Naher Osten: Krise und bewaffneter Konflikt weitet sich aus und verschärft sich

Hass gegen Imperialistische Unterdrückung erreicht Rekordlevel
Kevin Simpson, cwi, London

In der Nacht auf den 13. Juli bombardierte die Israelische Armee den Internationalen Flughafen von Beirut, feuerte Raketen auf die Hisbollah und führte mehr als 30 Luftangriffe auf libanesische Ziele durch. Sie setzten eine Land-, See- und Luftblockade des Libanesischen Staatsgebiets ein. Zum ersten Mal seit Mai 2000 ist die israelische Armee in libanesisches Gebiet eingedrungen.

ArbeiterInnen und Jugendliche auf der gesamten Welt haben mit Abscheu die jüngsten Militärattacken der israelischen Armee im Gazastreifen verfolgt – die die Mehrheit der Bevölkerung von Elektrizitäts- und Wasserversorgung abgeschnitten haben. Als die israelischen Sicherheitskräfte 64 Hamasführer gefangen nahmen – inklusive mehrerer Minister – machte die Bush-Regierung keinen einzigen Mucks. Und gleichzeitig wurden sie nicht müde, in voller Empörung über die Gefangennahme von israelischen Soldaten zu sprechen. Der US-Imperialismus hat eine riesige Propagandakampagne gegen die terroristische Hamas-Regierung gestartet, aber nicht ein Wort der Verurteilung über die jüngste Invasion der israelischen Armee im Libanon verloren. Millionen auf der gesamten Welt sind über dieser Scheinheiligkeit und Doppelmoral empört.

Der brutale Einsatz von Militärgewalt durch das Israelische Regime hat bereits die Leben von 50 libanesischen ZivilistInnen gekostet. Die Attacken der israelische Armee waren Antwort auf eine Überraschungsattacke der Hisbollah jenseits der libanesischen Grenze. In den Konflikten die folgten, wurden 8 israelische Soldaten getötet und zwei von der Hisbollah gefangen und mit über die Grenze genommen. Das war ein großer Schlag für das Prestige des israelischen Regimes. Ehud Olmert, der israelische Premierminister, nannte das einen „Kriegsakt“ und drohte mit „sehr sehr schmerzhaften Vergeltungsmaßnahmen“. 6000 Reservisten sind für den Einsatz jenseits der nördlichen Grenze Israels eingezogen worden. Der Oberbefehlshaber dieser Einsatztruppe sagte, wenn die Soldaten nicht sofort freigelassen würden, würde die Israelische Armee die Zeit im Libanon 20 Jahre zurückdrehen, was die Zerstörung der Infrastruktur betrifft. Wenn die israelische Armee so weitermacht und ihre Invasion im Libanon fortsetzt, kann das angesichts der Situation im Nahen Osten die gesamte Region in Brand stecken.

Aber das ist nur eine Seite eines bereits wachsenden militärischen Konflikts. Am selben Tag an dem sie den Libanon bombardierten, tötete die israelische Armee 23 Palästinenser in ihrer fortlaufenden Kampagne kollektiver militärischer Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung. Diese Kampagne ist durchsichtigerweise eine Antwort des israelischen Regimes auf eine Attacke islamischer Milizen auf einen Stützpunkt der israelischen Armee und die Gefangennahme eines israelischen Soldaten. Die israelische Armee hat nun den Süden, Norden und Mitte des Gazastreifen wieder besetzt, nachdem sie sich im August des letzten Jahres zurückgezogen hatten. Damit ist das Gebiet in zwei Hälften geteilt. In einem Angriff hat die israelische Armee das Haus eines Hamasführers mit einer massiven 250 Kilo-Bombe angegriffen.

Spannungen und Konflikte in der Region sind bereits so groß, dass die Gefahr besteht, dass sie außer Kontrolle gerät. Ein Hexenkessel glühenden Hasses kocht unter den Massen des Nahen Ostens gegen die immer brutaler werdende Unterdrückung der palästinensischen Massen die als von der USA gebilligt und bedingungslos unterstützt gesehen wird. Zusätzlich hat die barbarische Besatzung des Iraks durch den US Imperialismus (um die Ölreserven für einen nach Energie lechzenden US Kapitalismus zu sichern) hat das Land in einen offenen Bürgerkrieg geführt.

Als ob das nicht genug wäre, sind im letzten Jahrzehnt neoliberale Angriffe massiv verstärkt worden. Die arabischen Regime sind korrupt, undemokratisch und brutal und sie sind willige Agenten des Imperialismus darin, Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse und Armen BäuerInnen in der Region umzusetzen. All das und mehr bedeutet, dass die Region immer instabiler wird. Die Möglichkeit, dass der bewaffnete Konflikt ein offener regionaler Krieg wird, kann nun nicht mehr ausgeschlossen werden.

Der Hauptgrund ist dass es immer weniger Spielraum für die imperialistischen Mächte un die korrupten arabischen Eliten in der Region gibt. Wenn sie sich mit Widerstand gegen ihre Politik konfrontiert sehen, antworten die imperialistischen Mächte und vor allem ihre Stellvertreter in der Region durch wirtschaftliche aber nun auch zunehmend militärische Angriffe auf die Massen. In Wirklichkeit hat die israelische herrschende Klasse keine ausgearbeitete Strategie und reagiert schlicht auf die Ereignisse mit brutaler Gewalt. Das erhöht die Gefahr einer weiteren Eskalation des Konflikts.

Allerdings ist auch die Strategie des US Imperialismus, um den Nahen Osten unter ihrer Kontrolle zu halten, in den letzten Jahren gescheitert. In Folge der Attacken des 11.Septembers, wo die US-Supermacht für einen gewissen Zeitraum mehr Spielraum für eine militärische Intervention in verschiedenen Teilen der Welt zu haben schien, hat das Bushregime die Idee gepusht, dass sie den Nahen Osten neu gestalten würden. Sie hatten vor, die Taliban aus Afghanistan zu vertreiben und ein „demokratisches sekuläres Regime“ einzusetzen. Iraks Saddam Hussein hätte abgesetzt werden sollen und eine neues stabiles US-freundliches Regime sollte im Nahen Osten florieren und billige Energie für den Westen zur Verfügung stellen. Eine „demokratische“ Transformation der restlichen Region hätte folgen und das iranische Regime als Teil der „Achse des Bösen“ und das Syrische Ba´ath Regime hinwegfegen sollen. Eventuell hätten auch die ehemaligen Verbündeten des US-Imperialismus wie Saudi-Arabien oder Ägypten durch noch „freundlichere“ und stabilere Regime ersetzt werden können. Eine finale Lösung des Konflikts zwischen Israel und Palästina hätte durch die Zerschlagung der extremsten Islamischen Gruppen in den besetzten Gebieten erfolgen sollen.

Der Albtraum des Imperialismus

Diese neo-konservative Utopie ist ersetzt worden durch einen schrecklichen Albtraum für den Imperialismus (und für die Massen) wo auch immer sie sich hinwenden. Der Irak ist in einer schlimmeren Situation als noch unter Saddam Hussein. Die Möglichkeit eines Auseinanderbrechens in einander feindlich gesinnte instabile kleine Staaten wird von Tag zu Tag größer. Der Iran ist regional qualitativ gestärkt worden, da die schiitischen Parteien die mit dem Regime verbunden sich im Irak am aufsteigenden Ast befinden.

Noch dazu hat das iranische Regime sich geweigert, sich dem Druck des westlichen Imperialismus, die Produktion von angereichertem Uran zu beenden, zu beugen, und hat damit die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung für seine antiimperialistische Rhetorik gewonnen. Saudi Arabien und Ägypten sehen sich einer wachsenden Bedrohung durch mit der Al Quaida in Verbindung stehende reaktionäre islamistische Gruppen gegenüber. Zusätzlich hat die islamistische Molsem-Bruderschaft wichtige Gewinne in den letzten Wahlen in Ägypten gemacht. Aber die deutlichste Erniedrigung für die Pläne des US Imperialismus für die Region war der Erdrutschsieg der Hamas bei den palästinensischen Wahlen im Januar dieses Jahres.

Aber es ist das jüngste Eindringen in den Libanon, das tatsächlich ernste Konsequenzen haben könnte, angesichts der Geschichte der Interventionen der Imperialismus und des israelischen Kapitalismus in das Land. Die erste Invasion der israelischen Armee in den Libanon war 1978, oberflächlich Betrachtet ein Vergeltungsschlag für eine PLO-Attacke in Israel. In Wirklichkeit wollte die rechte israelische Regierung mit Ariel Sharon als Verteidigungsminister die PLO im Libanon zerschlagen und ein Israel freundlich gesinntes Regime einsetzen. Die Intervention des israelischen Kapitalismus führte zur Bildung der schiitischen Hisbollah-Bewegung, der es letztlich gelang, die israelische Armee 2000 aus dem Südlibanon zu vertreiben – eine schändliche Niederlage für den israelischen Kapitalismus.

Angesichts der größeren militärischen Stärke und Einheit der Hisbollah wird das israelische Regime sogar noch größere Schwierigkeiten haben, die Hisbollah zu zwingen die gefangen genommenen israelischen Soldaten, wie im Falle der Hamas im Gazastreifen, freizulassen. Der US-Imperialismus hat im Libanon große Rückschläge einstecken müssen. 1983 wurde die US-Botschaft durch die Hisbollah zerstört und später im selben Jahr tötete eine massive Bombe 241 US Soldaten – was die US Truppen später zum Abzug zwang. Richard Armitage, der eine wichtige Rolle in der US-Regierung von 2001-2005 spielte sagte unlängst, dass die Hisbollah der USA infolge dessen noch einen „Blutzoll“ schuldig sei.

Seit dem Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon infolge von Massenprotesten im Libanon (und aus jeweils unterschiedlichen Gründen unter Druck von Seiten des US- und französischen Imperialismus) hat es wachsende sektiererische Spannungen im Libanon und wachsende Instabilität im Land und der Regierung gegeben. Der libanesische Premierminister hat sich von den Aktionen der Hisbollah distanziert trotz der Tatsache, dass die Hisbollah Teil der Koalitionsregierung ist. Diese Krise könnte zu einem Fall des libanesischen Regimes führen, und wenn die Instabilität zu offenen Zusammenstößen führt, ist auch ein Wiedereinmarsch der syrischen Truppen ins Land möglich, mit allen Konsequenzen.

Trotz seiner überwältigenden militärischen Macht ist das israelische Regime unter sehr großem Druck. Ehud Olmert ist ein neuer Premierminister, der anders als seine Vorgänger keine große Vergangenheit als „Kriegsheld“ hat. Seine Partei, Kadima, war erst kurz vor den Wahlen, die die Partei an die Macht gebracht haben, im März gegründet worden. Sie besteht aus vielen Dinosauriern der politischen Szene Israels, vor allem aus den beiden großen Parteien Likud und der Arbeitspartei. Sie hat nicht wirklich eine geeinte politische Strategie und es gibt bereits Risse und Spannungen innerhalb der Partei. Trotz Olmerts Kriegsrhethorik und seiner Weigerung mit den jenen, die die israelischen soldaten gefangengenommen haben, zu verhandeln, ist es unwahrscheinlich, dass brutale militärische Repression deren Freilassung bewirken wird. Es gibt eine sehr starke Tradition in der israelischen jüdischen Gesellschaft, dass die politische und militärische Führung für jegliche Gefangene in bewaffneten Konflikten persönlich verantwortlich sind. Kadimas Umfragewerte sind bereits massiv gesunken – wenn es jetzt eine Neuwahl gäbe, würde sie wahrscheinlich vier von 29 Sitzen verlieren.

Es stehen hier auch wichtige Ziele auf dem Spiel. Olmert war auf der Basis des „Versöhnungsplans“ gewählt worden. Dieser Plan sieht vor die Mauer zwischen israelischen und besetztem Gebiet fertigzustellen und eine isolierte Siedlungen von der West Bank abzuziehen. Dieser Plan würde aber auch den Abzug von großen Siedlungen auf israelischen Gebiet als Teil der einseitig auferlegten „endgültigen Festlegung“ der israelischen Grenzen beinhalten.

Vor der letzten militärischen Operationen gab es eine mehrheitliche Unterstützung für diesen Plan unter der israelischen Bevölkerung – nun ist das nicht mehr der Fall. Und statt die Unterstützung für Hamas und Hisbollah zu schwächen haben diese militärischen Angriffe die palästinensischen Massen und besonders die Bevölkerung im Südlibanon zusätzlich erzürnt. Ein Resultat ist daher sehr wahrscheinlich eine Verstärkung der Unterstützung für sowohl Hamas als auch Hisbollah.

Allerdings wird keine von beiden Gruppen fähig sein, die grundlegenden Probleme der Massen auf Basis von theokratischen kapitalistischen Regimen – die ihnen vorschweben - zu lösen. Die ArbeiterInnenklasse der Region gemeinsam mit den armen BäuerInnen sind die einzige Kraft, die fähig ist Imperialismus, Kapitalismus und die korrupten arabischen Eliten zu besiegen und den Wunsch der Palästinenser nach ihrer sozialen und nationalen Befreiung zu erfüllen. Gleichzeitig sind sie jene Schicht der Bevölkerung, die am meisten in bewaffneten Konflikten oder Kriegen leidet.

Die riesige Wut, die gegen die schmähliche Rolle des Imperialismus existiert muss dahingehend kanalisiert werden, dass eine neue ArbeiterInnenbewegung und neue ArbeiterInnenparteien aufgebaut werden, auf Basis der Idee einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens, dem Abzug der imperialistischen Armeen und dem Stürz von Kapitalismus und Feudalismus in der Region.

Ohne Zweifel erfüllt die Aussicht auf weitere Konflikte und Krieg in der Region ArbeiterInnen und Jugendliche auf der ganzen Welt mit Angst vor dem Leid den diese bedeuten würden. Allerdings werden kapitalistische Kriege und Konflikte auch vor dem Hintergrund von Kämpfen der ArbeiterInnenklasse gegen Privatisierung und Attacken auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse die in Ländern wie dem Iran, Ägypten und Israel bereits Realität sind, stattfinden. Solche Bewegungen werden wieder in den Vordergrund treten, allerdings mit einem anderen Bewusstsein – einem Bewusstsein, dass von der Sehnsucht nach einem Ende des Blutvergießens und nach einer neuen Gesellschaft, in der die Massen der Bevölkerung den enormen Reichtum, der in der Region existiert, kontrollieren, erfüllt sein wird.

Im Unterschied zu den Plänen der US Neokons ist das keine Utopie sondern basiert auf historischer Erfahrung. Auf der Höhe des Libanesischen Bürgerkriegs 1988 sind Libanesische ArbeiterInnen über die sektiererischen Spaltungen hinweg gegen den Kollaps der Mindestlöhne aufgrund galoppierender Inflation infolge des Konflikts in den Streik getreten. Entlang der „grünen Linie“ die das Christliche und Muslimische Beirut trennte, fanden im Zuge dessen gemeinsame Demonstrationen statt. Während des selben Konflikts demonstrierten zwischen einer halben und einer Million Menschen in Tel Aviv gegen die Invasion der Israelischen Armee im Libanon.

Allerdings können SozialistInnen und AktivistInnen sich nicht einfach zurücklehnen und auf diese Entwicklungen warten. Eine Bewegung für eine revolutionäre sozialistische Gesellschaftsveränderung muss dringend in der gesamten Region aufgebaut werden.