Frauen zwischen Revolution und Konterrevolution

Der aktive Kampf von Frauen war in der Spanischen Revolution essentiell. Ihre Verdrängung fatal.
Theresa Reimer

„Die Stellung der Frau ist der anschaulichste und wirkungsvollste Indikator, um die Entwicklung eines sozialistischen Regimes und einer staatlichen Politik einzuschätzen“ schrieb der russische Revolutionär Leo Trotzki 1938. Das trifft auch auf Spanien zu. Bis zur Revolution war es ein extrem rückständiges Land. Kirche und Staat waren bis zu den revolutionären Ereignissen der 1930er Jahre eng miteinander verflochten. Die Schwäche der ArbeiterInnenbewegung führte auch dazu, dass Frauenrechte, besonders am Land, so gut wie nicht vorhanden waren. In den meisten Dörfern war der tägliche Gottesdienst die einzige Möglichkeit für Frauen, am gesellschaftlichen Leben teil zu haben. „Die Priester haben die Frauen beherrscht“ meinte Clara Thalmann, Marxistin und Kämpferin im Spanischen BürgerInnenkrieg u.a. auf Seiten der POUM.

Der Rollenaufteilung waren klare Rahmen gesetzt, Frauen hatten zwar die Entscheidungsmacht im Haushalt, aber im gesellschaftspolitischen Leben nichts zu suchen. Durch die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen in Städten und Frauen in ländlichen Gebieten, in denen die katholische Kirche noch mehr Einfluss hatte, war auch das Verhalten und die Teilnahme von Frauen eine andere. Während am Land reaktionäre Ansichten sich erst langsam nach der Revolution aufweichten, lief diese Entwicklung in den Städten schneller ab. Frauen diskutierten über politische Themen, bewegten sich zum ersten Mal frei und alleine in der Öffentlichkeit und beteiligten sich auch direkt an den Kämpfen. Von Anfang wollten Frauen Teil der Milizen sein, 2-3% aller KämpferInnen an der Front waren Frauen (milicianas). Auch in den Räten spielten Frauen eine wichtige Rolle, besonders was die Verwaltung und Aufteilung von Lebensmitteln anbelangte. Mit dieser praktischen Arbeit begannen viele Frauen das erste Mal, aktiv mitzubestimmen. Erst durch die Kontrolle der stalinistischen Bürokratie ab 1937 war die Lebensmittelversorgung nicht mehr gesichert. Kleine Betriebe wurden aus der Kollektivierung zurück an die Eigentümer abgegeben, was zu höheren Preisen, schlechter Aufteilung und der Entstehung von Schwarzmärkten führte.

Im Verlauf der Revolution bildeten sich auch Frauenorganisationen heraus. Am wichtigsten war hierbei wohl die anarchofeministische Organisation „Mujeres Libres“ (Freie Frauen), die sich als Teil der anarchosyndikalistischen CNT verstand und bis zu 38.000 Mitglieder zählte. Diese hatten eine doppelte Aufgabe im Sinn, die Errichtung einer neuen Gesellschaft und gegen sexistische Traditionen (auch in den eigenen Reihen) aufzustehen. Die „Mujeres Libres“ kämpften an der Front, bildeten aber auch Frauen aus und besprachen Themen wie sexuelle Aufklärung, Verhütung und Abtreibung. Weiters kämpften sie gegen die ökonomische Abhängigkeit von Frauen. Ab 1939 wurden viele verfolgt und in Lagern interniert.

An der Front wurden die Milizen auch von Prostituierten unterstützt, die ebenfalls gegen die Faschisten kämpften, nachdem Revolutionäre und Frauen gemeinsam Zuhälter umgebracht oder vertrieben hatten. Aufgrund der stalinistischen Volksfronttaktik wurde erst den ehemaligen Prostituierten „empfohlen“, sich von der Front zurückzuziehen. Sie würden für Unruhe innerhalb der Milizen sorgen und sollten sich deshalb „im Hinterland für die Revolution einsetzen“. Dies stellte einen der ersten Schritte der Aushöhlung von Frauenrechten dar. Es folgte ein Dekret, wonach keine Frauen mehr an der Front kämpfen sollten, später sollten die revolutionären Milizen durch die Volksarmee verdrängt werden.

Die Dominanz des Stalinismus und damit das Zurückdrängen revolutionärer Errungenschaften stellte auch einen Wendepunkt für Frauen dar. Die Entwaffnung der Kämpferinnen, die Rückkehr zu traditionell-bürgerlichen Rollenbildern hatte nicht nur pragmatische Gründe eines angeblich besseren Ressourceneinsatz. Es handelte sich auch um ein politisches Zugeständnis im Rahmen der Volksfront bzw. spiegelte auch die stalinistisch-reformistische Ideologie wider. Wie auch in der Sowjetunion drückte sich der Niedergang der Revolution durch die Machtübernahme des Stalinismus gerade auch in der Rolle der Frauen aus. Mit dem Scheitern der Volksfronttaktik und dem Sieg des Franco-Regimes wurden Frauen dann vollständig wieder zurück in die konservativen Rollenbilder gedrängt und ihnen das Recht auf Mit- und Selbstbestimmung abgesprochen. Ihre Rolle im Kampf für die Revolution und gegen den Faschismus war eine unverzichtbare gewesen.  

 

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