Special zu den SWÖ-Verhandlungen Teil 5: Arbeitskampf braucht Demokratie wie Luft zum Atmen

Vorschläge, um die Situation der mehr als 250.000 Kolleg*innen in privater Pflege und Sozialeinrichtungen nachhaltig zu verbessern.
Christoph Glanninger

Die SWÖ-Verhandlungen laufen seit September. Um die Forderung von 15% bzw. mindestens 350.- sowie Arbeitszeitverkürzung zu erreichen braucht es die volle Kampfkraft. Doch in vielen Belegschaften sind die Verhandlungen kaum präsent - das ist hinderlich für einen erfolgreichen Arbeitskampf.

Diese mangelnde Einbindung der Beschäftigten ist eng verbunden mit dem top-down-Zugang der Gewerkschaftsspitze. Bei den Verhandlungen wird nicht etwa zuerst in Diskussionen in den Belegschaften, auf Betriebsversammlungen und Betriebsrät*innenkonferenzen ein Forderungskatalog erarbeitet. Stattdessen entwirft diesen ein kleines Team aus Gewerkschaftsfunktionär*innen und wenigen Betriebsrät*innen. Dieses Vorgehen führt zu Forderungen, die den Bedürfnissen der Beschäftigten nur teilweise entsprechen und dementsprechend auch weniger mobilisierend sind – so fehlt trotz Überarbeitung und explizitem Wunsch die Forderung nach besserem Personalschlüssel.

Das ist nicht nur undemokratisch, es schwächt auch die Kampfkraft. Wenn Beschäftigte von Anfang an entscheiden, was sie fordern und wie sie dafür kämpfen wollen, gibt es auch eine höhere Beteiligung und einen stärkeren Arbeitskampf. Ein Beispiel dafür sind die Streiks an der Berliner Charité 2021, in deren Vorfeld durch ausführliche Diskussionen in der gesamten Belegschaft ein gemeinsames Forderungspaket erarbeitet wurde und die durch gewählte Vertreter*innen an den Stationen demokratisch kontrolliert waren. 

In Österreich hat die kämpferische Basisinitiative “Wir sind sozial aber nicht blöd” (die ISA-Mitglieder gemeinsam mit anderen organisieren) im Vorfeld der KV-Verhandlungen gefordert, auf einer bundesweiten Betriebsrät*innenkonferenz über die Forderungen zu entscheiden und sich dadurch auch auf den Arbeitskampf vorzubereiten. Durch Druck von unten ist jetzt zwar so eine Konferenz am 24.11. - aber so spät hat sie deutlich weniger Einfluss auf Forderungen und Arbeitskampf. 

Urabstimmungen als zentraler Bestandteil gewerkschaftlicher Demokratie

Aktuell entscheidet ein Verhandlungsteam aus wenigen dutzend von der sozialdemokratischen FSG ausgewählten Betriebsrät*innen einen Abschluss für mehr als 100.000 Beschäftigte. Bei den letzten Verhandlungen vor 3 Jahren hat das - trotz mehreren Streiks - zu einem sehr schlechten Abschluss geführt, der jetzt viele vor die Frage stellt “Bringt Kämpfen überhaupt etwas?”. Schon damals haben kämpferische Betriebsrät*innen Urabstimmungen in einigen Betrieben durchgeführt - bei denen sich die überwältigende Mehrheit gegen den Abschluss ausgesprochen hat. Auf der bundesweiten Betriebsrät*innenkonferenz am 24.11. werden Aktive von “Sozial aber nicht blöd” gemeinsam mit anderen unter anderem den Antrag mit der Forderung nach Urabstimmungen einbringen.

Auch wenn noch viel zu tun ist, um die Gewerkschaft wieder zur Kampforganisation zu machen, hat Druck von unten in den letzten Jahren viel geändert: Der SWÖ ist wohl die Branche mit der meisten Basisaktivität. Ergebnisse davon sind z.B. die bundesweite Betriebsrät*innenkonferenz im November, die radikalen Forderungen auf der Wiener Betriebsrät*innenkonferenz, regelmäßige Streiks und die große Rolle, die kämpferische Betriebsrät*innen bei der Organisation des Arbeitskampfes in Wien spielen. In Wien war die Streikbewegung in den letzten Jahren auch am kämpferischsten. Das zeigt: Der Kampf um gewerkschaftliche Demokratie und echte Verbesserungen geht nur Hand in Hand. 

 

Info: 

GPA und vida verhandeln aktuell für die private Sozialwirtschaft (SWÖ). Direkt betroffen sind über 120.000 Beschäftigte von Pflege bis Behindertenarbeit. Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz usw. orientieren sich daran. 

 

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