Schwere Fehler unserer Organisation im Bereich des Safeguardings bezüglich geschlechtspezifischer Gewalt

Vorläufiges Statement von ISA Österreich
ISA Österreich

**Inhaltswarnung: Geschlechtsspezifische Gewalt, im Stich lassen von Überlebenden**

Als verbleibende Mitglieder der ISA Österreich schreiben wir diese Erklärung, um vorläufige Informationen zu geben und Rechenschaft über den Auseinandersetzungsprozess bezüglich schweren Fehlern unserer Organisation im Bereich des Safeguardings in Bezug auf geschlechtsspezifischer Gewalt abzulegen. Dieser noch laufende Prozess beinhaltet einen Review (eine Überprüfung) aus dem wir lernen und tiefgreifenden Wandel umsetzen wollen. 

In den Jahren 2019 und 2020 wurden Beschwerden über schwere geschlechtsspezifische Gewalt, einschließlich sexueller, psychischer und physischer Gewalt, gegen Mitglieder unserer Organisation vorgebracht. Es ist klar, dass diese Beschwerden nicht in Übereinstimmung mit unserem Verständnis von geschlechtsspezifischer Gewalt und dem Schutz von Überlebenden behandelt wurden, und es ist klar, dass unsere Organisation viel zu lange gebraucht hat, um sich dieser Realität zu stellen.

Dafür bitten wir zutiefst um Entschuldigung bei den Betroffenen/Überlebenden und allen anderen, die durch dieses Versagen von Menschen in unseren Reihen weiter geschädigt wurden. Uns tut es unglaublich leid, was ihr durchlebt habt und, dass wir euch durch unseren falschen Zugang zusätzlichen Schaden und Schmerz verursacht haben. Wir sind euch dankbar, dass ihr eure Stimme erhoben habt, und tun unser Bestes sicherzustellen, dass eure Aussagen uns dabei helfen, zu lernen, wie wir verhindern und davor schützen können, dass anderen Schaden zugefügt wird.

Wir verpflichten uns zu einem aufrichtigen Überprüfungsprozess, der mit einer gründlichen Untersuchung durch ein internationales und unvoreingenommenes Safeguarding Review (Überprüfungs-) Gremium beginnt (das unter safeguarding.prmi@gmail.com kontaktiert werden kann). Wir sind entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um von Personen, die an Fehlbehandlungen der Safeguarding Fälle beteiligt waren, Rechenschaft zu erhalten, unabhängig davon, wer sie sind oder welche (früheren) Positionen sie in der Organisation innehatten. 

Wir wollen diese Erklärung bewusst kurz halten und werden nach Abschluss des Überprüfungsprozesses weiteres kommunizieren. 

Einige wichtige Punkte in dieser Phase des Prozesses:
 

  • Weil sich eine Überlebende im Januar dieses Jahres erneut mutig über den falschen Umgang mit ihrer Beschwerde geäußert hat, wurde ein längst überfälliger interner Prozess der Überprüfung und Rechenschaft eingeleitet.

  • Infolgedessen wurde das Mitglied, das bereits 2019 mit schweren Vorwürfen konfrontiert war, im Januar suspendiert.

  • Im November 2024 kommunizierte die ISA Österreich öffentlich über Fehler im Umgang mit Safeguarding im Allgemeinen, entschuldigte sich bei Betroffenen und kündigte an, proaktiv eine grundlegende Überprüfung vergangener Fehler durchzuführen. Trotzdem war unsere Organisation nicht in der Lage, die angekündigte formale Überprüfung umzusetzen. Wir erkennen an, dass es ein weiterer Fehler war, diesem Thema nicht die höchste Priorität einzuräumen, die es verdient. 

  • Es ist bereits klar, dass unsere Organisation diese Fälle nicht im Einklang mit unserem Verständnis von geschlechtsspezifischer Gewalt und dem Schutz von Überlebenden behandelt hat. Alle, die zu dieser Zeit führende Mitglieder waren und bis zu dieser Krise Mitglieder geblieben sind, sind von allen Führungspositionen zurückgetreten, und einige haben die Organisation auch ganz verlassen. Sie alle stehen dem Review-Prozess zur Verfügung. Wir wollen jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass diese schwerwiegenden Fehler einfach das Ergebnis falscher Entscheidungen einzelner Personen waren. Die Organisation als Ganzes hatte zu dieser Zeit ein falsches Verständnis von Safeguarding und sozialistischem Feminismus, und die überwiegende Mehrheit der Mitglieder erkannte nicht, dass der Ansatz der Organisation falsch war, und/oder erhob keine Einwände dagegen. Einige Mitglieder kritisierten den falschen Ansatz zu dieser Zeit und traten anschließend aus; wir möchten auch euch um Entschuldigung bitten.

  • ROSA Österreich hat beschlossen, alle Verbindungen zu unserer Organisation abzubrechen. Wir möchten um Entschuldigung bitten dafür, dass wir dazu beigetragen haben, ROSA und ROSA-Aktivis*innen in diese verletzende Situation zu bringen. Es ist unfair, dass Aktivist*innen, die nichts mit den Fehlern aus unserer Vergangenheit zu tun haben, von ihnen negativ beeinflusst werden und wir hoffen aufrichtig, dass ROSA ein positiver Raum für gelebte und dynamische sozialistisch-feministische, antirassistische, antikoloniale und antikapitalistische Politik bleiben kann. Wir begrüßen die Initiative von ROSA, eine Meldestelle einzurichten, um sicherzustellen, dass sich alle Betroffenen uneingeschränkt und jederzeit melden können.

  • Es kann und darf keine Fortsetzung des „business as usual“ geben, während diese Überprüfung läuft, und auch kein „weiter wie bisher“, wenn sie abgeschlossen ist. Die Überprüfung ist keine symbolische Übung, sondern muss zu echten, weitreichenden Veränderungen führen, um die falschen Ansätze zu überwinden.

  • Deswegen treten wir einen Schritt zurück, um nachzudenken, was einige interne Treffen einschließt, Aktivitäten als Organisation wurden ausgesetzt, während wir die Ergebnisse des internationalen Gremiums zur Überprüfung des Safeguardings abwarten.

Wir wissen noch nicht wie wir eine wirklich feministische, antirassistische, revolutionär-sozialistische Kraft in Österreich wieder aufbauen können, aber wir werden unser Bestes tun, um dies auf der Grundlage der Ergebnisse der Überprüfung und eines kontinuierlichen Reflexionsprozesses zu tun. 

Die Notwendigkeit einer solchen Organisation ergibt sich aus der Tatsache, dass der Kampf gegen die rassistische, frauenfeindliche, LGBTQ+-phobe, völkermörderische und klima- und umweltfeindliche Offensive der zunehmend rechtsextremen kapitalistischen herrschenden Klasse und die Verbindung dieser Kämpfe mit dem Kampf für die sozialistische Umgestaltung der Welt dringender denn je ist. Damit unsere Bemühungen eine Chance haben können, dazu beizutragen, dass diese Notwendigkeit in Zukunft erfüllt wird, müssen wir die Schaffung eines inneren Raums maximaler Sicherheit, Solidarität und zum Kampf für Befreiung in den Mittelpunkt stellen.

Darum bemühen wir uns gemeinsam mit anderen Gruppen, Sektionen und Einzelpersonen, die sich weltweit am Projekt für eine Revolutionäre Marxistische Internationale (PRMI) beteiligen. Wir hoffen, dass die Lehren aus der schmerzhaften Situation in Österreich einen Beitrag zu dem umfassenderen Überprüfungsprozess leisten können, den das PRMI auf internationaler Ebene begonnen hat, um schädliche Teile seines politischen Erbes, einschließlich eines fehlerhaften Verständnisses von Safeguarding und Kämpfen gegen Unterdrückung, gemeinsam zu untersuchen und zu verlernen. Das PRMI befindet sich in der Anfangsphase eines Prozesses der Neuformierung, der aus der Entschlossenheit resultiert, sich mit den Schwächen die durch den falschen Umgang mit einem sehr ernsten Fall von Safeguarding durch die Mehrheit der Führung unserer früheren internationalen Organisation (der International Sozialist Alternative) deutlich wurden auseinanderzusetzen, mit ihnen zu brechen und sie zu überwinden. 

Dies ist ein erstes vorläufiges Statement. Sobald der Review Prozess abgeschlossen ist, wollen wir uns mit dessen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen auseinandersetzen und werden dann weitergehende Schritte diskutieren und kommunizieren.