Neue Weltordnung – alte Krisen

Krisenherd Pazifik: Die Welt ist unter den Bedingungen von Kapitalismus und Imperialismus ein Bündel von Widersprüchen.
Franz Neuhold

Die „Weltordnung“ im 20. Jahrhundert wurde zu etwa gleichen Zeiträumen von zwei Weltkriegen inkl. Zwischenperiode sowie dem Kalten Krieg geprägt. Letzterer war die Folge der Existenz eines Gegengewichts zum Kapitalismus bzw. Imperialismus (als seine aktuelle Entwicklungsstufe in einer vernetzten Welt). Weit davon entfernt, sozialistische Demokratien zu entwickeln, verkörperten die stalinistischen Staaten dennoch Hoffnung für die Massen der kolonialen Länder auf eine Besserung ihrer Lage und insofern eine Bedrohung für den Kapitalismus. Dementsprechend war die Erde lange in zwei Einflussbereiche geteilt. Dem folgte mit dem Zusammenbruch der UdSSR und des Stalinismus eine relativ kurze Phase einseitiger Bestrebungen des US-Imperialismus, eine neue Weltordnung zu errichten. Sein Scheitern hat mit dem Golfkrieg 1991 begonnen und erreicht heutzutage in vielen Regionen des Nahen und Fernen Ostens, in Afrika, Lateinamerika und der Karibik bittere Höhepunkte. Obwohl die USA über die größte Streitmacht der Menschheitsgeschichte verfügen, ist diese nicht in der Lage, eine einseitige Dominanz zu stabilisieren. Der US-Imperialismus wollte sich nicht von Konkurrenten wie Japan, den führenden EU-Staaten oder Russland einschränken lassen. Die ungelösten nationalen Probleme und v.a. sozialen Widersprüche sind jedoch zu groß, als dass ein einzelner „Weltpolizist“ dafür sorgen könnte, an allen Brennpunkten dieser Erde die fortgesetzte Ausbeutung von materiellen Ressourcen und der Arbeitskraft Hunderter Millionen in relativ ruhigen Bahnen ablaufen zu lassen. Dies gilt auch für die USA selbst, wie die Entstehung bedeutender Protestbewegungen von ArbeitnehmerInnen in vielen Bundesstaaten zeigt.

Während sich der US-Imperialismus an mehreren Fronten am absteigenden Ast befindet, bäumt sich seit einiger Zeit ein neuer wirtschaftlicher und militärischer Gigant auf: China. Aktueller Ausdruck der zunehmenden Reibereien zwischen China und den USA ist der Konflikt um einige unbewohnte Inselchen im Ostchinesischen Meer. In China erlebten wir über die letzten Jahrzehnte und gegenwärtig die massivste industrielle Umwälzung der Weltgeschichte. Die Hälfte aller ArbeiterInnen kam innerhalb kurzer Zeit vom Land in die extrem schnell wachsenden urbanen Zentren. Die jährlichen Wachstumsraten lagen seit den 80er Jahren bis vor kurzem im zweistelligen Prozentbereich, während sie im Rest der Welt im niedrig einstelligen Bereich (+ oder sogar -) dümpeln. Das ergibt in Kombination mit den diktatorischen politischen Verhältnissen der herrschenden Schicht jenen Spielraum, den sie gegenüber den anderen regionalen und Welt-Mächten (v.a. USA, Japan und Russland; weiters Indien, Australien, Britannien ...) gerade auszuspielen bereit sind. Das militärische Gewicht der USA, obowohl noch immer riesig, ist dennoch am Schwinden. Dies folgt der sinkenden wirtschaftlichen Position. Die US-Handelsbilanz v.a. mit Ostasien verschlechtert sich zusehends, während China immer mehr Waren exportiert und ebenso Kapital, was ein zentrales Merkmal imperialistischer Macht darstellt.

Der asiatisch-pazifische Raum enthält weitere Konfliktherde, die weltweite Konsequenzen haben können, da mehrere der beteiligten Staaten über Nuklearwaffen verfügen. Dazu zählen Indien gegen Pakistan (um die okkupierten Teile Kaschmirs), Japan vs. Russland, nationale Kämpfe innerhalb Chinas, Festland-China gegen Insel-China (Taiwan) und nicht zuletzt die Situation auf der Koreanischen Halbinsel.

Dass es in einer hochkomplexen Welt da und dort Probleme gibt, ist an und für sich keine große Überraschung. Doch es ist der Kapitalismus im imperialistischen Zeitalter, der eine Lösung nationaler Streitigkeiten blockiert und zusätzlich unendliches Leid erzeugt: strukturelle Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft, Armut in Stadt und Land, (Kinder-)Sklaverei. Und selbst die Aufrechterhaltung feudaler Strukturen und damit Nahrung für Fundamentalismus sind im „modernen Kapitalismus“ alles andere als eine Seltenheit. Mittel- und langfristig droht ausgehend vom asiatisch-pazifischen Raum ein erneuter Weltenbrand, der – so realistisch muss man sein – das Ende der Zivilisation bedeuten kann.

Die fortgesetzte kapitalistische Krise verschärft alle Probleme, einschließlich den Kampf zwischen imperialistischen Ländern um Ressourcen und Kontrolle von Märkten. Darüber hinaus führt die Krise zur Destabilisierung der beteiligten Regimes. Militärschläge als verzweifelte Versuche des Machterhalts werden dadurch in Summe wahrscheinlicher. Dagegen gibt es nur eine zielführende Strategie – der Aufbau von Massenbewegungen mit dem Ziel der Machtübernahme durch demokratische Regierungen der ArbeiterInnen auf Basis einer Umwälzung der Eigentumsverhältnisse inklusive der gesellschaftlichen Übernahme von Industrie-Produktion und aller militärischen Kapazitäten.

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