Ihre Kriege - Unser Widerstand

Wessen Kriege werden geführt, um welche Interessen geht es und kann es überhaupt Gewinner*innen geben?
Karin Wottawa und Sebastian Kugler

Seit Februar erreichen uns täglich neue bedrückende Nachrichten über das Leiden der ukrainischen Bevölkerung durch den Angriffskrieg des Putin-Regimes. Es ist die größte kriegerische Auseinandersetzung in Europa seit langem. Die Überraschung bürgerlicher Kommentator*innen darüber, dass Krieg mitten in Europa nach 1945 überhaupt möglich ist, offenbart jedoch ihre eigene zynische Ignoranz. Vor weniger als 30 Jahren stürzte der Jugoslawienkrieg (mit fleißiger Unterstützung westlicher Großmächte) eine ganze Region ins Chaos - seither stehen EUFOR-Truppen, auch österreichische, vor Ort und sichern die Profitinteressen europäischer Konzerne.

Die Statistik zeigt, dass Kriege bzw. bewaffnete Konflikte im Kapitalismus an der Tagesordnung sind. Das “Conflict Barometer” des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung (HIIK) registrierte für 2020 z.B 180 “gewaltsame Krisen”, 19 „begrenzte Kriege” und 21 “Kriege”. Für große Teile Afrikas und des Nahen und Mittleren Ostens stellen Perioden des Friedens seit Jahrzehnten bis Jahrhunderten nur Atempausen dar - zwischen den Eroberungskriegen des Kolonialismus und den Stellvertreterkriegen von Milizen und Warlords und ihren neokolonialen Finanziers mit geopolitischen Interessen. Seit dem 2. Weltkrieg wurden 70 Millionen Menschen aufgrund von Kriegen bzw. bewaffneten Konflikten getötet, unzählige Menschen wurden durch Kriege zur Flucht gezwungen.

All diese Gewalt ist weder “natürlich” im Menschen verankert noch das Werk einzelner Bösewichte - sie ist Produkt des kapitalistischen Systems. Fern davon, Frieden, Demokratie und Wohlstand zu bringen, bedeutet Kapitalismus den gnadenlosen Kampf um Profite. Imperialismus - die Aufteilung der Welt und der Märkte unter den mächtigsten Wirtschafts- und Militärmächten zum möglichst profitablen Export ihres Kapitals - ist die logische Konsequenz. Seit der Weltwirtschaftskrise 2008 – und massiv beschleunigt durch die Corona-Krise – implodiert die neoliberale Globalisierung. Immer weniger gibt es durch die globale Vernetzung von Märkten und Handelsabkommen zu gewinnen; immer mehr schreiten Blockbildung und “De-Globalisierung” voran. Den größten Ausdruck findet dieser Prozess im “neuen kalten Krieg” zwischen den USA und China. Konzerne und ihre Staaten konzentrieren sich darauf, die eigene Position zu festigen und sich die profitablen Märkte, die noch in Reichweite sind, auf Kosten anderer unter den Nagel zu reißen und durch “Nearshoring” in der eigenen Einflusssphäre zu behalten. Gebiete, die in Grauzonen verschiedener Einflusssphären liegen, werden daher bevorzugt zu Kriegsschauplätzen – vom Balkan 1912/1913 und dann wieder in den 1990ern über Syrien seit 2011 bis zur heutigen Ukraine.

Putin behauptet, die Ukraine zu denazifizieren - unterstützt aber selber Neonazis in Russland und rechte Parteien in Europa. Wenn er von “russischen Sicherheitsinteressen” redet, meint er damit ausschließlich Teile des russischen Kapitals. Für diese “Sicherheitsinteressen” musste nicht nur die russische Bevölkerung als Ganze mit fehlenden demokratischen Rechten und fallenden Lebensstandards zahlen, sondern die Bevölkerungen in Süd-Ossetien und Tschetschenien massenhaft mit ihrem Leben. Wenn jedoch Selenski jetzt als heldenhafter Verteidiger der Demokratie und der ukrainischen Bevölkerung inszeniert wird, wird ignoriert, dass er noch im Oktober 2021 verantwortlich für Angriffe auf Gewerkschaften und Arbeiter*innenrechte war und die Ukraine selbst eines der sozial ungleichsten Länder der Welt ist.

Westliche Staaten behaupten, die Demokratie in der Ukraine und deren staatliche Souveränität zu verteidigen; doch sie haben kein Problem damit, wenn das NATO-Mitglied Türkei Massaker an der kurdischen Bevölkerung begeht und seit Jahren kurdische Regionen bombardiert. Auch die brutale Diktatur in Saudi-Arabien ist seit Jahrzehnten enger Verbündeter des “demokratischen” Westens. Seit 2012 hat sie sogar einen Sitz im Gemeinsamen Lenkungsausschuss der NETMA, der “NATO Eurofighter and Tornado Management Agency” und kann sich über Mitsprache und Stammkundenrabatt bei NATO-Waffen freuen. Den Krieg, den Saudi-Arabien seit 7 Jahren im Jemen führt, bezeichnet die UNO als “größte humanitäre weltweite Katastrophe weltweit” - doch das scheint auf Regierungsbänken, in Redaktionsräumen und Vorstandsetagen niemanden zu interessieren. Und dann ist da noch die Heuchelei Bidens und der USA, die sich wieder als Weltpolizei inszeniert; viele werden sich noch erinnern können, dass die angeblichen Massenvernichtungswaffen, die die Mächtigen der USA im Irak vor 20 Jahren sahen, niemals gefunden wurden - dafür kostete der imperialistische Griff nach geopolitischer Macht und billigem Öl Hunderttausende das Leben und stürzte die ganze Region für die kommenden Jahrzehnte in Chaos und Gewalt.

Auf der ganzen Welt empören sich Menschen nicht nur über Putins Krieg, sondern auch über die Heuchelei seiner imperialistischen Konkurrent*innen und die neue Welle globaler Aufrüstung. Doch wie können wir diesen Krieg stoppen und zukünftige verhindern? Dieser Frage geht dieser Vorwärts-Schwerpunkt nach.​

 

 

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