Frieden durch Größe?

Karin Wottawa

Bei den Fusionen der letzten Jahre waren die Argumente immer die gleichen: Wettbewerbsvorteile, Profitmaximierung, Kosteneffizienz. Zusätzlich wird auch noch behauptet, dass durch große, länderübergreifende Unternehmen kriegerische Auseinandersetzungen unwahrscheinlicher würden.
Die Idee, dass die „Internationalisierung“ des Kapitalismus Krisen verhindern und Frieden für die Welt bringen könnte ist nicht neu. Kautsky, führender deutscher Sozialdemokrat entwickelte Anfang des 20. Jahrhunderts die Theorie des Ultra-Imperialismus. Er stellt die These auf, dass durch einen Zusammenschluss der stärksten imperialistischen Staaten ein friedliches Zusammenleben möglich wäre – da dann die Notwendigkeit imperialistischer Kriegsführung nicht mehr bestünde. Sein Ansatz von der „Heiligen Allianz“ der Imperialisten blendete die innerimperialistischen Widersprüche, die Notwendigkeit einzelner imperialistischer Staaten, sich auf Kosten anderer – Unternehmen ebenso wie Staaten – auszudehnen, völlig aus. Tatsächlich zeigte sich die Illusionshaftigkeit seiner Idee spätestens mit dem 2. Weltkrieg, der ein klar innerimperialistischer Konflikt war.
Auch Hilferdings Idee des „organisierten Kapitalismus“ geht in eine sehr ähnliche Richtung. Er setzte mit dem organisierten Kapitalismus auf die Möglichkeit, daß der Kapitalismus friedlich in eine soziale Demokratie umgewandelt werden kann.

Alte Hüte im neuen Gewand

Ähnliche Ansätze vom friedlichen, krisenfreien Kapitalismus durch große Einheiten gibt es auch jetzt. EU-Fans argumentieren, daß der Zusammenschluß Wohlstand und Frieden für Europa brächte. Aber die EU hat es bis heute nicht geschafft, einheitliche Sozialstandards zu schaffen. In einigen EU-Staaten gibt es  bewaffnete Auseinandersetzungen (Nordirland, Spanien) ebenso wie bei Beitrittskandidaten (Türkei). Manche befinden sich de facto im Kriegszustand, wie Griechenland. Die Konflikte zwischen imperialistischen Staaten werden in Stellvertreterkriegen z.B. in Afrika oder auf dem Balkan ausgetragen.
Angesichts der Globalisierungsdebatte haben eine Reihe von „Postmodernisten“ das Bild vom friedlichen Kapitalismus als Folge der Internationalisierung wieder ausgegraben. Jüngst in einem Buch von Mary Kaldor „Neue und alte Kriege: Organisierte Gewalt in einer Globalen Ära“. Auch hier wird argumentiert: „Die alten Kriege zwischen Staaten gehören der Vergangenheit an.“ Tatsache ist allerdings, dass es zwischen August 1998 und 1999 zehn Kriege und 25 Bürgerkriege gab. Es gibt kaum ein Land der Erde, das nicht direkt oder indirekt über Waffenlieferungen in kriegerische Konflikte involviert ist.
Denn trotz Fusionen und Zusammenschlüssen hat die überwiegende Mehrheit der Unternehmen nach wie vor eine nationalstaatliche Basis, lässt im Krisenfall ihre Interessen von diesen Staaten verteidigen oder spielt die eine Ländergruppe gegen die andere aus.
Der Versuch, dem Kapitalismus eine friedliche Phase anzudichten wird immer und immer wieder durch die blutige Realität zunichte gemacht.

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