Rechte Demagogie und linke Perspektiven

EU-Vertrag: Wie können wir Widerstand breit und kämpferisch organisieren?
Jan Rybak

Nach dem kläglichen Scheitern der EU-Verfassung haben sich die Herrschenden Europas nach einer kurzen Phase des Schocks zu einem neuen Anlauf, gegen den Willen der europäischen Bevölkerung entschlossen. Es ist bezeichnend für das Demokratieverständnis der EU, dass es nur in Irland eine Abstimmung über den Reformvertrag geben wird. Frei nach dem Motto: Wenn das Volk nicht will wie wir, dann wird es nicht gefragt. Gusenbauer hat schon angekündigt, ein irisches “Nein” nicht anzuerkennen.

Neoliberalismus pur    

Der EU-Reformvertrag enthält unter anderem die Verpflichtung zur Aufrüstung der Mitgliedsstaaten, zum Aufstellen von EU-Battlegroups und deren Einsatz im Ausland zur Sicherung von Rohstoffen und Absatzmärkten für die europäische Wirtschaft. Kollektivverträge sollen aufgeweicht und Gewerkschaften geschwächt werden. Das Sozial- und Bildungssystem, Unternehmen und natürliche Ressourcen (wie z.B. Wasser) sollen privatisiert werden. Dazu kommt der weitere Ausbau der “Festung EUropa” zum unüberwindlichen Hindernis für Flüchtlinge und Verfolgte.

Demagogie und Lügen

Nicht nur, dass das BZÖ in der Regierung für die EU-Verfassung gestimmt hat. Auch die tägliche Politik von FPÖ und BZÖ strafen ihre Propaganda gegen den Reformvertrag Lügen. Die Verpflichtung zur Aufrüstung und die Beteiligung an imperialistischen Kriegen ist nichts EU-Spezifisches. FPÖ und ÖVP haben gemeinsam die Eurofighter gekauft – und dabei Milliarden versenkt. Das BZÖ hat selbst in Kärnten große Teile der öffentlichen Wasserversorgung privatisiert.
In der Tat befriedigt der EU-Reformvertrag die Bedürfnisse der Banken und Großkonzerne nach billigen Arbeitskräften mit immer weniger Rechten, nach Kriegseinsätze für die Sicherung von Rohstoffen und Absatzmärkten, nach weiterer Deregulierungen und Privatisierungen. FPÖ, BZÖ und Kronen Zeitung stehen für genau dieselbe Politik, nur eben in einem “nationalen” Rahmen. Das Resultat bleibt gleich – Schwächung der Gewerkschaften, verstärkte Ausbeutung der ArbeitnehmerInnen und Rassismus. Nur soll nach den Vorstellungen der rechten DemagogInnen an Stelle der Festung EUropa eben die Festung Österreich gegen Flüchtlinge ausgebaut werden.

Mobilisierung

In Österreich demonstrierten Tausende gegen den Reformvertrag. Auf der Demonstration, die von Kronen Zeitung, FPÖ und BZÖ beworben wurde, und für die aus ganz Österreich DemonstrantInnen angekarrt wurden, kam es zu einer Kundgebung von militanten Neonazis. Ein Block der ultra-rechten NVP marschierte mit Sprüchen wie “Frei, sozial, national”, die der deutschen NPD entlehnt sind. Flugblätter zur Freilassung von Gerd Honsik, einem österreichischen Neonaziführer, der wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung im Gefängnis sitzt, wurden verteilt. AntifaschistInnen, die das offene Auftreten von Neonazis an den Rockschößen der Kronen Zeitung nicht dulden wollten, wurden verprügelt.
Selbst in die Großdemonstration der linken Plattform “Volxabstimmung” versuchten sich Rechtsextreme zu mischen und zu provozieren. Nur mit der Entschlossenheit antifaschistischer DemonstrantInnen – z.B. jenen der SLP – konnten sie aus der Demo hinausgedrängt werden.
Die linke Bewegung gegen den EU-Reformvertrag muss sich klar von rechten DemagogInnen und ihrem primitiven Nationalismus abgrenzen. Sie braucht ein antirassistisches und antikapitalistisches Programm.Das fehlte bis zuletzt – v.a. im öffentlichen Auftritt. Selbst einige deklariert linke AktivistInnen fürchteten offenbar, man würde an “Breite” verlieren. Diese Strategie ist definitiv gescheitert. Potentielle GegnerInnen des Vertrags, die nichts mit Nationalismus am Hut haben, wurden vielmehr abgeschreckt. Die Bewegung bekam so nicht jene linke und kämpferische Breite, die eigentlich möglich gewesen wäre.
Nun denken viele AktivistInnen nach, wie es weiter gehen sollte; auch über Wahlprojekte wird debattiert. Die SLP wird sich an diesen Debatten intensiv beteiligen. Wir meinen aber auch, dass es gilt, die Schwächen der bisherigen Bewegung(en) zu analysieren, um diese zugunsten einer klar kämpferischen und linken Positionierung zu überwinden.

Drei sozialistische Punkte gegen den EU-Reformvertrag:

  1. Eine Bewegung gegen den EU-„Reform“Vertrag bzw. die EU an sich darf nicht der nationalistischen extremen Rechten überlassen werden sondern muss entschieden gegen diese auftreten. Wir sind nicht gegen ein geeintes Europa, sondern gegen das Europa des Kapitals. Die extreme Rechte steht für die Interessen der Kapitalisten und die Spaltung der ArbeiterInnen. Wir sind für den gemeinsamen Kampf der ArbeiterInnen und Jugendlichen in ganz Europa gegen Kapitalismus und Rassismus.
  2. Der EU-„Reform“Vertrag wird weder in Gremien noch durch Unterschriften allein verhindert werden. Auf die etablierten Parteien ist kein Verlass – sie agieren über unsere Köpfe hinweg. Nur Massenbewegungen von unten können diesen neuen Angriffe zurückschlagen. Durch Massendemonstrationen und Proteste auch über Ländergrenzen hinweg.
  3. Der ÖGB ist mit über einer Million Mitglieder eine Massenorganisation. Seine Aufgabe ist es, die Interessen der ArbeiterInnenklasse zu verteidigen – und nicht der SPÖ in Kadavergehorsam zu folgen. Die Gewerkschaftsbewegung ist aufgefordert, aktiv gegen den EU-„Reform“Vertrag zu werden und Widerstand dagegen zu organisieren. Sie hat auch die Verantwortung sich am Aufbau einer neuen, politischen Vertretung der ArbeiterInnenklasse zu beteiligen, die sich nicht an den Interessen der Unternehmen, sondern an jenen der Beschäftigten, Arbeitslosen, Jugendlichen und PensionistInnen orientiert.
Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: