Marx aktuell: Spanischer Bürgerkrieg und Volksfront

Fabian Lehr

Von Front National und AfD bis FPÖ: Überall in Europa wachsen rechtsextreme Parteien und werden zur Bedrohung für ArbeiterInnenbewegung und Linke. Auf den ersten Blick scheint es logisch, darauf zu reagieren, indem man alle in irgendeiner Form „fortschrittlichen“ Kräfte vereint und, um das zu erreichen, Linke keine sozialistischen Forderungen mehr stellen, um liberale, antifaschistische/antirassistische Bürgerliche nicht zu verschrecken. Dieser Gedanke lag auch den Volksfronten der 30er Jahre zugrunde. Erst in Frankreich und dann am Vorabend des Bürgerkriegs in Spanien fanden die stalinistischen kommunistischen Parteien, Sozialdemokratie und linksliberales Bürgertum sich zur Abwehr des Faschismus zusammen. Um dieses Gemeinsam nicht zu gefährden, sollten die Parteien der ArbeiterInnen als brave, verfassungstreue DemokratInnen auftreten, die keine für Bürgerliche provokanten sozialen und wirtschaftlichen Forderungen stellen. In diesem Konzept drückt sich die Ratlosigkeit sowohl des Stalinismus als auch der Sozialdemokratie aus. Die stalinistische Bürokratie in Moskau hatte den Gedanken an die internationale Förderung revolutionärer Entwicklungen begraben, um nicht die friedliche Koexistenz mit den imperialistischen Mächten zu gefährden. Und die Sozialdemokratie identifizierte sich so völlig mit dem bürgerlichen Staat, dass sie nicht einmal im Angesicht des drohenden Faschismus bereit war, unabhängiges Handeln der ArbeiterInnen zu dulden, das revolutionäre Züge annehmen konnte. Die Volksfront war das Ergebnis dieser Überlegungen. Der Haken dabei: Indem man den Gedanken an die soziale Revolution begrub, nahm man den ausgebeuteten Massen ihre hauptsächliche Motivation für den Kampf. Das Bürgertum andererseits hatte kaum einen Grund für erbitterten Kampf gegen den Faschismus, denn dieser wollten ihre ökonomische und soziale Machtgrundlage nicht nur nicht antasten, sondern stärken. Die meisten KapitalistInnen konnten sich unter Franco mindestens ebensogut einrichten wie in der Republik - warum also für diese Republik kämpfen? Der Gedanke der Volksfront in stürmischen Zeiten mag zunächst einleuchtend klingen: Klar doch, dass man soviele antifaschistische Kräfte wie möglich sammeln muss. Diese Sammlung der Kräfte entwertet sich aber selbst, indem sie einerseits den ArbeiterInnen und Armen die hauptsächliche Motivation für den Kampf nimmt, andererseits die Bürgerlichen nicht dauerhaft und fest an sich binden kann, weil die ein zu schwaches Interesse am Ausgang des Kampfes haben. Der Versuch, die Reaktion zu besiegen, indem man durch Ersticken der revolutionären Tendenzen die ArbeiterInnen und Armen an die "progressive" Bourgeoisie kettet, endet zuverlässig in der Entmutigung der echten antifaschistischen Kräfte und im Sieg der Reaktion. Trotzki schrieb dazu 1935 in "Volksfront und Aktionskomitees" über Frankreich: "Voraussetzung für den Sieg des Proletariats ist die Beseitigung der heutigen Führung. Die Losung der 'Einheit' wird unter all diesen Umständen nicht nur eine Dummheit, sondern auch ein Verbrechen. Keine Einheit mit den Agenten des französischen Imperialismus und des Völkerbundes. Ihrer treubrüchigen Führung heißt es die revolutionären Aktionskomitees gegenüberstellen."

Erscheint in Zeitungsausgabe: