KV-Verhandlungen bei der Eisenbahn - Gewerkschaft muss in die Offensive kommen

Interview mit einer ÖBB-Triebfahrzeugführer-Nachwuchskraft
SLP-Redaktion

Aktuell finden KV-Verhandlungen in verschiedenen Branchen statt, darunter auch bei der Eisenbahn. Angesichts den Klimawandel und kapitalistischer Krise ist die Bahn ein zentraler Sektor, in einigen Ländern gab es in den vergangenen Jahren Arbeitskämpfe in dem Bereich. Zuletzt gab es in Deutschland einen wichtigen Streik der Gewerkschaft der Lokführer*innen (GDL), der auch die Frage nach dem Kampf gegen Privatisierungen aufgeworfen hat. Die SLP hat in den letzten Wochen für branchenübergreifende Kämpfe argumentiert und die Notwendigkeit einer kämpferischen Offensive durch die Gewerkschaften - bis hin zu Streiks - betont. Wir haben ein Interview mit einem SLP-Aktivisten bei der ÖBB über die aktuelle KV-Runde geführt:

Eisenbahner*innen gehören auch zu der Gruppe der “Systemerhalter*innen” die in der Pandemie mit vielen Unsicherheiten konfrontiert waren. Wie spiegelt sich das bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen wieder?

Zu der Arbeit während des Lockdowns kann ich wenig sagen, da ich da ich nicht für die ÖBB gearbeitet habe, ich weiß aber, dass die Lokführer*innen auch in Kurzarbeit geschickt wurden. Natürlich gilt bei uns mittlerweile auch die 3G-Regel am Arbeitsplatz und am Anfang wurden FFP2 Masken an die Beschäftigten verteilt. Die ÖBB haben Impfungen angeboten (zuerst Pfizer, dann Johnson & Johnson) und waren auch sehr dahinter, dass sich alle impfen lassen. Ob es einen Coronabonus von den ÖBB selber gab, oder sich das Gehalt in irgendeiner Weise seit der Pandemie geändert hat, kann ich leider auch nicht sagen, mit dem abgespeckten Fahrplan haben sich auch die Überstunden verringert, die das Personal leisten muss/kann.

Wie ist die Stimmung unter deinen Kolleg*innen?

Bezüglich der Arbeitgeberin ist die Stimmung grundsätzlich gut, da die ÖBB als sehr sichere Arbeitgeberin gelten. Natürlich gibt es Unzufriedenheiten mit diversen Entscheidungen, wie das Ausbilden zahlreicher neuer Lokführer*innen ohne das nötige Ausbildungspersonal, dem unnötigen Geld ausgeben für PR-Zwecke und ähnliches. Aber auch über die Pläne, die ÖBB Produktion, welche Lokführer*innen und Lokomotiven bereitstellt, in Teilfirmen aufzuteilen, um dann, ähnlich wie bei der Deutschen Bahn, den Güter-, sowie den Regional- und den Fernverkehr auf diese verschiedene Firmen aufzuteilen.  Die Gewerkschaft wird auch als Teil des Konzerns gesehen, wobei die einzelnen Betriebsrät*innen sicher besser dastehen, als die Gewerkschaftsbonzen, die mit der Konzernleitung unter einer Decke stecken. 

Günter Blumthaler, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der Gewerkschaft vida hat gesagt: “Es muss heuer generell über alle Branchen hinweg deutlich spürbare Reallohnerhöhungen geben. Die rasante Teuerung reißt bei der Finanzierung des täglichen Lebens Löcher in die Börsen der Beschäftigten“
Sind aus deiner Sicht in diesem Sinne die Forderungen die die Gewerkschaft aufstellt weitgehend genug?

Leider weiß ich sehr wenig über die Forderungen, die die Gewerkschaft aufstellt, nur, dass die Lehrlinge 300€ monatlich mehr bekommen sollen und das ein “Danke” diese Jahr nicht mehr reicht. Über die Verhandlungen wurde auf beiden Seiten Stillschweigen vereinbart, am 11.11. ist die nächste Verhandlungsrunde und sollte diese nicht zu einem Abschluss führen, werden am 12.11 alle Betriebsrät*innen über den “detaillierten Verhandlungsstand und weitere gewerkschaftliche Maßnahmen” informiert. Diese Intransparenz ist aus meiner Sicht ein großes Problem.

Grundsätzlich finde ich es gut und wichtig, dass die Lehrlinge mehr Geld bekommen, es muss aber auf jeden Fall das Gehalt aller Beschäftigten im Eisenbahnsektor an die Teuerungen angepasst werden (außer im Management natürlich). 

Die Kollektivvertragsverhandlungen wurden zuletzt am 21.Oktober abgebrochen - was sollten aus deiner Sicht nächste Schritte sein?

Es sollte die Belegschaft von den derzeitigen Vorgängen bei den Verhandlungen informiert und nach deren Forderungen gefragt werden. Auch sollte im Hinblick auf andere KV-Verhandlungen eine Schulung in Solidarität mit gewerkschaftlich schwächeren Branchen und etwaiger Streik für andere KV-Verhandlungen stattfinden. KV Verhandlungen und Kampfmaßnahmen müssen demokratisch organisiert und von den Kolleg*innen selbst gestaltet und entschieden werden.

Warum wird ein branchenübergreifender Kampf notwendig sein?

Es ist die Aufgabe der gewerkschaftlich stärkeren Branchen (Metaller, Eisenbahner) sich solidarisch hinter die schwächeren zu stellen und gegebenenfalls mit den anderen Beschäftigten gemeinsam zu streiken. Normalerweise sind Partner*innen und Familienangehörige in anderen Sparten tätig und alleine deshalb schon “rentiert” sich das für uns Eisenbahner*innen. Außerdem muss der fortschreitenden Privatisierung, die auch schon den Eisenbahnsektor betrifft, vehement entgegengetreten werden.

Was wird angesichts der Klimakrise im Bahnverkehr insgesamt notwendig sein und wie hängt das mit den Interessen der Beschäftigten zusammen?

Die Modernisierung und der Ausbau des Schienennetzes sind ganz wichtig, um die Schiene in puncto Warenverkehr gegenüber der Straße konkurrenzfähig zu machen und es den Menschen möglich zu machen, öffentlich in die Arbeit zu kommen. Gerade im ländlichen Raum müssen Alternativen zum Auto geschaffen werden. Noch dazu muss der öffentliche Verkehr so günstig werden, damit einkommensschwache Menschen auch die Möglichkeit haben, öffentlich an den Arbeitsplatz zu kommen. Das Klimaticket ist da schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, nur sollten dann die Arbeitgeber*innen ihren Beschäftigten eines zur Verfügung stellen. Im Bezug auf die Beschäftigten muss auch darauf geachtet werden, dass der Dienstantritt in der Nähe des Wohnortes möglich ist und nicht mit dem Auto 50-70 km gependelt werden müssen. 

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