Kerns Plan A – Warum wir dringend einen Plan B brauchen

Sonja Grusch

Am 11. Jänner – mit fast einem halben Jahr Verspätung – hielt Kern seine Grundsatzrede in der er seinen im Frühsommer 2016 angekündigten New Deal präsentierte. Jetzt heißt das ganze „Plan A“ und wurde in der Welser Messe in einer Mischung aus US-Managementrede und TV-Prediger an die Partei und „die ÖsterreicherInnen“ gebracht. Ob die Rede mit ihrer bemühten Empörung über soziale Ungerechtigkeit rhetorisch gelungen oder eher peinlich war ist zweitrangig. Entscheidend ist, was inhaltlich drinnen steckt. Und ob seine Pläne in der Lage sind, den Aufstieg der FPÖ zu bremsen.

Und hier macht es Sinn, sich die konkreten Vorschläge anzusehen, die hinter den diversen Beispielen stecken, die Kern in seiner Rede zur Stimmungsmache und im Versuch, sich als Volkskanzler zu präsentieren, gebracht hat. Denn er spricht viel über die sehr realen Probleme von Erika und Rene, die Lösungen aber die er anbietet, holt er sich bei WirtschaftsvertreterInnen.

Kern versucht den Kreisky (mehr dazu: https://www.slp.at/artikel/marx-aktuell-kreiskys-wirtschaftspolitik-%E2%80%93-im-interesse-des-kapitals-8016)

Seit Anfang seiner Kanzlerschaft versucht Kern an Kreiskys Wirtschaftspolitik anzuknüpfen (siehe dazu https://www.slp.at/artikel/ist-die-kreisky-nostalgie-berechtigt-5818). Ziel ist die Modernisierung der Wirtschaft von der dann – ganz nach dem Prinzip „Gehts der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ - ganz Österreich profitieren soll. Im Zentrum seiner Pläne – und daran ist nichts neues, dass hören wir bereits seit Monaten – steht Innovation im Bereich ökologische Energie. Kern hofft die Wirtschaft durch Qualität zu beleben. Das Gegenstück zur Kreiskyschen Exportgarantie (die dieser damals einführte um die Exporte zu beleben durch staatliche Garantien) ist die Kapitalgarantie für Investitionen. Das unternehmerische Risiko soll also letztlich der Staat übernehmen. Ohne allerdings Einfluss auf Firmenentscheidungen zu haben. Abgesehen von der politischen Einschätzung der Austrokeynesianischen Maßnahmen unter Kreisky in den 1970er Jahren fanden diese vor einem gänzlich anderem wirtschaftlichem Hintergrund statt. Dass die Weltwirtschaft seit rund zehn Jahren in einer strukturellen Krise ist und Österreich hier mitten drinnen steckt wird gänzlich ignoriert. Selbst von kapitalistischer Sicht aus ist es eine Illusion zu glauben, es gäbe hier eine Nische für die österreichische Wirtschaft die zur allgemeinen Prosperität führt. Tatsächlich ist so eine Orientierung aus kapitalistischer Sicht zwar nötig, um als Zulieferer für die deutsche Wirtschaft nicht auf der Strecke zu bleiben löst aber die fundamentalen Krisentendenzen nicht, von denen Österreich (Stichwort: Bankenkrise und Osteuropa, Exportabhängigkeit etc) stark betroffenist.

Dass es sich aber noch nicht einmal um die Fortsetzung des Austrokeynesianismus führt zeigt sich in der Ankündigung, dass Maßnahmen „Aufkommensneutral“ sein müssen. Das neoliberale Mantra (wir erinnern uns an das Grasser Dogma „ein guter Tag beginnt mit einem ausgeglichenem Budget) dass der Staat „gut wirtschaften“ und „unternehmerisch denken“ muss wurde auch von Kern gleich an den Anfang seiner Rede gestellt. Es wurde zwar auf eine gesellschaftliche Verantwortung für die sozial Schwachen hingewiesen, gleichzeitig aber klassische ÖVP-Formulierungen wie „Leistung muss sich wieder lohnen“ und eine „jeder ist seines Glückes eigener Schmied“ Propaganda vertreten. Wenn angekündigt wird, dass auch „reiche Erben und internationale Unternehmen“ ihren Beitrag leisten müssen klingt das zwar gut, wenn aber gleich im nächsten Satz erklärt wird, es dürfe keine neuen Belastungen geben ist klar, dass es nicht um Umverteilung von oben nach unten geht. Die Pläne sehen zwar 6,2 Milliarden an Einsparungen vor, aber nur 2,5 Milliarden an zusätzlichen Einnahmen. Wie das ohne Kürzungen gehen soll ist fraglich. Eine höhere Besteuerung von Vermögen ist nicht vorgesehen.

Die konkreteste Maßnahme diesbezüglich, die von Kern vorgeschlagene Erbschaftssteuer ist so hoch angesetzt (Steuer erst ab einem Erbe von über 1 Million Euro pro Person) dass sie kaum Auswirkungen haben wird. Absurd mutet auch an, wenn sich Kern über europäische Steueroasen beschwert, die es Großunternehmen möglich machen, kaum Steuern zu zahlen. Denn tatsächlich ist Österreich mit z.B. dem Stiftungsrecht genau eine solche europäische Steueroase – und hier sind auch keine großen Änderungen vorgesehen.

Die meisten konkreten Maßnahmen sind alte Forderungen der Wirtschaft: Lohnnebenkostensenkung, Bürokratieabbau, Arbeitszeitflexibilisierung. Wenn der Plan A der SPÖ betont, dies würde nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen, sondern man könne hier eine win-win Situation schaffen dann ist das entweder naiv oder eine dreiste Lüge. Eine „Beschäftigungsgarantie für Ältere“ wird z.B. angekündigt, sogar an einem kollektivvertraglich entlohnten Arbeitsplatz. Klingt gut? Kann aber auch bedeuten, dass einem älteren Arbeitslosen, der sich weigert einen Job anzunehmen, der weit unter seiner Qualifikation ist und z.B. schlechter bezahlt ist als seine Arbeitslosengeld, der Bezug gestrichen wird. Das „Recht“ kann hier rasch zum Zwang mit Repression werden. Die Ausbildungsgarantie bis 25 wird auch schon länger abgefeiert, nur ist eigentlich völlig unklar, was das konkret bedeutet und sind die Ausbildungen bei den diversen privaten Instituten alles andere als qualitativ. Job findet man damit jedenfalls auch keinen. Wenn ein 12-Stunden-Tag durch das „Recht“ versüsst werden soll, sich dann im Ausgleich längere zusammenhängende Freizeitblöcke zu nehmen so wird der/die einzelne Beschäftigte in der Realität der Willkür der Unternehmen überlassen. Denn jedeR von uns kennt Beispiele, wo sich KollegInnen zustehenden Urlaub (oder sogar Krankenstand) auf Druck der Geschäftsführung nicht nehmen können. Und die Erfahrung zeigt: wenn man den Begehrlichkeiten der Kapitalisten nachgibt, dann kommen sofort die nächsten. Wenn die Gewerkschaftsführung hier also „Kompromissbereitschaft“ signalisiert, dann ist das ein Fehler, denn wir teuer bezahlen werden!

Eine Senkung der Lohnnebenkosten, konkret der Unternehmerbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds bedeuten, dass dort weniger Geld ist. Aus dem FLAF wird u.a. die Kinderbeihilfe finanziert. Bei der Finanzierung solcher Maßnahmen hofft Kern auf Mehreinnahmen durch Wirtschaftswachstum, was weitgehend illusorisch ist, eine Wertschöpfungskomponente (der die ÖVP wohl kaum zustimmen wird) sowie „Bürokratieabbau“. Letzterer ist überhaupt ein Steckenpferd von Kern, der – und hier gibt es keinerlei Unterschiede zu einer Rede aus der Industriellenvereinigung, der ÖVP oder auch der FPÖ – sich in Beispielen über die Kafkaesken Auswüchse der Bürokratie ergeht. Wenn diverse Änderungen beim Arbeitsinspektorat geplant sind (Wegfall von Meldepflichten, Reduzierung von Genehmigungsverfahren etc.) dann ist schwer vorzustellen, dass das nicht zu Lasten von Beschäftigten geht. „Bürokratieabbau“ hat in den letzten Jahren immer bedeutet, dass unten eingespart wird, um oben lukrative Jobs für abgehalfterte PolitikerInnen zu schaffen. Daran wird wohl auch Kern nichts ändern (v.a. weil ja davon auszugehen ist, dass viele SPÖlerInnen nach Neuwahlen keine politischen Posten mehr haben werden).

Der Markt soll es richten

Am Anfang der Rede steht ein Dank fürs Durchhalten an die, die noch in der SPÖ sind und eine Entschuldigung, dass man vom Weg abgekommen ist. Doch was dann inhaltlich folgt, ist die Fortsetzung des neoliberalen Kurses der SPÖ. Der Plan A ist keine Abkehr vom Neoliberalismus. Kern bedient zwar ein bisschen soziale Rhethorik, doch dass muss heutzutage jede bürgerliche Partei tun, will sie gewählt werden. Kern greift die GPA-Forderung nach einem Mindestlohn auf, bleibt aber mit 1.500 Euro um 200.- hinter der GPA-Forderung zurück. Populistisch verbindet er das auch mit der Frauenfrage. Die konkrete Umsetzung verschiebt er allerdings weitgehend auf die „Sozialpartner“. Wie konkret die angekündigten erweiterten Kompetenzen des Sozialministers zur Durchsetzung aussehen sollen ist noch recht unklar. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 1.500.- würde, wenn er eingeführt werden würde, aber eine reale Verbesserung bedeuten. Insgesamt finden sich natürlich auch ein paar positive Punkte im Papier, wie Ausbau der Kinderbetreuung etc. Doch bleiben diese v.a. Ankündigungen deren Umsetzung fraglich ist. Und Formulierungen wie dass das Leistungsprinzip beim Unizugang mit sozialdemokratischen Werten vereinbar ist, lassen nichts gutes erwarten.

Bei seinen Vorschlägen aber setzt er v.a. auf die Kräfte des Marktes, wie z.B. auch bei der Lösung der Wohnungsnot. Die Verlagerung der Maklerkosten auf den Vermieter wäre zu begrüßen. Doch öffentlicher Wohnbau ist keiner vorgesehen. Stattdessen sollen Finanzunternehmen wie Versicherungen etc. mit staatlichen Anreizen motiviert werden, in den „sozialen Wohnbau“ zu investieren. Dieser soziale Wohnbau ist allerdings nicht wirklich sozial, braucht man doch meist hohe Beträge, um sich den Genossenschaftsanteil überhaupt leisten zu können. Und jeder Private, der im Wohnungsbereich investiert, will damit Gewinn machen – und den macht man in einem angespannten Wohnungsmarkt mit hohen Mieten.

Demokratieabbau

Kern nützt, wie auch die FPÖ& CO. es tun, das Migrationsthema als Argument für den Aussbau des staatlichen Repressionsapparates. Polizei, Bundesheer und Geheimdienste sollen mehr Möglichkeiten bekommen („die Handlungsfähigkeit des Staates muss erweitert werden“). Bedient wird das Vorurteil, dass „unsere Lebensweise“ bedroht wäre. Daran ändern ein paar Tränendrüsen-Beispiele über Flüchtlinge, denen wir helfen müssen, gar nichts. Konkret fordert er die Begrenzung der Zuwanderung und nimmt damit auch Tote in Kauf. Und ignoriert völlig die Verantwortung österreichischer Unternehmen bei der Schaffung von Fluchtgründen (durch die Ausbeutung z.B. dieser Regionen) sowie die Tatsache, dass soziale Probleme DAS zentrale Element der Radikalisierung sind. Wer verhindern will, das Menschen flüchten müssen, das sich Menschen Hoffnung in religiösen Fanatismus suchen der muss die soziale Lage in Österreich und den Herkunftsländern der Flüchtlinge verbessern. Also Jobs, Wohungen und eine Zukunft für alle schaffen. Doch das geht nur durch eine massive Umverteilung von oben nach unten. Mehr Überwachung schafft nicht mehr Sicherheit, dass haben der monatelange Ausnahmezustand und die dichten Überwachungsmaßnahmen in Europa gezeigt.

Wenn Kern erklärt, „wir“ müssen die Zuwanderung begrenzen um den Aufstieg des Rechtsextremismus zu stoppen, dann schiebt er die Verantwortung, für die Erfolge der FPÖ den Flüchtlingen in die Schuhe. Dass die Kürzungspolitik der SPÖ, die Korruption und Abgehobenheit der eigentliche Grund für den Aufstieg der FPÖ sind, ignoriert er völlig.

Um der SPÖ die Macht zu sichern (oder: um ganz im Sinne des ideelen Gesamtkapitalisten als der sich die SPÖ schon lange versteht dem Kapital eine stabile Regierung zu sichern) wird auch ein Mehrheitswahlrecht gefordert. Die stärkste Partei soll mit extra-Mandaten belohnt werden. Neue Formationen sollen so ausgebremst werden. Der SPÖ ist durchaus klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich auch auf der Linken eine echte Alternative entwickeln wird, auch gegen diese richtet sich dieser Vorstoß.

Dass es in der SPÖ mit der Demokratie nicht gut bestellt ist zeigt sich auch daran, dass der ganze Vorschlag von oben herab (noch dazu von einem ungewähltem Kanzler) an die Mitgliedschaft gebracht wurde. Es gab keinen Diskussionprozess in den Strukturen der Partei, sondern die Parteiführung hat – wohl in Zusammenarbeit mit Meinungsforschern und Politik“experten“ - diesen Plan entworfen in der Hoffnung, das Ruder noch einmal herum zu reissen.

Wir brauchen einen Plan B!

Kern ist kein Linker, er führt die SPÖ nicht zurück in die „gute alte Zeit“. Auch künftig werden ArbeiterInnen, Jugendliche und sozial Schwache ihre Rechte gegen die SPÖ-Angriffe verteidigen müssen. Wir stehen ohne Partei da. Die SPÖ ist schon lange keine ArbeiterInnenpartei mehr. Eine solche aber brauchen wir dringend!