Mi 12.11.2025
Enthusiastische Stimmung herrschte heute beim Streik der Beschäftigten der Sigmund-Freud-Uni. Den ganzen Tag trotzten sie Temperaturen um den Gefrierpunkt und einer dichte Nebelsuppe mit einer kämpferischen und erfolgreichen Kundgebung - und vorwärts war mittendrin.
Warum der Streik?
Wie die Kolleg:innen berichten, hat sich mit dem Führungswechsel an der Uni vor einem halben Jahr das Arbeitsklima massiv verschlechtert. Viele Kolleg:innen wurden gekündigt und an allen Ecken und Enden wird gekürzt. Dazu gehört auch die Aussetzung der Gehaltsregelungen und eine Weigerung der Geschäftsführung, bei den Gehälten wenigstens die Inflation abzugleichen – einen Kollektivvertrag, wie vom Betriebsrat gefordert – gibt es an Privatunis nicht einmal. Als wäre das noch nicht genug, gibt es nun auch noch massive Repression gegen den Betriebsrat: Carlos Watzka, Mitinitiator des Betriebsrats und sein ehemaliger Vorsitzender, wurde unter fadenscheinigen Gründen freigestellt und soll gekündigt werden. Bereits letzte Woche protestierten solidarische SFU-Beschäftigte beim Prozess-Auftakt gegen diesen Angriff (vorwärts berichtete). Es ist sonnenklar, dass Carlos für sein betriebliches Engagement bestraft werden soll, um ein Exempel zu statuieren: „Das passiert, wenn ihr euch für Verbesserungen am Arbeitsplatz einsetzt!“ Doch der Betriebsrat und die Kolleg:innen ließen sich nicht einschüchtern, im Gegenteil: Sie taten das einzig Richtige und gingen in die Offensive. Ein Streikkomittee wurde gewählt und für den 12.11. wurde zum Streik aufgerufen. Die Forderungen wurden klar formuliert:
- Anhebung der Gehälter zum Inflationsausgleich für das Jahr 2024/205
- Ende der Drohungen und Repressialien gegen Mitarbeiter:innen und Betriebsratsmitglieder
- Ausreichende Personalkapazitäten in allen Fakultäten und Abteilungen
- Aktualisierung der Gehaltsordnung
- Faire und transpraente Regelung zur Abgeltung von Mehrleistungen von wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen
- Anrechnung der Streikzeit als Arbeitszeit
Taktik der Geschäftsführung: Pizza, Krapfen – und Repression
Die Geschäftsführung reagierte auf diese mehr als gerechtfertigten Forderungen mit noch mehr Konfrontation und Repression: Kolleg:innen wurden Klagen wegen „geschäftsschädigendem Verhalten“ in Aussicht gestellt, die betriebsinterne Kommunikation wurde eingeschränkt. Man griff aber nicht nur zur Peitsche, sondern auch zum Zuckerbrot: Am Streiktag wurden Mitarbeiter:innen Pizza und Krapfen angeboten, wenn sich nicht den Streikenden anschlossen. Eine Kollegin brachte diese Taktik auf den Punkt: „Halten die uns für Affen?“ Als die Streikenden um die Mittagszeit in einen zuvor extra dafür reservierten Hörsaal umzogen, um sich aufzuwärmen, drohte die Leitung damit, Saalmiete in Rechnung zu stellen, wenn die Streikenden nicht sofort abziehen würden. All dies bestätigt die Kritik, welche Kolleg:innen bereits vor dem Streik am Verhalten der Geschäftsführung hatten – aber es zeigt auch, dass sie angesichts des Muts der Streikenden zu immer verzweifelteren Maßnahmen greifen muss. Pizza gabs dann auf der Streikkundgebung übrigens auch.
Unterstützung für den Streik
Neben zahlreichen mutigen und kämpferischen Kolleg:innen nahmen auch solidarische Unterstützer:innen am Streik Teil und brachten Solidaritätsmeldungen: Studierende der SFU meldeten sich zu Wort, sowie Beschäftigte aus dem Bildungs- und dem Sozialbereich. Sebastian Kugler, aktiv bei vorwärts und bis vor kurzem Mittelbausprecher am Institut für Germanistik der Uni Wien, sprach über die ebenfalls prekäre Lage an öffentlichen Universitäten und den Kampf der Initiative Unterbau gegen befristete Arbeitsverhältnisse. Auch die öffentlichen Unis werden längst wie Privatunternehmen geführt. Aber die Anforderungen von wissenschaftlicher Forschung und Lehre, stellte er klar, stehen der kapitalistischen Logik kurzfristiger Profite komplett entgegen. Eine Kollegin vom Betriebsrat des Neunerhauses verwies auf die Bedeutung der SFU für den Gesundheits- und Sozialbereich und auf den Kampf, der dort gerade gegen Kürzungen und für bessere Bedingungen geführt wird – den Auftakt dazu stellt die morgige Kundgebung der Betriebsrät:innen der Wiener Suchthilfe dar (9:30, U3 Erdberg)! Michael Gehmacher, Betriebsrat beim Samariterbund-WSD und ebenfalls vorwärts-Aktivist, brachte ebenfalls Solidarität aus dem Sozialbereich ein und machte gemeinsam mit einem Samariterbund-Kollegen, der ebenfalls an der SFU studiert, auf das Potential der Studierenden aufmerksam, diesen Kampf wirkungsvoll zu unterstützen. Beim nächsten Streik könnte z.B. ein „Student Corner“ oder ähnliches eingerichtet werden, um Studierende aktiv einzubinden. Dabei betonte Michael auch die Notwendigkeit, das gesamte Kürzungsbudget der Stadt Wien zu bekämpfen, welches übermorgen öffentlich gemacht wird – der Protest dagegen beginnt um 8:30 beim Rathauseingang! Anstatt den Gesundheits- und Sozialbereich zusammenzukürzen, hätte die Stadt Wien als Geldgeberin der SFU nämlich auch einen Hebel, die Geschäftsführung zur Vernunft zu bringen und die Erfüllung der Forderungen der Kolleg:innen sicherzustellen.
Solidarität ausbauen – Kämpfe verbinden!
Der heutige Streik war ein großer Erfolg – für den Betriebsrat, für das Streikkomittee, für alle Streikenden, aber auch darüber hinaus. Er hat gezeigt, dass es möglich ist, sich von unten zu organisieren, Kolleg:innen trotz Einschüchterungsversuchen von oben Mut zu machen und gemeinsam zu streiken. Es stimmt, dass der Ball jetzt erst einmal bei der Geschäftsführung liegt, ein akzeptables Angebot zu formulieren. Aber der heutige Streik kann auch Inspiration für andere Beschäftigte im Bildungs- Gesundheits- und Sozialbereich sein, nicht zuletzt für die Beschäftigten der FH Campus Wien, die ebenfalls gerade für einen Kollektivvertrag kämpfen. In einem nächsten Schritt sollten wir Initiativen starten, diese Kämpfe konkret zu verbinden – von Solidaritätsbesuchen bis zu gemeinsamen Mobilisierungen. Dabei ist es auch wichtig, die zuständigen Gewerkschaften in die Pflicht zu nehmen, deren Aufgabe dies eigentlich ist. Doch wir können uns auch nicht von ihnen bremsen lassen. Gerade diese Woche zeigt mit ihren verschiedenen Mobilisierungen, wie notwendig ein gemeinsamer Kampf gegen Kürzungen und für ausfinanzierte Bildungs- Gesundheits- und Sozialsysteme ist, und wieviel Potential er hat. Denn, wie der Namensgeber der SFU, Sigmund Freud, es schon 1927 formuliert hat: "Es braucht nicht gesagt zu werden, dass eine Kultur, welche eine so große Zahl von Teilnehmern unbefriedigt lässt und zur Auflehnung treibt, weder Aussicht hat, sich dauernd zu erhalten, noch es verdient."

