Israel/Palästina/Diskussion in Europa:

Der andere Blick auf den Konflikt
Pia Abel

Der Nahe Osten ist in Europa nicht mehr ein ferner Konflikt ­ seit den Bildern von Djenin, die trotz massiver israelischer Zensur über die Bildschirme flimmerten, ist die Stimmung gekippt. Sogar die deutsche Regierung sah sich gezwungen, angesichts der Brutalität der israelischen Armee, eine Erklärung abzugeben: Deutsche Feuilletons sind nun voll mit der Frage, ob - und wenn ja, wie sehr- Israel kritisiert werden darf. Gleichzeitig ist Antisemitismus in Europa wieder ander Tagesordnung.

Jüdische Einrichtungen werden in ganz Europa attackiert: Das ist keine legitime Antwort auf die Politik des israelischen Establishments, sondern feiger Terror gegen Unschuldige. Ein fatales Zeichen bedeutete in Zeiten aufkommender antisemitischer Hetze auch die Spaltung der Anti-NaziDemo in Wien: die Frage der möglichen/unmöglichen Kritik am israelischen Staat machte es unmöglich, antifaschistische Aktionseinheit zu wahren. Als Teil einer Internationalen, kann die SLP keine einfachen Lösungen bieten. Unsere Schwesterpartei “Maavak Socialisti” ist in der täglichen Arbeit mit der Sackgasse konfrontiert, welche die Politik der Kriegstreiberei für Israelis und PalästinenserInnen bedeutet. Auf dem Boden des Kapitalismus werden die Aufgaben, die sich hier stellen, nicht bewältigt werden: Ressourcen wie Öl und Wasser werden nicht durch Profitlogik verteilt, die Kräfte des Marktes werden keine Flüchtlingslager versorgen, imperialistische Kräfte in und ausserhalb Israels/Palästinas werden keinen Frieden bringen. Soviel steht fest.

Opposition wächst

70% der Bevölkerung sind laut Umfragen gegen Sharons neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik. Fünf Kriege, in denen Israelis ihr Leben lasssen mussten, sind nicht spurlos an der Moral der Bevölkerung vorübergegangen. Seit ein paar Monaten desertieren hunderte ReservistInnen. Das kann - aufgrund der Stellung der Armee in der israelischen Gesellschaft,- soziale Ächtung und auch massive familiäre Probleme bedeuten. Obwohl der “totale Krieg” gegen die PalästinenserInnen (so Sharon wörtlich!) erst jetzt ausgerufen wurde, ist eine Antikriegsbewegung intakt, und im Wachsen begriffen: davon zeugen Demonstrationen und Friedensmärsche, von denen wir durch unsere israelischen/palästinensischen GenossInnen erfahren, oder ausnahmsweise auch die Medien darüber berichten. Es herrscht nämlich rege Zensur ­ die israelische Regierung ist grimmig entschlossen, auch eine Propagandaschlacht zu gewinnen.

Zensur und Widerstand

Seit Anfang April belegen die Sprecher des Aussenministeriums und des Militärs einen kompletten Flügel der Nationalhallen in Jerusalem: Ein spanischer TV-Korrespondent fühlte sich angesichts des des dort gebotenen, umfassenden “Informationsangebots”mit begleiteter Tour durch “das andereIsrael” an etwas erinnert: “Wie im Irak, als Saddam Hussein uns durch die Krankenhäuser führte” (Presse, 22.04.2002) Trotzdem: Zuletzt erfuhren wir von einem Demonstrationszug um einen Hilfstransort nach Rammallah, an dem 4000 JüdInnen und PalästinenserInnen teilnahmen und der mit Tränengas und brutalem Vorgehen seitens der israelischen Armee beantwortet wurde. Die Intervention von Maavak Socialisti gilt der Überwindung des Systems, die das Werk der israelischen und palästinesischen ArbeiterInnenklasse sein muss. Die PalästinenserInnen müssen durch Massenaktionen statt Selbstmordanschlägen eine neue Führung entwickeln. Denn die Politik und Militärtaktik der derzeitigen reaktionären Führer treibt Teile der jüdischen Bevölkerung weiter in die Arme der israelischen Rechten. Durch Aufrufe muss klar gemacht werden, dass sich ihr Kampf gegen den israelischen Militärmaschinerie richtet und nicht gegen die israelische Bevölkerung.

Zwei Staaten: Eine ­ sozialistische ­ Lösung

Die reale Situation macht vielen Menschen beider Nationalitäten klar, dass eine Einstaatenlösung in weiter Ferne liegt. Die PalästinenserInnen haben nichts mehr zu verlieren: Generationen haben ihr Leben in Flüchtlingslagern verbracht, Generationen sehen sich jeden Abend mit Ausgangssperren konfrontiert. Eine enorme Opferbereitschaft ist das Resultat, die mehr verdient als eine korrupte Führung, die faule Kompromisse schließt, bzw. potentielle KämpferInnen in den Selbstmord treibt. Diese Opferbereitschaft muß zu echten Lösung führen. Die Lösung liegt unserer Ansicht nach nicht im Kapitalismus, und funktioniert nicht ohne der Beteiligung der israelischen ArbeiterInnen und Jugendlichen. Nur durch zwei völlig neuen Staaten ­ einem sozialistisches Israel und einem sozialistischen Palästina ­ können Friedensverhandlungen und Problemlösungen für die “unlösbaren” Punkte gefunden werden ­ u.a. für Jerusalem, Wasser und die Flüchtlingsfrage. Diese Lösung ist nicht für alle bequem: Sie orientiert sich aber an den Bedürfnissen der ArbeiterInnenklasse, Jugend und anderer unterdrückter Schichten ­ der Mehrheit des Nahen Ostens. Sie ist aber sicherlich vielversprechender als derzeitige “Ansätze”, die Sharon und die palästinensische Führung bieten.

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