ÖGB-Aktionstag im Rückblick

Ein lachendes und ein weinendes Auge
Harald Mahrer

Wien-Brigittenau, 03.45 Uhr früh: ”Ist das der Streikposten?” fragte ich den Busfahrer, der mit einem LKW das Ausfahrtstor der Busgarage Vorgartenstraße blockiert. ”Ja, vor 6 Uhr, kommt da niemand raus”, antwortete er bestimmt, ”auch nicht die FP´ler.” Eindrücke vom ÖGB-Aktionstag sammelte Harald Mahrer, SLP-GewerkschaftsStammtisch, für Vorwärts.
Die „Freiheitlichen Arbeitnehmer“ hätten vorgehabt, den Streik der Bediensteten der Wiener Linien zu brechen, erläuterte der Kollege. Er zeigt sich empört und amüsiert zugleich als ich ihm erzähle, dass das „Liberale Forum“ einen Streikbrecherbus angemietet hätte, der vor 07.30 Uhr die Wartenden einsammeln wollte. Nach kurzem Gespräch wurden wir eingeladen, an der Betriebsversammlung teilzunehmen. In knapp einer halben Stunden wird die Lage erläutert. Die Geschäftsleitung sorgt mit einem Fax, welches nicht unterzeichnet ist, für Verwunderung: Der Streik sei „illegal“. Ein Einschüchterungsversuch, noch dazu rechtlich unhaltbar.

Viel Energie, gute Ideen

Die Gewerkschaft Handel, Verkehr und Transport ließ drei LKWs mit 10 km/h den Ring umrunden, um auf die unerträglichen Arbeitsbedingungen der LKW-FahrerInnen aufmerksam zu machen. Überhaupt machen die KollegInnen dieser Gewerkschaft einen relativ kämpferischen Eindruck. Ein Stück weiter bei der Kundgebung der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten ist der Unmut unter den immerhin rund 4.000 Anwesenden so groß, dass sich selbst der FSG´ler Weninger in seiner Ansprache, dazu durchringen muss, auch gegen vergangenen und zukünftigen SP-Sozialabbau zu wettern.
Bei der Versammlung der Bediensteten aus dem Gesundheitsbereich im Wiener AKH werden uns unsere Flugblätter aus der Hand gerissen, so begehrt war Information an diesem Tag. Die EisenbahnerInnen machten ihre Ankündigung wahr und streikten eine Stunde lang, um das gemeinsame Interesse an einer Abwehr der Angriffe mit anderen Berufsgruppen zu unterstreichen.

Vertane Chance

Die Stimmung war bei allen Veranstaltungen und Kundgebungen, bei denen die SLP (insgesamt 9) anwesend war, gut und kämpferisch. Viele KollegInnen teilten unsere Meinung, dass dieser Aktionstag (wenn auch spät) ein erster Schritt sein könnte. Mehr als ein erster Schritt aber auch nicht. Genau da setzt aber das Problem ein. Die ÖGB-Spitze hat keine Eskalationsstrategie. Sie plant keine weiteren Schritte, etwa Streiks, die, im Unterschied zu diesem, tatsächlich spürbar wären. Die ÖGB-Spitze formuliert auch keine Ziele, mit denen die KollegInnen mobilisiert werden könnten. Ein ”Streik”, um Verhandlungen zu erreichen, ist kein besonders erbauliches Ziel, bedenkt man/frau was bei den Verhandlungen der letzten Jahre herausgekommen ist. Es wäre notwendig für den ÖGB, sich jetzt auf den Herbst vorzubereiten, denn die Regierung hat bereits noch drastischere Sparmaßnahmen angekündigt.

Wie weiter?

Betrachtet man den 28. Juni im Rückblick, so lacht das eine Auge, dass die Energie und den Willen vieler KollegInnen gesehen hat, etwas zu veränderen. Das andere Auge aber weint, weil all das real ohne Ergebnis blieb, ja eigentlich eine Niederlage war und die ÖGB-Spitze keine Strategie für die kommenden Auseinandersetzungen anbietet.
Um den SLP-GewerkschaftsStammtisch hat sich deshalb eine überfraktionelle Runde von BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und aktiven GewerkschafterInnen gegründet, die konkrete gewerkschaftliche Aktionen für den Herbst vorbereitet. Allein am Aktionstag konnten wir über 2.000 Flugblätter für diese Initiative verteilen. Wenn auch Du an dieser Initiative interessiert bist, erfrage bitte die nächsten Treffpunkte bei der Redaktion.

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