Lehrlinge in die Offensive!

„Es braucht eine Revolution von Lehrlingen in Betrieb und Berufsschule!“
Ein Schwerpunkt zum Thema Lehre von Albert Kropf (Berufsschullehrer), Christoph Glanninger (Lehrling) und ein ÖBB-Lehrling

Lehrlinge sind Teil der österreichischen ArbeiterInnenklasse und genauso von Angriffen und Verschlechterungen betroffen wie alle Beschäftigen. Als Jugendliche sind sie noch besonders betroffen, als weibliche Jugendliche noch mehr. Schon unter der letzten schwarz-blauen Regierung gab es Verschlechterungen für Lehrlinge wie die Verlängerung der Probezeit, die Verkürzung der Behaltefrist und die Ausdehnung der Lehrlingsarbeitszeit im Gastgewerbe. Die jetzige Regierung macht hier weiter und plant u.a. die Auflösung des Jugendvertrauensrates (JVR).

Stellt sich also die Frage: wie können Lehrlinge diese Angriffe zurückschlagen und eine bessere Ausbildung und Bezahlung erreichen?

Als erster Schritt ist es wichtig, sich zusammenzutun. Bei Treffen kann gemeinsam über Probleme geredet werden. Die beschränken sich aber nicht auf das Unternehmen, Lehrlinge aus verschiedensten Berufen haben oft gleiche Probleme und Interessen. Eine überbetriebliche Vernetzung unter Lehrlingen ist also notwendig. Vor einigen Monaten wurde die BerufsschülerInnenvereinigung (BSV) von Lehrlingen selbst gegründet, um Lehrlinge in den Berufsschulen zu vertreten und zu organisieren. Hier werden Programm und Forderung, aber auch Aktionen und Kampagnen zum Mitmachen notwendig sein, damit diese Initiative viele Lehrlinge organisiert und auch tatsächlich Verbesserungen erreicht.

Auch in den Betrieben muss man nicht alles akzeptieren - ob ein respektloser oder rassistischer Vorgesetzter, sexistische Belästigung im Job durch Vorgesetzte oder Kunden, ob Arbeiten, die man gar nicht machen darf oder zu wenig Geld - man kann sich wehren und v.a. auch gewinnen, wenn man es gemeinsam tut.

Es braucht eine Organisation, in der Lehrlinge aktiv werden können. Aber die gibt es ja mit der ÖGJ, der Österreichischen Gewerkschaftjugend. Soweit die Theorie. Aber viele wissen nicht einmal, dass es die gibt, in Berufsschulen oder Betrieben (vor allem in kleineren) sieht man sie kaum. Nur in wenigen Fachgewerkschaften bestehen lebende Strukturen mit Kontakt zu den Lehrlingen. Ein wesentlicher Grund ist die völlige Identifikation des ÖGB mit der Sozialpartnerschaft. Eine starre, nur am Verhandlungstisch agierende Gewerkschaft ist gerade für junge Beschäftigte wenig interessant. Das ausgelutschte Argument „ohne uns wäre es noch viel schlechter“ greift hier noch weniger.

Dass die neue Regierung auch die Gewerkschaft angreifen will, zeigt der Plan, die Jugendvertrauensräte abzuschaffen. Ähnlich wie bei der Arbeiterkammer ist es wichtig, Organisationen der ArbeiterInnenbewegung zu verteidigen und gleichzeitig dafür einzutreten, dass diese endlich Kampforganisationen werden. Alle Schwächen und Fehler, die ÖGB und AK haben - z.B. Mega-Gehälter für PräsidentInnen, abgehobene Führung, fehlende Demokratie, faule Deals mit den Unternehmen etc. – gibt es bei der ÖGJ genauso und teilweise noch schlimmer. Oft sind Jugendvertrauensräte keine Vertrauenspersonen, sondern werden als Teil einer Betriebsclique wahrgenommen, dem man eher misstraut. Wir brauchen aber JugendvertreterInnen in den Betrieben mit vollem Kündigungsschutz, die sowohl die spezifischen Interessen von Jugendlichen vertreten als auch vollwertiger Teil eines ausgebauten Betriebsrates sind und kämpferisch agieren. Die ÖGJ entpolitisiert oft die eigene Arbeit: Es werden Clubbings und Partys veranstaltet, Geschenke verteilt, Gewinnspiele organisiert. Wird ein neuer (schwacher) Kollektivvertrag ausgehandelt, dann heißt es „gönn dir“. Laut Gesetz ist „in Betrieben mit einem/r JugendvertrauensrätIn […] die Jugendversammlung alle 6 Monate vorgesehen.“ – in nur wenigen Betrieben ist das aber der Fall. Die Nähe von ÖGB und ÖGJ zur Sozialdemokratie ist hinderlich, denn die SPÖ vertritt schon lange nicht mehr die ArbeiterInnen in der Tat, auch wenn sie manchmal noch im Wort so tut. Sozialabbau und Privatisierungen wurden auch von der SPÖ vorangetrieben (die auch die Maßnahmen von schwarz-blau niemals zurückgenommen hat), Verschlechterungen sind ein Resultat zahnloser Gewerkschaftspolitik.

Aber gerade in der kommenden Zeit wird es eine kämpferische Gewerkschaft brauchen. Es wird Proteste, Demonstrationen, (Betriebs-)-Versammlungen und letztendlich Streiks und Besetzungen geben müssen, um sich dagegen zu wehren. Natürlich ist es schwer, wenn Lehrlinge alleine streiken wollen. Genau hier müsste man aber gemeinsam und gemeinsam mit der ganzen Belegschaft und auch auf der Berufsschule an einem Strang ziehen – dafür sind Gewerkschaften eigentlich da, dafür müssen wir sie zurückgewinnen.

Es geht aber nicht nur darum, Angriffe abzuwehren, sondern auch Verbesserungen zu erreichen. Die Lehre sollte nicht nur dafür da sein, um aus jungen Menschen brave ArbeiterInnen zu machen, die alles so nehmen wie es ist. Wir haben das Recht auf eine vielfältige Ausbildung, ein gutes Gehalt und eine sichere Zukunft. Das steht aber klar im Widerspruch zum kapitalistischen System, indem der Profit für Wenige und nicht die Interessen der Vielen zählt. Gehen wir in die Offensive!

 

 

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