Kapitalismus heißt Krieg

Perspektiven für das 21. Jahrhundert:
Franz Breier jun.

US-Vizepräsident Cheney spricht vom “Krieg ohne Ende”. Tatsächlich: Die Massen der sogenannten “Dritten Welt” sind laufend Kriegen, Wirtschafts-Sanktionen und Hungersnöten ausgesetzt. Es geht nicht nur darum, weitere Kriege zu verhindern, sondern das System zu stoppen, das für diesen permanenten Kriegszustand auf unserem Planeten verantwortlich ist.

Große, weltweit agierende Konzerne beherrschen den Planeten. Auf der Ebene der Beziehungen zwischen den Staaten, führt der Imperialismus den Kampf um Märkte und Ressourcen erst mit (wirtschafts)politischen, dann mit militärischen Mitteln. Der Imperialismus ist das letzte Stadium des Kapitalismus. Die Erde und die Märkte sind begrenzt, die Krisen sind unausweichlich, die Konflikte vorprogrammiert. Ein solcher Konflikt kennt Steigerungsstufen: Diplomatische Verstimmung gestern, Wirtschaftssanktionen heute, Raketen morgen.
Zur Verteidigung ihrer Interessen brauchen die Kapitalisten den Nationalstaat. Eine nationale herrschende Klasse wird nie freiwillig auf ihre Position zugunsten einer anderen verzichten. Allein die Tatsache, dass es selbst in Zeiten der intensiven “Globalisierung”, noch immer Kriege zwischen Nationalstaaten gibt, beweist dies. Die militärische Dominanz der USA – der stärksten imperialistischen Macht - ist heute größer als jemals zuvor. Aber trotz ihrer weltweiten “Führungsrolle” wächst die globale Instabilität.

Sackgasse im Nahen Osten?

Die Re-Okkupation der Westbank durch die israelische Armee ist nunmehr “offiziell”. Die Politik von Bush, Sharon in seinem Krieg gegen Palästina freie Hand zu lassen, folgt einer Milchmannrechnung: ‚Je früher Sharon mit Palästina aufräumt, desto früher können die USA im Irak einmarschieren.’ Die erste israelische Besetzung von Westbank und Gaza-Streifen ab 1967 führte zur Vertreibung von über einer Million Menschen. Doch sie konnte den Widerstand der PalästinenserInnen nicht brechen. Sharons mörderische Politik wird wieder scheitern.
In Israel wächst eine neue Friedensbewegung. Im Mai demonstrierten 60.000 Menschen gegen Sharon. Ein gemeinsamer Kampf der palästinensischen und jüdischen Massen gegen die Barbarei wäre möglich. Dauerhafter Friede könnte durch die Errichtung eines unabhängigen sozialistischen Palästinas UND des Sturzes der herrschenden Klasse in Israel erreicht werden. Diese Option kommt für den Imperialismus nicht in Frage; eine sozialistische Föderation auf freier gleichberechtigter Grundlage würde tatsächlich die Region stabilisieren – jedoch um den Preis der Existenz des Kapitalismus.

Minenfeld Afghanistan

Der Imperialismus kann Afghanistan zwar in Schutt und Asche legen, aber keinen langfristigen Waffenstillstand erreichen, geschweige einen dauerhaften Frieden. Die neue “nationale” Ratsversammlung, Loya Jirga, ist von Widersprüchen durchzogen. Sie umfasst konkurrierende Kriegsherren. Die Macht von Regierungschef Karsai ist auf Kabul beschränkt; weder die Serie von 23 Jahren Bürgerkriegen, noch die westlichen Militäraktionen sind vorbei. Die Weltbank schätzt die Zahl der Hungernden in Afghanistan auf 7 Millionen. Der Krieg hinterlässt neben den Ruinen auch scharfe Bomben. Eine davon geht zur Zeit in Pakistan hoch: Die Militärdiktatur unter General Musharaff wird zwischen Fundamentalisten und US-Anbiederung zerrissen. Mobilmachung gegen Indien und Atomraketentests sollen Musharaffs Machtposition sichern. Zusammengefasst bedeutet das: die imperialistische Kriegspolitik führt nicht zu Friede und zum Ende von Terror, im Gegenteil.

Vor dem Abgrund

In Kaschmir stehen sich eine Million indischer und pakistanischer Soldaten gegenüber.
Indien und Pakistan sind kapitalistische Regimes, die in der Region ihre Macht ausüben. Beide verfügen, wie die USA, über Massenvernichtungswaffen. Das Stockholmer Institut für Friedensforschung schätzt die Anzahl der nuklearen Sprengköpfe in der Region auf 60 Stück. Damit könnten binnen Minuten Dutzende, wenn nicht hunderte Millionen Menschen getötet werden. Beide Regimes halten Teile von Kaschmir seit Jahrzehnten besetzt. Ihr Konflikt beruht auf dem Erbe, das der britische Kolonialismus hinterlassen hat: Kapitalismus mit starken Elementen feudaler Herrschaft und die ethnischen Spaltungen zwischen Hindus und Moslems.
Der Konflikt beschränkt sich nicht auf die “Waffenstillstands”-Linie (“Line of Control” LoC) in Kaschmir. Im indischen Bundesstaat Gujarat hetzt die rechtsextreme Regierungspartei BJP gegen die Minderheiten. In den Pogromen der letzten Monate wurden über 2000 Moslems ermordet. Auf diesen ethnischen Spaltungen bauen BJP und Musharaff ihre Kampagnen. Großen Teilen der Bevölkerung sind die Konsequenzen der Nuklear-Waffen auch nicht bewusst. Hinzu kommt, dass die “kommunistischen” Massenparteien in Indien (CPI und CPI(M)) sich der nationalistischen Aufwiegelung untergeordnet haben. Eine ihrer Forderungen: eine politische Intervention der USA!
Derzeit mag die Situation in Kaschmir/Indien/Pakistan wieder halbwegs stabil erscheinen; doch die Kämpfe an der LoC gehen weiter. Selbst ein ungewollter Zufall kann binnen Tagen eine militärische Kettenreaktion von globaler Bedeutung auslösen.
Die Orte Hajeera und Kotli (pakistanisch besetzt) werden von der indisch besetzten Seite permanent beschossen. Dennoch organisieren dort unsere GenossInnen Demonstrationen. Kürzlich wurden sie von bewaffneten islamischen Fundamentalisten attackiert. Der Zulauf, den diese Gruppierungen in den armen Schichten haben, ist ein Ausdruck von Leben und Verzweiflung. Doch die Nationalisten und religiösen Fanatiker, haben keine Lösung für die Massen in der Region. Die Slogans unserer Demos weisen den Ausweg: ”No more war. No more terrorism. We want peace. Smash IMF, Worldbank, WTO. For youth, workers and peasant unity”. Eine Gruppe von Reinigungs-ArbeiterInnen hat sich diesen Forderungen und unserer Schwesterpartei angeschlossen.

Waffenlobby

Die Militärausgaben in Indien und Pakistan umfassen 2,5% bzw. 4,2% des Bruttosozialprodukts. Die britische “Kampagne gegen Waffenhandel” stellt fest, dass um den Preis eines “Hawk”-Kampfjets 1,5 Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgt werden könnten. Der Imperialismus hat wiederum ein großes Interesse an den mit Kriegen verbundenen Waffenverkäufen. Die Kriegsindustrie ist DER kapitalistische Wirtschaftszweig schlechthin. Er erfüllt die Anforderungen der Profitwirtschaft perfekt: Durch Rüstung werden Profite realisiert, durch Kriege gleichzeitig aber auch - Überkapatzitäten zerstört. Der Kapitalismus produziert nicht aufgrund menschlicher Bedürfnisse, sondern nach Profit. Für den Kapitalismus ist ein gesättigter Markt eine Katastrophe. Werden Waffen verwendet, kann dies kaum passieren.

Nächste Runde im Irak-Krieg

Eine Invasion im Irak wird von der US-Administration vorbereitet. Der Golf ist und bleibt die wichtigste erdöl-liefernde Region. Verlässliche Regimes sind für die US-Wirtschaft wichtig. Andererseits unterschätzen die US-Strategen die Auswirkungen eines Bodenkrieges. Massenopposition in den arabischen Ländern könnte US-Bündnispartner wie das saudische Königshaus hinwegfegen. Eine weitere Schwächung des Irak – ohnehin durch Jahre von Bombardements und Sanktionen ausgeblutet – wird das relative Gleichgewicht mit dem regionalen Rivalen Iran kippen. Der US-Imperialismus wird sich einer unberechenbaren Dynamik gegenüber sehen.
Beim Berliner Bush-Besuch im Mai demonstrierten 100.000 Menschen gegen die Kriegs-Politik. Die globalisierte Protestbewegung in Europa und den USA kann es den Herrschenden erschweren bis verunmöglichen, ihre Kriege zu führen. Dazu sind Massenmobilisierungen nötig. Und die Bewegung muss politische Alternativen anbieten.

Ist der Imperialismus besiegbar?

Der Erste imperialistische Weltkrieg 1914 diente der Neuaufteilung unter den stärksten Mächten. Eine der Hauptaufgaben der russischen Oktoberrevolution 1917 war die Beendigung des Völkergemetzels. Diese Aufgabe wurde sofort umgesetzt; ein Sonderfriede von den Bolschewiki mit den Achsenmächten um Deutschland geschlossen; unter anderem, um der deutschen ArbeiterInnenklasse die Möglichkeit zu geben, ihrerseits nach der Macht zu greifen.
Der Imperialismus kann auch heute besiegt werden. Einen Ansatz zeigt Venezuela: Der von US-Kreisen mitorganisierte Putsch im April gegen den Linkspopulisten Chavez scheiterte aufgrund einer Massenbewegung binnen 24 Stunden. Der Kampf ist noch nicht entschieden. Der Aufbau einer ArbeiterInnen-Partei mit sozialistischem Programm ist derzeit weltweit die zentrale Aufgabe.
Die globalisierte Protestbewegung muss gegen den “Anti-Terror-Krieg” des Imperialismus Stellung beziehen. Die Entwicklungen werden sich zuspitzen. Sozialismus ist keine abstrakte Idee einer etwas besseren Welt, sondern eine Existenzfrage für die Menschheit.

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