Verstaatlichung: Für Menschen und nicht für Profite!

Die Frage ist nicht „mehr“ oder „weniger“ Staat, sondern welcher Staat in wessen Interesse.
Margarita Wolf

Überall auf der Welt warten Milliarden Menschen sehnsüchtig auf die “befreiende” Impfung gegen Covid-19. Doch überall gibt es die gleichen Probleme: Zu wenig Impfstoff und Reiche, Politik & Promis drängeln vor. Während wir mit massiven privaten Einschränkungen leben, jettet die Hautevolee in Privatjets und Jachten um die Welt. Gleichzeitig stehen die Regierungen bei den Pharmakonzernen an, betteln um bereits zugesicherte Impfdosen, um andere Staaten “auszubremsen”.
Selten war das Versagen des marktwirtschaftlichen Chaos klarer als heute. Immer unverständlicher ist daher, wieso nicht die Möglichkeiten zur Produktion des Impfstoffs gebündelt und zentral geplant werden. Pharmakonzerne lieferten sich einen Wettstreit um die Entwicklung eines Impfstoffes. Nicht aus Menschenliebe: Der Markt wird auf 100 Milliarden Dollar geschätzt. Die EU hat die Forschung für den britisch-schwedischen Hersteller Astra Zeneca mit über 330 Millionen Euro gefördert. Doch der hält sich nicht an die vage versprochenen Lieferungen und liefert ganz im Sinn des “unternehmerischen Denkens” an jene, die am meisten zahlen.
Diese “Exportpolitik” der Pharmakonzerne wird von der EU kritisiert und man denkt über Beschränkungen nach. Nach über zwei Jahrzehnten Neoliberalismus wird auch aus Wirtschaftskreisen der Ruf nach staatlicher Intervention wieder lauter. Die Widersprüche des Kapitalismus bleiben aber unangetastet. Die 2.189 reichsten Menschen der Welt besitzen laut "Billionaires Report“ 10,2 Billionen Dollar (Stand Juli 2020) - Tendenz steigend. 
Neben Hilfspaketen für Unternehmen gehen Regierungen weiter. In den USA z.B. setzt Biden den Defense Production Act ein, um Firmen zur Produktion von Corona-Schutz zu “zwingen”. Auch hier geht es darum, mit öffentlichen Geldern das ganze System – und damit auch die kapitalistische Wirtschaft - am Laufen zu halten. Nicht nur die Kaufkraft der Massen soll erhalten, sondern auch Unruhen verhindert werden, um das Profitsystem zu stabilisieren. Das 1,9 Billionen schwere Hilfspaket in den USA ändert am Kapitalismus ebenso wenig, wie das Kurzarbeitsmodell von Kurz. 
Staatliche Gelder fließen auch in die Impfstoffforschung. Die Ergebnisse bleiben trotzdem privat, also geheim. Der internationale Druck bis hin zur WHO steigt, das Patentrecht für Covid-19 Impfstoffe auszusetzen. Die neoliberale Speerspitze WTO und Staaten, die „ihre“ nationalen Pharmaunternehmen schützen wollen, blocken ab. Ein Ausscheren von Nationalstaaten bis hin zum Bruch des Patentrechtes, wie es schon in der Vergangenheit mit HIV-Medikamenten passiert ist, ist absolut möglich. So könnten auf nationaler Ebene Impfstoffkapazitäten geschaffen und die Abhängigkeit reduziert werden. Zu Recht stehen viele Menschen Big Pharma skeptisch gegenüber und als Folge dann auch der Covid-19 Impfung. Denn wo die Information und die öffentliche Kontrolle fehlt, bleibt das Vertrauen auf der Strecke.
Weder haben Politiker*innen noch weniger Aktionär*innen dazu beigetragen, dass in Rekordzeit gleich mehrere Impfstoffe verfügbar sind. Zu verdanken haben wir das massiven staatlichen Investitionen und v.a. den Beschäftigten in diesen Bereichen. Sie sind die wahren Expert*innen, wenn es um die Herstellung von Masken, Tests und Impfungen geht. 
Russland und China scheinen „besser“ durch die Krise zu kommen. Dort besitzt der Staat weit mehr Einfluss. Doch auch Russland und China sind heute kapitalistische Staaten, die Interessen von herrschender Klasse und Konzernen stehen im Vordergrund, durchgesetzt wird das mit massiver Repression. Und beide nutzen ihren Impfstoff massiv zu Ausbau und Sicherung ihrer politischen und wirtschaftlichen Einflusszonen. Das geht 1:1 zu Lasten der russischen und chinesischen Bevölkerung, die auch noch nicht geimpft ist. Und auch wenn die EU wieder völlig versagt hat, liegt die Lösung nicht in einer Rückkehr zu nationalistischen Konzepten. Ganz im Gegenteil, Covid-19 zeigt auch hier die weltweite, internationale Dimension von Ursache und Lösung. Das fängt schon bei der Konzentration der Produktion des Impfstoffs, der Masken etc. an. Es braucht also keine nationalen Sonderwege zu Lasten anderer im Verteilungskampf, der in einer Überflussgesellschaft nicht notwendig ist. 
Die einfache Gleichung “mehr Staat” sei automatisch “weniger Kapitalismus” geht nicht auf. Gerade Österreich hatte nach 1945 lang einen großen verstaatlichten Sektor. Dieser diente aber keinem antikapitalistischen Konzept sondern dem Aufbau des heimischen Kapitalismus. Die Gesetze zur Verstaatlichung wurden nicht nur von der bürgerlichen ÖVP mitgetragen, sondern teilweise von ihr gefordert.
Wenn wir Verstaatlichung fordern, machen wir klar, in wessen Interesse das geschehen soll. Wir fordern daher auch die Übernahme und Verwaltung der Betriebe durch und im Interesse der Arbeiter*innenklasse und in weiterer Folge durch einen Arbeiter*innenstaat. Es braucht eine demokratische, zentrale und ökologische Planung und Produktion der Wirtschaft und der Gesellschaft zur Lösung der Probleme, sei es Covid-19, Hunger, Armut oder Klimawandel. Es braucht eine sozialistische Gesellschaft!

 

 

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