WM 2006: Wenn der Ball nicht ganz so rund läuft

"Wenn ich den Rasen betrete, sehe ich auf der Tribüne Typen in schwarzen Anzügen, als ob sie zur Beerdigung kommen." D. Deschamps
Jakob Rosenberg

Am 9. Juni ist es soweit: Die Fußball WM 2006 in Deutschland wird angepfiffen. Wer meint, es ginge dabei um Ballzauber aus aller Welt, irrt... Längst wurde das Spiel dem Geschäft untergeordnet.

FIFA: Markt, Macht, Mafia

Die wichtigste Institution der Vermarktung der WM ist der internationale Fußballverband FIFA, dessen Bürokratie es seit der WM 1974 in Deutschland bestens versteht seine Macht auszubauen und eine Menge Profit einzufahren. Die FIFA verwendet ihre ökonomische Position, die sie durch die exklusiven Vermarktungsrechte besitzt, dazu strategische Partner - in Form von nationalen Komitees, Sponsoren und TV Anstalten - an Land zu ziehen, die ihre eigene Bürokratie stärken. So diente z.B. die letzte WM in Japan und Südkorea vordergründig zwei Zielen. Einerseits ging es um Allianzen mit traditionell unbedeutenderen nationalen Komitees aus Asien und zweitens um die Erschließung eines riesigen wachsenden Markts potentieller Fußball-KonsumentInnen in Asien. Die Geldsummen, die die FIFA verteilen kann und einstreift, sind enorm - im Geschäftsjahr 2005 machte der “nicht profitorientierte” Verein einen Gewinn von rund 138 Millionen Euro.
Finanziert wird das FIFA Machtgebäude in erster Linie durch sogenannte Wettbewerbseinnahmen, d.h. in erster Linie Sponsoren und TV-Anstalten. Seit der WM 1978 in Argentinien setzt die FIFA auf exklusive Großsponsoren, die bereitwillig Millionensummen ausgeben, um ihre Werbebotschaften zu platzieren. Mit ihren Markenrechte wird so ein immer stärker wachsender Markt erreicht, der weit über die Grenzen der teilnehmenden Mannschaften hinausgeht. Die Sportbegeisterung wird angefacht, um möglichst viele Merchandise Produkte der Teams und der sogenannten Stars an den Mann und die Frau zu bringen. Das Spiel tritt dabei in den Hintergrund: David Beckham, ohne Zweifel ein guter Fußballer, wird zum Beispiel als Mode-Ikone gehypt, die Magie eines Diego Maradona wird er dabei allerdings nie erreichen.
Neben den exklusiven Sponsoren kämpfen die weltweit führenden Sportartikelhersteller als sogenannte Teamausstatter um den Absatzmarkt Fußball. Während Nike und Adidas v.a. auf potente Teams setzen, versucht sich Puma als Trendsetter um seine Leiberl zu verkaufen. Die Werbebotschaft dieser Trikots und für Stars maßgeschneiderten Schuhen ist eindeutig: "Mit Ronaldhinos Schuhen, dribbelst auch du wie der Weltmeister!" Der Kampf um den Titel ist zwar zwischen Puma, Adidas, Nike und den Außenseitern noch offen, die FIFA hat ihren Favoriten aber schon gewählt: die Schiedsrichter kommen ebenso wie die WM-Bälle von Adidas.
Die FIFA Funktionäre werden nicht müde die wahre Bedeutung des Fußballs zu betonen. Demnach ginge es je nach Laune des jeweils Interviewten um Fairplay, Völkerverbindung, Antirassismus, sportliche Erfolge, etc. Im Mittelpunkt stehe aber nicht das gewinnende Team, sondern die Fans. Trotz aller Heuchelei stimmt diese Feststellung (mit einem Einschränkungskatalog) auch. Schließlich sind es die Fußballfans, die der Fußballbürokratie und den anderweitig Beteiligten (von den Sponsoren bis zu den Spielern) ihr Geld bringen. Allerdings weiß die FIFA auch, welche Fans ihr die Liebsten sind. Diejenigen, die sich mit möglichst viel Merchandise-Kram ausstatten und ihr Team über pay-per-view Fernsehen verfolgen. Ins Stadion sollten sie besser nicht kommen und wenn sie an Mitsprachrecht bei ihren Vereinen denken, handelt es sich sowieso um Ketzerei. Um diese Maxime auch möglichst effizient durchzusetzen werden sie durch überhöhte Ticketpreise, Ticketmangel und rigorose Sicherheitseinschränkungen von den Stadien ferngehalten. In diesen sitzen, wie das Eingangszitat vom ehemaligen Kapitän der französischen Nationalmannschaft Didier Deschamps zeigt, heute v.a. die sogenannten Spitzen der Gesellschaft. Den tatsächlichen Fans bleibt nur ein teurer Premiere-Vertrag.

Ein anderer Fußball ist möglich

Das Geschäft mit dem Fußball und seinen Fans blüht, sowohl legal (Werbung, etc.) als auch weniger legal (Wettskandale, Bestechung, Betrug, ...).
Obwohl sich der große Fußball in diese negative Richtung bewegt, gibt es zum Glück auch eine Fülle an Gegenbewegungen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Fußball wird durch kritische Publikationen (wie das österreichische Fußballmagazin Ballesterer) abseits des Konsumhypes bereichert. Fans schließen sich demokratische zusammen um ihre Interessen zu organisieren und um sich ihre Freude am Spiel nicht nehmen zu lassen. In Extremfällen kommt es immer häufiger sogar zu Fan-Neugründungen, ihrer an Großunternehmer verkauften Traditionsvereine. Beste Beispiele hierfür sind der FC United aus Manchester oder auch die Austria Salzburg, die in unteren Ligen neu einsteigen. Das Match um das schönste Spiel der Welt ist also noch lange nicht entschieden ...

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