Mindestsicherung als Armutsfalle?!

ÖVP bläst gleichzeitig mit Transferkonto zu weiteren Angriffen
John Evers

Wer weniger als 900 Euro im Monat zur Verfügung hat (Einpersonenhaushalt), gilt in Österreich als arm. Und zwar deshalb, weil das Führen eines „normalen Lebens“ in der Gesellschaft dann kaum noch möglich ist. Die neue „Mindestsicherung“ ändert diesen Umstand nicht. Mit 733 Euro im Monat liegt sie deutlich unter dieser Armutsgrenze. Trotzdem zeichnen Medien und Wirtschaft das Bild einer “sozialen Hängematte”. Zeitgerecht hat deshalb die ÖVP die Idee entwickelt, alle Sozialleistungen durch ein „Transferkonto“ sichtbar zu machen; angeblich um dem Wildwuchs und Missbrauch staatlicher Leistungen vorzubeugen. Doch ist das ist wirklich nicht das Problem.

Menschen schämen sich schon jetzt anzunehmen, was ihnen zusteht„

In der Studie des Europäischen Zentrums wird eine Nicht-Inanspruchnahme in der Höhe von 62% für Österreich ausgewiesen, nur 40 % der Anspruchsberechtigten würden diese Leistung auch beziehen. Das heißt auch, 48% der zustehenden Geldsummen werden nicht beansprucht. Rund 80.000 gerade der hilfsbedürftigsten Haushalte verzichten Jahr für Jahr auf 215 Millionen Euro an Sozialhilfe.“ (www.armutskonferenz .at). Der ÖVP geht es mit ihren jüngsten Vorschlägen also darum, Angst und Scham bei den Betroffenen weiter zu steigern. Soweit so schlecht. Besonders tragisch ist allerdings, wie defensiv die Gewerkschaften demgegenüber reagieren. So „beruhigt“ ÖGB-Präsident Foglar zur Mindestsicherung: "Die bedarfsorientierte Mindestsicherung ist als Sprungbrett zurück in die Arbeitswelt gedacht und nicht als soziale Hängematte (...) Die Auszahlung der Mindestsicherung hat ganz klare Rahmenbedingungen, man soll nicht so tun, als könnte man sich aussuchen, wann man arbeitet und wann man lieber Mindestsicherung bezieht."  
Die entscheidenden Fragen, welche der ÖGB aufwerfen sollte, wären allerdings eigentlich ganz andere. Z.B.: Wer trägt die Verantwortung dafür, dass Menschen in die Situation kommen in der sie auf eine „Mindestsicherung“ angewiesen sind?  Und wie ändern wir das? Hinzuzufügen wäre dem noch: Warum fordert der ÖGB eigentlich selbst Mindestlöhne (1.000 Euro brutto/ca. 850,- netto), welche sogar unter der Armutsgrenze liegen!?

ÖGB feiert Verschlechterung als Verbesserung

„Die Mindestsicherung ist ein sozialpolitischer Meilenstein, der die unterschiedlichen Regelungen der Sozialhilfe der Bundesländer vereinheitlicht.“ (www.oegb.at)
 „Angesichts der sich abzeichnenden sozialen Folgen der Finanzkrise löst die Kürzung von 14 auf 12 Bezugsmonate in der Armutskonferenz Kopfschütteln aus. Arme müssen für die Krise zahlen. Das bedeutet in mindestens fünf Bundesländern eine Verschlechterung zum Status Quo. In der jetzigen Sozialhilfe ist die Summe der sozialen Teilleistungen höher als die pauschale Leistung der Mindestsicherung. Im Finanzministerium ist offensichtlich für alles Geld da, nur nicht für die Absicherung gegen Armut. Was soll in den angekündigten Arbeitsgruppen noch alles wegverhandelt werden?“, fragt sich demgegenüber die Armutskonferenz. Es ist darüber hinaus schön, wenn der ÖGB schreibt, dass er gerne eine höhere Netto-Ersatzrate beim Arbeitslosengeld hätte, oder auch die 14malige Auszahlung der Mindestsicherung begrüßen würde. Alles andere wäre ja auch noch „schöner“. Nur wird weder auf inhaltlicher Ebene noch durch entsprechende Kampf- und Protestmaßnahmen dafür Stimmung gemacht, sprich mobilisiert. Und das ist angesichts der Krise, in der immer mehr Menschen auf derartige Leistungen angewiesen sein könnten, zumindest grob fahrlässig. Freche Angriffe, wie der Vorschlag des Transferkontos, gehören daher sowohl inhaltlich wie durch praktische Protestmaßnahmen beantwortet. Themen für entsprechende Kampagnen gibt es genug: Von der Vermögensteuer über Subventionstop für Banken und Konzerne bis zur Verstaatlichung derselben reicht das Repertoire, welches wir als SozialistInnen hier anbieten können.
Statt Transferkonto brauchen wir endlich die Offenlegung der Einkommen von ManagerInnen und anderen Reichen. Von der SPÖ dürfen sich die Gewerkschaften demgegenüber wenig erwarten. Die stellt nämlich lieber gemeinsam mit der ÖVP und der extremen Rechten (FPÖ/BZÖ) Entschließungsanträge, damit die Kreuze in den Klassen hängen bleiben. Vielleicht, damit die Leute in der Krise zwar nichts zum Beißen aber wenigstens etwas zum Beten haben?!

Erscheint in Zeitungsausgabe: