Weltwirtschaft und 11. September

Bin Laden Schuld an Krise?
Franz Breier jun.

Seit dem 11. September wurden in den USA 1 Million Arbeitsplätze im Gastgewerbe abgebaut, über 100.000 in der Luftfahrt. Eine Pleitewelle schwappt über Europa. Versicherungsgesellschaften auf der ganzen Welt sind ebenso in Turbulenzen. An all dem sei der Terror vom 11. September schuld. Ein modernes Märchen.

Die Prognosen sagten eine Rezession der Weltwirtschaft schon vor dem 11.9. voraus. Der Motor, die USA, stottert. Ehemals „aufstrebende Märkte“ in Asien und Lateinamerika bekamen dies voll zu spüren. Japan befindet sich seit einem Jahrzehnt in einer Serie von Rezessionen. Die Kursverluste seit Jahresbeginn an den führenden Börsen betragen zwischen - 15% und - 28%. Der 11.9. ist keineswegs unbedeutend. Die unmittelbaren Folgen (allein für das Handelszentrum New York) sind beachtlich. Im großen Maßstab gesehen beschleunigt der Terror die Entwicklungen, ist aber nicht seine Ursache.

Zu viel Chaos

Der Kapitalismus produziert Krisen, da er Widersprüche anhäuft. Weltweite Produktion und Handel stehen im Gegensatz zur Planlosigkeit zwischen den zusammenhängenden Märkten und in ihnen. Es wird nicht für die Bedürfnisbefriedigung produziert, sondern um Kapital möglichst effektiv einzusetzen. Dieses ist in wenigen Händen konzentriert. Die Einbeziehung aller arbeitsfähigen Menschen steht dazu im Konflikt. Deren relative und absolute Verarmung aufgrund von Arbeitslosigkeit und prinzipiell niedrigen Löhnen schränkt die Absätze ein. Das Kapital bleibt im großen Maßstab auf zu viel Waren sitzen. Zu viel Kapital ist vorhanden, um es effektiv in die Produktion investieren zu können. Den Überkapazitäten wird mit Pleiten, Fusionen und Massenentlassungen entgegengewirkt. Die Politik verteilt mittels Sozialabbau sowie Steuern/Subventionen in die selbe Richtung um.

Die Lüge von der „nationalen Einheit“

Unmittelbar nach dem 11.9. pumpten die großen und Bundes-Banken der USA, Japans und Europas zusammen 120 Mrd. US-Dollar in die Wirtschaft, um ein Versiegen der internationalen Geldströme zu unterbinden. Den US-Fluglinien gewährte die US-Regierung umgehend über 17 Mrd. Dollar. (Die Vorbeter der neoliberalen Offensive entdecken jetzt wieder Staatsinterventionismus.) Weltweit werden Unternehmen nun mit Subventionen vollgestopft, während die ArbeiterInnenklasse in Form von Jobabbau und Massensteuern die Rechnung zu zahlen hat. Die von oben verordnete „nationale Einheit“ gibt es nicht, erst recht nicht in der Krise. Bei der maroden Swissair bangen 50.000 Menschen um ihren Job. Die AUA wird mehr als die bisher angekündigten 800 Stellen abbauen, will sie doch von einem Großen (z.B. Lufthansa) übernommen werden. Der Abbau der Kapazitäten mittels (Mega-)Fusionen wird im EU-Raum zu einer Handvoll verbleibender Fluglinien führen.
Die Krise von Versicherungs- und Fondsgesellschaften gibt es vor allem nicht deshalb, weil durch den Terroranschlag soviel zu ersetzen wäre. Ein Gutteil des verwalteten Vermögens wird in die Aktienspekulation geworfen. In Österreich zirkulieren bei einem jährlichen Prämienaufkommen von 161 Mrd. über 115 Mrd. an den Börsen. In den USA befindet sich ein Drittel des Vermögens der gesamten ArbeiterInnenklasse über solche Fonds an den Aktienmärkten. Diese Märkte, vor allem der für High-Tech-Aktien (Nasdaq), wurde bereits vor über einem Jahr endgültig entzaubert.

Ende des US-Booms

Die Währungskrise in Asien 1997 und in Folge in Russland und Lateinamerika führte aufgrund der massiven Kapitalflucht in die USA zu einer Verlängerung des US-Booms. Trotz eines hohen US-Handelsdefizits blieb der Dollar aufgrund der enormen Kapitalrückflüsse stabil. Doch global standen seit dem die Zeichen auf Sturm: Diese Krise war weder regional noch auf einen speziellen Sektor begrenzt. Der US-Boom der 90er fand auf Grundlage enormer Inlandsnachfrage bei wachsender staatlicher und privater Verschuldung statt. Kredite waren extrem billig, auch für die abgehobene Aktienspekulation. Das Vertrauen der Anleger und Banken war da. Der 11.9. beschleunigt die Erosion dieses Vertrauens. Die Ungewissheit nach den Anschlägen ist mit ein Grund, warum die USA das Image des „sicheren Hafens“ verloren haben. Die Verschuldung, in Boom-Zeiten ein „kalkulierbares“ Problem, wird nun zum Ballast. Ein Wertverfall des Dollar droht. Die Weltwirtschaft ist direkt und indirekt von der US-Wirtschaft abhängig. Eine Schrumpfung des US-BIP im nächsten Quartal von 0,5% wird im EU-Raum von -0,8% und in Japan (schon gewohnt) bei -1,7% begleitet werden. So offizielle Prognosen.

Kriegswirtschaft?

Kriege konnten in der Vergangenheit immer wieder die morsche kapitalistische Wirtschaft ankurbeln. Dabei darf man/frau aber die allgemeine Verfassung nicht aus den Augen lassen. Auch der Krieg selbst hat unberechenbare Folgen: Saudi Arabien, ein wackliges Glied in der Kette des US-Imperialismus, kontrolliert ein Viertel (!) der globalen Öl-Produktion. In Zeiten der Rezession hat die Erhöhung der Militärausgaben auch zur Folge, das Budget über Gebühr zu strapazieren. Die Regierungen müssen für diese militärischen Ausgaben bzw. Krisen die Gefahren erhöhter Inflation in Kauf nehmen und wieder verstärkt die ArbeiterInnenklasse zur Kassa bitten. „Nationale Schulterschlüsse“, wie sie von Teilen der Gewerkschaftsspitzen gefordert werden, bieten keine Alternative! Die Lösung besteht in internationaler Solida- rität aller Unterdrückten und Betroffenen von Krieg und sozialem Elend. Einen Ansatzpunkt dafür bietet die Demo am 14. Dezember in Brüssel gegen die Festung Europa und die Kriegstreiber.

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