarifkämpfen unterwegs sind, könnten den 21. März für Streiks nutzen, z.B. ver.di [Gewerkschaft des privaten sowie öffentlichen Dienstleistungssektors] in der Tarifrunde Nahverkehr. Würde ver.di, gemeinsam mit den Aktiven von Fridays. GDL [Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer] und EVG [Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft] am 21. März den Nah- und Fernverkehr für 15 Minuten lahm legen, wäre das ein mächtiges Zeichen. Die Bildungsgewerkschaft GEW [Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft] kann ihre Lehrkräfte auffordern, das Thema an dem Tag im Unterricht zu behandeln und  am 21. März Veranstaltungen und Aktionen an Schulen zu organisieren. Parallel dazu sollte eine Vernetzung an Schulen und Uni erfolgen, um längere Streiks gegen Rassismus vorzubereiten. In mehreren Städten entstehen gerade neue antifaschistische Stadtteilgruppen, die Schüler*innen dabei unterstützen können.

Ein 15-minütiger politischer Streik würde deutlich machen, wer das Land am Laufen hält und wer es still stehen lassen kann, sollte die AfD auch nur einen Zipfel staatlicher Macht ergattern. Als reaktionäre Generäle 1920 die Regierung stürzten und eine Diktatur errichten wollten (sog. „Kapp-Putsch“), rief der ADGB [Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund] zum Generalstreik auf, und der Putschversuch war binnen weniger Tage erledigt. [...]

Durch einen Mini-Streik von einer Viertelstunde wird allerdings noch kein wirtschaftlicher Druck aufgebaut. Die bisherigen Auftritte von DGB-Vertreter*innen auf Kundgebungen und gemeinsame Erklärungen mit Konzernchefs (z.B. in Hamburg) lassen befürchten, dass eine Arbeitsniederlegung einvernehmlich mit den Arbeitgeber*innen organisiert werden könnte. Das würde die Aktion schwächen, es wäre keine unabhängige gewerkschaftliche Aktion. Noch sind die meisten Kapitalist*innen gegen die AfD, doch für Teile des Kapitals wird der Rechtspopulismus zu einer Option. Die Beschäftigten können sich nur auf sich selbst verlassen.

Aktive Gewerkschafter*innen sollten die Initiative von KSSQ nutzen, um jetzt mit der Vernetzung zu beginnen und Aktionen vorzubereiten, die über eine Viertelstunde hinausgehen und wirklichen Druck entfalten.

 

Der Artikel wurde leicht gekürzt, Vollversion unter: www.sozialismus.info

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Proteste gegen den Krieg auf beiden Seiten des Zauns!

von Jan Millonig

Der Krieg der israelischen Regierung gegen die palästinensische Bevölkerung im Gaza-Streifen nimmt kein Ende. Nachdem sie 1,5 Millionen Menschen nach Rafah im Süden buchstäblich in die Ecke getrieben haben, droht, trotz internationalem Druck, ein Angriff, der weitere tausende Menschenleben kosten wird. In westlichen Medien wird der Konflikt als “Israel gegen Palästina” dargestellt - dabei wird nicht nur die jahrzehntelange Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung ignoriert, sondern auch unterschiedliche Stimmen auf beiden Seiten des Zaunes. 

Widerstand gegen die Netanjahu-Regierung

Schon seit einigen Wochen tun sich innerhalb Israels immer mehr Bruchlinien gegen die “nationale Einheit” auf. Regelmäßig finden Demonstrationen für die Freilassung von Geiseln und gegen Netanjahu statt. Mitte Jänner hat der Gewerkschaftsbund „Histadrut“ zu einem “100-Minuten-Streik” aufgerufen, um die Regierung zu einem Gefangenenaustausch zu bewegen. Obwohl diese Proteste zeigen, dass die Kriegsführung offensichtlich nicht im Interesse der Geiseln oder der israelischen Bevölkerung ist, bleiben sie noch großteils nationalistisch: sie ignorieren die Situation der palästinensischen Bevölkerung oder unterstützen sogar das Massaker. Der Histradrut-Vorsitzende signiert z.B. für die Ermordung der palästinensischen Zivilbevölkerung bestimmte Bomben - ein widerlicher Verrat an der internationalen Arbeiter*innenbewegung. Das Netanjahu-Regime wiederum zeigt durch Angriffe mit berittenen Einheiten und Wasserwerfern auf Proteste, wie wenig es die Bevölkerung repräsentiert. Trotz noch härterer Repression und Verboten entwickeln sich aber neben den nationalistisch geprägten Demonstrationen auch erste Proteste von Jüd*innen und Palästinenser*innen, die nicht nur einen Gefangenenaustausch, sondern auch ein Ende von Krieg und Besatzung fordern. Sie sind ein wichtiger Ansatzpunkt für Widerstand gegen diesen Krieg innerhalb Israels. 

Widerstand gegen Hamas und Besatzung

Mit der Intensivierung des Massakers und der Vertreibung wenden sich auch immer mehr Palästinenser*innen von ihrer historischen Führung, der Palästinensischen Autonomiebehörde, ab. Sie wird von immer mehr Menschen gerechtfertigterweise als Agent des israelischen Regimes betrachtet. Leider profitiert davon aktuell unter dem Eindruck des brutalen Massakers in Gaza und der intensivierten Unterdrückung im Westjordanland vor allem die reaktionäre Hamas. Aber auch hier gibt es Brüche: Es gibt Berichte über Proteste im Gaza-Streifen, bei denen die Menschen „Nieder mit der Hamas!“ rufen, mehr Hilfe und einen Waffenstillstand fordern. Die Hamas antwortete mit Waffengewalt. Tatsächlich kann und will die Hamas - deren Führer teilweise im Exil im Luxus leben - keinen Weg für ein Ende der nationalen Unterdrückung und schon gar nicht für eine echte Befreiung jenseits von Ausbeutung, Armut und reaktionärer Ideologie aufzeigen. 

Für einen Waffenstillstand und „Alle gegen Alle“-Deal!

Die Schwesterorganisation der ISA in Israel/Palästina „Bewegung Sozialistischer Kampf“ setzt sich für einen dauerhaften Waffenstillstand, einen Austausch aller Geiseln gegen alle palästinensischen Häftlinge und für ein Ende von Besatzung und Krieg ein. Die Aktivist*innen unterstützen Proteste auf israelischer Seite gegen Krieg und Besatzung.

Ein dauerhafter Frieden und vor allem ein Ende von Besatzung, Unterdrückung und Armut in der gesamten Region wird nur möglich sein, wenn Bewegungen auf beiden Seiten des Zaunes eine Bewegung gegen das israelische Besatzungsregime aufbauen. Dafür ist es notwendig, dass sich die Proteste in Israel vom toxischen Nationalismus lösen und nicht nur für einen Gefangenen-Deal kämpfen, sondern für ein Ende der gesamten Besatzung, Vertreibung und Unterdrückung in Gaza und dem Westjordanland. Auf palästinensischer Seite braucht es dafür eine Bewegung von unten. Das bedeutet auch den Widerstand gegen die Hamas und den Aufbau von einer Alternative zu ihr, ihrer reaktionären Ideologie und ihren Methoden. Der Würdestreik 2021, aber auch die erste Intifada sind Beispiele für solche Massenbewegungen. Nur so kann die Basis für echte Selbstbestimmung, Freiheit und Wohlstand für alle Arbeiter*innen, Unterdrückten und Armen in der Region gelegt werden.

 

ISA in Israel und Palästina:

www.socialism.org.il

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Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Stoppt den genozidalen Krieg des israelischen Regimes gegen Gaza, baut weltweiten Widerstand auf!

Internationaler sozialistisch-feministischer Aufruf
International Socialist Alternative (ISA)

Sozialistische Feminist*innen gegen Krieg, Imperialismus und Kapitalismus - für die nationale und soziale Befreiung Palästinas, für ein Ende aller Formen von Unterdrückung und Spaltung!

Zum diesjährigen Internationalen feministischen Kampftag mobilisieren wir, um den Kampf für die Beendigung des genozidalen Krieges gegen Gaza weiter aufzubauen, die Aufrüstung und die imperialistische Unterstützung des israelischen Kapitalismus zu beenden und die Belagerung und die Besatzung zu stürzen.

Während wir diese Zeilen schreiben, wurde noch nicht einmal ein vorübergehender Waffenstillstand erreicht. Im Gegenteil - Drohungen, die Invasion auf Rafah auszudehnen und den Angriff zu einem regionalen Krieg zu eskalieren, verdeutlichen weiterhin die Gefahr einer noch schrecklicheren Katastrophe. Die genozidalen Angriffe des israelischen Regimes haben bereits mehr als 30.000 Menschen in Gaza ermordet - die meisten von ihnen sind Frauen und Kinder - und Tausende werden unter den Trümmern vermisst. Das Vorgehen des israelischen Regimes erzeugt Hungersnöte und Unterversorgung: Mütter haben keine Milch mehr, um ihre Kinder zu ernähren, Hunderttausende Menstruierende haben keinen Zugang zu Hygieneprodukten, Schwangere sind gezwungen, in den Trümmern zu gebären, ganze Familien und Communities wurden zerstört und vertrieben, leben in Zelten in der Kälte und sind grassierenden Krankheiten ausgesetzt.

Der mörderische Angriff auf Gaza entwickelt sich zusammen mit der verschärften militärischen und kolonialen Siedleraggression im Westjordanland und im besetzten Ost-Jerusalem, der beschleunigten ethnischen Säuberung - wie auch im Naqab/Negev - und der erstickenden Diskriminierung und politischen Unterdrückung in den Gebieten von 1948, inklusive einer nationalistischen Hexenjagd gegen Palästinenser*innen. Dies alles ist Teil eines historischen Höhepunkts der brutalen staatlichen Unterdrückung und Enteignung der palästinensischen Bevölkerung. Gleichzeitig ist der Kampf zur Beendigung der Unterdrückung und des blutigen Angriffs auf die Palästinenser*innen auch Teil des internationalen Befreiungskampfes gegen geschlechterspezifische Unterdrückung.

Denn die gegenwärtige Katastrophe und auch schon die Besatzung davor tötet, verwundet und drängt Frauen und Mädchen in einen schrecklichen Überlebenskampf. Dasselbe System, das für diese Situation verantwortlich ist, erzeugt genauso geschlechterspezifische Unterdrückung und die Verschlimmerung des Lebens für Frauen aus der Arbeiter*innenklasse und arme Frauen weltweit. Sozialistischer Feminismus bedeutet, überall gegen Unterdrückung und Ausbeutung zu kämpfen und für einen Kampf der Arbeiter*innenklasse und eine sozialistische Alternative zum krisenhaften System der Herrschenden. Der Kampf gegen den israelischen Angriff auf Gaza, die Besatzung und ihre imperialistischen Unterstützer*innen ist ein integraler Bestandteil des Kampfes gegen das globale kapitalistische, imperialistische System, das Gewalt, Krieg und Herrschaft schafft.

Nationale Unterdrückung, Kolonialismus und Imperialismus erzeugen und normalisieren soziale Gewalt und Misogynie. Wir stellen uns gegen jeden Einsatz von Vergewaltigung und sexuellen Übergriffen als Kriegsmittel. Es gibt Berichte über sexuelle Übergriffe von israelischen Besatzungssoldaten und Gefängniswärtern auf Palästinenser*innen sowie von israelischen Siedlern und Soldaten, die Palästinenser*innen im Westjordanland angreifen. Die sexuelle Gewalt, die von der Hamas und anderen Milizen am 7.10. verübt wurde, ist von israelischen Staatsvertreter*innen schamlos ausgenutzt und sogar demagogisch und manipulativ dargestellt worden, um die Grausamkeiten zu rechtfertigen, die der genozidale Angriff des israelischen Staates in den letzten fünf Monaten angerichtet hat. Der Bericht der New York Times wurde nicht aus Mitgefühl für die israelischen Opfer von sexuellem Missbrauch veröffentlicht, sondern um die Unterstützung der Times für den genozidalen Krieg zu rechtfertigen und möglicherweise auch islamfeindliche und rassistische Stimmung zu schüren.

Aber wie palästinensische feministische Organisationen, die in den Gebieten von 1948 tätig sind, betonen, man sollte vertrauenswürdigen Berichten (wie dem von Physicians for Human Rights) über sexuelle Gewalt gegen israelische Frauen und Mädchen am 7.10. glauben und die beschriebenen Handlungen klar zurückweisen, ebenso wie andere reaktionäre Methoden, wie Mord und Entführung von Frauen, Mädchen und anderen. Das ist auch angesichts des israelischen Staatsterrors aus der Perspektive des palästinensischen Befreiungskampfes notwendig - solche reaktionären Methoden untergraben die israelische Besatzung nicht, sondern verstärken deren Mobilisierung für einen blutigen Angriff auf die Palästinenser*innen. Feminist*innen dürfen andere Formen von Unterdrückung nicht ignorieren, sondern müssen sich überall dem israelischen Staatsterrorismus, der Zerstörung, der Vertreibung, dem Mord, der Folter, der sexuellen Gewalt und der Staats- und Siedlergewalt jeglicher Art entgegenstellen.

Weltweit spielen Frauen seit jeher eine führende Rolle im Kampf gegen nationale Unterdrückung, Kolonialismus und Imperialismus. Frauen waren schon seit seinem Beginn vor 1948, über Jahrzehnte hinweg und insbesondere während der ersten Intifada ein wesentlicher Bestandteil des Kampfes für die nationale Befreiung Palästinas. Palästinensische Frauen organisierten sich, demonstrierten und wehrten sich gegen das unterdrückerische israelische Regime. In den letzten Jahren standen palästinensische Frauen an vorderster Front bei den „Marches of Return“ 2018 in Gaza sowie bei den Massenprotesten und Frauenstreiks beider Communities gegen Feminizide in den Gebieten von 1948, an denen sowohl palästinensisch-arabische als auch israelisch-jüdische Frauen teilnahmen. Am “Streik der Würde” 2021 nahmen Palästinenser*innen aller Geschlechter in einer inspirierenden Demonstration der Stärke teil.

In diesem genozidalen Krieg, ethnischer Säuberung und nationaler Unterdrückung, sehen wir Frauen aus dem Gazastreifen und Palästinenser*innen jeden Alters zu, wie sie heldenhaft etwas überleben, das man nur als Hölle auf Erden bezeichnen kann. International gehen Millionen von Menschen auf die Straße, um ihre Solidarität zu zeigen. In den letzten Jahren führten Frauen weltweit und im gesamten Nahen Osten und Nordafrika Proteste und Bewegungen gegen Unterdrückung - vom "Frau, Leben, Freiheit"-Aufstand im Iran, der nach der brutalen Ermordung der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini durch die "Sittenpolizei" ausbrach, bis hin zu den Bewegungen in Tunesien, im Sudan, im Libanon und anderen Ländern. Die Region ist besonders stark von der kapitalistischen Krise, der Inflation und der Teuerung sowie der drohenden Klimakatastrophe betroffen.

Wir müssen den genozidalen Krieg beenden - aber wie?

Wir rufen Gewerkschaften auf der ganzen Welt dazu auf, die Forderung der palästinensischen Gewerkschaften vom 16. Oktober aufzugreifen, "alle Komplizenschaft zu beenden und die Bewaffnung Israels einzustellen", und durch Massensolidaritätsaktionen den nächsten Schritt im Widerstand zu machen. In den letzten Monaten haben wir schon wichtige Proteste gesehen:

- Massendemonstrationen und Proteste auf der ganzen Welt: vom Vereinigten Königreich über den Jemen bis nach Südafrika

- Belgische Gewerkschaften riefen ihre Mitglieder*innen dazu auf, sich zu weigern, militärische Ausrüstung zu bearbeiten, die nach Israel geliefert werden soll.

- Demonstrant*innen in den USA und Kanada blockierten Militärlieferungen aus den Vereinigten Staaten nach Israel.

- Ein Gewerkschaftsverband, der die Beschäftigten in 11 großen indischen Häfen vertritt, weigerte sich, Waffen für Israel ein- und auszuladen.

- Proteste in Ägypten, darunter kürzlich Hunderte von Journalist*innen, die ein Ende des Angriffs und der Belagerung sowie die Öffnung des Grenzübergangs Rafah forderten. Außerdem wurden in Jordanien Demonstrationen von Tausenden sowie Märsche zur Grenze organisiert. Diese Regime, die um ihre Stabilität und ihre Interessen im Rahmen ihrer strategischen Zusammenarbeit mit der israelischen Besatzung und dem US-Imperialismus fürchten, haben mit einer brutalen Niederschlagung der Proteste und Einschränkung der sozialen Medien geantwortet.

Diese Aktionen der Arbeiter*innen müssen systematischer organisiert werden, um die israelische Kriegsmaschinerie wirksam zu stoppen. Alle Gewerkschaften müssen diesen Kampf vorantreiben! Kein “business as usual” für imperialistische Regime, die Israels genozidale Angriffe unterstützen.

Wir organisieren uns, um den genozidalen Krieg zu beenden, gegen Imperialismus und Kolonialismus - das ist verbunden mit dem Kampf gegen den Kapitalismus und für Frauen- und LGBTQIA+-Rechte. Wir kämpfen für die Leben, die Befreiung und das Wohlergehen der einfachen Menschen weltweit, für die Beendigung der Besatzung, der Belagerung und der nationalen Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung und für die Beendigung der imperialistischen Intervention im Nahen Osten und der Gefahr eines regionalen Krieges.

Um den genozidalen Krieg in Gaza zu beenden und echte palästinensische Befreiung zu erreichen, ist regionale und internationale Solidarität notwendig. Unsere echten Verbündeten in der Region sind die Arbeiter*innen, Armen und Unterdrückten - nicht die internationalen Gerichte, die UNO oder die reaktionären Regierungen in der Region.

Um dies zu erreichen, braucht es Massenbewegungen in der gesamten Region sowie internationale Solidarität. Aus diesem Grund rufen wir an diesem Internationalen feministischen Kampftag zu einem Aktionstag mit organisierten Protesten und Aktionen auf. Der Kampf muss jedoch auch nach dem 8. März weitergehen!

Wofür wir stehen:

- Internationale Institutionen und "westliche" kapitalistische Regierungen haben wieder einmal gezeigt, dass sie die genozidalen Angriffe zulassen, um die Interessen der Herrschenden zu wahren. Von Milei in Argentinien bis zur AfD in Deutschland nutzen Rechtsextreme auf internationaler Ebene genauso wie die jeweiligen Regierungen die Situation aus, um Rassismus und Islamophobie zu schüren und das schreckliche Massaker zu rechtfertigen. Ein sozialistisch-feministischer Kampf gegen den Imperialismus muss den Kampf gegen Islamophobie, Antisemitismus und jede Form von Rassismus und Spaltung aufnehmen, um einen konkreten Widerstand gegen die rechtsextreme Bedrohung aufzubauen.

- Sozialistische Feminist*innen haben kein Vertrauen in internationale Institutionen wie den Internationalen Gerichtshof, die UN oder die "westlichen" kapitalistischen Mächte. Indem sie die genozidalen Angriffe weiter zulassen, die Mittel für das UNRWA kürzen und einige die israelische Kriegsmaschinerie aktiv aufrüsten, haben kapitalistische Regierungen und Institutionen wiederholt bewiesen, dass ihre Fassaden der Demokratie hohl sind, wenn ihre wirtschaftlichen und strategischen Interessen auf dem Spiel stehen. Einige machen bestenfalls Lippenbekenntnisse und geben sich mit symbolischer Unterstützung zufrieden. Unabhängig davon werden sie die Besatzung und die tief verwurzelte Unterdrückung der Palästinenser*innen nicht beenden, werden weiterhin Frauen und die Arbeiter*innenklasse angreifen und die Welt weiter in Richtung noch mehr Katastrophen treiben.

- Die anhaltende Komplizenschaft der bürgerlichen arabischen Regime angesichts des unerbittlichen Gemetzels an der palästinensischen Bevölkerung unterstreicht einmal mehr, dass von diesen unterdrückerischen, autoritären und korrupten Regimen weder Trost noch eine Lösung kommen kann. Die leeren Worte der regionalen herrschenden Eliten gegen das israelische Regime spiegeln lediglich den sozialen Druck wieder, unter dem sie stehen. Sie sind besorgt über die Auswirkungen, die dies auf ihre eigene Stabilität haben wird.

- Diese Regime sind keine Freund*innen der Unterdrückten. In vielen Ländern des Nahen Ostens und der Golfregion gelten immer noch Gesetze, die Frauen zum Gehorsam gegenüber ihrem Ehemann verpflichten und sie daran hindern, sich frei zu bewegen, ins Ausland zu reisen oder ohne die Erlaubnis eines männlichen Vormunds zu arbeiten. Die Houthis im Jemen, die vorgeben, die palästinensische Bevölkerung durch ihre Angriffe im Roten Meer zu verteidigen, ersticken gleichzeitig die Rechte der Frauen im eigenen Land, insbesondere durch die weitere Verschärfung der Gesetze zur männlichen Vormundschaft, aber auch durch eine katastrophale, rechtsgerichtete, pro-kapitalistische Politik.

- Der russische und chinesische Imperialismus ist keine Alternative. Wir stehen an der Seite von Arbeiter*innen, Frauen, LGBTQIA+ und nationalen Befreiungskämpfen, die gegen diese brutalen Unterdrückungsregime kämpfen. Die israelische Besatzung und die "westlichen" imperialistischen Regierungen benutzen auf zynische Weise die reaktionäre Ideologie der Hamas, um ihre Angriffe auf alle Menschen im Gazastreifen, einschließlich palästinensischer Frauen und LGBTQIA+, zu rechtfertigen - manchmal sogar heuchlerisch mit einer "Pro-Frauen"-Rhetorik. Doch wie die Unterdrückung des "Frau, Leben, Freiheit"-Aufstands durch das brutale iranische Regime einmal mehr gezeigt hat, sind die Behauptungen dieser barbarischen Regime, sich für die Unterdrückten einzusetzen, nichts als heuchlerische, heiße Luft.

- Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), die unter Beschuss steht und sich in einer tiefen, vom Besatzungsregime verursachten Finanzkrise befindet, hat palästinensische Proteste unterdrückt und wurde weitgehend als Handlanger der israelischen Besatzung entlarvt. Die Hamas, die von einigen als "militante" Alternative zur von der Fatah kontrollierten PA angesehen wird, basiert auf einer rechtsgerichteten islamistischen und pro-kapitalistischen Ideologie und hat letztlich gezeigt, dass ihr Programm und ihre Methoden eine Sackgasse im Kampf gegen Belagerung, Besatzung und Unterdrückung darstellen. Sie stützen sich nicht auf einen unabhängigen, demokratischen Kampf der palästinensischen Massen und der Arbeiter*innenklasse als Träger des sozialen Wandels. Der von der Hamas angeführte Angriff am 7.10. setzte auf einen Schockeffekt, der die kapitalistischen Mächte zum Handeln bewegen sollte, und nicht auf die Mobilisierung der potenziellen revolutionären Kraft der palästinensischen Massen. Der Grund dafür ist, dass die Hamas einen autoritären Staat nach dem Vorbild der iranischen Diktatur anstrebt, was für die palästinensische Bevölkerung und insbesondere für Frauen und LGBTQIA+ katastrophal wäre. Der einzige mögliche Weg für die nationale und soziale Befreiung der Palästinenser*innen ist eine unabhängige Massenbewegung, die demokratisch organisiert ist und gewählte Komitees hat, die bei der Organisation von Aktionen und der bewaffneten Verteidigung im besten Interesse der Bewegung helfen könnten. Für eine neue massenhafte, demokratische Intifada und für die Verstärkung internationaler Solidaritätsmobilisierungen und -aktionen!

- Wir kämpfen für ein Ende des Krieges und der Belagerung, Besatzung und Unterdrückung. Wir fordern einen Gefangenenaustausch im Sinne von "Alle gegen Alle" und ein Ende der Massenentführung und Inhaftierung von Palästinenser*innen. Stoppt jegliche imperialistische Unterstützung der Besatzung. Stoppt die Angriffe auf die UNRWA. Abzug aller israelischen Truppen aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland. Beendet das koloniale Siedlungsprojekt. Beendigung aller Diskriminierungs- und Segregationsmaßnahmen sowie der rassistischen Politik, die die Logik der ethnischen Massensäuberung der Nakba von 1948 aufrechterhält. Wir kämpfen für volle Gleichberechtigung und Befreiung für alle: für massive öffentliche Investitionen in den umfassenden Wiederaufbau der Nachbar*innenschaften in einem freien Gazastreifen und aller von der Kriegskrise betroffenen Communities der gesamten Region, die auf demokratischer Grundlage durchgeführt werden müssen. Die israelischen Herrschenden, die reichen Oligarchien in der Region und die herrschenden Klassen der globalen imperialistischen Mächte müssen die finanziellen Kosten tragen.

- Für die nationale und soziale Befreiung der palästinensischen Bevölkerung. Schluss mit den Lippenbekenntnissen der Imperialist*innen, die vorgeben, einen palästinensischen Staat zu unterstützen, während sie damit eine Fortsetzung der nationalen Unterdrückung in anderen Formen meinen - über eine "aufgewertete" Palästinensische Autonomiebehörde, die bestenfalls ein unterworfener Marionettenstaat ist.

- Um wirksam für die wahre Befreiung aller zu kämpfen, müssen wir eine politische Alternative aufbauen, einen revolutionären Kampf, der auf einem sozialistisch-feministischen politischen Programm basiert. Der Kampf gegen Unterdrückung ist Teil des notwendigen Kampfes zum Sturz des Kapitalismus und Imperialismus und zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft, die niemanden zurücklässt. Kampf für den Sturz aller Unterdrückungsregime als Teil eines Kampfes für eine sozialistische Transformation in der Region, um die demokratische Nutzung der umfangreichen Ressourcen der Region zu ermöglichen, um einen hohen Lebensstandard und die Gleichheit aller Nationen, einschließlich des Rechts auf Selbstbestimmung und des Rechts auf Rückkehr, zu gewährleisten.

- Frauen aus der Arbeiter*innenklasse spielten in der Geschichte immer eine wichtige Rolle in jeder Antikriegsbewegung. Lasst uns diesen internationalen feministischen Kampftag zu einer Machtdemonstration im Kampf gegen den genozidalen Krieg in Gaza machen und den Kampf für die Befreiung Palästinas nach dem 8. März fortsetzen. Wir müssen unsere Kraft dem Kampf gegen Krieg und Besatzung widmen - und gegen alle Formen von Ausbeutung und Unterdrückung!

 

Argentinien: Umbau von oben oder Umsturz von unten?

von Severin Berger

Repressive neue Gesetzgebung beim Demonstrationsrecht mit bis zu sechs Jahren Haft für Organisator*innen und dem Streichen aller sozialen Gelder für Teilnehmende, großflächige Deregulierungen und Kürzungen im Gesundheitsbereich, Verringerung des Mutterschutzes, Aufhebung des aktuellen Mietgesetzes und die Vorbereitung der Privatisierung staatlicher Unternehmen - diese Maßnahmen sind nur ein kleiner Teil der mehr als 300 angekündigten Gesetzesänderungen des neuen argentinischen Präsidenten Javier Milei. Unschwer zu erkennen ist die politische Richtung, in die diese Beispiele schlagen: feuchte Träume für “Ultraliberale” und Rechtspopulist*innen. Und genau als das wird Milei auch von vielen Medien beschrieben. 

Seit seiner Angelobung Anfang Dezember letzten Jahres hat Milei bereits 30 Dekrete erlassen, um einige der oben genannten Punkte schnellstmöglich anzugehen. Laut ihm, um durch enorme Deregulierung des Marktes gegen die andauernde Wirtschaftskrise und enorme Inflation vorzugehen. In der Realität hat sich die Situation allerdings verschlimmert: Bei einer Inflationsrate von mehr als 200% Anfang Jänner werden die Proteste gegen Milei immer größer und Teile seiner Pläne wurden bereits vom Obersten Gerichtshof vorerst auf Eis gelegt. Als Reaktion darauf verschärfte sich vor allem das Vorgehen der Polizei gegen Demonstrant*innen und Milei versucht seine präsidentielle Machtposition durch weitere Eingriffe zu stärken. Mit sozialen Kürzungen und Entlassungen, die mit Demokratieabbau und Repression einhergehen, ist Milei nicht allein. Diese Art von autokratischem Verhalten, also den Versuch der Machtkonzentration auf eine oder wenige Personen, sehen wir mittlerweile immer öfter. Zum Beispiel bei Figuren wie Orban in Ungarn oder Netanjahu in Israel. Glaubt man den Zahlen des "Economist", leben nun so wenig Menschen unter (bürgerlich) demokratischen Strukturen wie seit zumindest 1989 nicht mehr, Tendenz sinkend.

Wie finden wir den Weg nach vorne?

In welche Richtung sich Argentinien entwickeln wird, ist, trotz Mileis Bemühungen, vor allem von der gesamtgesellschaftlichen Reaktion abhängig. Wir sehen bereits seit Wochen andauernde Proteste, die teilweise bereits im Dezember von Streiks unterstützt wurden. Die Zuspitzung der Situation ist unausweichlich und inmitten der Aufstände und wachsenden Unzufriedenheit wird deutlich, dass der Weg nach vorne nicht allein von der Ablehnung Mileis abhängt, sondern von einer notwendigen tiefgreifenden sozialen Veränderung.

Die Verstärkung gesellschaftlicher Probleme und Krisen in der gesamten kapitalistischen Logik macht die Notwendigkeit eines sozialistischen Programms immer dringlicher. Dabei ist es unabdingbar, die Erfahrungen der Vergangenheit mit einzubeziehen, so zum Beispiel die der feministischen Bewegungen der letzten Jahre und der Massenbewegung 2001, durch die, vor einem ähnlichen Hintergrund sozialer Angriffe, die Regierung gestürzt wurde. Damals sahen wir einen Generalstreik, wie auch jetzt am 24. Jänner, sowie massenhafte Fabriksbesetzungen. Und ein Programm heute muss genau da ansetzten wo 2001 Schwächen zum Verlust zurück an das Establishment geführt haben: wirkliche demokratische Kontrolle der Proteste, mit Forderungen, die unbedingt den aktuellen Attacken die Stirn bieten, aber auch auf gesellschaftlicher Ebene weiter gehen als nur ein Zurückweisen der Gesetzesänderungen. Ohne ein solches Programm, dass allen Teilen der Arbeiter*innenklasse Stimme und Perspektive gibt, wird es schwierig, eine Bewegung gegen die populistischen Angriffe von Milei, aber auch gegen die Vereinnahmung durch das alte Lager des Peronismus zu wappnen. Denn dieses, das auch noch in den Gewerkschaften dominiert, hat den Boden für Milei erst bereitet. Deswegen muss aus der Bewegung eine neue sozialistische politische Kraft aufgebaut werden, die nicht nur Milei, sondern auch das System, das ihn hervorgebracht hat, besiegen kann.

Infobox: 

Ähnlich wie in anderen Ländern wird der neue Präsident in seinen Vorhaben vom argentinischen Kapital und teilweise auch von außerhalb, z.B. dem trumpschen politischen Umfeld, unterstützt - gleichzeitig geht er auch Teilen des Kapitals zu weit und stützt sich so auf vor allem auf, an die Mittelschichten gerichteten, Populismus. Dies deutet auf eine Art "bonapartistische" Entwicklung hin. Bonapartismus wird von Marx als Reaktion auf massive Krisen beschrieben, bei denen die Bourgeoisie ihre Macht an eine verselbständigte Exekutivgewalt abgibt, um die "bürgerliche Ordnung" aufrechtzuerhalten, also wenn der Staatsapparat, trotz Bindung an die herrschende Klasse, eine gewisse Unabhängigkeit von den Klassen annimmt. Marx entwickelte das Konzept anhand der Herrschaft von Napoleon III., seither haben wir viele Varianten davon gesehen. Gemeinsam ist ihnen die Kombination aus Populismus und Klassenkampf von oben und die Machtkonzentration auf immer weniger Individuen - und die damit einhergehende Instabilität. 

Foto: Mídia NINJA via La Mar de OnubaCC BY-NC 4.0 Deed

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Gaza: der Horror geht weiter

von Yasmin Morag, Sozialistin aus Israel/Palästina

Nach mehr als 100 Tagen blutiger Eskalation historischen Ausmaßes plant die israelische Regierung, in die dritte Phase des Angriffs auf Gaza auf Druck des Weißen Hauses mit "geringer Intensität" überzugehen. Netanjahus brutale Offensive hat weit über 23.000 Menschen getötet, 85% der Menschen im Gazastreifen vertrieben und 2 Millionen verarmte und belagerte Menschen in Gaza in extremen Hunger und Elend gestürzt. Die internationale Bewegung (auch innerhalb Israels) hat Netanjahu entscheidend dazu gedrängt, Ende November einem Waffenstillstand zuzustimmen, bei dem die Hamas 110 Entführte und Israel 240 palästinensische Gefangene freiließ. Seitdem haben sich die Angriffe jedoch verschärft und auf das Zentrum und den Süden ausgeweitet. Die Folgen: Bombardements von Krankenhäusern, Schulen und Moscheen, massive Verschlechterung der sanitären Bedingungen und schwerer Hunger. Kein Ort in Gaza ist mehr sicher. 

Während Netanjahu darauf abzielt, die Hamas "auszulöschen" (oder deutlich zu schwächen), versucht er sich von der Demütigung durch die Hamas-Attacke vom 7.10. zu erholen. Dieser war ein reaktionärer, verabscheuungswürdiger Angriff, bei dem Hunderte von Zivilisten getötet wurden. Die Illusionen, die in Israel geschürt wurden - dass es die stärkste Militärmacht in der Region ist und durch seine Politik des "Konfliktmanagements" in der Lage ist, ein gewisses Maß an Stabilität und Sicherheit für die Israelis zu gewährleisten (wenn auch auf Kosten der Palästinenser*innen, die unter Belagerung und Besatzung leben) - wurden zerschlagen. Bislang hat diese blutige Offensive keine nennenswerten Erfolge erzielt. Verzweifelt wird versucht, ein Bild des Sieges zu vermitteln - unter anderem mit abenteuerlichen Attentaten auf Hamas- und Hisbollah-Führer im Libanon. Dadurch droht ein weiterer regionaler Konflikt, vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Scharmützel zwischen den US-amerikanischen sowie britischen Streitkräften und den Huthi-Milizen im Roten Meer. 

Kein Frieden ohne Kampf gegen Armut, Besatzung und Unterdrückung!

In der Zwischenzeit fantasieren Biden, Macron und ihre Freund*innen, dass am Tag nach dem Krieg die Palästinensische Autonomiebehörde im Gazastreifen installiert werden würde. Doch über das letzte Jahrzehnt hat Israel die Unterdrückung von Millionen Palästinenser*innen durch schleichende ethnische Säuberungen, verstärkte Belagerungsmaßnahmen gegen den Gazastreifen und staatlichen Terror mit Hilfe neofaschistischer Siedler*innenmilizen weiter verschärft. Selbst wenn die Einsetzung der Palästinensische Autonomiebehörde in Gaza in einer Zeit historisch geringer Unterstützung für Abbas möglich wäre, würde ein palästinensischer Staat, der als Marionette Israels oder der USA agiert, den Palästinenser*innen keine Gleichheit, Befreiung oder ein ordentliches Leben garantieren. 

Die internationale Bewegung kann und sollte auf einen Waffenstillstand drängen, indem sie sich ausweitet, die Bewegung in Schulen und an Arbeitsplätzen aufbaut und die entscheidende Waffe des Streiks einsetzt. Wir müssen einen dauerhaften Waffenstillstand im Rahmen eines Abkommens, das alle Geiseln gegen alle Gefangenen austauscht, und ein Ende der Belagerung des Gazastreifens fordern. Die österreichische Regierung steht der israelischen nahe. Wir brauchen eine Bewegung, die nicht nur darum kämpft, dass Österreich in der UNO für einen Waffenstillstand stimmt, sondern z.B. auch für ein Ende aller Exporte, die für die Aufrechterhaltung von Besatzung und Unterdrückung genutzt werden, um so den Druck auf das Netanjahu & Co weiter zu erhöhen. Der Kampf in Österreich sollte mit Forderungen gegen Rassismus und rassistische Politik, für vollen Zugang für Asylsuchende und Flüchtlinge und dem Kampf gegen die gefährliche extreme Rechte, die Palästinenser*innen, Jüd*innen, Frauen, queere Menschen und viele andere Gruppen bedroht, verknüpft werden.

Die israelische Regierung hat sehr deutlich bewiesen, dass ihre Politik ein Blutbad für Palästinenser*innen, aber auch für Israelis bedeutet. In der Region ist ein grundlegender Wandel nötig, um die nationale Unterdrückung zu beenden und das palästinensische Volk zu befreien - eine demokratisch von unten organisierte Massenbewegung im Geiste der ersten Intifada oder des ”Würde-Streiks” 2021, die die Grundlage für den Sturz des israelischen Kapitalismus und für eine sozialistische Gesellschaft schaffen könnte, die beiden Völkern ein Leben in Frieden und Würde ermöglicht.

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

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