Internationales

"Frau sein darf kein Todesurteil sein!" - Gemeinsam gegen Femizide in Kenia und überall!

*Triggerwarnung: sexualisierte Gewalt* / ENGLISH VERSION BELOW
von Bianca Boros für ROSA - kämpferisch.sozialistisch.feministisch

Das Jahr dauert erst 5 Wochen an. In dieser Zeit gab es schon 14 Femizide in Kenia. Die Gewalt reißt nicht ab. Anfang Jänner wurde die 26-jährige Influencerin Starlet Wahu tot in einem Airbnb aufgefunden. Die Wohnung selbst hinterließ Spuren eines Kampfes zwischen ihr und ihrem Mörder. Sie hatte sich offensichtlich gewehrt, erlag dann mehreren Stichwunden. Der Verdächtige war der Polizei bereits wegen Gewalt an Frauen bekannt. Nur kurze Zeit später wurde die 20-jährige Studentin Rita Waeni in Nairobi getötet und ihr Körper brutal zerstückelt. Die Polizei gibt an, die Ermittlungen würden laufen…Zwei Verdächtige wurden verhört und festgenommen, aber nicht angeklagt. Was passiert da?

Das sind zwei von bereits mindestens 14 gemeldeten geschlechtsspezifischen Femiziden in Kenia seit Beginn des Jahres. (Das sind nur die, die gemeldet wurden!). Seit 2017 gab es bereits mehr als 500 Femizide im Land. Wie auch anderswo auf der Welt sind Femizide in Kenia ein extremer Ausdruck systematischer Gewalt und Unterdrückung, die integraler Bestandteil der patriarchalen Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft sind. Wie sehr die frauenfeindliche Politik Kenias auch in der Regierung propagiert wird, zeigt ein Fall aus Migori County: Erst nach 5 Jahren beginnt der Prozess in der Anklage Okoth Obados. Der Ex-Landeshauptmann wird verdächtigt, 2018 die schwangere Sharon Otieno vergewaltigt und 8 Mal erstochen zu haben. Die Regierung lässt sich in der Handhabung dieser Fälle enorm viel Zeit.

Die NGO “Femicide Count Kenya” sammelt seit 2018 Informationen über Femizide und Gewalt an Frauen in Kenia, weil die Regierung weder Statistik führt, noch Handlungsbedarf sieht. 2023 alleine hat die Organisation so 152 Femizide dokumentiert - die höchste Zahl der letzten 5 Jahre. Theoretisch hätte die kenianische Regierung einen Sexual Offences Act, der Opfer von Gewalt rechtliche Unterstützung zusichere. In der Praxis scheitert es an der Exekutierung solcher Sicherheitsmaßnahmen: Die Polizei greift nicht ein oder ist selbst Täter. In den sozialen Medien kommt es unter den Profilen von Behörden zu Victim Blaming: “Das Opfer hätte sich doch einfach nicht mit dem Mann einlassen müssen.” Es liegt auf der Hand, dass die Frauenfeindlichkeit der Regierung frauenfeindliche Einstellungen in der Gesellschaft im Allgemeinen aufrechterhält und fördert, so wie in diesem Fall der abscheulichen Opferbeschuldigung. Damit wird klar, dass geschlechtsspezifische Gewalt von den Eliten gesteuert und unterstützt wird. 

In Kenia herrschen wie überall auf der Welt patriarchale Gesellschaftsstrukturen. Das extremste Beispiel dafür ist das Gesetz der legalen Vielehe für Männer: Frauen dürfen nur einen Mann heiraten, während es Männern freisteht, so viele Frauen heiraten zu dürfen, wie sie wollen. Uhuru Kenyatta, Kenias Präsident berief sich bei diesem frauenfeindlichen Gesetz auf afrikanische Traditionen. Doch wir wissen, dass Frauenfeindlichkeit sich durch alle Kulturen, alle Religionen, alle Teile der kapitalistischen Welt zieht! Die tatsächliche Folge der Vielehe ist die absolute Abhängigkeit der Frauen von ihrem Mann. Die Kombination aus Armut, Abhängigkeit, fehlender Gesundheitseinrichtungen und Kinderbetreuung unterstützt die Intensivierung von Gewalt zusätzlich. 

All das hängt auch mit der Geschichte blutiger Unterdrückung und Kolonialisierung durch imperialistische Mächte zusammen. Über 70 Jahre deutscher und britischer Kolonialherrschaft haben zur Versklavung, systematischen Unterdrückung und Ausbeutung der kenianischen Bevölkerung geführt. Zur Zeit der Kolonialherrschaft hat die Imperial British East Africa Company in der Region die Gewinne auf dem Rücken der Ausgebeuteten eingestrichen. Heute saugen bis zu 100 britische Unternehmen den Ressourcenreichtum des Landes weiter ab. Es ist also alter Wein in neuen Schläuchen. Das führt zu nichts anderem als der anhaltenden Verarmung der Massen, einem riesigen Loch im Gesundheits- und Sozialsystem und der zunehmenden Abhängigkeit der Frauen in ihren (gewaltvollen) Beziehungen zu verharren. Es wird geschätzt, dass ein Drittel der Frauen in Kenia - also 9 Millionen Frauen im Land - zumindest schon einmal in ihrem Leben physische Gewalt erfahren haben. Auch hier ist die Dunkelziffer viel höher. Der Großteil der gemeldeten Vorfälle findet wie üblich im eigenen Haushalt statt. Das macht auch eine Aktivistin aus Migori deutlich: “Wenn ich weder zuhause, noch in der Arbeit oder am Weg dorthin sicher bin, wo zur Hölle darf ich dann überhaupt noch sein?”

Unter den Hashtags #EndFemicideKE, #StopKillingUs und #TotalShutdownKE demonstrieren Massen an Frauen gegen die Femizide und gegen Gewalt. Obwohl sie dieser Gewalt teilweise selbst Zuhause ausgesetzt sind, ziehen sie mutig auf die Straßen und treten gerade in Massen in den Widerstand. Auch viele Männer solidarisieren sich mit den Protestierenden und verstehen: Es darf keinen Platz für Femizide und Gewalt an Frauen geben. Als ROSA und ISA (Internationale Sozialistische Alternative) solidarisieren wir uns mit diesem Kampf gegen patriarchale Gewalt. Wir müssen die Forderungen dieser Bewegung aufgreifen und so überall auf der Welt das Ende der geschlechtsspezifischen Gewalt erkämpfen. 

Die Forderungen der Aktivist*innen sind nur zu bestätigen: Es braucht die Anerkennung des Femizids als Straftat, sodass die Täter strafrechtlich verfolgt werden. Das bedingt auch einen Umbau aller Behörden, Polizei und Gerichte. Die Regierung muss die volle Finanzierung und den Ausbau von Schutzeinrichtungen vor geschlechtsspezifischer Gewalt bereitstellen. Für die Befreiung der Frauen zu kämpfen bedeutet aber nicht nur die Notwendigkeit eines Systemumbaus, sondern für die Abschaffung des kapitalistischen Systems und den Aufbau eines völlig anderen Systems zu kämpfen. Damit wollen wir die Unterdrückung der Massen durch den Neokolonialismus und damit gleichzeitig das von Natur aus sexistische System und dessen spezifische Unterdrückung von Frauen und LGBTIQA+Personen beenden.

Es braucht in Kenia, aber auch in jedem anderen Land auf der Welt ein Ende der Gewalt und Misogynie. Um geschlechtsspezifische Gewalt und Sexismus wirklich zu beenden, ist es notwendig, einen Kampf gegen Armut und Hunger sowie gegen Kolonialismus und  Imperialismus zu führen, bei der Natur und Menschen für Profit ausgebeutet werden. 

Auf internationaler Ebene sind Sexismus und Rassismus untrennbar mit dem kapitalistischen System verbunden, das das Wohlergehen der Mehrheit der Gesellschaft den Profiten einiger weniger opfert und Gewalt, Unterdrückung und Diskriminierung fördert und aufrechterhält. Ein feministischer Kampf gegen diese Unterdrückung muss ein Kampf für eine Alternative zu diesem System sein - ein sozialistisch-feministischer Kampf! 

Usikimye paza sauti! - Hören wir nicht auf, unsere Stimmen zu erheben!

 

English:

"Being a woman must not be a death sentence!" - Together against femicide in Kenya and everywhere!

*Trigger warning: sexualized violence*

The fight against gender-based violence is more topical than ever. This is particularly evident in the current protests against femicides in Kenya, which have exploded after a year of militant struggle against the cost of living and the brutal tax hikes imposed by the government. Across the country, thousands of people took to the streets against violence against women at the end of January.

The year is only 5 weeks old. During this time, there have already been 14 femicides in Kenya. The violence continues. At the beginning of January, 26-year-old influencer Starlet Wahu was found dead in an Airbnb. The apartment itself left traces of a fight between her and her killer. She had apparently fought back, then succumbed to several stab wounds. The suspect was already known to the police for violence against women. Only a short time later, 20-year-old student Rita Waeni was killed in Nairobi and her body brutally dismembered. Police say investigations are ongoing...Two suspects were questioned and arrested but not charged. What is happening?

These are two of at least 14 reported gender-based femicides in Kenya since the beginning of the year. (These are only the ones that have been reported!). There have been more than 500 femicides in the country since 2017. As elsewhere in the world, femicides in Kenya are an extreme expression of systematic violence and oppression that are integral to the patriarchal structures of capitalist society. A case from Migori County shows the extent to which Kenya's misogynist policies are also propagated by the government: the trial in Okoth Obado's prosecution only began after 5 years. The ex-county governor is suspected of raping the pregnant Sharon Otieno in 2018 and stabbing her 8 times. The government is taking an enormous amount of time in handling these cases.

The NGO "Femicide Count Kenya" has been collecting information on femicides and violence against women in Kenya since 2018 because the government neither keeps statistics nor sees any need for action. In 2023 alone, the organization documented 152 femicides - the highest number in the last 5 years. In theory, the Kenyan government would have a Sexual Offenses Act that would guarantee legal support for victims of violence. In practice, the implementation of such security measures is failing: The police do not intervene or are perpetrators themselves. Victim blaming occurs on social media under the profiles of authorities: "The victim simply didn't have to get involved with the man." It is clear that the government's misogyny perpetuates and promotes misogynistic attitudes in society in general, as in this case of heinous victim blaming. This makes it clear that gender-based violence is controlled and supported by the elites.

In Kenya, as everywhere else in the world, patriarchal social structures prevail. The most extreme example of this is the law on legal polygamy for men: women are only allowed to marry one man, while men are free to marry as many women as they want. Uhuru Kenyatta, Kenya's president, based this misogynistic law on African traditions. But we know that misogyny runs through all cultures, all religions, all parts of the capitalist world! The real consequence of polygamy is the absolute dependence of women on their husbands. The combination of poverty, dependency, lack of health facilities and childcare further supports the intensification of violence.

All of this is also linked to the history of bloody oppression and colonization by imperialist powers. Over 70 years of German and British colonial rule have led to the enslavement, systematic oppression and exploitation of the Kenyan people. During colonial rule, the Imperial British East Africa Company raked in the profits in the region on the backs of the exploited. Today, up to 100 British companies continue to siphon off the country's wealth of resources. So it is old wine in new bottles. This leads to nothing other than the continued impoverishment of the masses, a huge hole in the health and welfare system and the increasing dependence of women to remain in their (violent) relationships. It is estimated that a third of women in Kenya - that is 9 million women in the country - have experienced physical violence at least once in their lives. Here too, the number of unreported cases is much higher. As usual, the majority of reported incidents take place in the home. A female activist from Migori also makes this clear: "If I'm not safe at home, at work or on the way there, where the hell am I even allowed to be?"

Under the hashtags #EndFemicideKE, #StopKillingUs and #TotalShutdownKE, masses of women are demonstrating against femicide and violence. Although some of them are exposed to this violence themselves at home, they are courageously taking to the streets and joining the resistance en masse. Many men are also showing solidarity with the protesters and understand what they are saying: There must be no place for femicide and violence against women. As ROSA and ISA (Internationale Socialist Alternative), we show solidarity with this fight against patriarchal violence. We must take up the demands of this movement and fight for an end to gender-based violence all over the world.

The demands of the activists can only be confirmed: Femicide needs to be recognized as a criminal offence so that the perpetrators are prosecuted. This also requires a reorganization of all authorities, police and courts. The government must provide full funding and the expansion of protection facilities against gender-based violence. However, fighting for women's liberation does not only mean the need to rebuild the system, but to fight for the abolition of the capitalist system and the construction of a completely different system. In doing so, we want to end the oppression of the masses through neo-colonialism and, at the same time, the inherently sexist system and its specific oppression of women and LGBTIQA+ people.

An end to violence and misogyny is needed in Kenya, but also in every other country in the world. To truly end gender-based violence and sexism, it is necessary to fight against poverty and hunger as well as colonialism and imperialism, where nature and people are exploited for profit. 

On an international level, sexism and racism are inextricably linked to the capitalist system, which sacrifices the well-being of the majority of society for the profits of a few and promotes and perpetuates violence, oppression and discrimination. A feminist struggle against this oppression must be a struggle for an alternative to this system - a socialist feminist struggle! 

Usikimye paza sauti! - Let us not stop raising our voices!

 

 

Bilder: womenforwomenkenya

Mehr als eine Million in Deutschland auf der Straße gegen Rassismus und Rechts!

Andrea Gasperlmair

Jetzt eine Bewegung in Nachbarschaften, Betrieben und Schulen aufbauen!

Seit den Enthüllungen über das geheime Treffen von AfD- und CDU-Politiker*innen, Geldgebern, Rechtsextremen und Neonazis, wo diese „Remigrations“-Abschiebungspläne von Millionen Migrant*innen, People of Color, und queeren Menschen planten, fanden in ganz Deutschland eindrucksvolle Massenproteste gegen die AfD, gegen Rechts und „zur Verteidigung der Demokratie“ statt. In Hamburg waren vor drei Tagen bis zu 150.000 auf der Straße, gestern in München 250.000 (!!!) - so viele, dass beide Demonstrationen frühzeitig aufgelöst wurden. In Berlin protestierten 350.000 Menschen. In ganz Deutschland waren bisher mehr als eine Million Menschen auf der Straße. Eine riesige Bewegung und Chance, den Rechtsruck des politischen Establishments zurückzudrängen?

Gegen jeden Rassismus! Schluss mit der Heuchelei der Regierungsparteien!

In Potsdam trat bei einer Kundgebung gegen Rechts und Massenabschiebungen neben anderen Politiker*innen auch der deutsche SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz auf. Aber was macht Scholz bei so einer Kundgebung? Noch im Oktober letzten Jahres posierte dieser auf der Titelseite des Spiegel-Magazins, darunter das Zitat „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“. Die Regierungsparteien führen schon längst die Fantasien der AfD aus: Mit ihrer aggressiven Kriegspolitik, dem riesigen Aufrüstungsprogramm, den geplanten GEAS-Reformen um noch schneller abschieben zu können, und der Unterstützung der rechtsextremen israelischen Regierung - u. a. mit 326 Mio. Euro an Waffenlieferungen -, die gerade ein blutiges Massaker an Palästinenser*innen vollzieht. SPD und Co. geht es bei den aktuellen Protesten lediglich um bessere Umfragewerte, Wahlerfolge und Imagepolierung.

Und welche Demokratie wird hier verteidigt? 

Eine, in der wir alle vier(D)/ fünf(Ö) Jahre zwischen bürgerlichen Parteien entscheiden können, die Politik der Reichen und Konzerne betreiben, abschieben, rassistisch hetzen und im schlimmsten Fall sogar rechtsextreme Ideen teilen. Die Frustration über die Auswahl zeigt sich durch die Nichtwählenden (mit Wahlberechtigung), die fast ein Viertel (23,4%) bei der letzten Bundestagswahl in Deutschland ausmachten, oder den vielen unzufriedenen Protestwähler*innen, die den Aufstieg der AfD (und auch der FPÖ) erklären. Zusätzlich haben 27% der Bevölkerung, größtenteils Migrant*innen, in Deutschland kein Wahlrecht - genau die Menschen, die von den rassistischen Abschiebeplänen betroffen sind! Es hat auch niemand Nehammer als Bundeskanzler in Österreich gewählt, und doch betreibt dieser seit 2021 seine rassistische und frauenfeindliche Politik, macht sich über Armut lustig und stellt sich wie die deutsche Regierung geschlossen hinter Israel. 

Die Massendemos in Deutschland zeigen das riesige Potenzial für eine echte, langfristige Bewegung gegen Rechts. So eine Bewegung brauchen wir angesichts der Stärke der FPÖ und dem Rechtsruck der ÖVP auch in Österreich. Eine Bewegung gegen jeden Rassismus und Ungleichheit. Gegen die Gewalt der Faschist*innen, die Hetze von AfD und FPÖ, aber auch den staatlichen Rassismus, die Abschiebungen und Repression gegen Gaza-Proteste der etablierten Parteien. Und gleichzeitig auch einen Kampf gegen die sozialen Ursachen für den Rechtsruck: Armut, Pflegenotstand und Teuerung. Wir dürfen nicht wieder zur Tagesordnung zurückkehren, sondern müssen um eine demokratische, sozialistische Gesellschaft kämpfen, die frei von jeglicher Form von Unterdrückung und Diskriminierung ist. Wir müssen uns organisieren im Betrieb, in Unis und in Schulen und Druck von unten aufbauen. Die riesigen Anti-AfD-Proteste dürfen nicht von bürgerlichen Parteien kontrolliert werden - es muss für grundlegende Veränderung gekämpft werden. Die Forderung nach einem AfD-Verbot würde in der Realität nur eine kurzfristige Lösung in einem kaputten System bedeuten. Das Ende des Kapitalismus ist längst überfällig. Dieses System befindet sich weltweit in einer Krise, und die Politik von konservativen, neoliberalen und sozialdemokratischen Parteien ebnen durch ihre Unfähigkeit die Teuerungskrise zu beenden den Weg für rechtsextreme Ideen. 

Jetzt ist die Zeit, gegen den Rechtsruck aktiv zu werden. Wir werden in den nächsten Wochen Kampagnen und Aktionen organisieren - melde dich wenn du aktiv werden willst!

 

Dauerhafter Waffenstillstand jetzt!

Österreich stimmt in der UNO (erneut) gegen einen Waffenstillstand | SPÖ fordert endlich Waffenstillstand
Stellungnahme von ISA und ROSA

Lasst uns die Bewegung mit Arbeitsniederlegungen, Streiks und Komitees in Schulen, Unis, in Betrieben stärken und ausweiten! Jetzt organisieren gegen das Massaker, Unterdrückung, Ausbeutung und Imperialismus!

Nach mehr als zwei Monaten, in denen 2 Millionen verarmte und belagerte Menschen im Gazastreifen dem beispiellosen Horror von Bombardierungen und Angriffen der israelischen Kriegsmaschinerie ausgesetzt waren, und nach fast zwei Monaten wöchentlicher Proteste in Österreich gegen das Massaker, fordert die SPÖ endlich, dass sich Österreich dem Ruf nach einem Waffenstillstand anschließt.

Die UN-Abstimmung letzte Woche, bei der Österreich in skandalöser Weise zusammen mit 9 anderen Ländern (darunter Israel und die USA) gegen einen Waffenstillstand gestimmt hat, macht deutlich, wie isoliert das israelische Regime ist, während seine Angriffe weitergehen. Mehrere seiner natürlichen "Freunde" wurden durch die Drohung einer regionalen Eskalation und vor allem durch den massiven Druck einer internationalen Bewegung von unten gezwungen, sich von einem wichtigen Verbündeten zu distanzieren.

Allerdings ist das UN-Votum so zahnlos, dass es das israelische Regime nicht zwingen kann, das Blutbad zu beenden. Das israelische Regime ist entschlossen, der Hamas einen tödlichen Schlag zu versetzen und ein Bild des Sieges zu vermitteln - um sein Prestige als stärkste Militärmacht in der Region wiederherzustellen. Aber es ist auch entschlossen, das Bewusstsein des palästinensischen Volkes durch historische Zerstörung für Generationen zu erschüttern.

Das Regime hat nicht vor, die Gräueltaten in absehbarer Zeit zu beenden, wie Netanjahu sagte: "Wir werden bis zum Ende weitermachen, bis zum Sieg. Nichts wird uns aufhalten".

Das Massaker im Gazastreifen hat eine neue Dimension erreicht - zusätzlich zu den schweren Bombardierungen und Angriffen plagen Infektionskrankheiten und Hungersnöte die Massen im Gazastreifen. Die Zahl der Todesopfer liegt bei fast 20.000 - 1% der Bevölkerung. 85% der Bevölkerung sind auf der Flucht. Nach Angaben der UNO haben 9 von 10 Menschen nicht täglich zu Essen, die Hälfte der Bevölkerung hungert - Lebensmittel und Vorräte können unter schwerem Beschuss nicht transportiert und verteilt werden. 

Ein Bewohner des Gazastreifens, Hamza Ibrahim, sagte in einem Interview mit ABC News: "Es gibt hier keinen sicheren Ort. Selbst Rafah und Khan Yunis, in der Mitte und von Norden nach Süden. Entweder bleiben wir in unserem Haus und verhungern, oder wir gehen hinaus und sterben durch wahllose Bombardierungen". Ein sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand und humanitäre Soforthilfe sind als erster Schritt dringend erforderlich.

Die UNO, Macron, Scholz und kapitalistische Institutionen und Politiker*innen befürworten scheinheilig einen Waffenstillstand und sogar eine Zweistaatenlösung, die USA setzen Netanjahu zunehmend unter Druck, die Zahl der zivilen Opfer zu begrenzen. Aber diese Eskalation - von dem reaktionären Angriff der Hamas am 7.10. bis hin zu dem brutalen Massaker, das Elemente eines Völkermordes enthält, den das israelische Regime anführt - ist nicht vom Himmel gefallen. 

Es geschieht vor dem Hintergrund einer massiven Eskalation von Staats- und Siedlerterror, Enteignung und erstickender Belagerung, Besatzung und nationaler Unterdrückung. Die UNO und alle kapitalistischen Institutionen haben tatenlos zugesehen, wie das palästinensische Volk unter der "Konfliktmanagement"-Politik des israelischen Regimes erstickt ist. Auch jetzt sind sie in erster Linie daran interessiert, eine regionale Eskalation und den Widerstand der Massen zu verhindern, und nicht am Wohlergehen der Arbeiter und Armen in der Region.

Die internationale Massenbewegung hat das israelische Regime bereits dazu gedrängt, einem vorübergehenden Waffenstillstand zuzustimmen, und sie hat Biden dazu gedrängt, zu versuchen, das Ausmaß und die Dauer des Massakers zu begrenzen - die Massen haben die Macht, den Krieg zu beenden! Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen, demonstrieren regelmäßig in der ganzen Welt. 

In Großbritannien gab es eine Demonstration von 800.000 Menschen - eine der größten in der Geschichte des Landes. Transport- und Hafenarbeiter*Innen in Belgien, Spanien und Italien weigern sich, für Israel bestimmte Waffen umzuschlagen, und die Gewerkschaft United Auto Workers in den USA hat offen zu einem Waffenstillstand aufgerufen - und reiht sich damit in eine lange Liste von Gewerkschaften weltweit ein. Letzte Woche haben palästinensische Arbeiter*Innen im besetzten Westjordanland und in Ostjerusalem einen eintägigen Vollstreik für einen Waffenstillstand durchgeführt, der von Arbeiter*Innen und unterdrückten Gruppen in der Region und international unterstützt wurde.

Die noch relativ kleinen Proteste, die die Rückkehr der Geiseln in Israel fordern, müssen ausgeweitet werden. Letzte Woche hat das israelische Militär zugegeben, dass es versehentlich drei Geiseln getötet hat, denen die Flucht in den Gazastreifen gelungen war. Dies hat einen Flächenbrand der Wut ausgelöst und einen Aufruf zur Erneuerung der Massenbewegung gegen Netanjahu und seine tödliche Politik. Bereits am Wochenende protestierten Tausende und forderten einen Waffenstillstand und einen Austausch von Geiseln und Gefangenen. Netanjahu steht unter Druck und arbeitet bereits an Gesprächen mit Katar.

Die Bewegung in Israel gegen Netanjahu und seinen verbrecherischen Krieg sollte einen dauerhaften Waffenstillstand und uneingeschränkten Zugang zu humanitärer Hilfe sowie den Rücktritt der kriminellen rechtsextremen Regierung fordern, die die Massen in der Region in ein historisches Blutbad geführt hat.

 

  • Wir rufen die Gewerkschaften, Studierendenvertretungen und Basisinitiativen in Österreich auf, einen dauerhaften Waffenstillstand zu fordern. 

 

  • Nein zur Repression der Bewegung, nein zu Islamophobie und Rassismus, für die Ausweitung der Bewegung auf der Straße, am Arbeitsplatz und in den Schulen!

 

  • Den Widerstand ausbauen- Proteste und Streiks international ausweiten. Die Bewegung sollte die Aufhebung der Belagerung, ein Ende des Siedler- und Staatsterrors und der Enteignung, der willkürlichen Inhaftierung von Palästinenser*Innen ohne Gerichtsverfahren oder Rechte, und des gesamten Besatzungsprojekts fordern. Für die Enteignung der Rüstungsindustrie unter demokratischer Kontrolle, Milliarden für den Wiederaufbau des Gazastreifens, für Lebensmittel, Krankenhäuser und Schulen statt für die militärische Aufrüstung für den nächsten Krieg der Kapitalist*innen.

 

  • Für eine Massenbewegung in der Region im Geiste der ersten Intifada und des Würde-Streiks 2021 - eine demokratisch von unten organisierte Bewegung. 

 

  • Für grundlegende Veränderungen im Leben der Menschen - ein Ende von Armut, Diskriminierung und nationaler Unterdrückung. Für eine sozialistische Föderation im Nahen Osten mit zwei sozialistischen Staaten, die volle, gleiche Rechte und ein Leben in Würde und Frieden für beide nationale Gemeinschaften garantieren.

Israel/Palästina: Inmitten der Normalisierung von Besatzung und Blockade bricht ein neuer Krieg aus

Angesichts der Opfer und des Blutbades ist der Kampf für eine grundlegende Lösung notwendig
Sekretariat von Maavak Sotsyalisti / Nidal Eshteraki ("Sozialistischer Kampf" - ISA in Israel und Palästina)
  • Solidarität mit denjenigen, die ihre Angehörigen verloren haben, und mit der einfachen Bevölkerung aus allen Communities, auf beiden Seiten des Zauns, die mit den Schrecken des Krieges und den Massakern konfrontiert sind.

  • Der Kern des "Versagens": Die Arroganz der "Konfliktmanagement"-Politik der Regierung und die Normalisierung der Besatzung und der Belagerung haben zum Krieg geführt. 

  • Was wir brauchen, ist ein Kampf, um die Verschlechterung der Situation zu stoppen und die Belagerung, die Besatzung und die Armut zu beenden - als Teil eines Kampfes für eine grundlegende Lösung des endlosen Konflikts im Rahmen eines sozialistischen Wandels, auf der Grundlage gleicher Rechte auf Existenz, Selbstbestimmung, Würde und Wohlstand.

Der Krieg, der am Samstagmorgen mit einem Überraschungsangriff der Hamas ausbrach, der in seinem Ausmaß beispiellos war ("Operation Al-Aqsa-Flut"), und der sich mit einem Angriff durch die Netanjahu-Regierung fortsetzt (die den offiziellen Kriegszustand erklärt hat), der noch blutiger ausfallen dürfte, hat nach wie vor schreckliche Auswirkungen auf die Communities auf beiden Seiten des Zauns. Für die Bewohner*innen des israelisch-ägyptisch belagerten Gazastreifens, wo Netanjahu "Rache" versprochen hat, die "die Stadt des Bösen in eine Trümmerstadt" verwandeln soll, wird es immer schlimmer.

Gleichzeitig steigt die Zahl der Todesopfer des Massakers in den Städten und Gemeinden im Süden des Landes und des wahllosen Raketenbeschusses, auch in den Beduinengemeinden, wo es keine Schutzräume gibt. Inzwischen ist die militärische Eskalation bis zur israelisch-libanesischen Grenze vorgedrungen, und der Raketenbeschuss durch die Hisbollah scheint eine Warnung vor einer möglichen israelischen Invasion in Gaza zu sein. Die Krise kann sich noch wochenlang fortsetzen und sich sogar zu einem regionalen Krieg ausweiten.

Schock, Trauer und Angst herrschen jetzt unter den Bewohner*innen der Negev und anderer Gebiete, und nicht nur unter der jüdischen Bevölkerung: noch ausgeprägter ist das im Gazastreifen, wo die Menschen den Bombardierungen natürlich ohne so etwas wie einem "Iron Dome"-System, Sirenen oder Schutzräumen ausgesetzt sind. Socialist Struggle Movement (ISA in Israel-Palästina) steht in Solidarität an der Seite der einfachen Menschen, den Angehörigen der Getöteten und den Verwundeten aus allen Communities auf beiden Seiten des Zauns und mit den entführten Zivilist*innen. Als diese Zeilen verfasst wurden, ist die Zahl der Getöteten im Süden auf über 700 aus verschiedenen nationalen Communities und auf 500 im Gazastreifen gestiegen (Angaben vom Montag). All dies geschieht, während die Netanjahu-Regierung brutale kollektive Bestrafungen vorantreibt, einschließlich der Unterbrechung der Stromversorgung und der Zerstörung von Gebäuden im Gazastreifen - tatsächlich ein Mittel des Staatsterrorismus.

Die Entführung Dutzender Israelis in den Gazastreifen in einem noch nie dagewesenen Ausmaß diente der Hamas dazu, die Feuerkraft des israelischen Regimes einzuschränken und die Freilassung der palästinensischen Gefangenen auszuhandeln. Die Entführung der Zivilist*innen, darunter Kinder und ältere Frauen, ist zu verurteilen, denn nicht sie sind für die brutale Politik des israelischen Regimes im Gaza-Streifen und gegenüber den Palästinenser*innen verantwortlich. Dabei muss erwähnt werden, dass diese Politik - zu der auch die massenhafte Inhaftierung (mit militärischem oder ganz ohne Gerichtsverfahren) von Kindern und Palästinenser*innen insgesamt gehört, die demonstrieren und sich gegen die Besatzung wehren - überhaupt erst die Motivation für die Entführungen angetrieben hat. Nun wäre eine militärische Intervention zur Befreiung der Geiseln mit einer großen Zahl von Todesopfern verbunden. Die israelische Regierung sollte einen schnellen und umfassenden Gefangenenaustausch im Rahmen einer Waffenstillstandsvereinbarung ermöglichen.

Wir rufen zu Protesten auf, um den Krieg und die Politik der kollektiven Bestrafung und des "Teile und herrsche" zu beenden, sich nicht an einer Racheoffensive gegen die Bewohner*innen des Gazastreifens zu beteiligen und für eine tiefgreifende Veränderung der Lebensverhältnisse zu kämpfen, einschließlich des Beendens der Besatzung und der Blockade. Auch der Aufruf zu einem Proteststreik und zu Wutmärschen im Westjordanland können dazu beitragen, einen notwendigen Kampf gegen den Status quo - die Diktatur der Besatzung und der Belagerung - zu führen und gleichzeitig die Selbstverteidigung und den Schutz der palästinensischen Demonstrant*innen und Bewohner*innen vorzubereiten.

Die militärische Eskalation des nationalen Konflikts kam nicht aus dem Nichts. Die rechte Regierung unter Netanjahu, Ben Gvir und Smotrich hat mit aller Kraft versucht, nicht nur den Massenwiderstand gegen den "Justizputsch" zu verhindern, der ihre Position stärken sollte, sondern auch die Besatzung, die Belagerung und die Millionen von Palästinenser*innen aufgezwungenen Siedlungen zu festigen. Dies geschieht im Schatten der arroganten Behauptung, das "Konfliktmanagement" im Griff zu haben, und der zynischen Behauptung, den regionalen Frieden durch den Normalisierungsprozess zwischen Israel und Saudi-Arabien unter der Schirmherrschaft der USA zu fördern.

Die akute und eskalierende Kriegssituation, zu der es jetzt gekommen ist, entstand nach zwei Runden militärischer Eskalation seit der Regierungsbildung (im Dezember) und nach Jahren, in denen die Häufigkeit der Konfliktrunden als Ausdruck der zunehmenden Instabilität der Besatzung und Belagerung zunahm. Die derzeitige Eskalation weist Besonderheitenauf, die eine neue Phase des Zusammenstoßes markieren.

Überraschungsangriff der Hamas

Die Hamas, von der die israelischen kapitalistischen Besatzungsregierungen bis heute behaupten, sie sei "abgeschreckt " (erst kürzlich erklärte Israels Nationaler Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi, dass "die Hamas sehr, sehr zurückhaltend ist "), durchbrach vorübergehend die Grenzen der Militärblockade mit Hunderten bewaffneten Männern, einige sogar auf dem Seeweg und mit Gleitschirmen. Diese Kräfte übernahmen den Grenzübergang Erez/Beit Hanoun und das Hauptquartier der Gaza-Division der israelischen Armee, beschlagnahmten Militärfahrzeuge und verbarrikadierten sich in einer Polizeistation in der südlichen Stadt Sderot. Neben Elementen des Partisanenkriegs gegen die Streitkräfte übernahmen sie darüber hinaus mehrere israelische Gemeinden für lange Stunden (bis zu mehr als einem Tag) und verübten in dieser Zeit auch Terrorakte, bei denen sie wahllos Zivilist*innen töteten, darunter auch Teilnehmer*innen eines Musikfestivals, und entführten wie bereits erwähnt Dutzende Zivilisten*innen.

Innerhalb weniger Stunden hat die Hamas nicht nur eine Machtdemonstration sondern auch ihr politisches Ziel erreicht, indem sie es geschafft hat, die "Normalisierung" zwischen Israel und dem saudischen Regime sowie der Palästinensischen Autonomiebehörde zu erschweren. Obwohl dies nicht der erste Überfall des militärischen Flügels der Hamas auf den Zaun des Gazastreifens ist, handelt es sich um die größte Demonstration militärischer Gewalt, die die Hamas bisher durchgeführt hat, und zwar mit einem noch nie dagewesenen Geschick und Kühnheit,  in eine Rhetorik verpackt, die die Operation als eine Befreiungsmaßnahme darstellt.

In den ersten Stunden nutzten einige Bewohner*innen des Gazastreifens die vorübergehende Unterbrechung der Belagerung, um den Zaun zu überqueren und das größte Gefängnis der Welt, wenn auch nur für einen Moment, mit einem Gefühl der Begeisterung zu verlassen. Für eine große Zahl von Bewohner*innen des Gazastreifens und für viele Palästinenser*innen im Allgemeinen kann die Möglichkeit, auch nur für einen Augenblick Zeuge eines Durchbruchs des Belagerungszauns und einer Machtdemonstration gegen die Kraft zu werden, die sie gefangen hält, ihr Leben mit Füßen tritt und ihnen die nationale Unabhängigkeit und jede Möglichkeit des Zugangs zu dem Gebiet verweigert, aus dem ihre Familie stammt, an sich schon Sympathien für den bewaffneten Flügel der Hamas wecken, der in diesem Zusammenhang als "Schutztruppe" dargestellt wird.

Andererseits könnte das israelische Regime den massiven Schaden für die israelische Zivilbevölkerung zynisch ausnutzen, um den Mythos zu nähren, dass die Blockade des Gazastreifens eine "defensive" Politik sei, und noch mehr Unterstützung für das Töten und die Zerstörung im großen Stil im Gazastreifen zu mobilisieren. Die zwei Millionen Einwohner*innen des Gazastreifens leben in extremer Armut und Not, 63% von ihnen leiden unter Ernährungsunsicherheit, haben kein sauberes Wasser, keine grundlegende Infrastruktur und können sich nicht frei bewegen. Das israelische Regime nutzt die Existenz- und Sicherheitsbedenken der jüdischen Arbeiter*innenklasse politisch aus, um Unterdrückung und Angriffe auf Palästinenser*innen zu legitimieren. Gleichzeitig haben die täglichen Angriffe sowie die Verwüstungen und Verluste, die israelische Bombenangriffe über Jahre hinweg hinterlassen haben, der Hamas erst die politische Möglichkeit gegeben, eine Stimmung verzweifelter Unterstützung von Teilen der palästinensischen Bevölkerung auch für reaktionäre Aktionen mit wahllosen Angriffen auf die Zivilbevölkerung zu nutzen.

Da das blutige Gleichgewicht zwischen israelischen und palästinensischen Opfern oft extrem asymmetrisch ist - auf jeden israelischen Toten kommen Dutzende palästinensische Tote -, können die seltenen Momente, in denen sich ein etwas "ausgeglicheneres" Zahlenverhältnis abzeichnet, die verzweifelte Unterstützung für die Hamas stärken. Sie kann so tun, als sei sie in der Lage, "einen Preis zu verlangen", Rache zu üben oder sogar eine Abschreckung aufzubauen, oder eine militärische Kraft, die die Besatzung und die Belagerung besiegen kann.

Die Hamas-Führung weiß, dass sie sicherlich nicht in der Lage ist, die stärkste Militärmacht in der Region militärisch zu besiegen. Im Laufe der Jahre hat sich die Hamas-Führung, wie es für eine politische Kraft mit einem rechten, pro-kapitalistischen Programm typisch ist - das politische Unterdrückung, Angriffe auf die Arbeiter*innen und Armen im Gazastreifen, Unterdrückung von Frauen und LGBTQ-Personen und religiösen Zwang beinhaltet -, auf die Gnade der Regime in der Region und der imperialistischen Mächte und sogar auf "Koexistenz"-Vereinbarungen mit Israel verlassen. Im Gegensatz zur Palästinensischen Autonomiebehörde und den arabischen Regimen versucht die Hamas jedoch, durch militärische Aktionen den Eindruck eines Sieges zu erzeugen - nach einem Muster, das der Hisbollah ähnelt, die 2006 von ihrer Seite aus die Grenzen der regionalen Macht Israels aufzeigte und in der Vergangenheit damit drohte, israelische Gemeinden zu übernehmen, wie es die Hamas jetzt getan hat.

Androhung einer "entscheidenden militärischen Lösung"

Die Netanjahu-Regierung hat immer behauptete, die Fähigkeit zu haben, den Verlauf im nationalen Konflikt vollständig zu kontrollieren und jeden Widerstand "abzuschrecken". Nun Ist sie mit einem dramatischen (Teil-) Verlust der Kontrolle über die Ereignisse konfrontiert und versucht, die Initiative mit militärischen Mitteln zurückzugewinnen. Sie droht mit einer langwierigen und weitreichenden Offensive auf den Gazastreifen - im Grunde, um die bestehende Besatzungs- und Blockadeordnung zu schützen, die die aktuelle Krise überhaupt erst ausgelöst hat.

Verteidigungsminister Galant droht damit, "der Hamas das Genick zu brechen". Dies ähnelt Netanjahus Drohung aus dem Wahlkampf 2009, eine so genannte "entscheidende militärische Lösung" herbeizuführen. Schon zuvor hatten israelische Regierungen Hamas-Führer ermordet und deren Streitkräfte angegriffen. Zwischen den Runden des Blutvergießens und der "Wiederherstellung der Abschreckung" hat sich die relative militärische Kapazität der Hamas, auch wenn sie begrenzt ist, erhöht und so weit entwickelt, dass das israelische Regime gezwungen war, sie stärker zu berücksichtigen, während es sich standardmäßig auf "Absprachen" mit der Hamas-Regierung im Gazastreifen verließ, um die bestehende Ordnung zu erhalten und zu bewahren. Der Versuch des israelischen Regimes, "die Hamas militärisch zu besiegen", wird nicht nur nicht in der Lage sein, die Hamas-Bewegung auszuschalten, sondern auch weitreichende destabilisierende Folgen nach sich ziehen, weshalb sich die Netanjahu-Regierung in ihren Reden eher vage ausdrückt.

Die Mobilisierung der israelischen Establishment-Parteien aus der unterwürfigen "Opposition" zur politischen Unterstützung der Politik und der Militäroperationen der Netanjahu-Ben-Gvir-Bande in der gegenwärtigen Krise unterstreicht ihre eigene Verantwortung für die gegenwärtige Situation, auch während der vorherigen Regierung. Die Vorschläge von Lapid und Gantz, unter den Vorzeichen des Krieges wieder mit Netanjahu in die Regierung einzutreten - wobei Lapid fordert, die rechtsextremen Minister auszutauschen, während Gantz bereit ist, sie zu behalten -, beweisen an sich schon, dass die Unterschiede zwischen den Parteien in den Kernfragen letztlich gering sind.

Netanjahu, dessen Regierung bis zur aktuellen Krise auf die Unterstützung einer deutlichen Minderheit der israelischen Öffentlichkeit angewiesen war, ergriff die Gelegenheit, eine breite Koalitionsvereinbarung mit den Parteien von Lapid und Gantz voranzutreiben, ohne mit den rechtsextremen Parteien zu brechen. Dies entspricht dem Interesse der herrschenden Klasse, einen "abenteuerlichen" Einfluss der rechtsextremen Minister als Reaktion auf die Ereignisse einzuschränken, und steht auch im Einklang mit dem Druck, der in der letzten Zeit von Washington ausgeübt wurde, um eine Normalisierungsvereinbarung mit dem saudischen Regime zu erleichtern. Netanjahu hat jedoch Angst, Ben Gvir und Smotrich loszuwerden, da er mit ihnen um eine Unterstützungsbasis konkurriert.

Die grundlegende Ursache des Krieges

Die Frage "wer den ersten Schuss abgefeuert hat" in der Dynamik, die zur gegenwärtigen Krise geführt hat, mag angesichts der sich zuvor entwickelnden Eskalation der nationalen Spannungen unterschiedliche Antworten hervorrufen, geht aber in jedem Fall an den grundlegenden Ursachen des Krieges vorbei. Auch die Frage des "Geheimdienstversagens" der israelischen Armee, 50 Jahre nach dem Krieg von 1973, lenkt vom Kern ab: Die Wurzel der Krise ist die Durchsetzung der bestehenden Ordnung, in der der israelische Kapitalismus, mit der stärksten Militärmacht in der Region, Besatzung und Annexion durchsetzt und Millionen von Palästinenser*innen grundlegende Rechte, einschließlich des Rechts auf Selbstbestimmung, verweigert.

Die politische Unterstützung der kapitalistischen Regierungen des "westlichen" imperialistischen Blocks für die Militäraktionen der Netanjahu-Regierung verschafft nun den Spielraum für die Fortsetzung des Blutbads und stellt eine grundlegende Verteidigung des Status quo der Besatzung dar. Die persönliche Sicherheit der einfachen Menschen auf beiden Seiten des Zauns interessiert sie nicht nur nicht, sondern sie wird durch sie beeinträchtigt.

Bereits seit der Zeit der vorherigen Bennet-Lapid-Regierung ist die Zahl der palästinensischen Todesopfer stark angestiegen und hat im Westjordanland einen 20-Jahres-Rekord aufgestellt. Die Zerstörung palästinensischer Häuser im Westjordanland hat sich beschleunigt; Angriffe des Staates und von Siedler*innen, die auf die Entwurzelung palästinensischer Gemeinden abzielen, wurden fortgesetzt, ebenso wie die Zunahme religiös-nationalistischer Provokationen durch rechtsgerichtete jüdische Kräfte, die einen Religionskrieg mit staatlicher Unterstützung rund um die Al-Aqsa-Moschee propagieren. Die Wirtschaftskrise verschärfte den Druck Unter der Besatzung. Die Regierung Netanjahu-Ben Gvir hat jedoch eine noch unnachgiebigere Haltung gegenüber jeglichen Zugeständnissen an die Palästinenser*innen eingenommen und versucht, jeden Gedanken an palästinensische Unabhängigkeit zu begraben.

Gleichzeitig bemühten sich die Führungen der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) unter der Schirmherrschaft der Hisbollah und des Iran, sich in der Konfrontation mit der Besatzung als effektiver darzustellen als die Fatah und die Palästinensische Autonomiebehörde, die sich aufgrund ihrer faktischen Rolle als Subunternehmen der Besatzung in einer akuten Legitimationskrise befindet. Angesichts der neuen Regierung Netanjahu kündigten Hamas und PIJ in diesem Jahr an, in der Konfrontation mit Israel als Einheitsfront aufzutreten, auch wenn die Hamas-Führung es vorzog, beim Aufflammen des Konflikts im Gazastreifen im Mai und den Razzien im Westjordanland im Juli nicht in einen direkten Konflikt mit Israel zu geraten. Vor zwei Wochen, am 24. September, kündigten die Führer der Hamas, des PIJ und der PFLP bei einem Treffen in Beirut jedoch an, dass sie ihre Koordination untereinander verstärken würden, um die Aktionen als Reaktion auf die Aggression des Besatzungsregimes zu eskalieren.

Die Krise im Gazastreifen und die Proteste am Zaun

Diese Ankündigung erfolgte inmitten einer neuen Serie palästinensischer Proteste am Zaun des Gazastreifens, die mit militärischen Repressionen beantwortet wurden. Das israelische Regime befürchtete, dass die Proteste außer Kontrolle geraten würden. Eine Entwicklung in Richtung einer Massenbewegung stellt für das Regime ein grundsätzlicheres Risiko dar als militärische Konfrontationsrunden, nicht zuletzt in Anbetracht des größeren Potenzials einer Massenbewegung, auf regionaler und globaler Ebene Zuspruch und Sympathie hervorzurufen und sogar Arbeiter*innen und junge Menschen in der jüdischen Bevölkerung zu beeinflussen. Generell befürchtete das israelische Regime jedoch eine Destabilisierung und die Entwicklung von Konfrontationen in verschiedenen Bereichen, die Riad unter Druck setzen und eine Normalisierungsvereinbarung verhindern würden.

Diese Angst vor einer Destabilisierung hat in den letzten Monaten auch immer wieder dazu geführt, dass die Leiter*innen des militärischen Sicherheitsapparats in Abstimmung mit Netanjahu und Gallant interveniert haben, um den rechtsextremen Flügel einzudämmen, insbesondere bei den Versuchen von Ben Gvir, Angriffe auf die Bedingungen der palästinensischen Gefangenen voranzutreiben. Am 29. September berichtete die libanesische Zeitung Al-Akhbar, dass die israelische Regierung unter ägyptisch-katarischer Vermittlung offenbar einer "Rückkehr zu früheren Absprachen", einer erneuten symbolischen Aufstockung der katarischen Hilfsgelder für den Gazastreifen sowie der Quote für die Einreise von Arbeiter*innen aus dem Gazastreifen nach Israel, der Ausweitung des Fischereigebiets an der Küste des Gazastreifens sowie Export- und Importquoten zugestimmt hat. Offensichtlich wurden dann israelische Streitkräfte aus dem Gazastreifen in das Westjordanland abgezogen, was der Hamas ein militärisches Überraschungsmoment ermöglichte.

Während die von der Fatah geführte Palästinensische Autonomiebehörde ihre Bereitschaft signalisiert hat, mit der israelisch-saudischen Normalisierung zusammenzuarbeiten, hat der saudische Kronprinz Bin Salman zu verstehen gegeben, dass israelischen Zugeständnisse an die Palästinenser,*innen kein Hindernis sein würden, solange ihm nichts im Wege steht. Diese Andeutung und die sich trotz des offensichtlichen Einvernehmens verschärfende Krise im Gazastreifen gaben offenbar den Ausschlag für die Hamas-Führung, in einem noch nie dagewesenen Ausmaß militärisch zu intervenieren, um den Druck auf Israel zu erhöhen, indem sie die "Gleichung ändert". Damit sollte demonstriert werden, dass man in der Lage ist, mit militärischen Mitteln einen höheren Preis zu verlangen, einschließlich der Unterbrechung des Normalisierungsprozesses, und dabei den falschen politischen Eindruck zu erwecken, dass man im Kampf um die Überwindung von Belagerung und Besatzung einen Schritt weitergekommen ist.

Einen Kampf aufbauen und einen Ausweg vorantreiben

Es ist wichtig zu betonen, dass die Bewohner*innen angesichts der Belagerung, der Besatzung und einer möglichen militärischen Invasion das Recht haben, sich gegen die Angriffe zu wehren und sich zu organisieren, um sich zu verteidigen, auch durch einen Partisanenkrieg. Viele Palästinenser*innen müssen sich über die symbolische Zerstörung einiger israelischer Militärfahrzeuge gefreut haben, wenn man bedenkt, welche Zerstörungen, Trauer und Not sie seit Jahren im Gazastreifen ertragen müssen. Es besteht jedoch ein Unterschied zwischen einem solchen Widerstand - der sich am vorteilhaftesten entwickeln kann, wenn er Teil einer Strategie des Aufbaus einer Massenbewegung ist, die jetzt notwendig ist, und unter der demokratischen Kontrolle gewählter Aktionskomitees steht (was mit dem politischen Programm und der Strategie der Hamas nicht vereinbar ist) - und dem wahllosen Beschuss und Ermordung der Zivilbevölkerung, insbesondere der arbeitenden und armen Bevölkerung aus allen nationalen Gemeinschaften. Die militärischen Angriffe der Hamas gegen Arbeiter*innen und Arme dienen nicht nur nicht der Befreiung von der Blockade und der nationalen Unterdrückung, sondern werden vom israelischen Establishment politisch als Vorwand benutzt, um Unterstützung für noch barbarischere Angriffe gegen die Palästinenser*innen unter Belagerung und Besatzung zu mobilisieren.

Der Minister für "nationale Sicherheit", Ben Gvir, hat den "Ausnahmezustand an der Heimatfront" ausgerufen, der die Befugnisse der Polizei im öffentlichen Raum ausweitet. Dies kann auch dazu genutzt werden, die politische Verfolgung im Allgemeinen und gegen arabisch-palästinensische Aktivist*innen im Besonderen zu verstärken. Im Hintergrund gibt es Berichte über rechtsextreme Aktivist*innen, die die Krise nutzen wollen, um die nationale Spaltung weiter zu schüren und Angriffe gegen die arabisch-palästinensische Gemeinschaft zu fördern. Es ist notwendig, einen konfessionsübergreifenden Kampf gegen die Versuche der Rechtsextremen zu organisieren, rassistische Angriffe und nationalistische Zusammenstöße auf den Straßen der Städte zu fördern, und gegen die Regierung, die diese Elemente routinemäßig nährt und ihnen durch ihre gesamte Politik mehr politisches Vertrauen gibt.

Die Tatsache, dass die Netanjahu-Regierung bis zu dieser Krise mit einer Massenbewegung konfrontiert war, könnte dazu führen, dass sich später auch eine breite Protestbewegung entwickelt, die die Versäumnisse und die Verantwortung für diesen Krieg kritisiert. Die etablierte Führung der Massenbewegung - eine selbsternannte Führung, die im Dienste der Kapitalist*innen und Generäle agiert, die den Massenkampf gegen den "Justizputsch" zynisch ausnutzen - hat sich jedoch mit den offiziellen "Oppositions"-Parteien verbündet, die die Regierung und die Bombardierung der Bewohner*innen des Gazastreifens politisch unterstützen und zu einer Aussetzung der Demonstrationen aufgerufen.

Es ist notwendig, die Proteste und den Kampf jetzt zu unterstützen, um einen Weg aufzuzeigen, das Blutbad zu beenden und die Probleme zu lösen, die zum Krieg geführt haben. Nach den Erfahrungen aus dem Mai 2021 sind jetzt Protest- und Kampfaktionen notwendig - wie der damalige palästinensische "Würdestreik", gemeinschaftsübergreifende Solidaritätsdemonstrationen an Arbeitsplätzen und Schulen, Mahnwachen, Treffen von Gewerkschaften, um Stellung zu beziehen - gegen die militärische Eskalation, gegen die Bombardierungen in Gaza, gegen das "Teile und herrsche" und gegen die Fortsetzung der Belagerung und der Besatzung. Angesichts der Politik der nationalen Unterdrückung, der Kriegsverbrechen und der Ungleichheit, die von den rechten kapitalistischen Regierungen vorangetrieben wird, ist es notwendig, die Perspektive eines Auswegs auf die Tagesordnung zu setzen, für die Lösung der grundlegenden Probleme, im Rahmen eines Kampfes für einen sozialistischen Wandel in der Region, auf der Grundlage der Gewährleistung gleicher Rechte auf Existenz, auf Selbstbestimmung und auf ein Leben in Würde und Wohlstand.

 

Bild: Ärtze ohne Grenzen (MSF)

Israel/Palästina: Stoppt den Krieg!

10. Oktober 2023
ISA und ROSA Österreich

Die Blockade, Besatzung und Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung muss aufhören!

Solidarität mit den Arbeiter*innen, Unterdrückten und Armen auf beiden Seiten des Zauns!

Am Samstagmorgen startete die Hamas einen beispiellosen Angriff, der eine neue Phase des blutigen Konflikts darstellt. Das geschah vor dem Hintergrund einer Eskalation der Brutalität, Siedlergewalt, Besatzung und des Staatsterrors gegen die palästinensische Bevölkerung.

Die ISA und ROSA Österreich sind solidarisch mit den arbeitenden und verarmten Communities und den Familien der Opfer, sowohl der palästinensischen als auch der jüdischen Bevölkerung, die gerade Trauer und Schrecken erleiden.

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts wurden über 800 Israelis und über 560 Palästinenser*innen im belagerten Gazastreifen getötet, Tausende wurden verletzt und viele werden vermisst. Jetzt wurden Zehntausende israelische Militärreservist*innen einberufen, was darauf hindeutet, dass ein brutaler und blutiger Schlag gegen die verarmten Palästinenser*innen in Gaza bevorsteht, möglicherweise mit einer groß angelegten Bodenoffensive. Das israelische Regime hat eine vollständige Blockade des Gazastreifens angekündigt und die EU (auch Österreich) droht mit einer Einstellung von Hilfszahlungen an palästinensische Gebiete. Das israelische Militär bereitet sich auch auf eine mögliche Front im Norden, an der Grenze zum Libanon, vor.

Wir stellen uns gegen diese kollektive Bestrafung und stehen an der Seite des palästinensischen Kampfes gegen die Besatzung und Blockade, für Befreiung und Selbstbestimmung und für den Widerstand gegen solche militärischen Angriffe und Eskalationen.

Dieser Widerstand muss eine breite Massenbasis haben und von unten organisiert werden, mit Streiks und demokratischen Strukturen zur Organisierung des Widerstandes und zur Selbstverteidigung. Natürlich wird diese Verteidigung auch militärisch stattfinden, aber es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen so einer Selbstverteidigung - die als Teil einer breiten Bewegung, demokratisch durch Komitees organisiert wird - und dem wahllosen Raketenbeschuss und brutalen Massakern der Hamas, die vor allem die Zivilbevölkerung, Arbeiter*innen und Arme unterschiedlicher Nationalitäten treffen. Wir lehnen diese reaktionären Angriffe ab. Diese Methoden sind auch kontraproduktiv im Kampf um palästinensische Befreiung und spielen dem israelischen Regime in die Hände, indem sie den Kreislauf von Krieg und Gewalt auf Kosten sowohl der israelischen als auch der palästinensischen Arbeiter*innen und Armen fortsetzen und eine Begründung für das Vorgehen des israelischen Militärs liefern.

Trotz seiner Behauptungen beweist das israelische kapitalistische Regime einmal mehr, dass seine brutale Politik auch den israelischen Arbeiter*innen und Armen keine Sicherheit bietet. Die einzige Möglichkeit, dem Kreislauf des Krieges ein Ende zu setzen, ist der Aufbau von Widerstand auf beiden Seiten des Zauns, einer Massenbewegung in beiden Communities, um das brutale kapitalistische Regime zu stürzen und für ein System zu kämpfen, das gleiche Rechte und ein Leben in Würde und Frieden bietet.

Unsere Verbündeten im Kampf sind all jene Arbeiter*innen, Armen und Unterdrückten in der ganzen Region, die gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Diktaturen kämpfen. Von den Massen im Iran, die für den Sturz der Mullahs kämpfen, über die Menschen in Afghanistan, die sich gegen die Taliban wehren, bis hin zu den kurdischen Massen, die für nationale Befreiung und Selbstbestimmung kämpfen. Hier in Österreich ist es klar, dass der Krieg von der österreichischen Regierung und Rechtsextremen dazu benutzt wird um anti-muslimischen Rassismus und Hass weiter zu schüren und den gefährlichen Antisemitismus der rechtsextremen Kräfte zu verbergen. Unser Kampf ist international, gegen alle Formen von Rassismus, Unterdrückung und Ausbeutung und das dafür verantwortliche brutale kapitalistische System!

Die Aktivist*innen der “Bewegung Sozialistischer Kampf (ISA in Israel / Palästina) schreiben in ihrem Statement: “[Wir stehen] in Solidarität mit den einfachen Menschen, mit den Angehörigen der Getöteten und mit den Verwundeten aller Communities, auf beiden Seiten des Zauns, und mit den entführten Zivilisten. Wir rufen zu Protesten auf, um den Krieg und die Politik der kollektiven Bestrafung und das "Teile und Herrsche” zu beenden, sich nicht an einer Racheoffensive gegen die Bewohner*innen des Gazastreifens zu beteiligen und für eine tiefgreifende Ver-änderung der Lebensbedingungen zu kämpfen, einschließlich der Beendigung der Besetzung und der Belagerung. Auch die Aufrufe zu Proteststreiks und Demonstrationen im Westjordanland können dazu beitragen, den not-wendigen Kampf gegen den Status quo - die Diktatur der Besatzung und der Belagerung - zu führen und gleichzeitig die Selbstverteidigung und den Schutz der palästinensischen Demonstrant*innen und Bewohner*innen vorzubereiten."

Das ganze Statement unserer Schwesterorganisation in Israel/Palästina findet ihr unter: https://internationalsocialist.net/en/2023/10/israel-palestine

 

Irland: Kein Platz für Transphobie

von Jan Millonig

Nachdem die rechtsextreme und transfeindliche Hetzerin Posie Parker bereits in Britannien, Australien und Neuseeland ihre „Let Women Speak“-Veranstaltungen abhielt, versuchte sie das Mitte September auch in Dublin (Irland). Dort versammelten sich unter dem Vorwand des Kampfes für Frauenrechte Rechtsextreme und Neonazi-Gruppen, um ihre transfeindliche Propaganda zu verbreiten. Das Bündnis „Trans & Intersex Pride Dublin“ organisierte mit Unterstützung unserer irischen Schwesterorganisation Socialist Party und der irische Sektion von ROSA den Gegenprotest.

Dieser war dann größer als ihre Hass-Kundgebung. Mit Sprechchören wie "Women's Rights, Trans Rights - Same Struggle, Same Fight!" und "Posie Parker You Can't Hide, You Have Nazis on Your Side!", machten mehrere Hundert Aktivist*innen klar, dass Posie Parker und ihre faschistischen Fans nicht willkommen sind. Die Socialist Party appellierte nach der Aktion auf Social Media: „Es ist wichtig, dass wir jetzt die Energie vom Samstag nutzen, um eine Bewegung aufzubauen, die das kapitalistische System bekämpft, das die extreme Rechte, Transphobie und Frauenfeindlichkeit hervorbringt.“

socialistparty.ie

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

USA: Streik der Autoindustrie

von Maruice Skukaleg

Zehntausende Arbeiter*innen der United Automotive Workers (UAW), der größten Gewerkschaft der Autoindustrie in den USA, traten Ende September in Streik gegen die „Big Three“ - Chrysler, Ford und GM. Sie verlangen 40% Gehaltserhöhung über die nächsten vier Jahre, gleiche Pensions- und Sozialleistungen für alle, Anpassung der Gehälter an die Lebenserhaltungskosten, sowie eine 32-Stunden Woche bei vollem Lohn.

Die letzten Jahre brachten seit 2003 einen Reallohnverlust von ca. 30%. Der neue Gewerkschaftsvorsitzende Shawn Fain wurde gewählt, diesen Trend umzukehren, nachdem seine Vorgänger das Vertrauen der Gewerkschaftsmitglieder durch Veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern verspielt hatten. Er brachte auch die Forderungen des Streiks ins Spiel.

Während ursprünglich der 14. September als Deadline für die Erfüllung der Forderungen angesetzt war, hat Shawn Fain seinen Kurs mittlerweile geändert. Der gemeinsame Streik in allen Fabriken der „Big Three“ wurde abgeblasen, und auch einige der Forderungen wurden geändert bzw. abgeschwächt. Die neue Streikmethode sind sogenannte „Stand-up“ Streiks, bei denen nur einzelne Fabriken streiken und nicht alle auf einmal. Doch dadurch entgehen den Firmen keine Millionengewinne. Diese „neue“ Streikmethode zeigt die Angst der Gewerkschaftsführung, den Unternehmen richtig wehzutun. Wenn alle UAW-Mitglieder gleichzeitig streiken würden, würde der Streik um die 180.000 Beschäftigte umfassen.

Socialist Alternative, unsere Schwesterorganisation in den USA, ist mit der Kampagne “Workers strike back” aktiv im Streik und fordert, ihn auf alle Fabriken auszuweiten. Nur so kann genug Druck aufgebaut werden, um die Forderungen durchzubringen. Ein erfolgreicher Abschluss gäbe kommenden Arbeitskämpfen enormen Aufwind. Deshalb ist der Streik auch das Hauptthema der ersten Episode von “On Strike”, dem neuen Podcast von Socialist Alternative mit der sozialistischen Stadträtin Kshama Sawant.

socialistalternative.org

workersstrikeback.org/broadcast

 

Bidl: CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

10 Jahre neue Seidenstraße: Eine imperialistische Sackgasse

von Gerhard Ziegler und Katja Straka

2013 verkündete Xi Jinping die „Belt and Road Initiative“ (BRI), oder „Neue Seidenstraße“, als ehrgeiziges Infrastruktur-Entwicklungsprogramm, das sich auf über 140 Länder erstreckt. Die Finanzierung erfolgt über den „Seidenstraßen-Fonds“, die von China gegründete Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) und die New Development Bank der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika). Bis 2019 wurden dafür weltweit Kredite von mehr als 200 Milliarden Dollar vergeben.

Klassische imperialistische Macht- und Wirtschaftspolitik

Manche Linke sehen in Chinas Engagement eine Form von Entwicklungshilfe zugunsten ärmerer Länder. Dem ist aber nicht so. Mit den Investitionen steigt der Einfluss Chinas in den ärmeren Staaten Asiens, Afrikas und Osteuropas, wohin die Kredite hauptsächlich gehen. China kann so seine Unternehmen und Produkte auf dem Weltmarkt etablieren und als Geldgeber seine Kredite mit hohen Zinsen - oft höher als die des IWF (Internationaler Währungsfonds) oder der Asiatischen Entwicklungsbank - diktieren.

China stellt zwar keine ausdrücklichen politischen Forderungen, knüpft jedoch Kreditzusagen an die Bedingung, dass chinesische Firmen bei den Projekten bevorzugt werden. Eine Studie aus 2019 zeigt, dass 9 von 10 BRI-bezogene Aufträge an chinesische Firmen gingen.  Wirtschaftspolitisch geht es China also nicht um die Entwicklung der ärmeren Länder der Welt, sondern um Schaffung neuer Exportmärkte zur Verringerung von Überkapazitäten (va. in der Textil-, Stahl-, Zement- und Aluminiumindustrie), Ausbau seiner Rolle in internationalen Märkten und um Sicherung des Rohstoff-Zugangs. Bei den Projekten spielen Umwelt- und Sozialstandards kaum eine Rolle. Tatsächlich agiert China somit nicht anders als die übrigen imperialistischen Staaten.

Doch auf der neuen Seidenstraße entstehen ständig neue Schlaglöcher: Der neue Kalte Krieg zwischen den USA und China - politisch, wirtschaftlich und militärisch - hat die imperialistischen Pläne Chinas geschwächt. Bereits 2018 stoppte Malaysia als wichtiges Bindeglied der BRI nach Westen eine milliardenschwere Bahnstrecke und andere von China finanzierte Projekte aus Angst, in eine Schuldenfalle zu geraten. Kürzlich hat das hoch verschuldete Sambia mit seinem größten bilateralen Gläubiger um einen Umstrukturierungsplan gerungen. Als Sri Lanka im Zuge einer sich zuspitzenden Wirtschaftskrise seinen Schuldenberg nicht mehr bedienen konnte, gewährte ihm China Anfang Februar ein 2-jähriges Schuldenmoratorium. Es ist kennzeichnend für imperialistische Politik, Länder verschuldet zu halten, um sie erpressen zu können. Doch das kann auch nach hinten losgehen: 2020 hat China die Schuldenrückzahlung für 77 Länder aufgeschoben - dieses Geld fehlt nun, während das Risiko für chinesische Kreditgeber immer größer wird.

Für Sozialistischen Antiimperialismus

Schon vor COVID war die Kreditvergabe deshalb rückläufig. Doch die Pandemie und die Schwächung der chinesischen Wirtschaft beschleunigten den Trend, der Ausstieg Italiens ist der jüngste große Rückschlag. Für viele Länder wurden chinesische Kredite bald unfinanzierbar, als die Preise auf dem Weltmarkt nach Russlands Einmarsch in der Ukraine stark anstiegen.

Das führt auch zunehmend zu Widerstand: In Pakistan (Chinas Anteil an den Auslandsschulden beträgt fast 1/3) kam es Anfang des Jahres in Zusammenhang mit einem Hafenprojekt in Gwadar zu entschlossenen Protesten. Solcher Widerstand kann ein Vorbild für größere Bewegungen von Arbeiter*innen und Bäuer*innen in den betroffenen Ländern sein, die nicht nur gegen einzelne imperialistische Projekte, sondern für die Einstellung aller Schuldenzahlungen kämpfen. Nur so kann erreicht werden, dass der Reichtum im Land verbleibt und demokratisch verwaltet wird. Diese Maßnahmen können aber nur gelingen, wenn statt auf imperialistische falsche Freunde auf den Export solcher sozialistisch-antiimperialistischer Bewegungen und den Aufbau internationaler Beziehungen auf demokratischer und sozialistischer Basis gesetzt wird. Nicht zuletzt hat die chinesische Arbeiter*innenklasse, die selbst unter dem Regime und seiner Großmachtpolitik leidet, eine wichtige Rolle in diesem Kampf zu spielen - dem Kampf für eine neue internationale Gesellschaft, in der die Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Massen und nicht nach den Bedürfnissen der Profite der kleinen einheimischen Oligarchenschicht und der ausländischen Kapitalgeber organisiert wird.

 

Info:

Die neue Seidenstraße führt von China auf dem Landweg nach:

·       Laos – Thailand – Malaysia – Singapur – Indonesien;

·       Myanmar – Bangladesch – Indien

·       Pakistan

·       Mongolei und Russland

·       Kirgisistan – Usbekistan – Turkmenistan – Iran – Türkei

·       Kasachstan – Russland – Ukraine/Belarus – Europa (Polen, Slowakei, Deutschland)

 

und am Seeweg nach:

·       Vietnam – Singapur – Myanmar

·       Philippinen

·       Singapur – Malaysia

·       Indonesien – Malaysia – Singapur – Thailand

·       Kambodscha – Thailand

·       Malaysia – Pakistan – Indien – Sri Lanka

·       Vereinigte Arabische Emirate – Irak

·       Dschibuti – Saudi-Arabien – Sudan

·       Griechenland – Italien – Frankreich – Spanien

 

Bild: Commons.Wikipedia. Licens: CC BY SA 4.0

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

VORWÄRTS-Schwerpunkt zur Putschserie in Afrika

In den letzten 10 Jahren gab es weltweit 12 Putsche, 9 davon in oder unmittelbar um die afrikanische Sahelzone. Diese Welle begann vor allem durch den Militärputsch im Sudan, wo 2019 nach monatelangen Protesten Präsident al-Baschir gestürzt wurde. Getragen wurden die Proteste jedoch nicht durch das Militär, sondern durch die Bevölkerung - mit Massenstreiks und dem Aufbau von revolutionären Selbstverteidigungskomitees. Doch es gelang nicht, das System als Ganzes zu stürzen. Bereits 2021 kam es zu einem konterrevolutionären Militärputsch, aber auch großen Mobilisierungen, die das Ende der Militärmacht forderten. 

Etwa ein Jahr davor, im Sommer 2020, fand in Mali ein erfolgreicher Coup d'état statt, bei dem ebenfalls eine militärische Führung die Macht übernahm. In den Nachbarländern Guinea und Tschad passiert dasselbe dann 2021. 2022 folgen dann gleich zwei Putsche in Burkina Faso, im Jänner und September - beide Male war die Unfähigkeit der Regierung, gegen dschihadistische Gruppen anzukämpfen, wichtiger Grund.

Dieses Jahr folgten (bisher) noch zwei weitere Coups, in Niger und Gabun. Diese beiden waren auch in unseren Medien etwas präsenter, unter anderem weil der immer noch enorme Einfluss der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich in der Region von Seiten der Putschenden unter Beschuss kam.

Generell ist es wichtig, all diese Ereignisse nicht unabhängig voneinander zu betrachten. Sie inspirieren einander und haben ähnliche Auslöser. Konflikte innerhalb der Region, in der weiterhin dschihadistische Kräfte Einfluss haben, systeminterne Probleme wie Korruption, die Klimakrise, die das Leben vieler Menschen immer stärker bedroht - aber auch die neokolonialen Bestrebungen Europas oder der globale Kampf zwischen China-Russland und USA-EU haben große Auswirkungen am afrikanischen Kontinent. So haben fast alle Putschist*innen Stellung zum Ukraine-Krieg bezogen und man sah auf den Straßen zum Teil Russlandflaggen - als vermeintlicher Protest gegen die EU und Neokolonialismus.

Der neue imperialistische "Wettlauf um Afrika" droht, die Sahelzone und den ganzen Kontinent in eine immer tiefere Spirale aus Gewalt und Armut zu stürzen. Wieso wir jetzt dieser Eskalation gegenüberstehen, und wie sozialistische Lösungen aussehen können, das diskutiert dieser Vorwärts-Schwerpunkt.

https://internationalsocialist.net/en/2018/12/sudan 

https://internationalsocialist.net/en/2019/08/document

von Severin Berger​

 

Françafrique: vom alten Kolonialismus zum neuen Kalten Krieg 

Die jüngste Häufung von Militärputschen in der Sahelzone ist ein Ausdruck der Instabilität und herrschenden Unsicherheit in West- und Zentralafrika. Die Region ist geprägt von seiner kolonialen Vergangenheit und sich gegenseitig verstärkenden Krisen.

Der französische Kolonialismus war besonders brutal und die Abhängigkeit Zentral- und Westafrikas von Frankreich wird seit der Unabhängigkeit in neuem Gewand weitergeführt. Die Bezeichnung “Françafrique” beschreibt, wie es Frankreich nach Ende des Kolonialismus und dem Einsetzen der formalen Unabhängigkeit ab den 1960er Jahren gelungen ist, seinen Einfluss aufrechtzuerhalten. Um seine Interessen durchzusetzen, schreckte Frankreich in der Vergangenheit weder vor dem Einsatz von Söldnertruppen und Fremdenlegionär*innen zum Sturz von Regierungen, noch vor Bestechung oder anderen Mitteln zurück.

Zur Bedingung für die sogenannte “Unabhängigkeit” wurden verbindliche Handelsverträge, in denen Frankreich seine Vormachtstellung beim Zugriff auf Ressourcen wie Uran, Öl, Gold, usw. in Afrika sichert. Beispielsweise musste der Gabun sich dazu verpflichten, der französischen Armee bestimmte Rohstoffe zur Verfügung zu stellen; der Handel mit anderen Staaten damit wurde untersagt. 

Besonders eindrücklich zeigt sich die Dominanz des französischen Neokolonialismus an der Schaffung der Währung CFA Franc 1945. Der Kurs orientiert sich am Euro und ermöglicht Frankreich den billigen Import afrikanischer Rohstoffe und einen begünstigten Export von Produkten in die 14 CFA-Staaten. 1994 beschloss Frankreich ohne Einbeziehung der betroffenen Staaten die Abwertung der Währung um 50%. Alle CFA-Staaten sind reich an natürlichen Rohstoffen - das in alten kolonialen Mustern eingebettete Währungssystem dient jedoch dazu, den afrikanischen Markt mit billigen ausländischen Produkten zu überschwemmen, während für lokale Produktion die Infrastruktur fehlt und Produkte teurer sind. 

Von 2014 bis 2021 führte Frankreich mit Unterstützung von Deutschland, Kanada und dem Vereinigten Königreich die Militäroperation “Barkhane” in fünf Ländern der Sahelzone durch, um gegen dschihadistische Gruppierungen vorzugehen. Der Einsatz besonders in der Grenzregion von Burkina Faso und Niger führte zu weiteren Eskalationen, seit 2016 verfünffachten sich Bombenattacken und Anschläge. Bestehende Konflikte zwischen unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen werden aufgeladen und verstärken das Klima der Gewalt. Klimawandel und Wüstenbildung verstärken den Druck auf die Ressourcen der Länder und führen zu Fluchtbewegungen. Imperialistische und nationale Militärs scheitern im Kampf gegen den Terrorismus, weil sie die Stärke des Dschihadismus auf ein rein militärisches Kräfteverhältnis reduzieren. ISIS, Al Quaida, Boko Haram und deren Ableger profitieren allerdings von der Perspektivlosigkeit und Armut und lassen sich nicht durch bloße militärische Stärke zurückdrängen. Als die Operation Barkhane scheiterte, blieben französische Truppen stationiert, um die Sicherung von Rohstoffen zu garantieren. Frankreich bezieht etwa ein Drittel seines benötigten Urans aus Niger, Europa ca. ein Viertel. Erst dieses Jahr haben die Regierung von Niger und der französische Atomkonzern Orano einen neuerlichen Vertrag zum Import von nigrischen Uran nach Frankreich unterzeichnet. Der jährliche Umsatz Oranos ist höher als das Budget, das dem Staat Niger jährlich zur Verfügung steht.

Der neue Wettlauf um Afrika

Nach dem Putsch in Niger haben tausende Menschen vor der französischen Botschaft für den Abzug der französischen Truppen demonstriert. In Mali und Burkina Faso konnten sie bereits zum Abzug gezwungen werden. Die französische Regierung sieht darin vordergründig den Erfolg pro-russischer Kampagnen in der Region und der westliche Imperialismus fürchtet um seinen Einfluss. Tatsächlich lässt die Schwäche des westlichen Imperialismus in der Region mehr Raum für Interventionen durch Russland und dessen Verbündete. Die Putschist*innen in Burkina Faso und Mali werden militärisch von der Söldnertruppe Wagner unterstützt, die es Russland in den letzten Jahren ermöglicht hat, zu diversen Ressourcenvorkommen zu kommen (z.B. Gold und Diamanten). Auch in der Zentralafrikanischen Republik setzt Wagner russische Interessen mit Waffengewalt durch. Die weitere Beziehung zwischen Russland und Wagner ist nach dem misslungenen Putschversuch noch unklar - anzunehmen ist jedoch, dass nach Prigozhins Ableben der Druck Russlands auf die Söldnertruppe, sich ihrem Geldgeber unterzuordnen, steigen wird. Beim Russland-Afrika-Gipfel kündigte Ibrahim Traore, der Chef der Militärregierung in Burkina Faso, eine Annäherung an Russland an. Er nimmt positiven Bezug auf die Rolle der Sowjetunion während der Dekolonialisierung, als sie im Kalten Krieg auf Bündnispartner angewiesen war.

Auch der chinesische Imperialismus hat großes Interesse an afrikanischen Rohstoffen. Mittlerweile haben 37 afrikanische Staaten und die Kommission der Afrikanischen Union Verträge mit China zum Aufbau der Neuen Seidenstraße unterzeichnet. Teile der chinesischen Industrie sollen künftig ausgelagert werden, um Lohnkosten zu sparen und gleichzeitig neue Absatzmärkte für chinesische Produkte entstehen. Bereits 2011 wurde China zum wichtigsten Handelspartner für den afrikanischen Kontinent und löste somit die USA ab. Die Sahelzone wird gerade zu einer neuen Front im Neuen Kalten Krieg, in dem imperialistische Mächte einen offenen Kampf um Ressourcen, Absatzmärkte usw. austragen.

Von der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS verhängte Sanktionen gegen Niger führen bereits jetzt dazu, dass Lebensmittel und wichtige Güter nicht importiert werden können. Versorgungskrisen werden in Kauf genommen, laut UN würden aufgrund der Sanktionen schon jetzt 90.000 Kinder in Niger notwendige Lebensmittel nicht erhalten. Doch auch Güter auf dem Weg in andere Länder hängen an der Grenze fest. Auch bei einer militärischen Intervention ist klar, wer die Leidtragenden sein werden - Frauen, Arbeiter*innen, Bäuer*innen und ethnische Minderheiten. Niger war bis zum Putsch einer der letzten Bündnispartner für den westlichen Imperialismus mit wichtigen strategischen militärischen Stützpunkten im Land. Frankreich hat 1.500 Soldat*innen stationiert. Den von der Militärregierung angeordneten Abzug der Truppen lehnte Macron zunächst ab, Ende September versprach er jedoch widerwillig einen Abzug bis Ende des Jahres. Die ECOWAS und deren Verbündete des westlichen Imperialismus kündigten die Möglichkeit einer militärischen Intervention in Niger an, falls die Macht nicht wieder an die geputschte Regierung übergeben werden sollte. Frankreich stationiert bereits Truppen in Senegal, Benin und Côte d’Ivoire. Ein Stellvertreterkrieg in der Sahelzone zwischen dem westlichen Imperialismus und seinen Verbündeten in der ECOWAS auf der einen Seite und Niger, mit Mali und Burkina Faso, unterstützt von der Russland/Wagner und möglicherweise China auf der anderen Seite, ist möglich. 

Niger, Mali, Burkina Faso, usw. zählen zu den ärmsten Ländern der Welt, sind aber extrem reich an natürlichen Rohstoffen, deren Profite aber nicht der arbeitenden Bevölkerung zugute kommen, sondern die Taschen einer kleinen Schicht an korrupten Staatschefs, imperialistischen Verbündeten und Konzernen füllen. Das Vorhaben der Militärs, den westlichen gegen den russischen Imperialismus auszutauschen, wird daran nichts ändern. Aufgrund der Abhängigkeit der imperialistischen Mächte von afrikanischen Ressourcen, Arbeitskräften, Absatzmärkten, usw. ist es zentral, die ausbeuterische Natur des Kapitalismus weltweit zu bekämpfen und eine sozialistische Systemalternative aufzuzeigen: Eine Gesellschaft, welche ihre Reichtümer demokratisch verwaltet und deren Produktion nicht nach Profitinteressen, sondern nach den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt plant.

von Theresa Reimer

 

Marx aktuell: Permanente Revolution

Immer wieder wird in den Zeitungen diskutiert, warum es in vielen afrikanischen Staaten keine stabilen Demokratien nach westlichem Vorbild gibt. Dabei wird oft die Ansicht vertreten, die Menschen seien „zu dumm“ oder zu “zurückgeblieben“ für den Aufbau und Erhalt einer Demokratie. Noch perfider sind “malthusianische” Ansätze, die Probleme auf angebliche “Überbevölkerung” zurückführen. Die zynische Konsequenz wäre dann, Hungerleidende sterben zu lassen. Sieht man sich die Ausbeutung der afrikanischen Länder durch Kolonialismus und Imperialismus an, zeigt sich, wie  menschenverachtend und falsch diese Haltung ist.

Doch wie lassen sich Diktaturen bekämpfen? Durch westliche Staaten keinesfalls. Zahlreiche europäische und amerikanische Großkonzerne schöpfen aus Afrikas Rohstoffen Profit und stecken sich diesen in die eigenen Taschen. Sie dulden jedes Regime, egal wie grausam es ist, solange ihr Einfluss erhalten bleibt. Die Interessen der afrikanischen herrschenden Klassen sind wiederum tief verflochten mit den imperialistischen Interessen - Ihre Macht besteht darin, Stellvertreter*innen der tatsächlich Mächtigen zu sein. Sie haben weder die Macht noch das Interesse, eine “unabhängige” bürgerliche Demokratie durchzusetzen. Somit ist es für den globalen Süden praktisch unmöglich, langfristig die wirtschaftliche Stabilität im Kapitalismus zu erlangen, welche die Basis für eine bürgerliche Demokratie darstellt. Diese Tatsache erkannte bereits Leo Trotzki im Zuge der russischen Revolutionen 1905 und 1917. Das war der Grund für die Entwicklung der Theorie der „Permanenten Revolution“, die besagt, dass es unter diesen Umständen direkt eine proletarische Revolution braucht, um demokratische Grundlagen zu etablieren. Der “Zwischenschritt” einer rein bürgerlich-demokratischen Revolution wird nicht funktionieren. Für echte Demokratie müssen die wirtschaftlichen Grundpfeiler global umgeworfen und im Zuge dessen eine sozialistische Rätedemokratie etabliert werden.

von Anna Hiermann

 

Revolutionäre Sozialist*innen gegen Putsch und Krieg

Der afrikanische Kontinent im Allgemeinen - und das nördliche sowie subsaharische Afrika im Besonderen - durchlebt seit mehr als einem Jahrzehnt eine immer intensiver werdende Periode von Revolution und Konterrevolution. In den letzten Jahren haben wir nicht nur die Massenbewegungen des “arabischen Frühlings” gesehen, die weit über den arabischen Raum hinausgingen und in der aktuellen Welle an neuen Protesten gegen Assad in Syrien wieder aufflammen. In Nigeria gibt es seit dem Generalstreik 2016 regelmäßig Wellen von Klassenkämpfen: Die Streikbewegung in Oyo 2016, die Streiks der Gesundheitsbeschäftigten in Nasarawa 2019 und während der Pandemie 2021, aber auch die von Black Lives Matter inspirierten und von Jugendlichen getragenen Massenproteste gegen Polizeibrutalität #endsars bzw. #endswat. Besonders sticht der Sudan hervor, in dem eine revolutionäre Massenbewegung 2019 das verhasste Regime von al-Bashir stürzte. Seither haben sich im Sudan tausende Selbstverteidigungskommittees gegründet, die Schutz vor militärischen Konflikten im Land und Versorgung mit Lebensmitteln, Strom und medizinischen Behandlungen organisieren. Gleichzeitig sind sie ein Ort, wo politische Diskussionen geführt und Forderungen entwickelt werden. Der Putsch von 2021 und die neuen blutigen Machtkämpfe zwischen Militär und RSF-Milizen konnten diese Strukturen und ihre Lehren nicht gänzlich auslöschen. Die Komitees haben noch immer das Potenzial, den Widerstand zu bündeln und die Bewegung der Arbeitenden und Jugendlichen wiederzubeleben, die für die demokratische Kontrolle und Verwaltung der Ressourcen durch die arbeitende Bevölkerung kämpft.

Die Arbeit der ISA in Nigeria und Cote d’Ivoire

Die Sektionen der ISA waren und sind Teil dieser Bewegungen und Kämpfe, auch unter den schwierigsten Umständen. Wir stellen uns gegen die Putsche, die letztlich nur eine Fraktion der Herrschenden und der mit ihr verbündeten Imperialist*innen gegen eine andere austauschen. So erklärt die ISA-Sektion in Cote d’Ivoire: “Die Erfahrung der Putsche in Mali und Burkina Faso zeigt bereits, dass die neuen Militärregime weder ein Programm noch eine echte Absicht haben, die tief verwurzelten Probleme anzugehen, die durch die private Aneignung und Plünderung der Ressourcen dieser Länder durch große Konzerne verursacht werden. In Mali hat das Militärregime streikende Arbeiter angegriffen. Die Spitzen dieser Regime, wie der neue Anführer der Junta in Niger, Abdourahamane Tiani, haben selbst jahrelang von diesem System profitiert”.

In Cote d’Ivoire, aber auch in Nigeria, mobilisieren wir gleichzeitig auch gegen die drohenden Militärinvasionen in Niger und gegen die Sanktionen der ECOWAS, die nur die unterdrückten Massen in den betroffenen Ländern treffen und ein Einfallstor für weitere imperialistische Aggression darstellen. Dabei rufen wir Arbeiter*innen und Gewerkschaften in der Sahelzone auf, Widerstand gegen eine militärische Intervention zu organisieren. In einem Statement schreibt Movement for a Socialist Alternative (MSA, ISA Nigeria): “Die MSA ruft die Gewerkschaften dazu auf, eine Kampagne gegen den Krieg und die Invasion der Republik Niger sowie gegen jegliche Art von Sanktionen, die sich negativ auf die arbeitenden Massen in Niger auswirken, zu führen.” In der ganzen Region existiert der Wunsch, die Fesseln des französischen Imperialismus und seiner Verbündeten zu sprengen - aber auch die Gefahr, dabei nur unter das Joch des russischen oder chinesischen Imperialismus zu fallen. Dagegen hilft nur die internationale, sozialistische Solidarität von unten. Darum schließt der Aufruf der MSA: “Die Aufgabe der arbeitenden Massen in der Sahelregion, in Nigeria und tatsächlich in ganz Afrika besteht darin, entschlossen in die Arena des Kampfes zu treten, um eine Revolution herbeizuführen. Eine sozialistische Revolution würde die entscheidenden Sektoren der Wirtschaft unter demokratischer Kontrolle und Management der arbeitenden Massen verstaatlichen und ein Parlament gewählter Arbeiter*innen, armer Bäuer*innen und einfacher Soldat*innen einführen.”

von Yasmin Morag

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: 

Frau Leben Freiheit: Der Kampf geht weiter!

Gedenken wir Jina Amini, bauen wir sozialistisch feministische Solidarität auf!

Ein Jahr ist seit der brutalen Ermordung von Jina Amini durch die "Sittenpolizei" vergangen, die eine der radikalsten und weitreichendsten Protestwellen in der Geschichte des Irans gegen Gewalt, Unterdrückung und Diktatur auslöste. Frauen und Jugendliche standen dabei an vorderster Front und inspirierten nicht nur breite Schichten der arbeitenden Bevölkerung im Iran, sondern auch Millionen von Frauen weltweit. Heute hat die Staatsmacht die Repression verschärft, um verzweifelt zu versuchen, die mutigen Massen daran zu hindern, erneut auf die Straße zu gehen. Doch trotz der Verhaftungen, Hinrichtungen und Einschüchterungen haben die Menschen nicht aufgehört, zu protestieren. Die mutige Feministin, Arbeiter*innen-Journalistin und Aktivistin Sepideh Qolian schrieb in einem Brief, in dem sie die Schrecken ihrer Inhaftierung beschrieb:

"Das Echo von 'Frau, Leben, Freiheit' ist selbst durch die dicken Mauern des Evin-Gefängnisses zu hören."

Kein zurück

Wir haben nicht nur einige anhaltende und neue Ausbrüche von Straßenprotesten wie in Kurdistan, Khuzestan, Sistan und Baluchestan erlebt: Im Frühjahr streikten die Arbeit*innen in über hundert Betrieben für höhere Löhne. Die Rentner*innen protestieren weiterhin gegen die unerträglichen Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die revolutionäre Bewegung wieder erhebt und im Sinne von Rosa Luxemburg verkündet: "Ich war, ich bin, ich werde sein." Heute warten die Frauen nur darauf, dass die Sittenpolizei sie einschüchtert, damit sie sich sofort verbal und physisch wehren können. Verhaftungen und Einschüchterungen durch staatliche Kräfte werden nun regelmäßig mit spontanen Gegenwehraktionen beantwortet, bei denen sich Frauen und Männer in Massen versammeln, um die Verhaftung zu verhindern.

Der mutige Aufstand der Massen, angeführt von jungen Frauen und Männern, der den Iran an die Schwelle zur Revolution gebracht hat, wird von den Massen nicht vergessen werden. Vielmehr dient er als Grundlage für eine neue Welle der Bewegung, die sich erneut erhebt, um die Freilassung aller politischen Gefangenen, das Ende der Polizeibrutalität und der Unterdrückung sowie den Sturz des gesamten Regimes zu fordern. Die Mullahs haben deutlich gemacht, dass sie keine Zugeständnisse an die Bewegung machen werden. Alle Fäden des iranischen Staates und der Wirtschaft laufen in ihren Händen zusammen, und sie werden Macht und Reichtum nicht freiwillig aufgeben. Der Sturz des brutalen Regimes der Mullahs wird nur mit der schieren Kraft der organisierten Massen möglich sein - aller Unterdrückten und insbesondere der Arbeiter*innenklasse, mit ihrer Macht, die gesamte Wirtschaft zum Stillstand zu bringen.

Für unabhängigen Widerstang von Arbeiter*innen und Unterdrückten

Wir haben einen Eindruck von der potenziellen Macht der Arbeiter*innenklasse, der Armen und der Unterdrückten bekommen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können - mit dem heldenhaften Kampf der Arbeiter*innen von Haft Tappeh, mit dem Streik der Lehrer*innen, mit dem Kampf der Ölarbeiter*innen. Die Massen selbst sind die einzigen, die über die Zukunft ihres Landes entscheiden sollten. Reza Pahlavi, der Sohn des 1979 verjagten Shahs, und alle Kräfte, die sich hinter ihn und seine Agenda gestellt haben, repräsentieren diese Massen nicht. Sie repräsentieren den Reichtum und die Macht des Imperialismus, ignorieren Forderungen der Minderheiten und stellen eine Gefahr für die Bewegung dar. Um die Bewegung weiter zu verbreiten und wieder aufzubauen, müssen wir sicherstellen, dass sie nicht die einzige organisierte Opposition gegen das islamische Regime sind. Das breite Bündnis und die "Charta", die im Februar von einigen unabhängigen Arbeiter*innen- und Studierendenorganisationen gebildet wurde, zeigt, welche Schritte notwendig sind: koordinierte und organisierte Aktionen von unten auf der Grundlage eines gemeinsamen Programms und gemeinsamer Forderungen.

Die Frau, Leben, Freiheit Bewegung weltweit aufbauen

Bauen wir echte internationale Solidarität von unten mit den Menschen im Iran auf: Protestieren wir auf der Straße, fordern wir unsere Gewerkschaften auf, Stellung zu beziehen, bauen wir Solidaritätsgruppen im Exil auf, leisten wir Widerstand gegen jede Form imperialistischer Intervention. Die herrschenden Klassen und Regierungen der westlichen Länder haben die Ressourcen geraubt und die ganze Region in Krieg und Zerstörung getrieben. Die Jagd nach Profiten ist ihr einziges Interesse, ob in Form von Sanktionen, die vor allem die Ärmsten treffen, oder in Form von faulen Geschäften mit den Mullahs. Diese Regierungen heucheln Solidarität mit den Frauen im Iran, während sie gleichzeitig die Körper der Frauen durch Abtreibungsverbote, Angriffe auf die Rechte von Frauen und Queers sowie rassistische Maßnahmen wie das Verbot des Hidschabs kontrollieren.

Unsere Verbündeten sind die Massen, die in Syrien gegen das reaktionäre Regime protestieren. Es sind die Schülerinnen und Frauen in Afghanistan, die heldenhaft den Kampf gegen die Taliban fortsetzen. Es sind die Massen, die in Israel und Palästina gegen die Bedrohung durch die Rechtsextremen und religiösen Fundamentalist*innen protestieren. Es sind die Jugendlichen und die Arbeiter*innenklasse in Frankreich, die gegen Polizeigewalt und Rassismus sowie gegen wirtschaftliche Not und Armut protestieren. Es sind Frauen, Jugendliche und Menschen aus der Arbeiter*innenklasse überall, die unter den endlosen Formen der Unterdrückung und Ausbeutung leiden - von geschlechtsspezifischer Gewalt über rassistische Polizeimorde bis hin zu Krieg und Klimakatastrophe. Der Kapitalismus ist ein weltweites System, das die ganze Welt in Zerstörung und Schrecken stürzt - einschließlich der Aufrechterhaltung reaktionärer Regime wie im Iran. Deshalb bedeutet internationale Solidarität, dass wir den Kampf überall aufnehmen, um sicherzustellen, dass der Ruf nach "Frau - Leben - Freiheit" Wirklichkeit wird: Um Sexismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit und das dahinter stehende System zu beenden. Die Forderung nach voller Gleichberechtigung auf allen Ebenen der Gesellschaft, was auch den Kampf gegen die Superreichen einschließt, die die arbeitenden Menschen ausrauben und ausbeuten, angetrieben durch das System des Profits und der Unmenschlichkeit. Ein eindrucksvoller Bericht aus den letzten Monaten ist die Geschichte eines jungen Mädchens. In ihrer Schulklasse nahm sie ihren Zwangs-Hidschab ab und der Lehrer drohte ihr, sie deswegen von der Schule zu verweisen. Als er sie nach ihrem Namen fragte, antwortete sie: "Ich bin Jina Amini" - alle anderen Schüler*innen standen auf und sagten: "Wir sind auch Jina Amini". Dies ist keine Ausnahmesituation, es ist ein täglicher Kampf gegen eine der repressivsten Diktaturen der Welt geworden. Und dieser Mut und diese Solidarität geben uns eine immense Inspiration, für unsere Rechte zu kämpfen, uns jetzt zu organisieren und eine internationale, sozialistisch-feministische Kraft aufzubauen.

Bauen wir eine Bewegung auf für:

  • Ein sofortiges Ende der blutigen Unterdrückung: Freilassung aller politischen Gefangenen, Gewerkschafter*innen und Student*innen, Wiedereinstellung aller entlassenen Regimegegner*innen und Rückschlag gegen Polizei, Militär, Revolutionsgarden und alle staatlichen Kräfte

  • Ausweitung des Kampfes für volle Gleichberechtigung und Freiheit für Frauen und queere Menschen auf allen Ebenen: Abschaffung aller diskriminierenden Gesetze und Kampf gegen jede Form von geschlechtsspezifischer Gewalt und Unterdrückung

  • Aufbau von kämpferischen und demokratisch organisierten Strukturen an Arbeitsplätzen, in Schulen und in Nachbarschaften, um sich gegen die Repression zu verteidigen und das notwendige Programm für die Bewegung zu diskutieren

  • Widerstand gegen jede Form des Imperialismus - weder USA, noch China und Russland: Unabhängige Organisationen der Arbeiter*innenklasse aufbauen, um für eine Alternative zum Regime zu kämpfen

  • Kampf für echte Demokratie: Aufbau einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung durch Arbeiter*innenräte unter Ausschluss aller Kräfte, die an Unterdrückung und Ausbeutung beteiligt waren, um das Regime durch eine demokratische sozialistische Arbeiter*innenrepublik mit vollen Rechten für alle nationalen und ethnischen Gruppen, einschließlich des Rechts auf Unabhängigkeit, zu ersetzen

  • Aufbau einer internationalen Solidarität der Arbeiter*innenklasse und der sozialistischen Feminist*innen: Organisiert euch mit ROSA und ISA, um diesen Kampf aufzubauen! Für einen internationalen Kampf, der das verrottete kapitalistische System, das Rassismus, Sexismus, Imperialismus und Krieg reproduziert, durch eine sozialistische Gesellschaft ohne Unterdrückung, Armut und Krieg ersetzen kann!

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