Führt ein Bündnis mit dem Imperialismus zum Ziel?

Pablo Hörtner

Angesichts der dramatischen Situation im Nahen Osten sind immer mehr Linke der Ansicht, dass nur ein (temporäres) Bündnis mit den Herrschenden und ihren Militärapparaten, dem US-Imperialismus, der NATO etc. zu einer Befriedung der Region führen könne. Die Debatte ist alles andere als neu und verfolgt uns auch nicht erst seit Irak-, Afghanistan- und Libyen-Krieg. Vor Ausbruch des 1. Weltkriegs kritisierte Lenin das Überlaufen "der Sozialisten auf die Seite ihrer nationalen Imperialismen unter dem Vorwand der Verteidigung von Kultur und Demokratie als Sozialchauvinismus und Sozialverrat". 1938 ergänzt Trotzki in seinem Artikel "Lenin und der imperialistische Krieg" in Bezug auf Stalin, Dimitroff & Co. sowie ihre antirevolutionäre und versöhnlerische Politik der "nationalen Einheit" am Vorabend des 2. Weltkrieges: "Es ist nicht schwer zu erraten, wie Lenin die heutigen Führer der Komintern bezeichnet haben würde, die all die Sophistereien der Zweiten Internationale unter den Bedingungen einer weit grundlegenderen Zersetzung der kapitalistischen Zivilisation wiederaufleben haben lassen." Die Kominternpolitik der Volksfront bedeutete, dass den unterdrückten Kolonialvölkern die Unterstützung "ihrer" Kolonialherren vorgeschrieben wurde.

Erneut zitiert der Dissident Trotzki 1938 Lenin: "Einheit mit Opportunisten ist die Allianz der Arbeiter mit ihrer 'eigenen' nationalen Bourgeoisie". Diese Politik dient in Folge der Rettung des Kapitalismus. Trotzki fasst die Debatte innerhalb der sozialistischen Linken am Vorabend des 1. WK folgendermaßen zusammen: "Der Streitpunkt war nicht der, ob sich Sozialisten individuell der Einberufung widersetzen sollten oder nicht – da gab es keine andere Alternative; Desertieren ist keine revolutionäre Politik. Die Streitfrage war die: Sollten sozialistische Parteien die Kriegspolitik unterstützen, für das Kriegsbudget stimmen? Sollten sie dem Kampf gegen die Regierung entsagen und für die 'Verteidigung des Vaterlandes' agitieren? Die Antwort Lenins war NEIN!"

Diese Fragen sind auch heute topaktuell, wenn beispielsweise einige PolitikerInnen der Partei Die LINKE in Deutschland eine militärische Intervention des deutschen Imperialismus in Syrien und dem Irak fordern. Sie suchen ein Bündnis mit der Kapitalistenklasse, anstatt aufzuzeigen, dass die imperialistischen Staaten mit ihrer desaströsen räuberischen Politik die gesamte Region in die Barbarei zu treiben drohen. Das vordringlichste Ziel heute muss der Wiederaufbau einer internationalen revolutionären ArbeiterInnenbewegung sein – und deren Unterstützung gerade im Nahen Osten. Nur diese kann Imperialismus und Kapitalismus auf Dauer bekämpfen und eine menschenwürdige Alternative aufbauen. "Die koloniale Unterdrückung wird immer unerträglicher, je stärker das Erwachen der unterdrückten Nationalitäten und ihr Drang nach nationaler Unabhängigkeit ist. Mit anderen Worten: All jene Wesenszüge, die in die Grundlagen der Leninschen Theorie des imperialistischen Krieges eingebettet waren, haben einen noch schärferen und anschaulicheren Charakter angenommen.", so Trotzki. Diese mahnenden Worte Trotzkis haben in den letzten Jahrzehnten erschreckend an Brisanz gewonnen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: