Austritt aus der ISA (Internationale) und Erneuerung eines revolutionären Marxismus

verfasst vom Bundesvorstand der ISA Österreich, unterstützt von der ISA-Ö-Sonderkonferenz im Oktober 2024

Die ISA Österreich hat am 6. Oktober die Entscheidung getroffen, die internationale Organisation “International Socialist Alternative” zu verlassen und uns gemeinsam mit anderen dem Projekt für eine revolutionäre marxistische Internationale anzuschließen. Diese Entscheidung folgt einer langen politischen Auseinandersetzung auf internationaler und nationaler Ebene, bei der wir auch die Notwendigkeit für nachhaltige Veränderungen in unserer eigenen Organisation schlussfolgern. Weltweit ist angesichts des Genozids in Gaza, Wirtschaftskrise, Klimakrise und Rechtsruck die Notwendigkeit für den Aufbau einer starken revolutionären Linken so groß wie schon lange nicht mehr und wir denken, dass die Erfahrungen aus unseren Auseinandersetzungen dazu beitragen können. 

Der Zerfall der ISA

Der Auslöser für den Zerfall und die Spaltung unserer internationalen Organisation liegt in einem katastrophalen Fehlverhalten im Umgang mit einem Fall sexualisierter Gewalt in einer Sektion. Zuerst wurde das beschuldigte Mitglied durch die Führung der Sektion gedeckt, was wiederum von einer Clique der internationalen Führung gedeckt wurde, die schlussendlich eine Mehrheit für ihren falschen Kurs gewann. In der gesamten internationalen Organisation stellte sich ca. die Hälfte der Mitglieder dagegen und gründete eine innerparteiliche Fraktion, konnte aber keine Rechenschaft der Verantwortlichen durchsetzen. Daraufhin entschloss sich diese Opposition dazu, gemeinsam das Projekt für eine revolutionäre marxistische Internationale zu gründen. 

Diskussionen in Österreich

Schon vor diesen Entwicklungen in der Internationale gab es Debatten in Österreich mit einer Gruppe rund um die ehemalige Bundessprecherin Sonja Grusch. Im Zentrum der Debatte stand die Bedeutung des Kampfes gegen spezifische Unterdrückung (wie Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit) bei der Entwicklung von sozialen Bewegungen, Klassenkämpfen und Klassenbewusstsein. Die Mehrheit der Organisation wollte einen größeren Fokus und eine Weiterentwicklung entlang dieser Fragen. Damit verbunden waren Diskussionen zur internen Kultur, bei der eine Mehrheit in der Organisation sich für eine Transformation der Parteikultur weg von einem Top-down-Zugang (d.h. dass eine kleine Führung eine enorm übermäßige Rolle in der Organisation spielt) hin zu einer tatsächlich kollektiv arbeitenden Organisation. 

Notwendiger Veränderungsprozess

Im Zuge dieser Debatten hat sich in der Organisation ein Verständnis über eine generelle schwerwiegende Fehlentwicklung in unserer historischen Strömung in den letzten Jahren und Jahrzehnten durchgesetzt. Wir haben erkannt, dass wir uns immer stärker von den radikalsten Teilen der Klasse und Jugend und ihren Kämpfen entfernt haben (unter anderem junge, weibliche, queere und migrantisierte Teile der Arbeiter*innenklasse). Diese politische Degeneration hat sich kombiniert mit einer Top-down-Organisationskultur und einem enorm starren und defensiven Marxismus-Verständnis. In dieser Phase haben wir auch schwere politische Fehler im Umgang und der Aufarbeitung von Übergriffen in und im Umfeld unserer Organisation gemacht. Für den Schaden und die Verletzungen, die wir Mitgliedern und Menschen in unserem Umfeld dadurch zugefügt haben entschuldigen wir uns und werden diesbezüglich einen ernsthaften Aufarbeitungsprozess starten. 

Neuaufbau eines revolutionären Marxismus

In der Realität stehen wir vor der schwierigen Aufgabe, einen revolutionären Marxismus zu rekonstruieren, der tatsächlich der aktuellen Periode angemessen ist. Wir machen uns keine Illusionen darüber, dass dieser Prozess einfach oder geradlinig ist oder, dass wir ihn alleine gehen können. Aber wir nehmen uns vor, durch eine tatsächliche Rolle in Klassenkämpfen und sozialen Bewegungen, eine lebendige Theoriearbeit, eine Betonung der zentralen Rolle des Kampfes gegen spezifische Unterdrückung und eine demokratische und offene Parteikultur, die tatsächlich alle Erfahrungen unserer Mitglieder mobilisiert, einen Beitrag zu leisten. 

 

Weitere ausführlichere Erklärungen und Stellungnahmen:

 

+++ Hinweis zur Situation der ISA Österreich: +++

Wir möchten an dieser Stelle auch offen sagen, dass wir uns gerade in einem Reorganisierungs- und Umbruchprozess (wie in dem Statement bereits vorausgeschickt) befinden. Das bedeutet in der Praxis, dass wir insgesamt gerade weniger Ressourcen haben und daher z.B. unsere Strukturen nicht auf dem Level wie gewohnt arbeiten, wir manche Aufgaben nicht in früheren Ausmaßen erfüllen können, länger brauchen um zu antworten und ähnliches.

Das bedeutet nicht, dass wir den Anspruch diese Dinge zu erfüllen aufgegeben haben, aber dass wir uns erst wieder eine gute, (politische) Basis dafür aufbauen wollen.

Bei unseren aktuellen Veröffentlichungen bedeutet das zum Beispiel, dass wir sicher ein größeres Augenmerk auf die politische Qualität legen werden. Möglicherweise bedeutet das, dass wir weniger Artikel veröffentlichen. Manche Beiträge werden vielleicht eher Debattenbeiträge als fertige Stellungnahmen unserer Organisation sein.

Wir werden in der nächsten Zeit unsere unterschiedlichen Arbeitsfelder Schritt für Schritt wieder gut aufbauen und verschiedene notwendige interne und externe Angelegenheiten abarbeiten. So werden wir auch vorerst Namen und Logo weiterführen, bis wir in sinnvoller Weise eine Alternative gefunden haben und diese (technisch) implementieren können. 

Auf jeden Fall aber sind wir offen für Diskussionen. Wir freuen uns über den Austausch und die Zusammenarbeit mit unseren Unterstützer*innen und Interessent*innen. Wenn Du Fragen dazu hast, Dich austauschen möchtest oder daran denkst mit uns aktiv zu werden, melde Dich bei uns!

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: