Volle Solidarität mit der Basisinitiative „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.

Gemeinsam kämpfen für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen!
Flo Klabacher

Am 21. März gingen über 400 Beschäftigte aus dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) auf die Straße, um zu protestieren. Grund dafür ist das neue Gehaltsschema, dass für Beschäftigte der Pflege seit 1. Jänner 2018 in Kraft ist. Sie ist eine erhebliche finanzielle Verbesserung, für Pflegende, die schon vor dem 1.1.2018 im KAV beschäftigt aren aber nicht zugänglich. Das Bedeutet eine enorme Schlechterstellung der dienstälteren Kolleg*innen. Die Einstiegsgehälter im neuen Gehaltsschema weit höher, auch die Überstundenpauschalen sind höher. Zulagen werden ins Grundgehalt verschoben, dadurch finden sie sich auch im 13. & 14. Gehalt wieder – also gibts auch mehr Weihnachts- und Urlaubsgeld. Insgesamt geht es um mehrere, bis über zehntausend (!) Euro Differenz pro Jahr. Die Löhne steigen mit den Dienstjahren zwar im neuen Schema langsamer an, aber das ist nebensächlich. Denn auch im alten Schema steigen sie so langsam, dass es Jahrzehnte dauert, bis sich die Löhne angleichen (wenn überhaupt). Wer kann sich heute noch vorstellen, Jahrzehnte in der Pflege zu arbeiten, bei den aktuellen Arbeitsbedingungen? Und selbst wenn: „ Ein Vertragsbediensteter der Kategorie K4 (diplomierte Pflege in den Spezialbereichen OP oder Intensivstation) verdiene nach dem alten Schema nach 44 Dienstjahren (maximale Stufe) um rund 310.000 Euro brutto weniger.“ (Beispiel von kurier.at)

Der Grund für die Reform sind wohl weniger die Verhandlungskünste der younion-Gewerkschafter*innen. Der Fachkräftemangel in der Pflege spitzt sich weiter zu, davor warnt auch die Wiener Arbeiterkammer. Löhne und Arbeitsbedingungen in der Krankenpflege stehen in keinem Verhältnis zur körperlich und psychisch sehr belastenden Arbeit, immer weniger Menschen sind bereit, sich dem auszusetzen. Die Reform des Gesundheits- und Krankenpfelgegesetzes von 2016 (SPÖVP) verstärkt diesen Trend. Laut aktueller Wifo-Studie sind bis 2030 aber Österreichweit 24.000 zusätzliche Pflegekräfte nötig, um den Bedarf zu decken – also 39% mehr als jetzt! Die Wiener Stadtregierung versucht offenbar, hier gegenzusteuern und Jobs in der Krankenpflege durch höhere Löhne attraktiver zu machen. Das erklärt auch, warum nur Kolleg*innen, die neu ins Dienstverhältnis eintreten von der Reform profitieren sollen: Die, die schon da sind, braucht man ja nicht mehr anwerben und kann sie weiterhin schlecht bezahlen – doch hier haben Stadtregierung und Gewerkschaftsführung die Rechnung ohne die Kolleg*innen gemacht.

Denn die Wut der Beschäftigten richtet sich nicht nur und nicht in erster Linie gegen Stadtregierung und Gesundheitsstadtrat Hacker, sondern gegen die Führung der younion um den Vorsitzenden Meidlinger, die das Ergebnis ausverhandelt hat und sich weigert, die Proteste zu unterstützen. Die Beschäftigten fordern eine Optierungsmöglichkeit um selbst entscheiden zu können, ob sie nach altem oder neuem Schema bezahlt werden, rückwirkend bis 1.1.2018, damit sie das bereits verlorene Geld nachbezahlt bekommen. Die Kolleg*innen werden auf das Ende einer zweijährigen Evaluierungsphase Ende 2019 vertröstet, erst dann könne man über eine Option, in das neue Schema zu wechseln, diskutieren. Den Betroffenen ist das zu wenig und zu spät: In diesem Zeitraum verlieren viele zwischen 13.000 und 15.000 Euro, manche über 20.000 Euro!
Eine Petition, die die Frage erneut auf die Tagesordnung des Stadtrates setzen soll, wurde inzwischen von über 10.000 Menschen unterschrieben und übergeben. Gleichzeitig organisiert die Initiative „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ eine Kampagne in Sozialen Medien, mehrere Treffen, verbreitet die Petition und organisierte eben auch die Protestkundgebung am 21.3 vor dem Gewerkschaftshaus der younion. Dort wurde Meidlinger von hunderten Beschäftigten die sich mit den Lohnverlusten nicht zufrieden geben, zur Rede gestellt. Antworten blieb er schuldig.
Dass sich die Beschäftigten mit einer Protestkundgebung gegen die Gewerkschaftsführung richten müssen, die sich weigert, für ihre Forderungen zu kämpfen, zeigt wie dringend nötig eine kämpferische, organisierte Opposition gegen den sozialpartner*innenschaftlichen Kuschelkurs der ÖGB-Führung ist. Offensichtlich sind die Betroffenen im KAV – wie in vielen anderen Bereichen – viel kämpferischer und bereit, weiter zu gehen als ihre „Vertreter*innen“ in der Gewerkschaftsführung. Das haben auch schon die „Care Revolution“ Proteste in Wien gezeigt, als hunderte Kolleg*innen immer wieder für mehr Personal und höhere Löhne auf die Straße gingen und von den Gewerkschaften ignoriert wurden.

Die nähe zwischen Gewerkschaften und SPÖ spielt hier eine große Rolle. Viele Funktionäre, wie younion-Chef Meidlinger, sind Mitglied der Partei, die für die prekäre Lage in Wiener Spitälern verantwortlich ist. Mit dem „Spitalskonzept 2030“ setzt die Wiener SPÖ Schritt für Schritt einen Großangriff auf die den Gesundheitsbereich um. Fünf Spitäler und viele Abteilungen wurden bzw. sollen noch geschlossen werden, in einigen Bereichen wird mit Ausgegliederungen begonnen - sogar eine Ausgliederung des gesamten KAV wurde monatelang diskutiert. Fehlende Personalplanung und damit immer höhere Arbeitsbelastung für die Beschäftigten sind ein Ergebnis dieser Politik. Die Wiener Stadtregierung verfolgt das Ziel, bis 2020 10% ihres Budgets einzusparen – und darunter leiden besonders auch Beschäftige im Gesundheitsbereich. Ein Kampf für bessere Löhne im KAV und gegen die immer schlechteren Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich ist ein Kampf gegen die SPÖ und wird schwer zu gewinnen sein, wenn die „Führung“ unserer Kampforganisation gemeinsame Sache mit dem Gegner macht. Das bekommen die Kolleg*innen im KAV jetzt deutlich zu spüren.

Trotzdem: Schon Ende Februar hat sich gezeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen. Die Stadtregierung gestand 39 Millionen Euro zu, die für Lohnerhöhungen bei Kolleg*innen im alten Lohnschema verwendet werden sollen. Eine Erhöhung um 172 Euro im Monat steht jetzt im Raum. Das ist eine erster Erfolg, reicht aber nicht und die Kolleg*innen wollen zu Recht weiterkämpfen.
Von Social-Media-Kampagnen über weitere Kundgebungen oder Demos bis hin zu öffentlichen Betriebsversammlungen und Streiks gibt es eine ganze Palette von Möglichkeiten und Eskalationsstufen für einen Arbeitskampf. Schon bei der Kundgebung am 21.3 haben die Kolleg*innen deutlich gemacht, dass sie bereit sind die ganze Palette zu nützen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Dabei wird es wichtig sein, einen möglichst großen Teil der Betroffenen einzubinden. Es braucht Aktionsgruppen an den Dienststellen, die die Probleme im Betrieb diskutieren, Forderungen entwickeln, sich überbetrieblich vernetzen und gemeinsam die nächsten Aktionen planen und vorbereiten. Gerade, wenn sich die Proteste weiter entwickeln und von den Kolleg*innen geforderte Streiks anstehen, werden demokratische Strukturen wie Aktionsgruppen und Streikkomitees notwendig sein, um bei einen Arbeitskampf nicht doch wieder von einer abgehobenen Gewerkschaftsführung aufs Kreuz gelegt zu werden. Schritte in diese Richtung wurden beim offenen Treffen am 2. April bereits gesetzt. Auch dort war die Stimmung kämpferisch: Über 100 Kolleg*innen aus verschiedenen KAV-Spitälern haben diskutiert, was nächste Schritte sein und wie man sich auch an den einzelnen Krankenhäusern bzw. Stationen am besten organisieren kann. Weitere Aktion werden bereits geplant – als nächstes wird es am 6.3 einen Flashmob beim Tag der offenen Tür im Krankenhaus Nord geben. Am 7. Mai soll es dann eine große Demonstration geben.

Wichtig ist, dass keine Spaltung zwischen Kolleg*innen im alten und neuen Bezahlungsschema passiert. Die Beschäftigten im alten Schema, die für Verbesserungen kämpfen, machen das auch deutlich. Es geht nicht darum, den neuen Kolleg*innen etwas wegzunehmen, sondern dass sie für ihr Recht, ins neue Schema zu wechseln, kämpfen. Ein Kollege, der nach dem neuen Schema bezahlt wird, schreibt auf Facebook: „Ich habe dieses Jahr beim KAV mit 30 Stunden angefangen. Und sehe Kollegen, die länger bei der Gemeinde dabei sind als ich und 40 Stunden arbeiten, gerade mal etwas mehr verdienen als ich. Im Verhältnis verdiene ich mehr als langjährige Mitarbeiter*innen? Wo bleibt da die Gerechtigkeit?“ - das zeigt, dass auch Kolleg*innen, die nicht direkt betroffen sind, sich solidarisch zeigen.

Um eine möglichst breite Basis für einen gemeinsamen Kampf aller Beschäftigten zu schaffen, gilt es, die aktuelle Bewegung möglichst breit aufzustellen und die Forderung nach Optierungsmöglichkeit in einen breiten Forderungskatalog einzubetten. So können mehr Kolleg*innen aktiv in den Kampf eingebunden werden – und die Probleme im Gesundheisbereich gehen über die Höhe der Löhne hinaus: Bei vergangenen Bewegungen waren vor Allem auch Forderung nach mehr Personal zentral (+30% war die Forderung der Care-Revoluttion- Demonstrationen der letzten Jahre). Bei den Streiks im Sozialbereich zu den Kollektivvertragsverhandlungen 2018 und 2019, die von vielen Beschäftigten in der Krankenpflege beobachtet wurden, spielte die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung eine zentrale Rolle – auch diese Forderung kann Kolleg*innen im KAV mobilisieren. Eine Diskussion über die Frage, welchen Gesundheitsbereich wir haben wollen, wie die Arbeitsbedingungen dafür aussehen müssen und wie wir ihn erkämpfen können, schafft die beste Basis für eine gemeinsame Bewegung aller Kolleg*innen aus dem neuen, alten und auch ganz alten Lohnschema. Und die Einbindung von anderen, die mit den Beschäftigten solidarisch sind. Denn internationale Bewegungen für Verbesserungen im Pflegebereich wie an der Berliner Charité, aber auch Proteste in Österreich wie bei der AUVA haben gezeigt: Patient*innen und die, die es noch werden können und kein Geld für Privatkliniken und Zusatzversicherungen haben, wissen, dass bessere Bedingungen für das Personal auch bessere Betreuung für sie bedeutet. Das Spitalskonzept 2030 hat für viele schon spürbare Auswirkungen, wie die völlige Überlastung der Krankenhäuser im Winter 2016/17 (Stichwort: Gangbetten) oder die fehlende Nahversorgung durch Spitals- und Stationsschließungen. Viele Menschen aus der Arbeiter*innenklasse sind bereit, solche Kämpfe zu unterstützen.

Die nächste Gelegenheit dazu wird es bereits am Samstag den 6.4. beim Krankenhaus Nord geben: Am Tag der offenen Tür werden hier ab 9:30 Uhr Bürgermeister Ludwig und Gesunheitsstadtrat Hacker konfrontiert:

Die Initiative auf Facebook:

https://www.facebook.com/Gleicherlohngleichearbeit/?hc_location=ufi