Machtwechsel in der Wiener SPÖ

Die Unterschiede zwischen den Flügeln der Partei sind taktischer, nicht grundsätzlicher Natur.
Fabian Lehr

Nach 24 Jahren an der Macht ging in Wien am 24. Mai die Ära Michael Häupl zu Ende. Ihm folgt Michael Ludwig ins Amt nach, bisheriger Wohnbau-Stadtrat. Das Duell zwischen Ludwig und Andreas Schieder um die Häupl-Nachfolge war in den Medien als ein Konflikt zwischen linkem und rechtem Flügel der Wiener SPÖ präsentiert worden. Doch die Unterschiede zwischen Ludwigs "rechtem" und Schieders "linkem" Flügel sind marginal. Beide sind brave Parteisoldaten, die die Wendung ihrer Partei hin zu neoliberaler Sparpolitik klaglos mitgemacht haben. Während in grundlegenden Fragen wirtschafts- und sozialpolitischer Ausrichtung Konsens bestand, suchte Ludwig sich durch gesellschaftspolitisches Rechtsblinken zu profilieren. So wirbt Ludwig mit seiner Anti-Zuwanderungsrhetorik offensichtlich um typische FPÖ-Klientel, wenn er Benachteiligungen von Zuwanderern bei Wohnungsvergabe und Mindestsicherung verspricht und von einer "Schutzfunktion für die hier bereits lange lebende Bevölkerung" spricht. Und seiner neuen Landesparteisekretärin fiel angesichts der neuen Bundesregierung kein besseres Thema ein, um Medienaufmerksamkeit zu erhaschen als ausgerechnet die Beschwörung des Kampfes gegen das Kopftuch. Auch in Wien ist die SPÖ seit langer Zeit auf dem Weg nach rechts. Doch während diese Entwicklung von der charismatischen, populären Figur Häupl noch einigermaßen kaschiert werden konnte, steht die Wiener SPÖ unter dem blassen Bürokraten Ludwig in aller Nacktheit als die liberale, gesellschaftspolitisch konservative Partei da, die sie mittlerweile geworden ist.

 

Neoliberal bleibt neoliberal, auch wenn die SPÖ es macht

Einen ersten Vorgeschmack darauf, wie die Sozialpolitik der neuen Wiener Stadtregierung aussehen wird, bekommt man beim Blick auf den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV). Dieser bisher von der Stadt geführte Spitalsträger wird 2019 auf Empfehlung des Rechnungshofes zur Kostenersparnis ausgegliedert. Der Verbund bleibt dabei zwar in städtischem Besitz, doch die Ausgliederung erleichtert die Privatisierung vor allem der nicht-medizinischen Bereiche (Reinigung, Küche, Putzen) und damit niedrigere Löhne, höheren Arbeitsdruck und weniger Sicherheit. Zudem sind unpopuläre Kürzungen im Gesundheitsbereich leichter durchzusetzen, wenn die Entscheidung dazu formell nicht mehr von der Stadt getroffen wird. Nicht umsonst gab es für die Ausgliederungspläne Lob von der ÖVP.

 

Wien: Anders als früher, nicht als der Bund

Entgegen den Werbeslogans ist Wien keineswegs „anders“. Häupl hatte bereits bis 2020 ein Budget ohne Neuverschuldung versprochen. Das bedeutet Kürzungen von jährlich 570 Millionen Euro, v.a. im Gesundheits- und Sozialbereich, etwa beim "Spitalskonzept 2030". Darin ist die Schließung von fünf Spitälern und die Stilllegung von Fachabteilungen zugunsten gebündelter „Kompetenzzentren“ vorgesehen. Das bedeutet nicht nur weitere Wege, sondern auch weniger Spitalsbetten in einer Stadt, die jährlich um zehntausende EinwohnerInnen wächst. Außerdem kürzte die SPÖ die Mindestsicherung für alle, die nicht spuren, um 50% – als „Beschäftigungsanreiz“. Mit der „Wiener Hausordnung“ übernahmen Häupl & Co die FPÖ-Propaganda. Die rassistische Abschiebepolitik trug man trotz schöner Worte ebenfalls immer mit.

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