Digitale Revolution- Soziale Reaktion?

Neue Technologie wird im Privaten gern angenommen, weil sie das Leben erleichtert, in der Arbeitswelt herrschen Ängste.
Thomas Hauer

Spätestens seit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Kern wird uns mitgeteilt, dass die Arbeitswelt kurz vor einer digitalen Revolution steht bzw. schon mittendrin ist. Technischer Fortschritt lässt sich eben nicht aufhalten. In der Diskussion um Industrie 4.0 hört man von Chancen und Möglichkeiten. Was ist damit gemeint? Die ErfinderInnen der ersten Schaufel wollten mit ihrer Arbeit schneller fertig zu werden und sich das Leben erleichtern. Das ist auch der Grund, warum der Mensch begonnen hat, seine Umwelt bewusst mit seinen Händen zu verändern und mit seinem Gehirn Hilfsmittel entwickelt (Schaufel, Roboter...), um diese Veränderungen immer einfacher zu machen. Mit der Digitalisierung gibt es nun bisher ungeahnte Möglichkeiten, die Arbeit zu erleichtern. Putzroboter, ganze Häuser, die von 3-D-Druckern gebaut werden, schmutzige, gefährliche Arbeit, die keine menschliche Arbeit mehr benötigt – eine großartige Zukunft.

Aber: Der Effekt der Arbeitserleichterung ist zwar theoretisch vorhanden, wird im Kapitalismus aber nicht zur Hebung des Lebensstandards der ganzen Gesellschaft verwendet. Finanziell profitiert nur eine Minderheit vom Fortschritt, für viele bedeutet er im Gegenteil sogar Arbeitsplatzverlust, für andere Intensivierung des Arbeitspensums. Es gibt mehr Arbeitslose, weil „zu wenig“ Arbeit vorhanden ist und gleichzeitig immer mehr, die ausgebrannt sind. Klingt komisch, muss aber nicht so sein.

Welche Folgen technischer Fortschritt für die Mehrheit der Menschen hat, hängt vom gesellschaftlichen Rahmen ab, in dem er stattfindet. Daher die berechtigte Angst und der Widerstand aus der ArbeiterInnenklasse. Zu Beginn der industriellen Revolution war eine der ersten Antworten von ArbeiterInnen die Zerstörung von Maschinen, da sie ihre Arbeitsplätze bedroht sahen. Doch das war nur ein Versuch, das Rad der Zeit anzuhalten. Die Sozialdemokratie formulierte bereits am Beginn der Weltwirtschaftskrise 1931 durch Otto Bauer ihr bis heute in den Grundlagen bestehendes „Programm“. Rationalisierung wird positiv bewertet, wenn die Sozialpartner eingebunden sind und sich ein unmittelbarer Vorteil für den Standort Österreich ergibt. Nur wenn das nicht der Fall ist, wird sie zur „Fehlrationalisierung“ und soll bekämpft werden. Diese Sichtweise für einen starken Wirtschaftsstandort Österreich hat sich in der SPÖ bis heute nicht verändert und wird auch von Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaft (ÖGB) mitgetragen. Das ist nichts anderes als „geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“. Doch dieselbe Logik wenden KapitalistInnen und Regierungen in anderen Ländern an. Darum wollen sie u.a. 12-Stundentag und generelle Flexibilisierung der Arbeitszeit. Auch stehen die Kollektivverträge verstärkt unter Beschuss, jedeR soll allein und damit schwach dem Unternehmen gegenüberstehen in Verhandlungen. Es ist eine Spirale nach unten.

In dieser Logik wird neben dem internationalen auch ein nationaler Konkurrenzkampf erzeugt. ÖGB und AK verlangen bessere Aus- und Weiterbildung, damit die Beschäftigten im Zuge der Digitalisierung karrieretechnisch nicht auf der Strecke bleiben. Arbeitsplätze werden damit aber nicht geschaffen, sondern es gibt dann nur besser qualifizierte Arbeitslose. Offensive Forderungen müssen sich gegen das immer höhere Arbeitstempo richten. Die Gewerkschaft darf den unmenschlichen Unterordnungszwang von Beschäftigten unter Maschinen nicht noch exekutieren, sondern muss im Gegensatz dafür kämpfen, dass die Beschäftigten über den Einsatz neuer Technologien entscheiden. Und vor allem muss die Gewerkschaft dafür kämpfen, dass das „Mehr“ an Produktivität durch höhere Löhne und Arbeitszeitverkürzung in Richtung Beschäftigte umgeleitet wird. Doch der ÖGB hat zwar 1987 das Ziel der Arbeitszeitverkürzung auf 35-Stunden beschlossen, seither aber keinen Finger dafür gerührt. Die Löhne stecken seit 20 Jahren fest, die geringen Lohnerhöhungen werden durch Inflation und explodierende Wohnkosten aufgefressen. Die Produktivitätssteigerungen haben so zu einer massiven Umverteilung von unten nach oben geführt. Wer auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) als Lösung angesichts der Jobvernichtung hofft, vergisst, dass auch dieses in einem kapitalistischen Umfeld eingeführt würde – und damit bestenfalls „zuwenig zum Leben, zuviel zum Sterben“ wäre.

Wir brauchen heute eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn. Die Gewerkschaftsspitzen setzen immer noch auf Lösungen am grünen Tisch. Den billigen Kompromiss fressen dann die Beschäftigten. Es ist Zeit, um mit den „maßvollen“ Lohnrunden endlich Schluss zu machen und uns tatsächlich zu holen, was uns zusteht: mehr Geld für wesentlich weniger Arbeitszeit!

Wir müssen die Gewerkschaften zurück gewinnen, damit sie zur Basis für Widerstand und Organisierung der werktätigen Masse werden und nicht zu deren Hemmschuh. Und wir müssen die Macht und Kontrolle aus der Hand der reichen Elite nehmen. Das ist nämlich die einzige Option, wenn wir wollen, dass die Vorteile der Digitalisierung bei uns ankommen.

 

Der gesamte Schwerpunkt zu „Industrie 4.0“ der 262. Ausgabe:

Die Industrie stirbt. Oder wird als Industrie 4.0 erneuert. Die Beschäftigten kommen dabei unter die Räder. Und kann mit neuer Technologie eine Krise verhindert werden?

  • Titelseite: Die Zukunft der Industrie? Von Albert Kropf

https://www.slp.at/artikel/die-zukunft-der-industrie-8588#

  • Hauptartikel: Sind Roboter krisenfest? Von Sonja Grusch

https://www.slp.at/artikel/sind-roboter-krisenfest-8589

  • Zahlen und Fakten von Georg Kummer:

https://www.slp.at/artikel/zahlen-und-fakten-zu-industrie-8590

  • Marx aktuell: Von Maschinen und Profiten von Nicolas Prettner

https://www.slp.at/artikel/marx-aktuell-von-maschinen-und-profiten-8591

  • Digitale Revolution – Soziale Reaktion? Von Thomas Hauer

https://www.slp.at/artikel/digitale-revolution-soziale-reaktion-8592

Erscheint in Zeitungsausgabe: