Die Krise der Klasse im Krisenkapitalismus

Teil 10 der Artikelserie: Geschichte der österreichischen Arbeiter*innenbewegung
Till Ruster

Das Schlagwort der 2000er Jahre war die „Globalisierung“. Auch das österreichische Kapital versuchte, den Anschluss an eine wachsende, internationale Konkurrenz zu halten: Eine Kampfansage an die Arbeiter*innenklasse.

Es gab die großen Angriffe, wie die Pensionsreform der Schüssel-Regierung oder der 12h-Tag unter Türkis-Blau. Vor Allem gab es „leisere“ Maßnahmen über Jahrzehnte, wie eine stetige Aushöhlung des Kollektivvertrag-Systems (Zerteilung des Metall-KVs in 5 kleinere) oder Schwächung der Betriebsratsstrukturen (durch Leiharbeit oder prekäre Beschäftigung) oder auch eine wirtschaftskonforme Gleichschaltung im Bildungsbereich („Bologna-Prozess“, Zenralmatura…). Wirtschaftskrisen wie die von 2009 beschleunigten diese Trends weiter.

Natürlich entstand eine Menge Wut bei den Betroffenen und auch immer wieder Widerstand. Massenstreik gegen die Pensionsreform oder die größte Gewerkschaftsmobilisierung seit Jahrzehnten gegen den 12h-Tag waren Highlights. Immer wieder gab es Bildungsproteste mit Schul- und Unistreiks und auch vereinzelt heftigere KV-Konflikte mit kleineren Streiks.
Die Verbürgerlichung der SPÖ ließ Raum für den Aufstieg der FPÖ. Nicht nur deren Hetze provozierte immer wieder linke Bewegungen, verstärkt auch in Solidarität mit oder getragen von Asylwerber*innen. Und gerade in den letzten Jahren spiegelten sich immer wieder auch die internationalen Bewegungen wie „Black Lives Matter“, feministische Kämpfe oder „Fridays for Future“ in teils riesigen Demos.

Proteste nehmen zu, mehr Menschen sind darin aktiv und die Wut steigt mit der wachsenden Angst vor der Zukunft. Aber diese Kämpfe finden vor dem Hintergrund einer historischen Krise der organisierten Arbeiter*innenbewegung statt. Früher hätte sich zumindest ein Teil dieser Kämpfe auch in der SPÖ gespiegelt. Mitglieder hätten sie dort hineingetragen, Perspektiven und Programm dort diskutiert und versucht, den Bewegungen dort politischen Ausdruck zu verleihen. Die SPÖ war nie eine Kampfpartei, aber doch haben fortschrittliche Jugendliche und Arbeiter*innen oft auf sie orientiert. Doch inzwischen haben Ältere ihr Vertrauen verloren, Jüngere haben die SPÖ schon oft nur als Gegnerin z.B. in Bildungs-, Antirassismus- oder Umwelt- und Klimabewegungen kennengelernt.

Eng verknüpft mit der SPÖ sind die Gewerkschaften, die fast jeden der Angriffe entweder völlig unbeantwortet ließen oder sich nach halbherzigem Kampf geschlagen gaben. Während die SPÖ ihre Mitglieder massenweise verliert, hat die Gewerkschaft ihre zu einer passiven, beitragszahlenden Masse verdammt. Die Führung der Gewerkschaften hält dogmatisch und als letzte der „Sozialpartner“ an dieser gefährlichen Ideologie fest, statt das gigantische Potential an Kampfkraft von offiziell einer Millionen Mitgliedern zu entfesseln. Die Schwäche der Linken in Österreich ist die Schwäche ihrer Organisationen und deren Führung.

Wiederaufbau der österreichischen Arbeiter*innenbewegung

Viele sehen das so und so kam es in den letzten Jahrzehnten immer wieder zu Versuchen, eine Organisation links der SPÖ aufzubauen. Egal ob „Die Linke“, „Wandel“ „Aufbruch“, „Wien Anders“, „Links“ und Andere: Nachhaltig erfolgreich war davon noch keine. Wir haben viele dieser Projekte unterstützt und uns aktiv mit unseren Kräften und Vorschlägen beteiligt. Eine große Schwäche dieser Versuche war bei allen das unklare Verhältnis zwischen Wahlen und sozialen Bewegungen. Stark gepusht vom „Platzhirsch“ KPÖ setzte sich oft ein Verständnis von „Vertretungspolitik“ durch, also „Wählt uns und wir machen das für Euch“, statt einem mobilisierenden, kämpferischen Ansatz. Doch es braucht keine Partei, die etwas „für die Arbeiter*innen“ macht, sondern eine, die Beschäftigte und Jugendliche organisiert. Für uns als ISA ist klar: Das kann eben nicht auf freier Flur oder aus Anlass einer Wahl passieren, sondern muss aus den Kämpfen entstehen, die es inzwischen immer mehr gibt. Abkürzungen funktionieren nicht. Basisorganisationen, wie es sie im Sozial- und Gesundheitsbereich gibt, können dabei ebenso eine Rolle spielen wie Aktivist*innen der Klimabewegung oder feministischen Initiativen und vieles mehr. Das Konzept ist klar: Eine neue Arbeiter*innenpartei muss als Werkzeug für diese Kämpfe verstanden werden. Sie kann über Programmvorschläge, als stabiler Sammelpunkt und eben als Dach dieser Bewegungen den Unterschied zwischen Sieg oder weiteren Niederlagen machen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: