Sozialpartnerschaft? Es gibt kein Zurück!

AUSTRIAN, Bank Austria, ÖBB, ... Auch 2005 liegen Streiks in der Luft
Gerhard Ziegler

Wurden Streiks hierzulande in den Statistiken jahrzehntelang in Minuten, oft sogar Sekunden pro Beschäftigten angegeben, kommt es seit zwei Jahren zu einer Reihe von Mobilisierungen und Streiks.  Ob (General-)Streik gegen den Pensionsraub, AUSTRIAN, ÖBB, Postbus oder Veloce - wir haben es mit einer neuen Qualität von Klassenkämpfen zu tun. Die SLP hat einige Erfahrungen und Perspektiven in einem Dokument zur Situation in Östereich bei ihrer Konferenz im Jänner festgehalten. Nicht einmal ein Monat danach zeigt sich die Richtigkeit der dort getroffenen Feststellung: Nämlich dass der Klassenfrieden nicht nach Österreich zurückkehren wird.

Kein Ende in Sicht

Der Kapitalismus befindet sich weltweit ökonomisch in der Krise, daher wollen Unternehmer und Staat “Kosten” sparen. Die Angriffe werden immer aggressiver. Mit Hilfe der Keule Standortlogik findet eine Nivellierung der Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen nach unten Richtung “Dritte-Welt-Standard” statt. Die Forderung von Veit Sorger, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung, nach Verlängerung der Normalarbeitszeit auf bis zu 12 (!) Stunden, die Aufkündigung des Kollektivvertrages bei den Druckereiarbeitern und bei der Bank Austria, geplante Schließungen von Postämtern, die Diskussion um Einführung eines Schulgeldes, die Gesundheits”reform”, sind nur einige Beispiele für weiteren Sozialabbau und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.
Wir wollen keinem falschen Automatismus – Verschlechterung und verstärkte Angriffe würden automatisch den Kampfwillen steigern – das Wort reden. Wut, Zynismus und Resignation stehen nebeneinander, doch insgesamt ist die Kampfbereitschaft noch ungebrochen. Mittlerweile gibt es Signale seitens der Eisenbahnergewerkschaft, wieder in Streik zu treten, wenn die Regierung den Kündigungsschutz der Eisenbahner tatsächlich in Frage stellen will. Auf einer Betriebsversammlung beschloss auch die AUSTRIAN-Belegschaft, erneut zu streiken, falls das Management die im Zuge des letzten Arbeitskampfes erzielten Vereinbarungen nicht einhalten will.

Das Hauptproblem: Gewerkschaftsbürokratie demobilisiert!

Eine Bilanzierung dieser Arbeitskämpfe führt zu einem widersprüchlichen Schluß: Überall dort, wo die Kämpfe offensiv geführt wurden und von einer breiten Basis der Beschäftigten – wie bei der AUSTRIAN oder Veloce, aber auch Postbus – getragen wurden, haben sie durchwegs zu Erfolgen oder zumindest Teilerfolgen geführt.
Dort jedoch, wo die Kämpfe defensiv geführt wurden und von der Gewerkschaftsbürokratie von vornherein in Umfang und Ziel begrenzt wurden, um den Kontrahenten möglichst wenig weh zu tun (v.a. bei den Mobilisierungen gegen den Pensionsraub, aber auch beim ÖBB-Streik), wurden die Aktionen trotz Kampfbereitschaft der Beschäftigten nicht ausgeweitet sondern vorzeitig abgebrochen. Die Gründe für diese defensive Vorgangsweise liegen zum einen in der mangelnden Kampftradition der österreichischen ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung (über 50 Jahre Politik der Sozialpartnerschaft), weshalb es oft schon an einfachen technischen und organisatorischen Erfahrungen der Funktionäre mangelt, aber auch und vor allem am weitverbreiteten Kampfunwillen der Gewerkschaftsbürokratie. Bei der AUSTRIAN ist ÖGB-Präsident Verzetnitsch der Belegschaft schon mehrmals in den Rücken gefallen. Nun wurde der zuständige Gewerkschaftssekretär Robert Hengster, der die AUSTRIAN-Beschäftigten bisher vorbehaltlos unterstützt hat, gekündigt! Offensichtlich sollte mit dieser administrativen Maßnahme der Kampfwille bei der AUSTRIAN gebrochen werden. Der AUSTRIAN-Bord-Betriebsrat fordert zu Recht die Rücknahme der Kündigung. Trotz einer gewissen Müdigkeit aufgrund der Hinhaltetaktik durch das Management ist die Belegschaft nach wie vor bereit, für ihre Rechte zu kämpfen.
Bei der Bank Austria versucht die Betriebsratsobfrau Fuhrmann zu bremsen, wo es nur geht. Trotzdem - und trotz vieler Drohungen und Einschüchterungen durch Vorgesetzte - war die Betriebsversammlung gut besucht. Es kamen auch viele, die gar nicht Dienst hatten. Der Belegschaft droht neben arbeitsrechtlichen Verschlechterungen die Auslagerung des Zahlungsverkehrs nach Bratislava. Das würde Auspendeln bedeuten. Der Grundtenor bei der Betriebsversammlung war gegen die abwartende Haltung der Gewerkschaftsführung gerichtet: “Wir müssen endlich was tun!” Den meisten Applaus erhielten Wortmeldungen, die Streiks forderten. Bei den ÖBB steht die Gewerkschaftsführung unter großem Druck. Der Chef der Eisenbahnergewerkschaft, Haberzettl, ist enorm unbeliebt und es kommt zu massenhaften Austritten aus der Gewerkschaft. Mehr als vier Fünftel der Fahrdienstbegleiter am Westbahnhof haben an Haberzettl einen Protestbrief geschrieben mit dem Inhalt: entweder Streikmaßnahmen oder wir treten aus. Daneben gibt KollegInnen, die die Möglichkeit einer eigenständigen, kämpferischen Kandidatur bei den nächsten Personalvertretungswahlen ins Auge fassen.

Für eine kämpferische Alternative

Die bremsende Wirkung durch die Gewerkschaftsbürokratie stellt in doppelter Hinsicht eine enorme Gefahr dar. Zum einen werden die Kämpfe gleich von vornherein abgewiegelt oder aber, wenn der Druck der Basis zu stark wird, wird der Kampf zwar aufgenommen, aber derart defensiv, daß er in der Regel in eine Niederlage führt. Zum anderen fördert eine solche Haltung Zynismus, Resignation und Gewerkschaftsaustritte und schwächt damit Enthusiasmus und Kampfwillen für die Zukunft. Wir haben daher die Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften ins Leben gerufen. Sie versteht sich als überfraktionelle Initiative mit dem Anspruch, alle aktiven GewerkschafterInnen, die für kämpferische Gewerkschaften mit demokratischen Strukturen eintreten, zusammenzufassen.
 Ein, zwei wichtige Siege in einem bedeutsamen Bereich - etwa bei den ÖBB - könnten das Kräfteverhältnis von Grund auf ändern und den kampfbewußten Teilen Auftrieb verleihen. Das könnte der Schlüssel werden zur Herausbildung einer breiteren linken Gewerkschaftsopposition und auch zum Entstehen einer neuen - sozialistischen - ArbeiterInnenpartei, die immer notwendiger wird, um die Offensive des Kapitals wirksam bekämpfen zu können, sein.

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