10 Jahre neue Seidenstraße: Eine imperialistische Sackgasse

von Gerhard Ziegler und Katja Straka

2013 verkündete Xi Jinping die „Belt and Road Initiative“ (BRI), oder „Neue Seidenstraße“, als ehrgeiziges Infrastruktur-Entwicklungsprogramm, das sich auf über 140 Länder erstreckt. Die Finanzierung erfolgt über den „Seidenstraßen-Fonds“, die von China gegründete Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) und die New Development Bank der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika). Bis 2019 wurden dafür weltweit Kredite von mehr als 200 Milliarden Dollar vergeben.

Klassische imperialistische Macht- und Wirtschaftspolitik

Manche Linke sehen in Chinas Engagement eine Form von Entwicklungshilfe zugunsten ärmerer Länder. Dem ist aber nicht so. Mit den Investitionen steigt der Einfluss Chinas in den ärmeren Staaten Asiens, Afrikas und Osteuropas, wohin die Kredite hauptsächlich gehen. China kann so seine Unternehmen und Produkte auf dem Weltmarkt etablieren und als Geldgeber seine Kredite mit hohen Zinsen - oft höher als die des IWF (Internationaler Währungsfonds) oder der Asiatischen Entwicklungsbank - diktieren.

China stellt zwar keine ausdrücklichen politischen Forderungen, knüpft jedoch Kreditzusagen an die Bedingung, dass chinesische Firmen bei den Projekten bevorzugt werden. Eine Studie aus 2019 zeigt, dass 9 von 10 BRI-bezogene Aufträge an chinesische Firmen gingen.  Wirtschaftspolitisch geht es China also nicht um die Entwicklung der ärmeren Länder der Welt, sondern um Schaffung neuer Exportmärkte zur Verringerung von Überkapazitäten (va. in der Textil-, Stahl-, Zement- und Aluminiumindustrie), Ausbau seiner Rolle in internationalen Märkten und um Sicherung des Rohstoff-Zugangs. Bei den Projekten spielen Umwelt- und Sozialstandards kaum eine Rolle. Tatsächlich agiert China somit nicht anders als die übrigen imperialistischen Staaten.

Doch auf der neuen Seidenstraße entstehen ständig neue Schlaglöcher: Der neue Kalte Krieg zwischen den USA und China - politisch, wirtschaftlich und militärisch - hat die imperialistischen Pläne Chinas geschwächt. Bereits 2018 stoppte Malaysia als wichtiges Bindeglied der BRI nach Westen eine milliardenschwere Bahnstrecke und andere von China finanzierte Projekte aus Angst, in eine Schuldenfalle zu geraten. Kürzlich hat das hoch verschuldete Sambia mit seinem größten bilateralen Gläubiger um einen Umstrukturierungsplan gerungen. Als Sri Lanka im Zuge einer sich zuspitzenden Wirtschaftskrise seinen Schuldenberg nicht mehr bedienen konnte, gewährte ihm China Anfang Februar ein 2-jähriges Schuldenmoratorium. Es ist kennzeichnend für imperialistische Politik, Länder verschuldet zu halten, um sie erpressen zu können. Doch das kann auch nach hinten losgehen: 2020 hat China die Schuldenrückzahlung für 77 Länder aufgeschoben - dieses Geld fehlt nun, während das Risiko für chinesische Kreditgeber immer größer wird.

Für Sozialistischen Antiimperialismus

Schon vor COVID war die Kreditvergabe deshalb rückläufig. Doch die Pandemie und die Schwächung der chinesischen Wirtschaft beschleunigten den Trend, der Ausstieg Italiens ist der jüngste große Rückschlag. Für viele Länder wurden chinesische Kredite bald unfinanzierbar, als die Preise auf dem Weltmarkt nach Russlands Einmarsch in der Ukraine stark anstiegen.

Das führt auch zunehmend zu Widerstand: In Pakistan (Chinas Anteil an den Auslandsschulden beträgt fast 1/3) kam es Anfang des Jahres in Zusammenhang mit einem Hafenprojekt in Gwadar zu entschlossenen Protesten. Solcher Widerstand kann ein Vorbild für größere Bewegungen von Arbeiter*innen und Bäuer*innen in den betroffenen Ländern sein, die nicht nur gegen einzelne imperialistische Projekte, sondern für die Einstellung aller Schuldenzahlungen kämpfen. Nur so kann erreicht werden, dass der Reichtum im Land verbleibt und demokratisch verwaltet wird. Diese Maßnahmen können aber nur gelingen, wenn statt auf imperialistische falsche Freunde auf den Export solcher sozialistisch-antiimperialistischer Bewegungen und den Aufbau internationaler Beziehungen auf demokratischer und sozialistischer Basis gesetzt wird. Nicht zuletzt hat die chinesische Arbeiter*innenklasse, die selbst unter dem Regime und seiner Großmachtpolitik leidet, eine wichtige Rolle in diesem Kampf zu spielen - dem Kampf für eine neue internationale Gesellschaft, in der die Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Massen und nicht nach den Bedürfnissen der Profite der kleinen einheimischen Oligarchenschicht und der ausländischen Kapitalgeber organisiert wird.

 

Info:

Die neue Seidenstraße führt von China auf dem Landweg nach:

·       Laos – Thailand – Malaysia – Singapur – Indonesien;

·       Myanmar – Bangladesch – Indien

·       Pakistan

·       Mongolei und Russland

·       Kirgisistan – Usbekistan – Turkmenistan – Iran – Türkei

·       Kasachstan – Russland – Ukraine/Belarus – Europa (Polen, Slowakei, Deutschland)

 

und am Seeweg nach:

·       Vietnam – Singapur – Myanmar

·       Philippinen

·       Singapur – Malaysia

·       Indonesien – Malaysia – Singapur – Thailand

·       Kambodscha – Thailand

·       Malaysia – Pakistan – Indien – Sri Lanka

·       Vereinigte Arabische Emirate – Irak

·       Dschibuti – Saudi-Arabien – Sudan

·       Griechenland – Italien – Frankreich – Spanien

 

Bild: Commons.Wikipedia. Licens: CC BY SA 4.0

 

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