Queer gestellt gegen reaktionäre Fundis

m Samstag dem 18. Juli war es wieder einmal so weit: die Regenbogenparade brachte rund 130.000 Menschen auf die Straße. Es wurde laut und bunt gefeiert, aber auch der Toten von Orlando gedacht. Auch Politprominenz wie Kern gaben sich die Ehre – eine einfache Übung beim Sammeln von Sympathiepunkten. Bei der praktischen Umsetzung von wirklicher Gleichstellung von LGBTQI-Personen hapert es dann aber leider doch: im Job, am Arbeitsmarkt, in der Politik. Da braucht es mehr als eine Rede. Die SLP fordert die vollständige Gleichstellung aller Beziehungen und Partnerschaften sowie eine offensive Kampagne u.a. der Gewerkschaften gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Gegen die Pride, aber auch gegen Frauenrechte, gingen auch dieses Jahr christliche religiöse FundamentalistInnen gemeinsam mit rechts-rechts-außen Strukturen auf die Straße. Der „Marsch für die Familie“ wettert nicht nur gegen Abtreibung und Homosexualität, sondern auch gegen Verhütung, Aufklärung und Kindergärten. Sie wollen, dass Frauen zu hause bleiben und (möglichst viele) Kinder bekommen und dann betreuen. Kindergärten lehnen sie ab obwohl längst erwiesen ist, dass es auch für die Kinder besser ist, schon früh breitere soziale Kontakte und professionelle Betreuung zu bekommen. Sie reduzieren Sexualität aufs Kinder erzeugen, Spaß und Lust lehnen sie ab und daher auch Verhütung. Entsprechend wollen sie auch Informationen über Sexualität von Kindern und Jugendlichen fernhalten. Auch hier ist aber schon lange bekannt, dass nicht-wissen eine der zentralen Ursachen für ungewollte Teenager-Schwangerschaften ist. Österreich hat hier, auch wegen der teuren Verhütungsmittel, sehr hohe Werte. Abtreibung lehnen die FundamentalistInnen ebenfalls ab und sprechen Frauen somit das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper ab. Schwangerschaftsabbrüche werden nicht verhindert, wenn sie verboten werden: sie werden nur gefährlicher für die Frauen.

Die SLP fordert daher nicht nur umfassenden Aufklärungsunterricht und kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln sondern auch, das in jedem Spital kostenlos Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.

Bei den teilnehmenden bzw. aufrufenden Organisationen/Personen finden sich solche, die den Holocaust verharmlosen, das Verbotsgesetzes aufheben wollen und antisemitisch sowie anti-islamisch sind. Auch heuer haben wieder Aktivisten der polnischen Organisation Wiedeńska Inicjatywa Narodaowa (Nationale Initiative Wien) teilgenommen, die 2015 einen Vortrag des jüdischen Holocaust-Überlebenden Zygmunt Bauman störten. Zu den Rednern gehörten ex-Pegida-Sprecher Nagel an dessen Demonstrationen gewalttätige Neonazis teilnahmen sowie der Sexist und am Parlaments-Sessel-klebende Marcus Franz. Letzterer war bekannt geworden weil er meinte „Ob der Popsch hält, was der Blick verspricht. Das erfahren zu wollen wird nun bestraft.“ Er wechselte vom Team Stronach zur ÖVP und sitzt nun als Parteifreier auf dem gut bezahlten Nationalratsmandat.

Ein Redner kritisierte das Kinder in der Schule mit „falschen Ideologien indoktriniert“ würden und meinte damit Aufklärungsunterricht. Gegen die „richtige“ Ideologie, die im durch Steuergelder finanziertem Religionsunterricht Kindern aufgezwungen wird, hat er offensichtlich nichts! Überhaupt sehen diese FundamentalistInnen Kindern nicht als eigenständige Menschen, mit dem Recht auf Selbstbestimmung und Schutz vor Übergriffen (die zum überwiegenden Teil durch Familie und näheres Umfeld erfolgen) sondern als de facto Besitz der Eltern. Manche haben daher auch die wirre Idee, das Eltern für „ihre“ Kinder bei Wahlen zusätzlich Stimmen bekommen sollen. Eine ähnlich bevormundende Haltung, wie es solche Reaktionäre früher (?) auch in Bezug auf Frauen eingenommen haben. Diese so „indoktrinierten“ Jugendlichen könnten dann „leicht als Gegendemonstranten eingesetzt“ werden war dann auch die wehleidige Beschwerde von Emanuel Aydin, dem Seelsorger der Syrisch-orthodoxen Christen in Österreich.

Und tatsächlich waren viele GegendemonstrantInnen gekommen. „Nicht mit mir“, eine Kampagne der SLP, hatte zu Kundgebung und Demonstration unter dem Motto „Queer stellen gegen FundamentalistInnen und Rechtsextreme“ aufgerufen und startete ab 13.00 am Stephansplatz mit einer Kundgebung. Thematisiert wurden die Verbindungen der christlichen FundamentalistInnen nach rechts und in die Regierung (ÖVP) bzw. Opposition (FPÖ) aber auch der wirtschaftlich-gesellschaftliche Hintergrund. Der Spruch der FundamentalistInnen „Die Wirtschaft ist gesünder durch Vater, Mutter, Kinder“ mag absurd klingen – doch er trifft den Kern der Unterstützung, den diese Kräfte in der etablierten Politik haben. Denn wenn bei Kinderbetreuung, Bildungswesen, Gesundheitswesen gekürzt wird – und das machen alle etablierten Parteien – dann muss diese Arbeit doch weiterhin geleistet werden. Und zwar statt bisher durch bezahlte professionelle und geschulte Kräfte dann durch unqualifiziertes und unbezahltes „Personal“: und das sind in der Regel Frauen. Dass sie wegen dieser Aufgaben dann weniger arbeiten gehen können „entlastet“ zusätzlich den Arbeitsmarkt. In Krisenzeiten ein durchaus erwünschtes Phänomen und damit auch die wirtschaftliche Grundlage für die Unterstützung solcher konservativ-reaktionärer Ideen aus Wirtschaft und etablierter Politik.

Der „Marsch für die Familie“ musste heuer auf den Albertinaplatz ausweichen. Weil der Albertinaplatz angeblich viel größer wäre, so ihre Erklärung. Weil sie den Stephansplatz diesmal einfach nicht bekamen, so die Wahrheit – denn die SLP hat schon vor Monaten mit den Vorbereitungen gegen den Fundi-Aufmarsch begonnen. Überhaupt zeigt sich in ihrer Berichterstattung nicht nur ein verwirrtes Verhältnis zu Zahlen (die TeilnehmerInnenanzahl wurde einfach mal so verdoppelt und eine Jubelstimmung herbeifantasiert) sondern auch ihre menschenverachtende Haltung: die GegendemonstrantInnen wurden als „Asseln“ bezeichnet. Eine auf der extremen Rechten übliche Methode, KritikerInnen oder auch „rassisch Unwerte“ mit Ungeziefer zu vergleichen deren Ausrottung damit explizit oder implizit gefordert wird!

Die Kundgebung von Nicht mit mir „begleitete“ die Redner (ausschließlich Männer) mit Sprechchören und Reden die fast ausschließlich positive Reaktionen der PassantInnen, darunter auch viele TouristInnen, bekamen. Neben den Kundgebungen und Demonstrationen der SLP gab es auch heuer wieder eine Reihe von linken, feministischen und queeren Protesten gegen den FundamentalistInnen-Aufmarsch. Dieser konnte dann auch nur wenige Meter weit gehen und blieb einer weiteren Öffentlichkeit erspart.

Trotz aller Skurilität und Lächerlichkeit der FundamentalistInnen darf nie vergessen werden, dass es leider nicht nur harmlose Spinner sind. Sie haben starke Bündnispartner in Kirche und Staat, sie haben viel Geld, sie haben Unterstützung aus den Reihen der (auch gewaltbereiten) rechten Szene und sie verbreiten eine Ideologie, die die Grundlage für Übergriffe bis hin zu Morden gegen LGBTQI-Personen sind. Und dagegen werden wir uns auch in Zukunft queer stellen.